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Vorschau Flandern-Rundfahrt 2007





Text: Perry, April 2007, Fotos: * Mani Wollner, ** velo-photos.com

 



Immer wieder ein Highlight im Rennkalender und immer wieder hält dieses Rennen sein Versprechen: Die Flandern Rundfahrt oder in der Landessprache die Ronde van Vlaanderen. Ein radsportliches Großereignis, über das schon ganze Romane geschrieben worden sind. Ein unberührtes Stück Traumlandschaft, in der von Kratern durchzogenen Radsportwelt.

 



Topographie und damit verbundene Highlights

Den besonderen Reiz des Eintagesrennen werden auch dieses Jahr die zahlreichen „Hellingen“ ausmachen. Diese kurzen, engen, steilen und zum Teil von Kopfsteinpflaster durchzogenen Anstiege sorgen nicht nur im Rennen für die Entscheidung, sondern sind auch der Zuschauermagnet schlechthin. Unzählige Fans aus aller Welt feuern ihre Helden an und schieben auch kräftig an, wenn mal wieder ein Fahrer fast zum stehen kommt. Interessant zu beobachten, ist der Kampf um die vorderen Plätze unmittelbar vor einem solchen „Helling“. Ein regelrechter Sprint entwickelt sich und nur mit Klasse und Erfahrung kann man sich gut positionieren.



Der außergewöhnliche Koppenberg ist dieses Jahr nicht unter den 18 Anstiegen. Letztes Jahr konnte Tom Boonen mit einer grandiosen Attacke dort für eine Vorentscheidung sorgen. Allerdings profitierte er davon, dass fast der komplette Rest schieben musste, weil die Straße so eng und steil war. Deswegen ist es absolut verständlich, dass die Veranstalter den Anstieg für dieses Jahr aus dem Programm gestrichen haben.

 

Die Flandern-Rundfahrt ist für Favoriten auch ein 130km langes Versteckspiel. Denn erst dann geht es in den ersten Hügel und erst dann sollte man sich vorne zeigen. Kraft sparen heißt die Devise bis zu diesem Punkt, denn Kraft braucht man bis zum allerletzten Meter. Bei Kilometer 134 genau erreicht das Feld den Molenberg. Ihm folgen der Wolvenberg, Kluisberg, Knokteberg, der berühmte Oude Kwaremont, der Paterberg, Kortekeer, Steenbekdries, Taaienberg, Eikenberg, Boigneberg, Leberg, Berendries, Valkenberg, Tenbosse, Eikenmolen, die Muur von Geraadsbergen und schließlich der Bosberg. Zu jedem dieser Anstiege gäbe es unzählige Anekdoten zu erzählen, doch wir wollen uns auf die Geschichten konzentrieren, die sie dieses Jahr schreiben könnten.

 



Das Maß aller Dinge

2007 wird sich, wie schon 2006 alles auf Belgiens Superstar Tom Boonen konzentrieren. Die letzten beiden Austragungen der Ronde konnte er gewinnen und wenn er den Hattrick schafft, schließ er zu Radsportgrößen, wie Achiel Buysse, Fiorenzo Magni, Eric Leman und Johan Museeuw auf, wobei dreimal hintereinander nur Magni gewinnen konnte.



Boonen kommen vor allem seine Variationsmöglichkeiten zu Gute. So hat er mit Quickstep ein herausragendes Team: Weltmeister und Olympiasieger Paolo Bettini und der zweimalige Gewinner der Flandern-Rundfahrt Peter van Petegem sind hier besonders zu nennen. Außerdem ist Boonen unbestritten einer der besten Sprinter der Welt und zudem kann er mit seiner gewaltigen Kraft auch weit vor dem Ziel attackieren und alleine oder in einer Gruppe das Ziel zu erreichen. Dieses Jahr befindet sich „Tornado-Tom“ bereits in einer außerordentlich guten Verfassung, wie er bei seinen Siegen bei Quer durch Flandern, Kuurne-Brüssel-Kuurne und dem E3-Preis unter Beweis gestellt hat. Die Frage wird sein, ob Boonen mit dem immensen Druck zu Recht kommt. Oft hat er diese Fähigkeit schon unter Beweis gestellt, aber der Druck auf ihn ist nicht geringer geworden. Und ein Paolo Bettini, der sich möglicherweise auch eigene Chancen ausrechnet, kann auch zum unliebsamen Störfaktor werden. Schließlich liegt es aber doch an Tom Boonen’s Konkurrenz, die ihn ähnlich fordern muss, wie beispielsweise letztes Jahr bei Paris-Roubaix, als Cancellara gewinnen konnte. Wer kommt in Frage für diese



Allianz gegen Boonen?

