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Bayern Rundfahrt 2003

Text: Hanna

Fotos: Lina & Hanna



3. Etappe Siegsdorf - Plattling ( 22.5.03 )

Eigentlich ist die Bayern-Rundfahrt ein nettes Rennen. Zu gerne erinnere ich mich an meine Erlebnisse im letzten Jahr, ganz besonders aber an den Tag, an dem Jörg Ludewig es für sinnvoll hielt, sich eine Papiertüte über den Kopf zu stülpen und "Quit playing games with my heart"

Zum Glück ist die Chance, dass Gasparre auch in diesem Jahr in Bayern aussteigen muss, gleich null. Sein DeNardi-Team geht gar nicht erst an den Start und Gasparre zeigt seinen Sprinterkollegen beim parallel stattfindenden Giro d´Italia, wie man auch bei einer Bergetappe in unkoordinierter Fahrweise den Berg hochwackeln kann.

Doch kommen wir zurück zur Bayern-Rundfahrt. Wie gesagt, eigentlich ist sie ganz nett. Abgesehen davon, dass sie halt in Bayern stattfindet. Was für Niedersachsen wie Lina und mich rund acht Stunden Fahrt bedeutet, um im weiß-blauen Freistaat der Lederhosen und Weißwürste zu landen.

Zum Glück fährt unser in Wolfsburg geborenes Fahrzeug mit den Buchstaben 22 und 23 des Alphabetes flott und zuverlässig nach Linas Anweisung in Richtung Plattling: "Einfach auf der A7 südlich bis wir zur Abfahrt auf die A3 kommen. Dann so lange weiter, bis wir fast aus Deutschland raus sind ... und dann sind wir da."



Wahre Liebe gibt es nur unter Männern: Part 1 = Jörg Ludewig + Ivan Quaranta

Trotz leichter Angst, dass wir in einen Weißwurst-Kampf zwischen Lederhosenträgern geraten könnten, verlassen wir die Autobahn und steuern unseren Zielort an. Erste Anzeichen von Zivilisation (Mc Donald´s) geben uns ein Gefühl von Sicherheit.

Blöderweise habe ich mein Handy zu Hause liegen lassen. Mir wird klar: Sollte Gasparre während meiner Zeit in Bayern eine Etappe gewinnen, wird mich keiner anrufen können, um mir dies zu sagen! Ich werde den größten Triumph meines Hochgebirgssprinters verpassen!

Tief deprimiert lasse ich mich zusammen mit Lina in einem Plattlinger Café nieder und gönne mir zum Trost ein paar Pommes. Ohne Rücksicht auf Verluste, ganz besonders aber ohne Rücksicht auf mich, verdrückt Lina Knoblauchsoße mit ein bisschen Döner drumherum.

Trotz der Knoblauchfahne, die in einem Umkreis von 1000 Metern um uns herum zu riechen sein muss, lassen sich die Rennfahrer nicht abschrecken und steuern Plattling rund 20 Minuten früher als geplant an. Leichte Hektik bei einigen Teambetreuern und ein goldgelockter, blau-weißer Kugelblitz fegt im Schweinsgalopp (*platsch* *platsch* *platsch*) an uns vorbei an die Strecke um Trinkflaschen anzureichen.

Der zuerst noch aussichtsreich in Führung liegende Thomas Ziegler (Wiesenhof) wird kurz vor dem Ziel vom Feld gestellt. Wahrscheinlich versagten ihm alle Kräfte, weil er auf dem Rundkurs zweimal an Lina und ihrem Knoblauch-Döner vorbei fahren musste.

Sieger des Massensprints wird der anscheinend gegen alle Gerüche resistente Massimo Strazzer (Phonak) vor Luca Paolini (Quick-Step) und Olaf Pollack (Gerolsteiner).

Direkt nach dem Zieleinlauf verlassen die Jungs von Crédit Agricole fluchtartig den Schauplatz: Innerhalb von einer Minute sind alle Fahrer in den Wagen, alle Räder auf den Dachgepäckträgern und nur Jens Voigt schreibt noch schnell ein Autogramm, springt ins Auto und weg sind die Franzosen... . Ob´s am Knoblauch-Geruch lag, lasse ich jetzt einfach mal dahin gestellt.

