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Astana - das Tour-Team 2009

von Quälekom



Das Team...

Was hat er vor?

Donnerstag, 4.6.2009, San Francisco Union Square. Touris shoppen, Manager telefonieren, Skater skaten, Rentner schlürfen. Die Frisur sitzt, man fühlt sich sicher. Doch dann, in der kühnen Hoffnung, zwischen Friscos Wolkendecke einen blauen Schimmer zu entdecken, geht der Blick gen Himmel. Entsetzen macht sich breit. „Hope rides again“ steht in großen Lettern über dem Gebäude eines großen amerikanischen Sportartikelherstellers. Das Gesicht darüber ist so vertraut wie beängstigend. Richtig, es ist @lancearmstrong.

 

So lautet zumindest sein Name bei Twitter, der neusten Propaganda 2.0-Plattform für Promis und welche, die es mal werden wollen. Klar, man kann ihn mögen. Er hat den Krebs besiegt, siebenmal eines der größten Sportereignisse der Welt gewonnen, seine eigene Wohltätigkeitsstiftung, er hört die Shins und Sufjan Stevens und er denkt, Bernard Hinault habe ein gewaltiges Rad ab. Kurz gesagt: Ein cooler Typ.

 

Doch für uns rational denkende Mitteleuropäer gibt es natürlich trotzdem noch genug Gründe, um dem medizinischen Wunder zu misstrauen. Da wäre zunächst der Weltverband UCI um ihren aberwitzigen Präsidenten Patrick McQuaid, der gern mal das eigene Regelwerk aufweicht, damit der alte Haudegen Armstrong seine Publicitytour pünktlich zum Jahresbeginn in Australien beginnen und zwischen den nervigen Rennen in Europa zur Abwechslung auch mal bei heimischen Popelrennen glänzen kann. Natürlich der EPO-Test von 1999, der leider zu spät positiv war um auch für die UCI positiv sein zu können.

 

Oder aber sein alter wie neuer Teammanager Johan Bruyneel, der es irgendwie geschafft hat, das eigentlich kasachisch geplante Team nach der Auflösung von Discovery Channel unter seine Zügel zu nehmen, um die Erfolgsstory um Armstrong in diesem weiterschreiben zu können. Kasachische Profis spielen bei Astana dieses Jahr überhaupt keine Rolle mehr und dem eigentlichen Star des Teams, Alberto Contador, hat man durch den Lance-Hype ein wenig die Show gestohlen. Das gefiel wohl auch den mysteriösen Bossen in Astana nicht so richtig, sodass der Start des Teams aufgrund von ausstehenden Zahlungen bis vor kurzem auf der Kippe stand. Aber selbst im Fall der Fälle hätte das belgisch-amerikanische Duo wohl einen Notfallplan bereit gehabt.

 

So werden wir 2009 eines der stärksten Teams aller Zeiten bei der Tour erleben. Sechs der neun Starter haben in der Vergangenheit bereits die Top10 geknackt, vier auf dem Podium gestanden und mit Armstrong und Contador sind immerhin zwei ehemalige Toursieger dabei. Sicher ist: Wenn alle diese Fahrer topfit am Start stehen, muss der Rest beten.

 



Die Kapitäne...

Alberto Contador

 

Contador und niemand anders muss als großer Favorit für das Rennen gelten. Nachdem man ihn im letzten Jahr als Titelverteidiger nicht fahren lassen wollte, gewann er als Ersatz eben den Giro und die Vuelta. Seit zwei Jahren hat ihn somit niemand mehr bei einer Grand Tour schlagen können und ist er nun einer von nur fünf Fahrern, die alle drei großen Rundfahrten für sich entscheiden konnten.

Auch in diesem Jahr lief es bisher zufriedenstellend für den Madrilenen. Bei Paris-Nizza im März war er schon der dominierende Akteur, bis ihn ein Hungerast den Sieg kostete. Dieses Missgeschick machte er einen Monat bei der Baskenland-Rundfahrt wieder wett, wo er die Konkurrenz bis zum Ende in Schach hielt. Sein Podiumsplatz bei der Dauphiné Libéré vor zwei Wochen lässt darauf schließen, dass er seine darauffolgende Rennpause nicht nur am Strand verbracht hat, spätestens der spanische Zeitfahrmeistertitel vor ein paar Tagen zeigt: „El Pistolero“ ist für die Tour gewappnet.

 

Gerade im Kampf gegen die Uhr erstaunt Contador immer wieder die Konkurrenz, selten ist ein so kleiner und schmächtiger Fahrer auch auf flachen Strecken so stark gewesen wie er. Am Berg ist gegen ihn in Topform sowieso kein Kraut gewachsen.

