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Geschichte internationaler Radsport



Querelen mit den Verbänden

Teil II Kniffe und Schliche unserer Schrittmacher



Macht und Ohnmacht des V.D.R.

Die Geschichte wurde dem Verband deutscher Radrennbahnen resp. der U.C.I. bald zu bunt, sie erliessen beschränkende Bestimmungen und warfen dadurch einen Teil der mühselig ausgeklügelten Schrittmacherfinessen über den Haufen. Der Kampf der Schrittmacher begann von neuem, aber er hatte sich verschärft, denn neben dem Kampf gegen den Wind hatten sie nun auch noch einen Kampf gegen die Paragraphen des Verbandes auszufechten. Beide Kämpfe waren schwer, aber die Schrittmacher schreckten davor nicht zurück und machten so lange neue Erfindungen, bis schliesslich ein Machtspruch des V.D.R. den Windschutz ganz und gar untersagte.

 

Wenn die radsportlichen Gesetzgeber nun gedacht hatten, der Krieg sei zu Ende, so sollten sie sich gründlich getäuscht sehen. Wie der französisch-deutsche Krieg erst nach Sedan begann, so begann der Krieg mit dem Winde und den Paragraphen der Wettfahrbestimmungen nun erst recht, und in nachstehendem werden die an dem Kampf mit dem Winde passiv interessierten Sportsfreunde Enthüllungen im wahrsten Sinne des Wortes finden, denn die Schrittmacher mussten, um einer Bestrafung zu entgehen, alles verhüllen, was verboten war.

 



Die Motoren waren immer stärker geworden und die Kraft der Maschinen war groß genug, um selbst den grössten Ansprüchen auf "Zugkraft" zu genügen. Der Luftwirbel der Schrittmachermaschine wurde grösser und grösser, die Arbeit des Fahrers kleiner und kleiner, aber die Schrittmacher durften nicht rasten, wenn sie nicht rosten wollten, und so nahm der Kampf immer eigenartigere Formen an. Die Bestimmungen des Verbandes mussten umgangen werden, aber  derart, dass man nichts von der Absicht merkte und verstimmt wurde. Da kam eine Zeit, in der die Filzindustrieaktien sicherlich in die Höhe gingen, denn der Verbrauch an Filzplatten wuchs ins Ungeheuerliche. Die Schrittmacher brachten an den Seiten der Führungsmaschinen, angeblich zum Schutz ihrer Beine, Filzplatten an, die sich während des Rennens durch den Luftdruck zur Seite bogen und so den schönsten Windschutz bildeten. Als der V.D.R. auch das verhinderte, wickelten sich die Schrittmacher den Filz um die Beine, und zwar so, dass die Fäden während der Fahrt geöffnet werden konnten, ohne dass der Filz herunterfiel. Zu beiden Seiten bildeten sich Filzflügel, und der Windschutz war wieder hergestellt (Abb. 5).

 

Auch dies wurde untersagt. Die Schrittmacher bekamen Anzüge vom V.D.R. geliefert, die Wettfahrbestimmungen wurden verschärft und alles genau festgelegt. Die Schrittmacher lasen die Bestimmungen um 12 Uhr mittags und um 1 Uhr war bereits der vollständige Kriegsplan fertig. So wirkungsvoll die Herren vom V.D.R. auch zu reglementieren glaubten, die Schrittmacher waren ihnen doch über, und der Krieg begann von neuem.

 



Die Fusshaken, die mit der Hinterachse fest verbunden sein sollten, wurden verstellbar gemacht, so dass der Schrittmacher in der Lage war, sie nach hinten zu verschieben und so die Beine dichter an das Vorderrad seiner Führungsmaschine zu bringen. Die Lenkstange, welche 10 cm vor der Sattelspitze endigen sollte, wurde zum Verstellen eingerichtet, d.h. man konnte sie während der Fahrt nach hinten verlängern und eventuell auch noch auseinanderbiegen (Abb. 6). Die Riemenscheiben wurden demgemäss immer breiter, bis auch hier ein Verbot einschritt.

 

Aber alle Verbote reichten nicht hin, den Schrittmachern die Lust am "Bauen" zu verderben, und als man ihnen wegen der Lenkstange, Riemenscheibe, Sattelstütze und Fusshaken genaue Vorschriften gemacht hatte, warfen sie sich mit Feuereifer auf die "Rekonstruierung" der Oelschutzbleche. Früher hatte man zum Schutze der Bahn unter dem Motorgehäuse einen Behälter aus Blech, Oeltuch oder Leder angebracht; nunmehr behaupteten die Schrittmacher, allerdings mit Recht, dass durch die in den Zylinder gebohrten Oellöcher das Oel auf den Hinterrradreifen geschleudert werde und die Gefahr einer Beschädigung durch das heisse Oel nahegerückt sei. Das leuchtete den Herren vom V.D.R. ein, sie bewilligten ein Blech von bestimmter Breite, das hinter dem Motor vor dem Hinterrade montiert werden durfte, ahnten aber nicht, was aus dem harmlosen Blech alles entstehen würde.

 



Zuerst zeigten sich die Bleche viel breiter, als vorgeschrieben, dann wurden sie nach den Seiten umgeschlagen und zuletzt hatte man das halbe Hinterrad unter Blechverschluss (Abb. 7). Es wuchs und wuchs, das Blech nämlich, und als die Sache wieder zu arg wurde, beschnitt man die Blechtafel und sah auf strenge Einhaltung der Vorschrift. Das war alles riesig energisch, aber alle Energie im Verbieten scheiterte an der Energie im Beschummeln, und als die Schrittmacher zur Vorsicht ermahnt wurden, sannen sie nach, wie ihnen ein Vertuschen der Mogeleien möglich wäre. Und die Herren von der Lederjacke fanden einen Ausweg, trotzdem sich zu Wind und Wettfahrbestimmungen ein dritter Gegner geselte: der Herr Kollege. Es war nicht die geringste Kunst, die Tricks vor dem scharfen Auge des gegnerischen Mitkämpfers zu verbergen. Am Start musste alles möglichst harmlos aussehen; erst während der Fahrt durfte ein "gediegener" Schrittmacher die "Flügel" entfalten, und wenn es möglich war, musste er sie vor Beendigung der Fahrt wieder einziehen.

 



Ein Schrittmacher konstruierte ein verschiebbares Oelblech, d.h. er fügte zwei gleichgrosse Bleche übereinander, so dass sie scheinbar eine Tafel bildeten. Diese beiden Bleche waren durch einen Mechanismus mit der Lenkstange verbunden und wurden  während der Fahrt so auseinander gezogen, dass ein doppelter "Oelschutz" entstand. Vor Beendigung des Rennens wurde alles hübsch in Ordnung gebracht und der Trick funktionierte auch im nächsten Rennen (Abb. 8). Die Operationen mit dem Oelblech wurden den Schrittmachern aber bald zu langweilig. Sie mussten etwas "Grosses" haben, und als man ihrer Maschine die "Flügel" gehörig beschnitten hatte und die "Verbesserungen" immer schwieriger wurden, wandten die Herren von Motors Gnaden ihre Aufmerksamkeit dem eigenen Ich, d.h. ihrem verbandsmässigen äusseren Menschen zu.






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