 

Ergebnis:

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Massimo Strazzer Phonak Hearing Systems

Luca Paolini Quick.Step-Davitamon

Olaf Pollack Gerolsteiner

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4. Etappe Plattling - Grafenau (23.05.03)

Theoretischer Ansatz des Tages:

Menschen mit der Gabe zur weisen Voraussicht melden sich in einem großen deutschen Radsportforum an, lernen dort unter anderem eine in Bayern wohnhafte Person kennen, verstehen sich ganz prächtig mit ihr und lassen sich dann zur Bayern-Rundfahrt von dieser Person in die elterliche, äußerst komfortabel ausgestattete Ferienwohnung einladen.

Und weil die bayrische Person nicht nur grandiose Ortskenntnisse besitzt sondern auch noch radsportbegeistert ist, quetscht sie sich zu zwei Niedersächsinnen ins Auto und zu dritt machen sich die Personen auf zum Start.

Dort angekommen erweitert sich die Dreiergruppe um eine weitere Person. Nein, keine der Damen hat eine Sturzgeburt. Selbst die wandelnde Knoblauchzehe nicht. Eine aus Berlin stammende Bayerin lässt es sich ebenfalls nicht nehmen, der Rundfahrt beizuwohnen.

Praktische Umsetzung:

Nach einer äußerst knoblauch-würzigen Nacht bei Michael (Spanni) brechen wir zu dritt nach Plattling zum Etappenstart auf, wo sich Christine (Cyclist) zu uns gesellt.

 



Shopping bei Saeco: Die haben nicht nur Kaffeemaschinen...

Wahre Liebe gibt es nur unter Männern: Part 2 = Ivan Quaranta + Giosuè Bonomi

Da der Start an einem Einkaufszentrum stattfindet, spiele ich mit dem Gedanken, mir einen Einkaufswagen zu besorgen und ordentlich zu shoppen. Bevorzugt beim Team Saeco, denn die haben Giosuè Bonomi dabei, der, egal ob objektiv betrachtet oder nicht, ein wahrlich anbetungswürdiger Anblick ist. Lina und ich spekulieren später darauf, ob ihm wohl das Lied "You´re unbelievable" von EMF gewidmet ist.

Als ich beim roten Saeco-Camper eintreffe, versuchen die Fahrer allerdings gerade, sich gegenseitig taub zu machen und dröhnen sich mit "Bohemian like you" voll. Da ich keine beschädigte bzw. halbtaube Bonomi-Ware kaufen möchte, mache ich auf dem Absatz kehrt und versuche es bei Crédit Agricole. Aber auch die Franzosen haben ihre Musikanlage für sich entdeckt und es schallt mir ein monotones Bumm-Bumm-Bumm entgegen. Techno zum Frühstück, Prostmahlzeit.

Unverständlicherweise, zumindest aus meiner Sicht, hat die CA-Teamleitung Yohann Charpenteau zu Hause gelassen. Daher fällt auch mein Shopping bei den Franzosen aus.

Dafür entdecke ich, wie man Chris Jenner ganz supiklassetoll am frühen Morgen ärgern und ihm so richtig den Tag vermiesen kann:

Man nehme eine handelsübliche Kamera, bevorzugt mit Blitz. Man schleiche sich an Monsieur Jenner heran, mit der guten Absicht, ein ordentliches Foto zu machen. Man mache dieses ordentliche Foto. Da Monsieur Jenner wegen des Blitzes gemerkt hat, dass er fotografiert wird, guckt er der Logik nach in Richtung der handelsüblichen Kamera. Als Person hinter der Kamera denke man sich nun: "Och, eins geht noch..." und halte Monsieur Jenner wieder die Kamera unter die Nase. Monsieur Jenner zeigt sich wiederum wenig verzückt und guckt auch dementsprechend. Man gebe ihm Hilfestellung und mache ihm ein vorbildliches Lächeln vor, welches von Monsieur Jenner mehr schlecht als recht imitiert wird. Man stelle fest, dass Monsieur Jenner einen Krümel an der Wange hat, den man auf keinen Fall mit auf dem Bild haben will. Man deute Monsieur Jenner an, dass er sich mal die Wange abwischen soll. Man stelle fest: Der Krümel ist ein Leberfleck. Gleichzeitig finde man Gefallen an diesem Spiel und deute Monsieur Jenner an, sich noch mal über die Wange zu wischen. Man wiederhole die Übung noch mal. Mittlerweile guckt Monsieur Jenner wieder genauso zerknautscht wie am Anfang. Man mache ihm also wieder das vorbildliche Lächeln vor. Man mache das Foto und lasse Monsieur Jenner in Frieden. Zumindest bis zum nächsten Tag, an dem man das Spiel von vorne beginne.