 

Die große Frage wird allerdings sein, ob Contador dieses Jahr überhaupt die ausreichende Unterstützung seines Teams bekommen wird. Benjamin Noval hatte sich nach seiner Nichtberücksichtigung im Touraufgebot beschwert, dass man seinem Freund Contador nicht den für einen Toursieger angemessenen Respekt zolle, würde man ihm nicht die Leute zur Seite stellen, die er haben möchte. Und glaubt man Jonathan Vaughters, so werden Blutbeutel von Armstrongs Teamkollegen ja auch gern mal die Toilette runtergespült. Möglicherweise wird sich das Team im Falle der Fälle auf einen anderen Mann konzentrieren:

 



Was hat er noch drauf? Top 10, Podium oder gar Sieg Nr. 8? Hier im Einsatz bei der Tour down under 2008...

Lance Armstrong

 

Spätestens nach seinem respektablen 12. Platz beim Giro nach gerade überstandenem Schlüsselbeinbruch ist der Texaner wieder im Kreis der Titelanwärter angekommen. Niemand kann sicher sagen, ob er mit seinen 37 Jahren noch Zeitfahren gewinnen, geschweige denn Fahrer wie Cadel Evans am Berg abhängen kann, doch dass er so nah wie am Anstieg zum Blockhaus an den besten Bergfahrern der Welt dran ist, hatten ihm viele nicht zugetraut. Und in einem ist er auch schon wieder ganz der Alte: Als Jörg Jaksche in den Medien verlauten ließ, dass der Toursieger 2009 mit Sicherheit gedopt sein werde, watschte Armstrong die Meldung im Twitter als „WTF? Pathetic“ ab. Die Form ist also da. Der Sommer kann heiß werden…

 



Der Ersatzkapitän...

Andreas Klöden

 

Jeden Tag warten alle darauf, dass auch bei ihm die große Dopingbombe platzt, bei den heimischen Medien ist er durch seine Freundschaft zu Jan Ullrich und seine offensichtliche Zugehörigkeit zum berüchtigten Rheinkonvoi eh schon unten durch. Das klingt deprimierend, aber der Sportler Klöden lässt sich seine Verunsicherung zumindest nicht anmerken. Nach wie vor gehört er zu den konstantesten Zeit- und Bergfahrern der Welt, auch dieses Jahr hat sich der zweimalige Tourzweite mit vorderen Platzierungen bei Tirreno-Adriatico (3.), der Luxemburg-Rundfahrt (2.) sowie der Tour de Suisse (4.) achtbar geschlagen.

Doch Kapitän bei einer großen Rundfahrt war er bei Astana nun schon lang nicht mehr und so wie es ausschaut, scheint sich daran auch dieses Jahr nichts zu ändern. Aus der Vergangenheit weiß man allerdings, dass ‚Hilde’ sich nicht scheut für die besseren, manchmal sogar für die schwächeren Teamkollegen zu arbeiten. In der entscheidenden Phase könnte Klöden für Contador oder Armstrong der Schlüssel zum Sieg sein. Vorausgesetzt, der große Skandal bleibt aus.

 



Die Edelhelfer...

Levi Leipheimer

 

In der Vergangenheit hat man beim Team Gerolsteiner auf unangenehme Fragen gern darauf verwiesen, dass der ihm nicht unähnlich sehende Leipheimer bei US Postal nie zum engeren Kreis von Lance Armstrong gezählt hatte. Mittlerweile fahren die beiden fast jedes Rennen zusammen, und beim Giro in diesem Jahr prahlte der Texaner täglich damit, Leipheimer zum Sieg führen zu wollen. Gereicht hat es nicht, er wurde am Ende nur Sechster. Doch bei der Tour darf sich Armstrong nun der Unterstützung Leipheimers sicher sein. Ein absoluter Luxus, schloss der Amerikaner letztes Jahr immerhin die Vuelta als Zweiter ab und landete 2007 selbst noch auf dem Podium der Tour. Ob er allerdings in der Form seines starken Frühjahrs zur Tour reisen wird, ist stark zu bezweifeln.

 

Haimar Zubeldia

 

Vor seinem Wechsel zu Astana war Zubeldia einer der Kapitäne des Euskaltel-Teams, dreimal konnte er die Tour schon unter den ersten Zehn beenden, zuletzt vor zwei Jahren als Fünfter. Auch 2003, beim wohl bekanntesten Tourduell zwischen Jan Ullrich und Armstrong, war Zubeldia einer der großen Nebendarsteller. Doch nachdem die Tour im letzten Jahr enttäuschend verlief, suchte sich der Baske für diese Saison eine neue Herausforderung. Auch für ihn ist die Tour wieder der Höhepunkt des Jahres, seine Form steigerte sich zuletzt kontinuierlich. Bei der Katalonien-Rundfahrt und der Mont Ventoux – Generalprobe im Rahmen der Dauphiné belegte er jeweils Platz 3. Erwischt er in den Bergen einen guten Tag, kann auch er am Schlussanstieg der letzte Mann für Contador oder Armstrong sein.

