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Vorschau Paris-Nizza 2007

Text von Perry, März 2007
&copy Fotos: * velo-photos.com, ** Capture-The-Peloton







 

Das seit 1933 meistens im Frühjahr ausgetragene Rennen wird auch dieses Jahr ein Highlight im europäischen Rennkalender darstellen. Nichts Besonderes? Doch, denn lange war es nicht gut ums „Rennen in die Sonne“ gestellt. Das prestigeträchtige Etappenrennen wurde nämlich Opfer des Streits um die Pro Tour.



ASO VS UCI

Lange war unklar in welcher Form Paris-Nizza dieses Jahr stattfinden wird. Wenn man den Verlauf dieses Streits betrachtet, fühlt man sich unweigerlich an kleine Kinder, die im Sandkasten miteinander zanken erinnert. Die Entstehung der ganzen Situation reicht wohl schon bis zu den ersten Planungen der ProTour zurück. Nie waren sich die Bosse der UCI und die der Veranstalter der großen Rundfahrten einig. ASO (Tour de France ), Unipublic ( Vuelta ) und RCS ( Giro d’Italia ) hatten immer wieder neue Argumente gegen die Neueingeführte Rennserie in der Hand. Und so kam es, dass die ASO beschloss den Status von Paris-Nizza zu ändern. Ab jetzt sollte es sich um ein freies nationales Event handeln, ohne die lästigen Pflichten der ProTour.

Die Antwort des Weltradsportverbands folgte prombt. Man forderte die ProTour-Teams auf das Rennen zu boykotieren. Als hätte der moderne Radsport nicht genug andere Sorgen, begann jetzt ein trauriges, aber für Leute mit schwarzem Humor auch amüsantes Katz und Maus Spiel zwischen den beiden Parteien.

 

Nach ein paar Tagen entschloss sich die ASO zu einem erneuten Schlag: „Wer nicht an Paris-Nizza teilnimmt, der wird auch nicht an der Tour de France teilnehmen.“ Allerdings wurden die Fahrer auf diesem Jahrmarkt der Dummheiten völlig ignoriert, obwohl sie das eigentliche Herzstück des Radsports darstellen. Dabei wollen sie doch einfach nur Rennen fahren. Es lief bis Anfang dieser Woche auf einen großen Crash hinaus, doch am Montag kam es zum lange erwarteten und von vielen auch erhofften Friedensgipfel. Es wurde ( mal wieder ) eine Übergangslösung gefunden. Für Paris-Nizza bedeutet das im Klartext: Alle ProTour-Mannschaften mit Ausnahme von Unibet sind dabei. Astana wurde zwar nicht automatisch eingeladen, hat aber eine Wildcard erhalten. Genauso wie Agritubel, die damit das einzige Continental-Team sind. Außerdem gehört das Rennen mehr oder weniger der ProTour an.

 

Wie genau sich das äußern wird, ist noch unklar und man muss abwarten, ob es am Ende der Rundfahrt eine Siegerehrung für den Führenden der ProTour gibt. Zu wünschen wäre es ihm und zu wünschen wäre es auch dem Radsport, dass solche Machtkämpfe langsam ein Ende haben und dass man sich endlich auf das Wesentliche konzentriert. Was das ist, muss man aber erst einmal definieren.



Das Rennen im neuen Jahrtausend:

So, genug Politik, jetzt endlich Sport:

 



Vinokourov *
Julich *
Landis **

Mit seinem hügeligen Charakter, den extremen Anforderungen ( nicht zuletzt bedingt durch erhebliche Wetterkapriolen ) und seinem guten Starterfeld stand Paris-Nizza auch in den letzten Jahren immer für hochklassigen Radsport. Die Fahrer kommen aus ganz unterschiedlichen Motiven zum Rennen. Ein paar wollen einfach Form für andere Rennen, wie zum Beispiel Mailand-San Remo oder die Frühjahrs-Klassiker in Belgien und Frankeich sammeln. Andere (hauptsächlich Franzosen) sehen das Rennen, als eines der absoluten Saisonhighlights. Sie fahren offensiv und aggressiv in Fluchtgruppen, damit der Sponsor zufrieden gestellt wird und die Teams versuchen ihre Topfahrer weit vorne in der Gesamtwertung zu platzieren. Bleiben noch die Fahrer, die mit dem Ziel ins Rennen gehen, Kilometer zu sammeln und von Zeit zu Zeit auch mal die Nase in den Wind zu stecken.

 

Und wer die Siegerliste betrachtet wird feststellen, dass vor allem in den letzen Jahren häufig Sieger von Paris-Nizza aus diesen oder jenen Gründen auch eine gute Tour de France abgeliefert haben. So zum Beispiel Alexandre Vinokourov ( 2003, Sieger von Paris-Nizza, Podium bei der Tour de France ), Bobby Julich ( 2005, 17. bei der großen Schleife ) und zuletzt natürlich Vorjahresgewinner Floyd Landis. Dies zeigt, dass man dieses Rennen nicht im Vorbeigehen gewinnen kann. Nur Rundfahrtspezialisten wird heute der Sieg bei Paris-Nizza zugetraut. Die Frage ist lediglich: Welcher der Spezialisten hat zu diesem frühen Zeitpunkt schon die nötige Form?