Auf Bierwegen zu Zabel´s Sieg

Ich erwähnte es schon: Eine ortskundige Person in Form von Michael dabei zu haben, ist von Vorteil, da er alle "Bierwege" der Region kennt. Sprich: Etwas Schlagloch-lastige Feldwege, die man auch noch bei 2,6 Promille fahren kann, da auf ihnen nie eine Polizeikontrolle steht. Wir sind zwar nicht betrunken (fahren aber trotzdem so), sondern benutzen die "Bierwege", um ordentlich abzukürzen und schnell erst zur Verpflegung und im Anschluß an die Bergwertung zu gelangen.

Bis ins Ziel kämpfen wir trotzdem mit mehreren Staus, doch zum Zieleinlauf der Königsetappe der Bayern-Rundfahrt sind wir rechtzeitig in Grafenau. Die Zielgerade selbst besteht aus einer fiesen Steigung, die ungefähr so steil ist, dass, wenn man am oberen Teil des Berges umfällt, man bis zum Fuße wieder herunter rollt. Da die Etappe selbst durch ähnliche Anstiege geprägt ist, rechnen wir mit allem, nur nicht mit einem Sieg von Erik Zabel. Trotzdem gewinnt der Telekom-Fahrer.

Sofort wird der Telekom-Bus von hunderten von Fans belagert und Zabel muss, um zur Siegerehrung zu gelangen, durch die Fahrertür des Busses krabbeln. Als Rattenschwanz zieht er "Erik! Erik!"-kreischende Grafenauer aller Altersklassen hinter sich her.

 

Ergebnis:

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Erik Zabel Team Telekom

Alexandre Usov Phonak Hearing Systems

Nicola Gavazzi Team Saeco

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Am Abend gönnen wir uns ein original bayrisches Volksfest in Michael´s Heimatort. Ich kann mich sofort für ein rosa-weiß kariertes Dirndl einer Musikantin begeistern, wenig später verliebe ich mich aber noch mehr in den original bayrischen Leberkäse der viel besser als bei uns im Norden schmeckt.

Nachdem der erste Lederhosen-Kulturschock im Bierzelt überwunden ist, konzentriere ich mich wieder auf das Wesentliche und entdecke, dass ein Kumpel von Michael eindeutig zu viel Ähnlichkeit mit Tom Boonen besitzt, um verschont zu werden. Kurzum hat er einen neuen Spitznamen, Michael liegt vor Lachen halb unterm Tisch und der neu getaufte bayrische Tom Boonen hat überhaupt keine Ahnung, wer oder was ein Tom Boonen ist.



5. Etappe Grafenau - Freystadt (24.05.03)

Klein, goldig, italienisch: Paolo Bettini

Profiradfahrer wissen nichts über Straßenverkehrsregeln. Die meisten Belgier auch nicht. Daher betrachte ich es als ungünstige Gegebenheit, dass die belgischen Profiradfahrer von Palmans-Collstrop eine große Kreuzung direkt vor ihrem Hotel haben, die sie überqueren müssen, um zum Start zu gelangen. Da sollten sich die Organisatoren der Rundfahrt vielleicht für´s nächste Jahr eine andere Lösung einfallen lassen, um die Beinahe-Unfälle des heutigen Morgens nicht noch einmal herauf zu beschwören. Oder sie veranstalten einen Einführungskurs: "Das Stopp-Schild" oder "Warum ich als Radfahrer bremsen sollte, wenn ein dicker Mercedes Vorfahrt hat.". Aber das nur als Anregung.

Wie an den vorangegangenen Tagen haben es sich die Teams auch heute nicht nehmen lassen, sich möglichst weit in der Gegend zu zerstreuen. Lina, Christine, Michael und ich passen uns an und verteilen uns ebenfalls in alle Himmelsrichtungen. Dabei entdecke ich eher unfreiwillig eine neue Methode, Paolo Bettini zum Lachen zu bringen: Man braucht sich nur so wie ich im Absperrband mit der Haarspange zu verheddern, sich beim Befreiungsversuch das Band gegen die Nase zu ploppen und schon kichert der Italiener vor sich hin. Naja, immerhin habe ich im Gegensatz zu ihm noch genug Haare auf dem Kopf, um eine Spange tragen zu können... .



