Dennoch darf die nationale Komponente in diesem Sport nicht völlig vernachlässigt werden. Auch der Radsportkalender tut dieses nicht. Einmal jährlich findet die Weltmeisterschaft statt, und alle vier Jahre stehen olympische Spiele auf dem Programm. Für diese Anlässe werden Nationalmannschaften gebildet. Diese Veranstaltungen stellen für Aktive, Verantwortliche und sicherlich auch Fans Kuriositäten dar, weil dann Mannschaftskollegen gegeneinander arbeiten müssen bzw. ansonsten erbitterte Kontrahenten aufgrund ihrer gemeinsamen Staatsangehörigkeit an einem Strang ziehen müssen. Besonders die Italiener fallen diesbezüglich immer wieder auf, da ihnen das Festhalten an einer patriotischen Marschroute offenkundig schwer fällt. Dann kann es passieren, dass Bettini aus dem Feld attackiert, obwohl Di Luca der Spitzengruppe angehört.
Der nationale Faktor wird bei anderen Teams aufgrund anderer Aspekte bedeutsam. Solange eine Nation ein oder mehrere sportliche Aushängeschilder in seinen eigenen Reihen hat, lassen sich leichter Sponsoren rekrutieren. Von daher hängt ein Engagement von T-Mobile sicherlich vom Verweilen eines Jan Ullrichs in dieser Sportart ab. Ob der Bonner Rennstall auch Geld für eine Mannschaft zur Verfügung stellen wird, wenn der Leader Michael Rogers heißen sollte, steht in den Sternen...
Anders als bei CSC ist für das deutsche Team von höherer Bedeutung, dass der Sieger eines Wettbewerbs auch die „richtige“ Nationalität hat. Während bei den Dänen vorrangig der Erfolg zählt, wünscht man sich bei T-Mobile lieber auch einen deutschen Gewinner. Damit befindet sich das Team in guter Gesellschaft. Bei den Italienern und Spaniern ist diese Frage von ähnlicher Bedeutung. Man muss kritisch beobachten, wie sich der Radsport in den USA entwickelt, wenn nun die Ikone Armstrong nicht mehr dabei ist. Seine Mannschaft hat sich im Laufe der Jahre zu einer Truppe mit internationaler Zusammensetzung entwickelt, die in dieser Konstellation auch weiter Erfolge haben dürfte. Wie sich aber der Sponsor verhält und nicht zuletzt amerikanische Anhänger des Teams reagieren, wenn der Erfolg auf das Konto eines Radsportlers gehen sollte, der nicht unter dem „Stars und Stripes“-Banner fährt, muss abgewartet werden. Das Interesse der Öffentlichkeit wird wahrscheinlich abnehmen.
Deshalb setzen wir nun einmal die Brille eines patriotischen Fans auf:Wie fällt dessen Rückblick auf das Jahr 2005 aus?