Ein großes Fragezeichen steht hinter der Form vom einzigen Fahrer, der letztes Jahr bis zum Zielstrich Boonen folgen konnte: Leif Hoste, der dieses Jahr für Predictor-Lotto am Start steht. Diese Saison waren seine Leistungen bisher durchweg enttäuschend und es scheint so, als ob der der Belgier 2007 nichts mit dem Ausgang der Flandern-Rundfahrt zu tun haben wird. Der Rest seines Teams besteht zwar aus durchweg ordentlichen und talentierten Fahrern für diese Art Rennen, aber normalerweise kann keiner der Fahrer Boonen ernsthaft gefährden.

 



Nick Nuyens **

Bei Paris-Roubaix hat Boonen in ihm seinen Meister gefunden ( zumindest vorläufig ): Fabian Cancellara, der Schweizer in Diensten von Team CSC. Die Form ist vorhanden, wie er spätestens bei seinem zweiten Platz beim E3-Preis zeigen konnte, allerdings bleibt die Frage, ob der Weltmeister im Einzelzeitfahren nicht etwas zu viel Masse für die steilen Anstiege mitbringt. Die nötige Kraft bringt er auf jeden Fall mit und auch seine Mannschaft ist äußerst stark besetzt: Ob O’Grady, Ljungqvist, Kroon, Johansen, Breschel oder Michalesen. Jeder stellt eine ganz eigene Gefahr dar und man darf gespannt sein, welche Raffinessen sich Taktikfuchs Bjarne Riis diesmal ausgedacht hat.

 

Ein Rebell aus dem belgischen Lager, dem man aufgrund seiner intelligenten Fahrweise schon den Spitznamen „Professor“ gegeben hat: Nick Nuyens, der Sieger von Kuurne-Brüssel-Kuurne 2006. Seit dieser Saison fährt er nicht mehr mit Boonen in einem Team, sondern für den französischen Rennstall Cofidis. Bei der Flandern-Rundfahrt konnte er noch nie ganz vorne landen (letztes Jahr auf Platz 17), doch man muss bedenken, dass sich Nuyens in einer konstanten Entwicklung befindet. Das Rennen an sich liegt ihm auf jeden Fall und man darf auf seine Vorstellung gespannt sein.

 

Ein weiterer Belgier, der schon bald die Klassiker des Frühjahrs, sowohl auf Kopfsteinpflaster, als auch in den Ardennen prägen könnte, ist Philippe Gilbert. Er ist ein stets aggressiver Fahrer, der mit seiner kraftvollen Fahrweise auch bei der Ronde weit vorne landen kann. Einzig scheint ihm noch ein wenig Rennintelligenz fehlen, doch sollte er ein großes Rennen gewinnen, wird dieser Vorwurf auch wie weggeblasen sein.



In den radsportverrückten Kreisen, die es in Deutschland immer noch gibt, ist er momentan das große Thema: Marcus „Burgi“ Burghardt. Mancher spricht sogar von einem epischen Duell zwischen dem jungen Deutschen und Tom Boonen. In der Tat ist die Entwicklung von Burghardt während der letzten Jahre unglaublich konstant gewesen und wer ihn dieses Jahr beim E3-Preis erlebt hat, weiß um seine Stärken. Wenn Burghardt ein erfolgreiches Rennen abliefert, könnte ein regelrechter Hype um seine Person entstehen. Eigentlich gibt es diesen Hype jetzt schon. (wie in unserem Forum deutlich wird) Dennoch sollte man Geduld haben und keine zu großen Erwartungen an den 23jährigen setzen. Ein Sieg im Sprint würde schon reichen. Die Soloflucht kann er sich ja für nächstes Jahr aufheben. Allerdings ist er nicht die einzige Speerspitze von T-Mobile. Neben ihm könnte auch noch der Luxemburger Kim Kirchen für Furore sorgen. Zwar liegen ihm die Ardennen-Klassiker wohl etwas mehr, doch er befindet sich in einer außerordentlich starken Verfassung und die giftigen Anstiege in Flandern kommen dem Leichtgewicht entgegen. Ebenfalls interessant wird zu beobachten sein, wie sich Andreas Klier nach seinem Sturz vor ein paar Tagen im Training erholt hat. Bei der Flandern-Rundfahrt hat er jedenfalls schon des Öfteren überzeugt. Bleibt zu hoffen, dass T-Mobile diese taktischen Variationsmöglichkeiten nutzt.



Die andere deutsche Mannschaft Gerolsteiner schickt, wie der 28. der Ronde 2005 sagen würde, viele Häuptlinge ( die nebenbei bemerkt auch noch Indianer sein könnten ), aber keinen Indianer ins Rennen. Fabian Wegmann, David Kopp und Heinrich Haussler sind zumindest ordentliche Ergebnisse und vielleicht die ein oder andere überraschende Attacke zuzutrauen.

