Zudem verfasste er Artikel für die auflagenstarke deutsche Radsportzeitschrift Rad-Welt. 1904 erschien im Sport-Album der Rad-Welt sein in mehreren Briefen mit der Anrede „Lieber Freund“ dargestellte Beitrag „Wie werde ich Rennfahrer“, der 50 Seiten umfasste. „Hat ein Bahnrennen Dich so begeistert? Willst Du von einer Frucht, die Dir süss und erreichbar scheint, ein wenig verkosten, bloss um zu wissen, wie sie schmeckt? Oder hast Du einmal in letzter Zeit die letzten Etappen eines Straßenrennens miterlebt, und lerntest hierbei den Mut, die Ausdauer und Willenskraft bewundern, die zur Ueberwindung der Schwierigkeiten gehören?“/15/
Von Zois riet dem uns unbekannten Freund, sich bei Straßenrennen zu versuchen, als „Vorbereitung zu Bahnrennen“. Bis ins Detail beschrieb er die Vorbereitungen wie etwa eine ärztliche Untersuchung, gab dem „Rennfahrer in Spe“ Tipps für den Fahrradkauf, riet ihm von Rauchen und vom Alkohol ab, schlug einen detaillierten Tages- und Speiseplan vor sowie regelmäßige Bäder und Massage und vieles weitere mehr: „Du musst leben wie ein Mönch, nüchtern, zurückgezogen, keinen Moment darfst Du den Zweck Deines Trainings ausser acht lassen.“ Im Jahr darauf ergänzte er diesen Beitrag durch seinen Artikel „Das Training des Fliegers“./16/ 1908 mündeten diese Artikelreihen in einem zweiten Buch: "Das Training des Rennfahrers für Rennbahn und Landstraße". Dort berichtete von Zois zunächst vom Stellenwert des Sports auf der britischen Insel:
„Männer, die von England kamen, wußten den staunenden Freunden zu erzählen, dass die Leute über dem Kanal, so vernünftig sie sonst auch seien, doch recht kindlichen Vergnügungen huldigen. So unterhalten sich junge Leute, einen Lederball auf einer Wiese herumzustoßen, andere wieder schlügen mit einer Art Praker [Teppichklopfer] den Ball über ein Netz u.s.w., und dieser Wahnsinn locke Zuschauer in jeder Menge herbei. Darunter gäbe es Leute in Amt und Würden - die es manchmal sogar nicht verschmähen, selbst mitzutun.“/17/
Dem damaligen Zeitgeist entsprechend sah von Zois den Sport als Beitrag zur allgemeinen Volksgesundheit: „ … ein jeder bedenke, dass er ein Teil eines Ganzen, eines Volkes sei, dessen Wohle zu dienen sein höchster Ehrgeiz sein muss“ und er belehrte den Leser: „Kräftige Eltern dürfen auf kräftige Kinder rechnen; Schwächlinge auf Schwächlinge, die wieder minderwertige Kinder zeugen, und so verschlechtert sich die Rasse, die immer kräftiger werden sollte.“/18/ Früh gegen DopingIn anderen Punkten waren seine Ansichten weniger zeitgemäß. So sah Baron Zois die Angewohnheit mancher Trainer, ihren Schützlingen zu raten, wenig Wasser zu trinken, zu Recht als „Unsitte“ an und sprach sich zudem gegen jede Art von Doping aus, das damals als nahezu selbstverständlich galt, da „Sport dazu diene, den Besten zu erkennen, nicht aber damit ein künstlich über seine Leistungsfähigkeit gebrachtes Wesen siege. Dies ist ein Standpunkt, der auch im Radrennsporte gilt“./19/
„Der Gebrauch des Arseniks (Hüttenrauch) ist jedenfalls mit den Grazer Fahrern in die Welt gekommen; der Genuß desselben ist in den Alpenländern unter den Holzknechten des Hochgebirges u.s.w. üblich, um die Strapazen besser auszuhalten.“/20/
