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Karl Saldow: Mein schönstes Rennen

Großer Länderwettbewerb in Köln, 13. Juli 1913

 



Die Frage nach dem schönsten Rennen läßt sich darum schwer beantworten, weil der Begriff schön dehnbar ist. Man kann darunter sowohl ein Rennen mit metallischem Hintergrund als auch ein Rennen  ohne jeden äußeren Erfolg verstehen. Ich habe viele Rennen gefahren, bei denen ich Ruhm und Geld geerntet habe, deren Erinnerung in mir aber nicht so lebhaft nachhallt wie ein Rennen, dass meinen Ehrgeiz oder auch meine Freude am Humor befriedigt hat. Wenn ich indessen mein schönstes Rennen schildern soll, so muß ich als solches den Großen Länderwettbewerb in Köln bezeichnen, den ich am 13. Juli 1913 gegen Guignard gewann. Der Grund weshalb  ich gerade diese Rennen als das schönste bezeichne, ist die hohe Befriedigung, die ich nach dem Siege empfand, und  die mich an das Walten eines höheren Geschickes glauben machte.

 



in Bestform, aber Pech

Im ersten Lauf erlangte Miquel hinter Geppert die Spitze. Ich lag hinter Wittig an zweiter Stelle vor Guignard (Lawson) und Günther (Nachtmann). In der 26. Runde ging ich an Miquel vorbei. Guignard folgte mir mit 40 m Abstand, aber ich fühlte mich dem Franzosen vollkommen gewachsen und fürchtete seinen Angriff nicht. Nachdem ich Günther überrundet hatte, griff ich Miquel an. Der Franzose wehrte sich und in der Hitze des Gefechtes kamen unsere Schrittmacher einander zu nahe. Ich sah das Unheil kommen und auch Miquel wurde von der Furcht vor einem Sturz gepackt. Wir schwenkten beide ab und im nächsten Augenblick schlug mein Schrittmacher Wittig mit seinem Motor einen Salto mortale. Dieser Sturz kostete mich den Sieg im ersten Lauf aber mein Rückstand betrug nur drei Runden, da mich der Schrittmacher Mauß schnell aufgenommen hatte, als Wittig gestürzt war.

 

Meine Siegeshoffnungen waren stark gesunken, aber ich schöpfte neuen Mut, als mein Schrittmacher Wittig wieder auf de Bahn erschien und der Motor fehlerlos lief.

 

Im zweiten Lauf erlangte Miquel wieder die Spitze, Guignard war zweiter vor mir und Günther. In der 11. Runde wurde Miquel von der Spitze verdrängt und Guignard führte bis zur 58. Runde mit 40 m Vorsprung vor mir. Als Guignard an Günther nicht vorbeikommen konnte, griff ich den Franzosen an. Der erste Angriff scheiterte, aber ich ließ nicht locker und in der 61. Runde ging ich nach hartem Kampf an Guignard vorbei. Bei 50 km hatte ich eine Runde gegeben den Franzosen gut gemacht und nach 60 km war ich wieder hinter ihm. Hatte ich in 10 km eine Runde aufgeholt, so konnte ich in den letzten 10 km die noch fehlende Runde aufholen. So sagte ich mir, obwohl Guignard noch kein Zeichen von Schwäche zeigte.

 



Ausgleichende Gerechtigkeit

Ich fühlte mich dem Franzosen an diesem Tage überlegen und es wurmte mich, dass dieser durch Wittigs Sturz im ersten Lauf zu einem Siege im Gesamtergebnis kommen sollte. Ich forderte Wittig zu einem neuen Angriff auf Guignard auf und in schnellem Zuge kamen wir näher. Der Widerstand Guignards war nicht mehr so stark, wie bei unseren ersten Angriffen und unser Vorhaben musste gelingen, als Guignard plötzlich seinen Motor losließ und auf seinen Vorderradreifen zeigte. In diesem Augenblick fühlte ich so etwas wie das Walten einer ausgleichenden Gerechtigkeit. Hatte ich nach dem Sturze Wittigs meinem Geschick gezürnt, so war ich in diesem Augenblick wieder mit ihm ausgesöhnt.

 

Ich gewann das Rennen nunmehr mit einem Vorsprung, den ich ohne Wittigs Sturz im ersten Lauf und ohne den Reifenschaden Guignards auch errungen haben würde und diese Ergebnis befriedigte mich so, dass ich den Länder-Wettbewerb in Cöln als das schönste Rennen meiner Dauerfahrerlaufbahn betrachte. Soll ich noch ein schönes Rennen nennen, dann nenne ich das mit Lorenz gewonnene 7. Berliner Sechstage-Rennen, dessen Entscheidung in mehreren Läufen unsere Überlegenheit klar zutage treten ließ.

 

Karl Saldow

 

>>> siehe auch das Portrait Karl Saldow

 

Quelle: Sport-Album der Rad-Welt, 17. Jahrgang, 1919 

 


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