Für einen Lance Armstrong beispielsweise kam das Rennen regelmäßig zu früh. So vermied er meistens den Start bei diesem Rennen und 2005 stand er zwar an der Startlinie, stieg aber nicht zuletzt wegen des miserablen Wetters aus. Anders sieht es bei den Sprintern aus. Sie fahren sowieso viel lieber bei Tirreno-Adriatico, das fast parallel stattfindende Rennen derselben Kategorie. Wieso dem so ist, ist schwer zu sagen, denn vor allem in den letzten Jahren bewegten sich beide Rennen doch auf einem ähnlichen Schwierigkeitsgrad, was die Streckenführung anbelangte. Allerdings muss man zugeben, dass in Italien im Durchschnitt doch mehr Sprintankünfte sind und diese entsprechen mit ihren anspruchsvollen Profilen auch eher dem Finale des Klassikers Mailand-San Remo, den eigentlich alle Sprinter zu diesem Saisonzeitpunkt fest im Blick haben.

 



Die Favoriten:

Wer die zweifelhafte Ehre hat, Nachfolger von Floyd Landis, als Sieger von Paris-Nizza zu werden, ist aus den vorher genannten Gründen schwer vorherzusagen. Dennoch wollen wir einen kleinen Blick auf die Topfahrer und ihre Ziele werfen:



Die Franzosen:

Vöckler *
Fedrigo **
Casar *
 

Beim Gastgeberland ist zunächst einmal Cryil Dessel zu nennen. Letztes Jahr gewann er die Mittelmeer-Rundfahrt, welche ein sehr ähnliches Profil hat und legte bei der Tour de France einen überraschenden 7. Platz hin. Bei Paris-Nizza selbst dagegen wurde er „nur“ 18. . Dieses Jahr ist er noch nicht besonders in Erscheinung getreten und auch seinen Vorjahrestriumph bei der Mittelmeer-Rundfahrt konnte er nicht wiederholen, weswegen man gespannt sein darf, was der kämpferische Fahrer bieten wird.

 

Ein anderes geliebtes Kind der Franzosen ist Thomas Voeckler von Bouygues Telecom. Die ganz großen Erfolge blieben seit seiner heroischen Tour 2004 aus, aber dieses Jahr zeigte er sowohl bei der Valencia-Rundfahrt, als auch bei der Tour de Haut Var schon, dass mit ihm zu rechnen sein wird. Zumal im diesjährigen Parcours kein längeres Zeitfahren auf dem Plan steht.

 

Sein Teamkollege Pierrick Fedrigo konnte ebenso wie Voeckler dieses Jahr schon Form nachweisen. Allerdings ist der Etappensieger der Tour de France 2006 noch nie groß in Erscheinung getreten bei Paris-Nizza.

 

Als letzter Franzose ist noch Sandy Casar von Francaise de Jeux zu beachten. Auch ihm kommt das Profil der Etappen entgegen und er hat schon bewiesen, dass der bei diesem Rennen ganz vorne mitfahren kann.



Die Spanier ( also Basken, Andalusier, Katalanen,…)

Samuel Sanchez **

Zuviel haben sie in Spanien ja nicht am Hut mit diesen ganzen Frühjahrsrennen bei schlechtem Wetter. Der letzte spanische Sieger war ( wie könnte es anders sein ) Miguel Indurain im Jahre 1990. Dieses Jahr können sich zwei Fahrer von der iberischen Halbinsel besonders hohe Chancen ausrechnen, um den Sieg mitzufahren. Letztes Jahr fuhren sie noch im selben Team. Die Rede ist von Alberto Contador (Discovery Channel) und Luis Leon Sanchez (Caisse D’Epargne). Letztgenannter ist bisher ein tolles Frühjahr gefahren und hat sich letztes Jahr schon vorne gezeigt bei Paris-Nizza. Dagegen ist Alberto Contador aufgrund seiner Verwicklung in den Dopingskandal sehr umstritten. Zu Beginn des Jahres verpflichtete ihn Discovery Channel unter Stirnrunzeln vieler Teams und Funktionäre. Unbestritten dagegen ist sein außergewöhnliches Talent im Zeitfahren und in den Bergen.

 

Die Basken von Euskaltel werden mal wieder voll auf ihren Star Samuel Sanchez vertrauen. Schon im letzten Jahr holte er ein ums andere Mal die Kohlen aus dem Feuer und seine Abfahrtskünste sind im ganzen Feld gefürchtet.

 

Interessant wird auch sein, wie sich Iban Mayo bei seinem ersten großen Rennen in den Farben seines neuen Teams Saunier Duval präsentiert. Zuletzt kann man sich auch noch auf den einen oder anderen Angriff von Fahrern wie Joaquim Rodriguez, Vicente Garcia Acosta oder auch Juan Antonio Flecha freuen.