„Überhaupt sind alle Tränke, Mixturen, Salben u.s.w., mit denen manche Trainer arbeiten, nicht nur überflüssige Charlatanerie, sondern auch verwerflich und unnütz. Außer Franzbranntwein, Fuid und Vaseline braucht man nichts, und man sollte jeden Trainer mit einem Tritte aus der Kabine hinausbefördern, der sich mit einer geheimnisvollen Mixtur naht. Wenn er kein Schwindler ist, so ist er ein kompletter Esel.“/21/ /22/
Seinem Freund Alexander Gayer attestierte von Zois indessen, dass dieser „manchmal seinen Leuten vor dem Starte einen Trank ein[gab], das war aber nichts anderes als Schilcher, ein sehr leichter steirischer roter Wein“./23/
1911 beklagte der wohl auch elitär denkende von Zois eine „schwere Krise“ des Radsports in Österreich, da dieser die „Massen“ angezogen habe: „Es war ein Glück für alle jene, die durch das Rad zum Sporte überhaupt geführt wurden, ein Unglück für den Radsport, da ihm dadurch eine Menge Elemente zugeführt wurden, die erstens vom Sporte keine Ahnung hatten und zweitens sich zur Ausübung des Radsports nicht besonders eigneten.“ Das habe den Radsport „krank“ gemacht, gesundet sei er durch die Schrumpfung der Zahl von Vereinen: „Und anstelle der ziemlich regellosen Massen sind zielbewußte begeisterte Sportsleute getreten.“/24/
1917 erschienen die von Baron Zois verfassten „Des Freiherrn von Münchhausen neueste Friedens- und Kriegsabenteuer“, die zuvor schon in Kapiteln in der Österreichischen Touring-Zeitung erschienen waren. Neu war daran, dass von Münchhausen nun mit einem Fahrrad unterwegs war und mit dieser „Maschine“ unglaubliche Abenteuer erlebte. Gewandeltes literarisches InteresseSpätestens seit Ende des Ersten Weltkriegs wandelte sich Michelangelo von Zois‘ literarisches Interesse. Er schrieb Beiträge für Zeitschriften der Naturistenbewegung, verfasste Übersetzungen und fungierte als Ideengeber für die Stummfilme „Der schwarze Chauffeur“ (1917) und für „Veritas vincit“ (1919) von Joe May./25/ Zudem schrieb er zahlreiche Novellen, in denen sich seine Bewunderung für deutsches Rittertum und die italienische Renaissance widerspiegelte. 1924 kam sein Buch „Vom Wege den ich ging“ heraus, mit Kurz-Essays zu allen Themen des Lebens, „Ihr“ gewidmet, womit keine Frau, sondern „die Straße“ gemeint war. Da durfte das Fahrrad natürlich nicht fehlen: „Frei! Frei ---! Frei! surrt die Pneumatik. Frei! schnurrt leise die Kette. Frei! jubeln die Speichen. Hinein in die Pedale … Surre Rädchen, surre dem Ziele zu! ‚Bin ein fahrender Gesell‘, kenne keine Sorgen!“
In diesem Büchlein, aus dem hervorgeht, dass er durchaus auch der holden Weiblichkeit zugetan war, verarbeitete Zois auch den Verlust des Stammschlosses Egg in Krain, das die Familie verloren hatte, weil Krain nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg nicht mehr zu Österreich gehörte: „Hinter mir liegt, was einst Heimat war… Um unser Schloß wachsen Epheu, Rosen und wilder Wein.“/26/ Weiterhin verfasst er Radsportbeiträge unter dem Pseudonym „Olaf Egg“, abgeleitet vom Namen des Stammschlosses seiner Familie. Auch das in der zeitgenössischen steirischen Radfachliteratur öfter auftauchende Pseudonym „Heini von Steier“ kann Zois zugeschrieben werden./27/
