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Tour de France: <br>9. Juli 1973 – 8. Etappe Moûtiers - Les Orres 237,5 Kilometer

von Ocaña, September 2008



die Pyrenäen, Ort vieler Radsportdramen
Ocañas Sturz
© Mani Wollner

Was geht genau im Kopf des Spaniers Luis Ocaña vor in diesen Momenten, was treibt ihn zu dieser Leistung an jenem heißen Julitag 1973 an? Ist es sein grässliche Sturz im Gelben Trikot am 12. Juli 1971 auf der Abfahrt vom Col de Mente? Er der hagere Spanier aus Priego in der Provinz Cuenca, der schon in jungen Jahren stets ein Fremder war, weil seine Eltern nach Frankreich auswanderten, war in einer Kurve inmitten eines infernalischen Gewitters in einer Kurve gestürzt. Zu allem Überfluss knallt auch noch der Niederländer Joop Zoetemelk in Ocaña, der daraufhin das Rennen in Gelb beenden muss.

Merckx, der ebenfalls stürzte, war wieder aufgestanden.

 

Erst drei Tage zuvor hatte Luis dieses Gelbe Trikot errungen, zunächst im Kampf gegen das gesamte Molteni Team des Kannibalen und später gegen diesen selbst. Auf nur 134 Kilometern hatte der „Spanier von Mont Marsant“ dem Mythos Merckx geradezu irreale 8 Minuten und 42 Sekunden eingeschenkt. Niemand glaubte noch an den Sieg von Merckx, außer Merckx selbst natürlich. Er sollte Recht behalten. Auch 1972 siegte Merckx. Ocaña schied aus und nur wenige setzten auf ihn im Folgejahr, obwohl Merckx, der Giro und Vuelta (3 Minuten und 46 Sekunden vor Ocaña) gewonnen hatte, nicht an der Tour de France teilnahm. Nur wenige trauten dem anfälligen Ocaña wirklich den Sieg zu. Bei vier Teilnahmen an der Tour de France stand ein 31ter Platz zu Buche. Ansonsten hatte der Spanier Paris dreimal nicht erreicht.



Ocaña überrascht auf den Pavées

Die Skeptiker fühlten sich 1973 sicherlich bestätigt, als Ocaña bereits auf der 1. Etappe nach 10 Kilometern ein Hund in die Rennmaschine rannte und ihn zu Fall brachte.

Schnell wurde jedoch klar, dass der Weg in diesem Jahr zum Tour de France Sieg nur über den bärenstarken Luis Ocaña gehen würde. Eddy Merckx war nach seinem Giro-Sieg nicht am Start. Bereits auf der dritten Etappe hatte Ocaña, der die legendäre Startnummer 51 trug, alle überrascht und den Favoriten Van Impe, Thévenet, Zoetemelk, Fuente, Agostinho und Poulidor auf dem Kopfsteinpflaster von Querenaing Zeit abnehmen können.



hoch zum Col de la Madeleine
© MrsFlax

Das Gelbe Trikot zog sich Ocaña dann auf der siebten Etappe in Gaillard mit seinem ersten von insgesamt sechs Etappensiegen an und er sollte es bis Paris nicht wieder hergeben. Den Grundstein oder vielmehr den gesamten Rundfahrtsieg hämmerte Ocaña auf der 8. Etappe von Moutiers hinauf nach Les Orres in die Annalen der Tour de France: 237,5 Kilometer hochalpines Terrain, Hitze. Mit Madelaine, Galibier, Izoard, sowie dem knapp 18 Kilometer langem Schlussanstieg in den Wintersportort Les Orres, knüpfte Ocaña nahtlos an seine Solovorstellung von Orcières-Merlette von 1971 an.

 

Bereits im Anstieg zum Col du Télégraphe ist es der Spanier José Manuel Fuente vom Team Kas, der das Feld mit seinem Antritt auseinanderreist. Knapp 150 Kilometer und drei Anstiege vom Ziel entfernt eine solche „Schlacht der Kapitäne“ zu eröffnen, klingt aus heutiger Sicht geradezu wahnsinnig, doch es sind genau diese Kapitäne, die mit einsteigen. Über den Télégraphe, der keine Bergpunkte einbringt geht Fuente mit 5 Sekunden Vorsprung auf Ocaña, der in der Abfahrt jedoch samt Bernard Thévenet, Joop Zoetemelk, Régis Ovion, Pedro Torres und Vicente Lopez Carril wieder aufschließt. Am Col du Galibier, dem Dach der Rundfahrt bei Kilometer 111 zeichnet sich dann jedoch ein anderes Bild: Luis Ocaña und Fuente greifen an, sind die ersten an der Bergwertung, Thévenet 1’10“ zurück. Das Feld mit Lucien van Impe und Raymond Poulidor bereits um 4’50“ distanziert. Und auch in der langen Abfahrt nach Briançon bauen die beiden Spanier ihren Vorsprung noch ein wenig auf das Feld, bzw. das was noch davon übrig ist, aus.





