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Text und Fotos: Anne
<typohead type=3>Prolog: 15.6./16.6. 2000</typohead>
Da ich bereits letztes Jahr in der Schweiz war, was mir sehr gut gefallen hat, stand für mich auch im Jahr 2000 fest: Auf zur Tour de Suisse!
Aufgrund meines Umzuges fuhr ich diesmal mit einem Nachtzug von Ljubljana nach Zürich, wobei ich endlich einmal in den Genuss kam, den Komfort eines slowenischen Schlafwagens kennenzulernen. Er tendiert -vorsichtig gesagt- gegen Null, zumal man sowieso alle 3 Stunden wegen diverser Grenzkontrollen aus dem ohnehin schon leichten Schlummer gerissen wird.
In Zürich angekommen, wurde ich von meinem Freund Grischa, der dort studiert, abgeholt. Wir wollten von Zürich aus gemeinsam nach Sion fahren, wo wir uns in einer Jugendherberge einquartiert hatten. Am Fahrschalter gab es aber für mich schon mal den ersten Schock: der Preis für die Fahrt dorthin lag um einiges höher als erwartet (dummerweise ging ich davon aus, dass der Preis nicht viel höher sein würde als im letzten Jahr als wir in die Innerschwyz fuhren - ein großer Fehler) ! Und da ich leider kein Schweizer Bankkonto mein Eigen nennen kann, konnte ich zwar diese Karte bezahlen, war danach aber ziemlich blank. Glücklicherweise erwies sich Grischa als mein rettender Engel und lieh mir ein paar Franken.
Pascal Hervé |
Am späten Nachmittag kamen wir in Sion an und begaben uns unverzüglich auf die Suche nach unserer Unterkunft. Die Jugendherberge selbst war leicht zu finden, allerdings dauerte es etwas, bis wir in dem ziemlich leeren Gebäude jemanden fanden, der uns unser Zimmer gab. Dann folgte auch gleich Schock Nummer zwei und drei:
die Übernachtungskosten waren fast doppelt so hoch wie in der Reservierungsbestätigung angegeben und dann wurde uns eröffnet, dass unser Essen gestrichen wurde, weil wir, von ein paar Japanern abgesehen, die einzigen Gäste waren.
Nach diesem tollen Einstand liefen wir dann abends noch ein bißchen durch Sion, wo fast alle Teams untergebracht waren. Wir erkundigten uns bei den netten Mechanikern von Telekom, wie die Etappe gelaufen war. Pascal Hervé hatte gewonnen und das Goldene übernommen, Ullrich lag auf Platz zwei im Gesamtklassement.
Da es sehr warm und herrliches Wetter war, saßen draußen ziemlich viele Fahrer herum, die telefonierten, redeten oder sich einfach nur umschauten. Eine kleine Unterhaltung mit den Jungs von Fassa Bortolo scheiterte jedoch an mangelnden Italienischkenntnissen.
Am nächsten Morgen war das Einzelzeitfahren in Sierre, nur 10 Minuten mit der Bahn von Sion entfernt. Nachdem wir erstaunlicherweise doch etwas zum Frühstück bekamen, machten wir uns bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg.
In Sierre angekommen, gingen wir zum Start/Zielbereich, wobei wir unterwegs mit allen möglichen Werbegeschenken eingedeckt wurden, was uns aber, angesichts unserer Verpflegungslage, nicht ungelegen kam ;-).
Die Teams standen praktischerweise fast alle auf dem gleichen Parkplatz, so hatten wir das Geschehen halbwegs im Blick. Ein Tageshöhepunkt war unbestritten der Auftritt von Richard Virenque. Allerdings hatte er kaum Zeit, sich um seine Fans zu kümmern (auch zur Enttäuschung von Grischa), weil der Lenker seines Zeitfahrrades abgebrochen war und die Mechaniker in fieberhafter Eile versuchten, ihn mit allen möglichen Dingen (u.a. auch einer leeren Cola-Dose) wieder zu befestigen. Als das endlich geschafft war, schnappte er sich sein Rad, stürmte wie ein Verrückter die Böschung hoch, gab noch einem Bekannten kurz drei Begrüßungsküßchen, schwang sich auf's Velo und war weg. Mir ist bis heute ein Rätsel, wie jemand mit Radschuhen und seinem Rad in der Hand so schnell eine ziemlich steile, grasbewachsene Böschung hinauf kommt! Naja, der Bergkönig läßt halt grüßen.... ;-).
Gegenüber den Bussen von Polti und Saeco stand der von Mercury mit unbeachteten und daher etwas frustriert aussehenden Fahrern (wird ihen diese Saison wohl nicht mehr passieren...;-) ). Aber sogar der überaus populäre Oscar Camenzind saß regelrecht unbeachtet vor seinem Bus, während sich fast alles um Virenque und Dufaux scharrte....!
Francesco Casagrande |
Während Grischa seinem Held Dufaux beim Schwitzen auf der Rolle zusah, begab ich mich auf "Autogramm- und Photojagd". Ich suchte vor allem die Jungs von Fassa Bortolo, die sich etwas unbeachtet in einer ruhigen Ecke des Parkplatzes warm fuhren. Die Fahrer waren wirklich nett, sie unterbrachen extra ihr Rollentraining, um sich auf meinen Autogrammkarten zu verewigen (aber wahrscheinlich waren sie einfach nur zu angeödet von der Rolle, so daß ihnen jede Abwechslung recht war *g*). Da machte ich dann auch die Bekanntschaft der slowenischen Nachwuchshoffnung Tadej Valjavec, der scheinbar total glücklich war, daß endlich mal jemand ein Autogramm von ihm wollte. Ein ganz lieber Junge, der sicher noch eine große Zukunft haben wird!!