Milchbubi, Mineralwasser, Massageöl

"Einer muß ja den Milchbubi geben" Patrick Sinkewitz

Auch heute darf Patrik Sinkewitz sein schickes Kuhflecken-"Die Milch macht´s"-Trikot des besten Nachwuchsfahrers durch die Gegend fahren. Hans-Michael Holczer, seines Zeichens Oberhäuptling der Gerolsteiner, kann sich genauso wie ich für Sinkewitz´ Trikot begeistern und kommentiert es mit "Na, einer muss ja den Milchbubi geben!". Vielleicht ist es aber auch nur ein Versuch, Sinkewitz einen moralischen Knacks zu versetzen. Denn immerhin liegt er auf Platz zwei in der Gesamtwertung direkt hinter Gerolsteiner´s Michael Rich.

 

Nachdem die Radler auf die Reise gegangen sind, verabschieden wir drei Mädels uns von Michael, der jetzt dringend den versäumten Schlaf der letzten durchgefeierten Nächte nachholen muss. Da wir nicht gerne allein sind und wieder von den Ortskenntnissen einheimischer Personen profitieren wollen, zwingen wir Friedrich (Zilpzalp) per Gedankenübertragung dazu, Christine auf ihrem Handy anzurufen und sich mit uns an der Verpflegung zu treffen.

Dort angekommen gesellen wir uns zu den Fakta-Betreuern Eric und Rudy und zum Phonak-Betreuer James. Ich melde mich freiwillig und lasse James seine Massagekünste an meinen Schultern vorführen - ein echter Grund, doch Profiradler zu werden. Wobei ich das Radfahren auslasse und gleich zur Massage übergehe, vorausgesetzt, mein Schulternkneter verwendet etwas weniger Massageöl und schmaddert mich nicht ganz so sehr damit voll.

Zur leichten Verwunderung der Fakta-Betreuer ("Nanu, was ist denn mit dem los?") hat sich ihr Schützling Bjarke Nielsen zusammen mit Crédit Agricole´s Stephane Augé und Jean Delatour´s Laurent Lefèvre vom Feld abgesetzt. Als Friedrich, sein Sohnemann (bekannt als "Findus" aus dem Tippspiel), Lina, Christine und ich wenig später an einer Bergwertung (die ihren Namen kaum verdient) stehen, liegen die drei noch immer vorne.

Auch im Zielort Freystadt hat sich das Bild des Rennen´s nicht verändert: Die drei Ausreißer fahren vor dem Feld. Im Sprint setzt sich Lefèvre vor Augé und Nielsen durch, und wenn das nicht schon Wettkampf genug für den Franzosen gewesen wäre, duelliert er sich beim Umziehen auch noch mit Patrik Sinkewitz in der Disziplin "Urwald-Wuchs auf der Brust". Wieder gewinnt Lefèvre. [Anmerkung der Redaktion: Das verwundert die Redaktion nicht sonderlich...]

 

Ergebnis:

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Laurent Lefevre Jean Delatour

Stéphane Auge Crédit Agricole

Bjarke Nielsen Team fakta

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"Fensterln" bei Erik Zabel

Nachdem die Siegerehrung beendet und alle Radler in ihre Hotels verschwunden sind, haben Lina, Christine und ich ausreichend Zeit für einen kleinen Abend-Imbiss. Ich wende mich wieder dem original-bayrischen Leberkäse zu, der aber in Freystadt nicht so gut schmeckt wie in Michael´s Heimat Röhrnbach. Vielleicht ist´s aber auch die Band, die auf dem um uns herum stattfindenden Stadtfest spielt, die mir den Appetit verdirbt. Denn ohne Rücksicht auf Verluste covern sie die aktuellen Charts rauf und runter. Selbst vor Liedern des "heiligen" Robbie Williams schrecken sie nicht zurück.

Gegenüber unseres Sitzplatzes befindet sich das Hotel, in dem unter anderem Telekom einquartiert wurde. Der eh schon von seinen Fans verfolgte Erik Zabel hat - das Schicksal wollte es so - ein Zimmer erwischt, das direkt auf den zuschauerüberströmten Festplatz reicht. Als er sein Fenster im zweiten Stock öffnet, versammeln sich jede Menge Magenta-Fans vor dem Hotel und "Fensterln" mit "Erik! Erik!"-Rufen. Er erhört sie jedoch nicht.