 

Yaroslav Popovych

 

Popovychs Entwicklung in den letzten Jahren lässt sich sehr gut auf der Statistikseite cqranking.com nachvollziehen. Seit dem Jahr 2003, als der Ukrainer mit seinem dritten Platz beim Giro auf sich aufmerksam machte, sammelte er in jedem darauffolgenden Jahr weniger Punkte. Gerade letztes Jahr, als Silence-Lotto ihn als wichtigsten Helfer für Cadel Evans verpflichtete, wuchs er nur selten über die Rolle als besserer Wasserträger hinaus. Nun ist er nach seiner Rückkehr zum Team von Bruyneel nur noch das fünfte, vielleicht sogar das sechste Rad am Wagen. Dennoch könnte er ganz wichtig werden. Im Gegensatz zu Zubeldia ist er praktisch auf allen Terrains eine echte Verstärkung, sowohl am Berg, als auch im Flachen und beim Mannschaftszeitfahren. Wie Armstrong bestritt er in diesem Jahr bereits den Giro und beendete ihn nur 16 Sekunden hinter ihm auf Rang 15.

 



Die Wasserträger...

Der einzige Kasasche im Team: Dmitriy Muravyev

Dmitriy Muravyev

 

Also doch noch ein Quotenkasache. Gut möglich, dass der Sponsor bei der Zahlung seiner überfälligen Gehälter seinen Einsatz gefordert hat, nachdem man bei den Stars des Teams keinen Mann aus ihrem Heimatland mehr findet. Bruyneel lobte bei der Onlinepräsentation des Teams ausdrücklich den Arbeitseifer, den Muravyev im letzten Jahr beim Vueltasieg Contadors an den Tag legte. Der große Unbekannte des Teams ist wie Rast vor allem ein Spezialist für flachere und leicht hügelige Eintagesrennen im Frühjahr. Die größte Leistung seiner Karriere dürfte der achte Platz bei der Flandern-Rundfahrt vor zwei Jahren sein. 2009 wird er seine erste Tour bestreiten.

 

Grégory Rast

 

Der Schweizer Kraftprotz Rast bestreitet in diesem Jahr erst sein zweite Tour de France, ist im Team aber dennoch der wichtigste Helfer im flacheren Terrain. Mit einem der breitesten Kreuze innerhalb des Pelotons wird auf ihn viel Arbeit zukommen, wenn es gilt, die Kapitäne des Teams in gefährlichen Sprintfinals aus brenzligen Situationen herauszuhalten oder wenn im Teamzeitfahren gebolzt werden muss. Aber auch wenn die Straße für eine kurze Zeit ansteigt, ist der zweimalige Meister seines Landes normalerweise nicht einer der Ersten, die abreißen lassen müssen. Seine Saisonhighlights umfassen einen spektakulären Sturz beim Sprint um den dritten Platz der Flandern-Rundfahrt, das Tragen des Leadertrikots bei der Tour de Romandie und der Gewinn des Prologs der Luxemburg-Rundfahrt.

 

Sergio Paulinho

 

Da Alberto Contador seinen Kumpel und Mitverdächtigen der Operacion Puerto um Dr. Fuentes unbedingt bei der Tour dabei haben will, muss der starke Amerikaner Chris Horner zu Hause bleiben. In der Öffentlichkeit gibt man sich im Hause Astana bei diesem Thema zwar keine Blöße, zwischen den Zeilen kann man aber herauslesen, dass diese personelle Maßnahme im Team für reichlich Zündstoff gesorgt hat. Nicht, weil Horner beim Thema Doping unverdächtiger ist. Nein, er galt nur in der Heimat von Lance und Levi bisher als gesetzt, auch nach seinem schweren Sturz beim diesjährigen Giro noch.

Ein schlechter Helfer wird der Portugiese deshalb noch lange nicht sein. Der ehemalige Olympia-Zweite unterstütze Contador schon bei seinem Toursieg 2007 und dem Vueltagewinn im letzten Jahr und ist ein ordentlicher Bergfahrer mit soliden Zeitfahrqualitäten.

 



 

für alle Fotos gilt: &copy www.cycling4fans.de bzw. des jeweiligen Fotografen (fotografiert von Maniroller und quälekom)


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