Mit diesen ganzen Umtrieben nicht genug: „Hauptberuflich“ war von Zois seit 1899 eigentlich österreichischer Staatsbeamter. Ab 1903 war er Bezirkskommissär der krainischen Landesregierung in Radmannsdorf (heute Radovljica). 1907 wurde er in die „Zentralkommission für Denkmalpflege'' (ZK) versetzt, wo er allerdings, weil er Jurist und kein Kunsthistoriker war, als „Karikatur, die uns der ehemalige Ministerpräsident Beck angehängt hat“ empfunden wurde./28/ Mehrfach sollte er im Zuge von Auseinandersetzungen und Intrigen in der ZK abgelöst und weggelobt werden, wurde aber vom damaligen Ministerpräsidenten Max Wladimir Freiherr von Beck protegiert und blieb bis 1914, dann wechselte er wieder in die krainische Landesregierung./29/ Denkbar ist, dass er von den Neffen des Kaisers – der eine war Schirmherr des Touring-Clubs, der andere Chef der Denkmalpflege – Rückendeckung erhielt, damit er sorgenfrei seinem Dasein als Radsportjournalist und -funktionär frönen konnte.
1915 wurde Baron Zois zum Militärdienst eingezogen und arbeitete als Redakteur der Kriegszeitung der 10. k.u.k. Armee und der Karnisch-Julischen Front. /30/ In den Akten des Wiener Kriegsarchivs ist über ihn zu lesen, dass er über „besondere Länderkenntnis“ verfügte und zudem drei Fremdsprachen – Englisch, Französisch und Kroatisch – fließend beherrschte./31/
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ersuchte Michelangelo von Zois, nach „dem Umsturz“ lediglich noch „ehrenamtlicher Korrespondent“ des Bundesdenkmalamtes, vergeblich um eine feste Anstellung als provisorischer Landeskonservator in Kärnten./32/ Auf dieses Ansinnen hin schrieb der Landeskonservator Demus die anfangs erwähnte Aktennotiz. Schon 1912 hatte der damalige Präsident der ZK, Franz Prinz von und zu Liechtenstein, über Zois und die anderen Juristen in seiner Behörde geschrieben, diese mögen sich um „Kürze, Präzision und Sachlichkeit“ bemühen und kritisierte „ihr Gepappel von ‚moderner Denkmalpflege‘, ‚Stadtbild‘ usw.“/33/ Von Zois als literarische FigurImmerhin wurde unser schrulliger Baron selbst mehrfach literarisch verewigt, so von Fritz von Herzmanovsky-Orlandos im Rout am Fliegenden Holländer als bartumrauschter Hoteldirektor, der gerne Platitüden von sich gibt./34/ /35/ /36/ Karl Kraus erwähnte ihn in „Die letzten Tage der Menschheit“: „Ja der Zois, der hat halt einen Humor! - Schon sein Name is so gspassig.“/37/
Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland bat von Zois erneut mehrfach, wenn auch erfolglos, bei der Zentralstelle für Denkmalschutz, beim Reichsstatthalter für Österreich und sogar mit einem persönlichen Brief an Adolf Hitler um erneute Verwendung in der ZK./38/ Bis zu seinem Tod blieb er literarisch aktiv.
Am 17. Dezember 1945 starb Michelangelo von Zois in Schiefling am Wörthersee. Er war zweimal verheiratet; seine zweite Frau Eva Maria war auch schriftstellerisch tätig. Der Nachlass der Eheleute wurde 1998 dem Kärntner Landesarchiv überlassen. /39/
Quellenangaben, soweit nicht unmittelbar im Text angegeben:Danksagung: Besonderer Dank gilt Wolfgang Wehap aus Graz, der zahlreiche Informationen beigesteuert hat sowie dem Kärntener Landesarchiv.