 



der Aufsteiger des Jahres:
Alessandro Ballan **

Auf keinen Fall sollte man einen der Aufsteiger des Jahres 2006 vergessen: Alessandro Ballan, der Italiener für Lampre-Fondital. Seine Form scheint noch nicht so gut zu sein, wie letztes Jahr zur selben Zeit, doch bis zum Wochenende könnte er dennoch in Topform sein, wenn man seinen aufsteigenden Ast seit Tirreno-Adriatico bis zu seinem Erfolg bei den drei Tagen von de Panne betrachtet. Noch fehlen ihm die großen Siege in seiner Vita, obwohl er schon zahlreiche Top-Platzierungen einfahren konnte. Von Vorteil könnte auch seine große Endschnelligkeit sein, wobei ihm Boonen auch hier noch einiges voraushat.

 



Eines der stärksten Teams neben Quickstep ist auf dem Papier sicherlich Liquigas. Neben Neuzugang Philippo Pozzato, der im Frühjahr schon Het Volk und Haut Var gewinnen konnte und ebenfalls ein ehemaliger Teamkollege von Boonen ist, sind Petito, Paolini und Quinziato zu beachten. Doch auch bei Mailand-SanRemo ging man mit einer ähnlich stark besetzten Equipe ins Rennen und enttäuschte. Es bleibt also abzuwarten, ob der neue „Playboy des Peletons“ Filippo Pozzato in Flandern überzeugen kann. Paolini ist jedenfalls sehr gut in Schuss, wie er bei de Panne unter Beweis stellte.

 

So groß der Rummel um Marcus Burghardt auch sein mag, im Gegensatz zu Erik Zabel hat er noch nichts erreicht. Denn Zabel ist und bleibt die Konstante in Radsportdeutschland. Und bei der Flandern-Rundfahrt ist er auch der Kapitän von Milram, seine Fans müssen also nicht befürchten, dass er seine Kräfte wieder für jemand anderes opfert. Sollte aber zum Beispiel Marcel Sieberg besser in Form sein, kann er sich natürlich zu 100 Prozent auf die Loyalität von Zabel verlassen.

 





Mit sehr vielen potenziellen Boonen-Besiegern geht Rabobank an den Start. Allen voran ist hier der Spanier Juan Antonio Flecha zu beachten. Mit seiner offensiven Fahrweise hat nicht er zuletzt im vorherigen Jahr Tom Boonen bei Paris-Roubaix in Verlegenheit gebracht. Ihm zur Seite steht der Gewinner von Mailand-SanRemo Oscar Freire, der sich in einer brillanten Verfassung befindet. Und es wäre ein großer Fehler Leon van Bon und Michael Boogerd nicht zu erwähnen, obwohl das Hauptaugenmerk von Letztgenannten sicherlich auf der Verteidigung des zweiten Platzes beim Amstel-Gold-Race liegen dürfte.

Juan Antonio Flecha
Eneco-Tour *


Discovery Channel bietet, wie viele andere Teams ebenfalls eine Doppelspitze auf: Devolder und Gusev. Bei den Beiden handelt es sich um unglaublich vielseitige Fahrer, die nicht nur im Frühjahr auf sich Aufmerksam machen können. Aber eines ist auch klar: Sie werden wohl kaum den Abgang von Leif Hoste kompensieren können, zumindest noch nicht dieses Jahr. Eine Top-Ten Platzierung wird aber dennoch von einem der Beiden verlangt. Für eine kleine Überraschung könnte Tomas Vaitkus sorgen, der sich zurzeit in einer sehr guten Verfassung befindet. Zuletzt dürfte das Hauptaugenmerk von Gusev auf Paris-Roubaix liegen, wo er noch eine Rechnung mit der Bahnschranke offen hat.

 

Die Wildcards gingen dieses Jahr an Chocolade-Jacques, Wiesenhof-Felt, Tinkoff und Skil-Shimano. Das deutsche Team Wiesenhof verdankt diese Einladung einer couragierten Fahrweise im frühen Frühjahr und die Verpflichtung des Ronde Gewinners 2004 Steffen Wesemann. Sein großer Traum bleibt Paris-Roubaix, doch wenn er bei Flandern etwas mitnehmen kann, wird er natürlich sofort zuschlagen.



Das Fazit vor dem Rennen:

Start in Brügge **

An Konkurrenz mangelt es Tom Boonen also nicht bei der 91. Austragung der Ronde van Vlaanderen, zumal nicht alle erdenklichen Mitfavoriten genannt wurden. Bleibt zu hoffen, dass sich auch die jungen Fahrer nicht mit guten Platzierungen zufrieden geben, sondern voll auf Sieg fahren, denn auf einen anderen Weg wird man den Weltmeister von 2005 kaum besiegen können. Freuen wir uns also auf einen spannenden Radsport-Ostersonntag, der neben Eiersuche hoffentlich einen dramatischen Rennverlauf mit einem verdienten Sieger bereithält. Startliste ausgedruckt, Radsporttrikot angezogen, Getränk bereitgestellt, Zimmer abgesperrt und los geht’s!


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