Und wir? Deutschland und seine Teams:

Gerolsteiner, Milram und T-Mobile nehmen natürlich auch Teil. T-Mobile, die bis hierhin bisher eine ansprechende Saison gefahren sind, wird mit Kapitän Patrik Sinkewitz ins Rennen gehen. Er wird sich langsam ins Rennen hineinfahren müssen und vielleicht bei ein paar Etappen mal etwas versuchen. Ansonsten wird die ehemalige Mannschaft von Jan Ullrich wieder versuchen mit offensiver Fahrweise zu begeistern.



Haussler *
Sieberg
*
Siedler *
 

Gerolsteiner schickt den Klassikerspezialisten Davide Rebellin ins Rennen. Dieser hat zuletzt beim GP Chiasso gezeigt, dass er noch lange nicht zu alt ist für große Erfolge. Dennoch dürfte auch er sich noch im Formaufbau befinden. Freuen darf man sich auf die Einsätze der beiden großen Talente Heinrich Haussler und Bernhard Kohl.

 

Bleibt noch Milram. Auf dem Papier mag vielleicht Igor Astarloa Kapitän sein, aber wenn Marcel Sieberg seine letzten Leistungen bestätigen kann, dann wird er ein gehöriges Wörtchen mitsprechen können in den Sprintentscheidungen. Auch Sebastian Siedler ist so was zuzutrauen. Sie werden sowieso relative Narrenfreiheit haben, denn bei Milram sieht man eher nach Italien, wie sich das Duo Zabel-Petacchi bei Tirreno-Adriatico schlägt. Man kann den Jungs nur wünschen, dass sie den Superstars aus dem eigenen Team die Show stehlen.



BeNeLux-Power:

Boonen *

Mit einigen Ambitionen werden die Fahrer aus Belgien, den Niederlanden und Luxemburg an den Start gehen. Superstar Tom Boonen wird bei den Sprints der Mann sein, den es zu schlagen gilt. Sein Team ist auch diesmal wieder auf ihn ausgerichtet und sein neuer Anfahrer, der nicht selten mindestens genauso stark wirkt, wie der Kapitän selbst, Gert Steegmans wird wieder dafür sorgen, dass es extrem schwierig wird den Weltmeister von 2005 zu schlagen.

Im extrem stark besetzten Discovery Channel Team wird auch wieder mit Stijn Devolder zu rechnen sein. Gegen Ende der letzten Saison blühte der Belgier geradezu auf und fuhr mehrere gute Ergebnisse ein.



Gilbert *

Predictor-Lotto wird Cadel Evans anführen. Der Australier darf auf ein starkes Team, das sehr auf die Berge ausgerichtet zu sein scheint zählen. Bleibt noch Philippe Gilbert. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn er es nicht wenigstens einmal mit einer Attacke probieren würde.

 

Niederländer bei Paris-Nizza? Es gibt erfolgreichere Geschichten. Nichtsdestotrotz schickt Rabobank 2007 eine junge Mannschaft zu, denen aber absolut ein tolles Ergebnis zuzutrauen ist. Posthuma, Reus, Weening, Veneberg, Moerenhout, Flecha, Haymann, Löwik und Wielinga. Man kann schon was erwarten von diesem Arsenal London des Radsports. Karsten Kroon wird sich bei CSC wohl mit der Helferrolle zufrieden geben müssen. Der Luxemburger Fränck Schleck ist laut Teamboss Riis der Kapitän. Der Klassikerspezialist hat spätestens letztes Jahr bei seinem Triumph bei der Tour in L’Alpe D’Huez gezeigt, dass er auch bei Rundfahrten die ganz Großen schlagen kann.



Und sonst?

Der einzige Fahrer, der am Start ist und dieses Rennen schon einmal gewinnen konnte, ist Bobby Julich. Er wird neben Schleck die zweite Speerspitze bei CSC geben und ist mit seiner Erfahrung natürlich immer ein Favorit. Tom Danielson und Levy Leipheimer komplettieren das amerikanische Favoriten-Trio.

 

Lampre schickt den Vorjahres-Zweiten Patxi Vila ins Rennen, doch der eigentliche Kaptän dürfte Tadej Valjavec sein, der sich dieses Jahr bisher in einer sehr guten Verfassung präsentierte. Außerdem wird der neue Stern am italienischen Sprinthimmel Daniele Bennati versuchen nach Petacchi nun auch Boonen zu schlagen. Das Potenzial dazu hat er auf jeden Fall.



Fazit:

Wie unschwer zu merken ist, kann man wirklich kaum vorhersagen, wer das Rennen gewinnt. Zu viele Topfahrer in zu unberechenbarer Form. Doch genau das macht dieses Rennen aus. Vielleicht erwartet uns auch wieder ein Windkantenfahren von CSC oder nicht so tolle Fahrerstreiks, die aufgrund der aktuellen Situation durchaus verständlich wären. Heutzutage ist man als Radsportfan extrem abgehärtet, deswegen kann man über vieles hinwegsehen. Hoffen wir, dass uns Paris-Nizza 2007 nicht weiter auf die Probe stellt. Also freuen wir uns doch einfach auf ein tolles Rennen



von Perry, März 2007


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