6. Etappe Freystadt - Höchstadt a.d. Aisch (25.05.03)

Die Fakta-Betreuer haben eindeutig zu viel Vertrauen zu mir. Denn sie übergeben das Allerheiligste ihres Teams in meine Obhut. Nein, nicht den Camper oder das Auto. Auch nicht die Räder oder die Fahrer. Ich bekomme zur Verwahrung den Massageöl-Koffer! Eine einmalige Chance, zur Diebin zu werden. Bis zu meinem Auto sind es gut 300 Meter. Die schaffe ich im Sprint, und wenn mich keiner mit dem Rad auf den 300 Metern verfolgt, stehen meine Chancen recht gut, dass ich den Koffer entführen kann. Vielleicht zahlen die Faktas sogar Lösegeld. Ich würde noch mehr Massageöl fordern... .

Letztendlich traue ich mich aber nicht. Ich will es mir ja auch nicht mit den Dänen verscherzen.



Verfolgungsjagd nach Erik Zabel

Erik Zabel: Hier mal ohne ihn verfolgnde Fans

Erik Zabel hat auch heute wieder keinen leichten Tag. Ansatzweise tut er mir sogar leid. Denn schon im Hotelfoyer steht ein Haufen Kinder und brüllt "Erik! Erik". Später, als noch immer nichts von ihm zu sehen ist, schreien sie mit mehr Nachdruck "Erik Zabel! Erik Zabel!". Spätestens jetzt weiß der Telekom-seit-gestern-auch-Bergziege-Sprinter, dass er gemeint ist.

Als er sich endlich aus dem Hotel traut, muss er sich bis zum Camper durch die Fanmassen wühlen. Um zur Einschreibung zu gelangen, wiederholt er das Spiel vom Vortag: Weil anderswo kein Durchkommen ist, klettert er durch die Fahrertür des Campers, um dann so schnell wie möglich zum Einschreiben zu fahren. Hinter ihm herlaufend zirka 20 Kinder, die "Eeeeeriiiikkk!! Auuuttoooggrrraaaahhhaaaammmmm!!" kreischen und erst von Security-Leuten an der Absperrung gestoppt werden.

Jens Voigt hat es hingegen leichter: Seine Hauptaufgabe besteht nicht darin, vor wilden Fans zu flüchten, sondern mit den Rundfahrt-Hostessen zu flirten. Für die vier um ihn gescharten Mädels kramt er seinen Mecklenburger Charme, wenn man das so nennen kann, heraus.

Der einzige, der am heutigen Morgen weder kreischende Fans noch Hostessen um sich hat, ist QuickStep´s Paolo Bettini. Einsam und verlassen sitzt er in einem Café. Nur ein Freund ist ihm noch geblieben: Ein Hammer. Weil der kleine Italiener sonst nichts zu tun hat, klopft er mit dem Baugerät auf seinem Helm herum. Den Sinn dieses Verhaltens muss man nicht verstehen, denke ich.



Offroad zur Verpflegung

Das Parken unseres Wagens an der Verpflegung gestaltet sich etwas schwierig: Die Vorgegebene Verpflegungszone besteht aus jeder Menge Abfahrten und einem einzigen, durch Leitplanken begrenzten Anstieg. Folglich quetschen sich alle Teamwagen in irgendwelche Seitenstraßen direkt in der Steigung.

Ich wähle eine immer-der-Nase-nach-Route über Feldwege und lande schließlich auf einem Parallelweg zur Hauptstraße hinter der Leitplanke direkt beim Phonak-Wagen. Betreuer James ist recht beeindruckt ("How the fuck did you get on that road?!") und auch ich muss eine kurze Selbstbeweihräucherung meines Orientierungssinnes einlegen.



Bergallergie

Sprinter mögen keine Berge. Die meisten Sprinter mögen auch keine Hügel. Vereinzelte Sprinter mögen sogar keine Brücken mit Steigung. Zu letzterer Sorte zählt Ivan Quaranta (Saeco). Nachdem erst eine Spitzengruppe und dann Verfolger Tjarko Kuppens (ComNet Senges) die Verpflegung hinter sich gebracht haben, kommt Quaranta zusammen mit dem Hauptfeld an die Essensausgabe. Und an die Brücke mit Steigung. Er beschließt, das Rennen vorzeitig zu beenden, sich die Fahrt auf den Hügel zu sparen und lieber zu seinen Betreuern in den Wagen zu steigen.