/1/ Erich Nussbaumer: Geistiges Kärnten, Klagenfurt 1956, S. 427f. /2/ Othmar Hassenberger: "Pionierarbeit im Kärntner Radsport", in: Der Radfahrer Nr. 79 v. 22. Januar 1937 /3/ Der heutige Name des Schlosses lautet Brdo. Ab 1935 wurde das Anwesen Sitz der jugoslawischen Königsfamilie, später von Staatschef Tito als eine seiner Residenzen genutzt. Heute dient es der slowenischen Regierung als Ort für Staatsbesuche und ähnliche Anlässe. Der Name des dortigen Restaurant Zois erinnert an die ehemalige Besitzerfamilie. /4/ Artikel "Sigmund Zois von Edelstein“ auf wikipedia.de /5/ Gothaisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser, Gotha 1891 /6/ Der Radfahrer Nr. 79 v. 22. Januar 1937 /7/ Official Report Olympic Games Stockholm 1912, Official Report OS 2012 /8/ Mitteilungen des Österreichischen Touring-Clubs, 8/2011. S. 13 /9/ "Michelangelo Baro Zois d.Ä. zurückgetreten", in: Der Radfahrer Nr. 79 v. 22. Januar 1937 /10/ a.a.O. /11/ Wolfgang Wehap: Michelangelo von Zois, Manuskript /12/ a.a.O. /13/ Titanic ,11.2006 /14/ Alle Ausgaben der Zeitschrift sind einsehbar unter: Österreichische Touring-Zeitung 1898-1938 /15/ Sport-Album der Rad-Welt 1903, Berlin 1904, S. 17-52. /16/ Sport-Album der Rad-Welt 1904, Berlin 1905, S. 17-48. /17/ Das Training des Rennfahrers für Rennbahn und Landstraße, S. 7. /18/ a.a.O., S. 10f. /19/ a.a.O., S. 241 /20/ ARGUS Steiermark, Doping im Selbstversuch an Grazer Uni. /21/ Das Training des Rennfahrers für Rennbahn und Landstraße, S. 240. /22/ ARGUS Steiermark, Doping im Selbstversuch an Grazer Uni. /23/ a.a.O. /24/ Mitteilungen des Österreichischen Touring-Clubs. Nr. 1/1911. S. 4 /25/ IMDb. /26/ Vom Wege den ich ging. S. 9. /27/ Wolfgang Wehap: Michelangelo von Zois, Manuskript /28/ Theodor Brückler:Franz Ferdinand als Denkmalpfleger. Die "Kunstakten" der Militärkanzlei im Österreichischen Staatsarchiv (Kriegsarchiv), Wien, Köln, Weimar 2009, S. 21. /29/ Brückler, a.a.O., S. 370; Theodor Brückler/Ulrike Nimeth: Personenlexikon zu österreichischen Denkmalpflege. Wien 2001, S. 307f. /30/ OÖ Landesbibliothek /31/ Kärntener Volksblatt, 20. September 1984, S. 12. /32/ Eva Frodl-Kraft: Gefährdetes Erbe. Österreichs Denkmalschutz und Denkmalpflege. Wien-Köln-Weimar 1998. S. 81 /33/ Theodor Brückler: Franz Ferdinand als Denkmalpfleger. Die "Kunstakten" der Militärkanzlei im Österreichischen Staatsarchiv (Kriegsarchiv), Wien, Köln, Weimar 2009, S. 232. /34/ "Wer schützt uns vor den Denkmalschützern?" auf zeit.de /35/ Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Scoglio Pomo oder Rout am Fliegenden Holländer /36/ Kärntener Volksblatt, 20. September 1984, S. 12. /37/ Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit - Kapitel 5 /38/ Theodor Brückler/Ulrike Nimeth: Personenlexikon zur österreichischen Denkmalpflege. Wien 2001, S. 307f. /39/ Evelyne Webernig: "Nachlaesse im Kaerntner Landesarchiv", in Carinthia I, 2004, S. 107
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