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Greg Lemond

 

 


Portrait

Herzschlagfinale Tour '89

 

Sonntag Nachmittag, Spätjuli 89:

Ich sitze gespannt und nervös vor dem Fernseher und warte auf das Finale der spektakulärsten und spannendsten Tour aller Zeiten: Ein EZF über 24,5 Kilometer. Das gelbe Trikot wechselte zuvor mehrfach zwischen den beiden Protagonisten Greg Lemond und Laurent Fignon. Es war ein Kampf auf Biegen und Brechen. Dazu kam in den Bergen ein wild attackierender Pedro Delgado, der durch eine mehrminütige Verspätung beim Prolog seine Chancen für eine Titelverteidigung schon vor dem Start vergab. Was an diesem Nachmittag folgen sollte, stellte das Vorangegangene bei weitem in den Schatten und wird als das größte Duell in die Sportgeschichte eingehen.

 

Fignon führt vor dem EZF mit 50 Sekunden und ist sich seines Sieges sicher. Damit begeht er seinen ersten Fehler: Unterschätze niemals einen amerikanischen Champion in einer "Do or Die" Situation.

An der Startrampe erkennt man bei Greg am Gesichtsausdruck den unbedingten Siegeswillen. Er startet mit dem revolutionären Triathlonlenker, der ihm schon zum Sieg im 1. EZF verhalf und einen extra für das EZF entwickelten aerodynamischen Helm.

2 Minuten später steht Laurent an der Rampe. Natürlich verzichtet er auf den Triathlonlenker und auf die ganzen technischen "Spielereien". Hat er als amtierender Giro Sieger nicht nötig. Sein zweiter und entscheidender Fehler. Meinen Hoffnungen steigen, mein Puls auch. Bei den Zwischenzeiten zeichnet es sich schon ab. Greg kann es schaffen. Mit ruhigem, gleichmäßigem Tritt und mit einer unglaublichen Übersetzung fliegt er dem Ziel am Champs Elysées entgegen. Fignon, der inzwischen über die beunruhigenden Zwischenzeiten informiert wurde, sein dritter Fehler, hätte besser darauf verzichtet, wirkt immer nervöser.

Die Sensation zeichnet sich ab.

Greg überquert die Ziellinie mit einem Schnitt von über 54 Km/h (und das in der "Vor-EPO-Zeit"). Fignon bleiben noch 2 Minuten, um sein gelbes Trikot zu verteidigen. Ich stehe mittlerweile kurz vor einem Herzinfarkt. Zirka 150 Meter vor dem Ziel werde ich erlöst, Fignon schafft es nicht mehr. Am Ende fehlen 8 Sekunden und das nach fast 4000 Kilometer. Mit dem Sieg gelingt Greg nach seinem Jagdunfall das bis dahin größte Comeback in der Radsportgeschichte. Ich werde gleichzeitig völlig durchschwitzt (die mentale Unterstützung für Greg kostete sehr viel Substanz) endgültig zum Radsport-Hardcore-Fan. Fignon wird sich von dieser Niederlage nie mehr erholen.


Greg Lemond Biografie:

Greg Lemond war ein großartiger Zeitfahrer, sehr guter Bergfahrer, ein überdurchschnittlicher Sprinter und für mich der beste Taktiker aller Zeiten. Wie hätte er sonst die Tour 89 ohne vernünftige Mannschaft gewinnen können? Zu einem Klassikersieg hat es leider nie gereicht. Dabei mußte er oft knappe Niederlagen hinnehmen, wie bei der Lombardeirundfahrt '83, als er im Sprint Sean Kelly nach einem legendärem Rennen unterlag. 2 Profi-Weltmeistertitel zeigen, dass er durchaus in der Lage war, Eintagesrennen zu gewinnen.

 

Kein Fahrer prägte und veränderte den Radsport in den 80ern wie Greg Lemond. Er verbesserte die Arbeitsbedingungen der Profis mit seinen Forderungen an seine Teamsponsoren, sorgte mit seinem Verhandlungsgeschick und Vertragspoker für höhere Gagen, revolutionierte das Material und war der erste Fahrer, der sich speziell nur für die Tour vorbereitete.

 

Bei den Fans und Journalisten war der stets gutgelaunte und unkomplizierte Kalifornier gleichermaßen beliebt. Bei vielen Profikollegen war er jedoch auf Grund seiner aus ihrer Sicht zu hohen Gagen und seiner eindimensionalen Saisonplanung nicht der Beliebteste. Eddy Merckx war einer seiner größten Kritiker. Greg dürfte es egal gewesen sein. Nach einer Saison flog er zurück in die Staaten, genoß das Leben, kam mit erheblichen Übergewicht im Frühjahr zurück nach Europa, bestritt den Giro und die Tour de Suisse als Vorbereitung, um danach bei der Tour de France seine Klasse zu zeigen. Immerhin erreichte er damit 5 mal das Podium. Jan Ullrich Fans und Kritiker müßten die Parallelen bemerken...

 

Wäre er nicht im Frühjahr 1987 bei einem Jagdunfall von seinem Schwager angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden, wer weiß was er noch alles erreichen hätte können. Einige Schrotkugeln befinden sich noch immer in seinem Körper, 2 davon im Herz. Immer wieder auftretende Komplikationen mit den Fremdkörpern und Kniebeschwerden beenden 1994 seine großartige Karriere.

 

von Werner



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