Das Feld selbst wird von einem Oktos-Fahrer angeführt. Vielleicht vor lauter Freude, weil er endlich mal ganz vorne fährt, rutscht ihm sein eben noch vorbildlich gefangener Verpflegungsbeutel aus der Hand und landet mitten auf der Straße. Großes Fluchen und Schimpfen hinter ihm im Feld, wobei "Verdammte Scheiße du Arsch" der am häufigsten gebrauchte Satz ist, um dem Oktos-Mann die Leviten zu lesen.

Wahrscheinlich wird er nie wieder vorne fahren wollen.

Positiv muss ich noch das Verhalten von Fakta´s Michael Reihs an der Verpflegung erwähnen: Nachdem er alle ekelhaften Sachen (Müsliriegel, Engergygels etc.) aus seinem Beutel heraus gesucht hat, wirft er mir den Rest (Kuchen und Honigwaffeln) vor die Füße. Wohl gemerkt VOR die Füße. Nicht AUF die Füße - das macht dafür einer aus der Quick-Step-Bande.



Tom Boonen´s Telefonnummer

Gesamtsieger Michael Rich

Das Ziel in Höchstadt a.d. Aisch befindet sich gerade noch so im Ort, 250 Meter hinter der Ziellinie steht das Ortsschild. Eigentlich keine gute Voraussetzung, um Zuschauer an die Rennstrecke zu ziehen. Trotzdem ist es brechend voll. Dabei gibt es gar nicht so viele Bier- und Bratwurst-Stände.

Ein Sturz des Feldes kurz hinter der Ziellinie bewegt den Großteil der Fahrer, schon mal die Duschen anzupeilen. Frisch gewaschen fangen mich Ivan Quaranta und Giosuè Bonomi ab, um ihre Zuneigung für einander auf einem Foto von mir festhalten zu lassen. Oder so ähnlich. Mangelnde Italienischkenntnisse meinerseits verhindern, dass ich auch nur ansatzweise verstehe, was mir die beiden Herren erzählen. Aber immerhin riechen sie gut.

Kaum bin ich die beiden Italiener wieder los, beschlagnahmt mich ein Quick.Step-Betreuer und will mir den Weg zu Telekom zeigen. Leider will ich gar nicht zu Telekom. "Du magst nicht Zabel?" fragt er verwirrt. Ich erkläre, dass ich andere Favoriten habe. "Aber alle Deutschen mögen Zabel!" entgegnet er entsetzt. Da ich sein Bild "Der typische deutsche Radsportfan" schon angeknackst habe, mache ich mich daran, es komplett zu revolutionieren und erkläre, dass ich Quick.Step viel besser als Telekom finde. Seine Kinnlade klappt auf den Bürgersteig. "Welche Fahrer magst du?" will er wissen. Ich zähle all meine Faves auf, die mir gerade in den Sinn kommen: Museeuw, Bettini, Paolini, Boonen... . "Aah, Tom!" quietscht der Betreuer, "Alle Frauen mögen Tom!". Aus einschlägigen optischen und fahrerischen Gründen kann ich ihm nur zustimmen. Er grinst mich an: "Ich habe seine Telefonnummer...", zückt sein Handy und zeigt mir den Eintrag "Tom Boonen" direkt über "Vandenbroucke". Die Vorwahl kann ich mir gerade noch merken und dann war da irgendwo noch eine 48 drin.... aber insgesamt gesehen scheitere ich kläglich daran, mir die ca. sechzehn Ziffern zu merken. Sollte jemand Erfahrungen im Bereich der Hypnose haben, bin ich gerne bereit, "zurück zu gehen" und tief in meinem Hirn nach der Nummer zu kramen.

Denn irgendwo in meinem Kopf steckt die Telefonnummer von Tom Boonen. Eine Vorstellung, die mir wirklich gut gefällt... .



Ergebnis:

 

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Johan Coenen Marlux-Wincor Nixdorf

Bert Grabsch Phonak Hearing Systems

Andrey Kashechkin Quick.Step-Davitamon

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Gesamtwertung:

Michael Rich Gerolsteiner

Sprintwertung:

Olaf Pollack Gerolsteiner

Bergwertung:

Malte Urban Nationalmannschaft Deutschland, Straße

Nachwuchswertung:

Patrik Sinkwitz Quick.Step Davitamon


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