Als dann die meisten Fahrer auf der Strecke waren, gingen wir zum Zielbereich, um noch einen Blick auf die Profis werfen zu können. An diesem Tag übernahm auch Jan Ullrich mit dem dritten Platz im EZF das Goldtrikot vom bisherigen Leader Pascal Hervé.
Am nächsten Morgen fuhren wir nach Ulrichen, einem kleinen Nest, das ungefähr eineinhalb Stunden von Sion entfernt ist. Dort fand die Königsetappe, ein schwerer Alpenrundkurs, statt. Auf 103 km mussten mit dem St. Gotthard, Nufenen und dem Furka-Pass gleich drei superharte Brocken bezwungen werden und viele rechneten damit, dass es vor allem für die Sprinter sehr, sehr eng mit der Karenzzeit werden würde. Da die Etappe in Ulrichen begann und auch wieder endete, waren ziemich viele Stände (sehr gut, um kostenlos Fanmaterial abzugrasen *g*) und Würstchenbuden aufgebaut, um die Leute bei Laune zu halten. Eine Videoleinwand gab es auch, die sinnigerweise bei sengender Sonne auf einem abgeernteten Getreidefeld stand (!).
Da die Teams diesmal ziemlich verstreut waren, gingen Grischa und ich zur Einschreibetribüne, wo wir einen ziemlich guten Platz ergattern konnten, so dass alle Fahrer ganz nah an uns vorbei mussten, ideale Photolage sozusagen. Dort traf ich auch noch einmal Tadej, der mich in der Menschenmenge wiedererkannte und mir zuwinkte *froi*!
Wie gesagt, ein sehr netter Bursche ... ;-)
Marc Wauters |
Als das Peloton unterwegs war, suchten wir uns erstmal einen etwas schattigeren Platz, es war in der Sonne kaum auszuhalten, zumal wir schon vom Vortag einen ziemlichen Sonnenbrand hatten. nach der Lektüre eines Dufaux-Interviews und dem Genuß einer etwas überteuerten Portion Pommes, begab ich mich zur Videoleinwand ( Grischa zog es vor, im Schatten zu bleiben, da er eh schon wie ein Hummer aussah), um das Geschehen des Rennens näher verfolgen zu können. Neben mir stand eine kleine Gruppe etwas älterer Italiener, die jedesmal, wenn irgendwo das Trikot einer Italo-Mannschaft aufleuchtete, in hektisches Raten verfielen, wer das denn jetzt wohl gewesen sein könnte und die sich köstlich über die falsche Aussprache des Kommentators von "Mercatone Uno" (er sagte ungefähr sowas wie "Merrkchandoone Uuno") amüsierten.
Auf dem kurzen, knackigen Kurs ging ganz schön die Post ab, man versuchte Ullrich aus dem Trikot zu fahren, was aber zumindest auf dieser Etappe noch nicht gelingen sollte. Ullrich kontrollierte das Feld gut aus seiner Gruppe heraus, in der auch Tadej steckte und sich wacker schlug. Den Tagessieg konnte sich dann nach einem kurzen Schlußspurt mit Dario Frigo und Wladimir Belli von Fassa Bortolo der Poltimann Eddi Mazzoleni sichern.
Nach dem Rennen gingen wir zu den Teambussen, da wir noch Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges hatten. Erstaunlicherweise waren viele Fahrer ziemlich entspannt, so als ob sie eine lockere Spazierfahrt hinter sich gebracht hätten. Vor allen Dingen die Fahrer von Rabobank waren sehr freundlich und ließen sich bereitwillig von Fans fotografieren, während einige Telekomfahrer in bester Zabelmanier einen Sprint vom Bus ins Teamauto hinlegten, um ja nicht den kleinen Jungs, die dort warteten, ein Autogramm geben zu müssen (von Rolf Aldag mal abgesehen).
Als die meisten Fahrer weg waren (Tadej hatte ich leider nicht mehr gesehen *schnief*), gingen wir dann auch zu unserem Zug, wo wir von einem etwas älteren Romandschweizer "verfolgt" wurden, der ständig mit uns ein französisches Gespräch anknüpfen wollte, allerdings nicht mitbekam, dass wir weder besonders gut Französisch verstanden noch sprachen!
<typohead type=3>Tour d'Honneur </typohead>
Wer gern viele Spitzenfahrer bei einem anspruchsvollen Rennen sehen möchte aber keine Lust auf Massenversammlungen wie bei der Tour oder dem Giro hat, der sollte zur Tour de Suisse gehen! Das Rennen ist sehr gut organisiert, man kommt problemlos an die Fahrer heran, die Einheimischen sind nett und man lernt eine einfach grandiose Alpenwelt kennen! Ich war 1999 schon von der Innerschwyz total begeistert aber die Romandschweiz ist, was die Natur zu bieten hat, noch eine Klasse besser!
Die Tour de Suisse bietet also nicht nur hervorragende, sportliche Erlebnisse sondern auch eine einmalige, faszinierende Bergwelt!
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