Hatten die beiden Führenden bis dato noch zusammen gearbeitet, so ist es nun Ocaña, der den gesamt Col d’Izoard von vorne fährt, sich Fuente zwar im Sprint um die Bergwertung geschlagen geben muss, jedoch einen gewaltigen Schaden angerichtet hat: Mit 4’50“ hält sich der Rückstand von Thévenet und Mariano Martinez zwar noch in Grenzen, doch das Feld mit Poulidor und Zoetemelk liegt an der Bergwertung Izoard inzwischen 10’50“ hinter dem völlig entfesselt fahrenden Duo, dass von einem unermüdlichen Luis Ocaña in Richtung Schlussanstieg getrieben wird. Weiterhin verrichtet Fuente keinen Meter Führungsarbeit mehr und auch Martinez aus Poulidors Gan-Mercier Team hilft Thévenet auf dessen verzweifelter Aufholjagd nicht.

Izoard
© HarzerRadfahrer
und Galibier
© HarzerRadfahrer


 

Luis Ocaña kann von nichts mehr aufgehalten werden, keinem Merckx, keinem Hund, keinem Sturz. Unaufhaltsam stürmt er in den Schlussanstieg hinauf nach Les Orres, so vehement, dass ihm nicht einmal Fuente folgen kann, der sich zuvor lange am Hinterrad seines Landsmannes der Führungsarbeit entzogen hatte. Im Ziel ist der Triumph des Luis Ocaña perfekt. Um 58 Sekunden distanziert er Fuente. Der spätere zweimalige Tour de France Sieger Thévenet erreicht das Ziel 6’59“ nach dem Sieger und das Feld mit all den Geschlagenen wie Zoetemelk und van Impe erreicht Les Orres heroisch anmutende 20 Minuten und 24 Sekunden nach Ocaña. Nebst einem fast schon unverrückbaren neun Minuten Abstand auf Fuente, sorgt Ocaña dafür, dass zwei Fahrer aus dem Zeitlimit fallen und weitere zwölf aufgrund von regelwidrigem Festhalten am Teamfahrzeug aus dem Klassement genommen werden.

 

Die restlichen zwei Wochen werden für den Spanier zu einem einzigen Triumphzug. Neben zwei Zeitfahren gewinnt Ocaña auch noch die schwere 235 Kilometer lange Pyrenäenetappe Bourg Madame - Luchon, sowie die 18. Etappe hinauf zum Puy de Dôme. In Paris schließlich siegt er mit 15’51“ auf Thévent und 17’15“ auf Fuente. Die Frage welch einzigartiges Duell sich dieser Ocaña auf dem Gipfel seines Könnens mit Eddy Merckx geliefert hätte, bleibt jedoch leider unbeantwortet.

triumphierend durch die Pyrenäen: Luis Ocaña 1973


Ergebnis der 8. Etappe

1. Luis Ocaña (ESP – Bic) 7h55'47" (29.950 km/h)

2. José Manuel Fuente (ESP – Kas) 58"

3. Mariano Martinez (FRA – Gan Mercier) 6'57"

4. Bernard Thévenet (FRA – Peugeot BP) 6'59"

5. Michel Périn (FRA – Gan Mercier) 12'33"

6. Joop Zoetemelk (NED – Gitane Frigecreme) 20'24"

7. Raymond Delisle (FRA - Peugeot BP)

8. Herman Van Springel (BEL – Rokado)

9. Vicente Lopez-Carril (ESP – Kas)

10. René Grelin (FRA – Gan Mercier)

11. Joaquim Agostinho (POR – Bic)

12. Lucien Van Impe (BEL – Sonolor)

13. Leif Mortensen (DEN – Bic)

14. Régis Ovion (FRA - Peugeot BP) 20'31"

15. Raymond Poulidor (FRA – Gan Mercier)

16. Andres Gandarias 20'37" (ESP – De Kovia-Lejeune)

17. Antoon Houbrechts 20'44" (BEL – Rokado)

18. Francisco Galdos 21'21" (ESP – Kas)

19. Frans Verbeeck (BEL – Watney-Maes) 21'37"

20. Bernard Labourdette (FRA – Bic) 21'45"

 

Gesamtwertung:

 

1. Luis Ocaña (ESP – Bic) 48h08'16"

2. José Manuel Fuente (ESP – Kas) 9'08"

3. Bernard Thévenet (FRA – Peugeot BP) 10'16"

4. Michel Périn (FRA – Gan Mercier) 19'57"

5. Joop Zoetemelk (NED – Gitane Frigecreme) 23'15"

6. Herman Van Springel (BEL – Rokado) 23'20"

7. Lucien Van Impe (BEL – Sonolor) 23'44"

8. Leif Mortensen (DEN – Bic) 26'39"

9. Raymond Poulidor (FRA – Gan Mercier) 26'55"

10. Raymond Delisle (FRA - Peugeot BP) 27'03"

11. Mariano Martinez (FRA – Gan Mercier) 28'09"

12. Régis Ovion (FRA - Peugeot BP) 29'00"

13. José Catieau (FRA – Bic) 29'56"

14. Joaquim Agostinho (POR – Bic) 30'02"

15. Vicente Lopez-Carril (ESP – Kas) 33'08"

 

Quelle:

memoire-du-cyclisme

 

 

 


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