Die deutsche Antidoping-Gesetzgebung wurde vont 1976 bis Ende 2015 im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) geregelt sowie in den dazugehörigen Strafvorschriften unter § 95 und § 96. Damit hatte Deutschland im Prinzip ein Antidoping-Gesetz (s. hier Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport (Anti-DopingG). Der Ruf wurde aber immer lauter nach einem dem Arzneimittelgesetz ausgegliederten eigenständigen Anti-Doping-Gesetz. Damit ging die Hoffnung einher, um dem Doping im Sport erfolgreich begegnen zu können, bezog sich meist auf ein eigenständiges Antidoping-Gesetz mit weitergehenden strafrechtlichen Möglichkeiten. Insbesondere kam die Strafbarkeit des Eigendopings immer stärker in den Fokus. Auch §6a AMG hätte sich erweitern und verschärfen lassen. Dies sah z. B. der im April 2013 vorgelegte Gesetzesantrag der Landesregierung Baden-Württembergs vor in dem u.a. die Einführung eines neuen Straftatbestandes Dopingbetrug gefordert wird. 2007 versuchte die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen ähnliches und wollte einen neuen Straftatbestand Sportbetrug im Rahmen des AMG regeln lassen. In dem Referentenentwurf der Bayerischen Landesregierung von 2009 heißt es zur Begründung eines eigenständigen Anti-Doping-Gesetzes:
Zu dieser Frage, dem Für und Wieder einer einer eigenständigen Antidoping-Gesetzgebung siehe auch Dieter Rössner, Das geplante deutsche Antidopinggesetz - Mehr Schein als Sein.
Die Herausnahme der Anti-Doping-Gesetzgebung aus dem AMG war innerhalb der Bundesregierung schnell Konsens. Am 13. November 2015 wurde nach einer Debatte im Deutschen Bundestag ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetzes beschlossen. Es trat am 1.1.2016 in Kraft. >>> Gesetz gegen Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz - AntiDopG) Im Juni 2021 wurde das gesetz um eine Kronzeugenregelung erweitert.
Im wesentlichen wurde die aktuelle deutsche Debatte um die Anti-Doping-Gesetzgebung von drei zentralen Punkten bestimmt: Wie kann der dopende Sportler trotz der Straflosigkeit des Eigenkonsums belangt werden, wie kann das Umfeld der Sportlers erfasst und belangt werden und wie kann der Handel und die Produktion mit und von Dopingprodukten beschnitten werden. Im Zentrum der Diskussion steht meist der (Hoch-)Leistungssport, dessen Skandale letztlich immer die Triebfedern für die Gesetzesinitiativen waren. Die Initiativen der letzten Jahre, die wesentliche inhaltliche Änderungen des bestehenden Gesetzes bezweckten, waren geprägt von der Überzeugung, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichen und dass man nur mit Straf- und Gesetzesverschärfungen das Doping im Sport wirkungsvoll eindämmen und kriminellen Strukturen von Dopingmittelhandel und -produktion zerschlagen kann. Immer nachdrücklicher wurde zudem der Wunsch geäußert, das Gesetz auf andere Korruptionstatbestände wie Bestechlichkeit und Bestechung auszuweiten. Straferhöhungen, insbesondere auch für Sportler, waren fester Bestandteil der Überlegungen. Ob und wann hohe Strafen tatsächlich, insbesondere auf dopende Sportler, abschreckende Wirkungen zeigen, wurde in den vorliegenden Gesetzesinitiativen und Gutachten nicht angesprochen. Diese Frage spielte auch in der Diskussion um das beschlossene Anti-Doping-Gesetz keine Rolle obwohl in den Begründungen immer wieder die abschreckende Wirkung betont wurde.
In diesem Dossier werden die verschiedenen Gesetzesinitiativen vorgestellt. Die Diskussion darum wird von mir jedoch nur ansatzweise dargestellt. Die Vorschläge sind inhaltlich viel weitreichender als hier zitiert. Die Bayerische Landesregierung forderte z. B. in ihren Entwürfen die Aufnahme von Regelungen wie die
Diese verschiedenen Forderungen sind aufeinander abgestimmt, untereinander in Beziehungen gesetzt. Diese eingebrachten Konzepte zu bewerten, deren Für und Wider abzuwägen, wäre sinnvoll. Ich greife in diesem Dossier jedoch lediglich die wichtigsten Forderungen heraus und führe einige Pro- und Contra-Argumente auf. Interessant wäre zudem eine Herausarbeitung von Unterschieden, die sich ergeben in der Praxis der aktuellen und der im November 2015 verabschiedeten Antidoping-Gesetzgebung zwischen dem Leistungs- und dem Amateur-/Breitensport. Die verschiedenen Initiativen sprachen diese Unterschiede kaum an, sie wurden nur am Rande in einigen Stellungnahmen thematisiert thematisiert. Der Gesetzentwurf des Landes Baden-Württemberg griff diese Unterschiede am deutlichsten auf, indem er den Tatbestand Dopingbetrug dahingehend definierte, dass er sich nur auf Berufssport treibende Person die an einem berufssportlichen Wettkampf teilnehmen, beschränkt. Wobei berufssportliche Wettkämpfe recht breit gefasst sind. Diese Fragestellung Berufssport-Amateure-Freizeitsport wäre vor allem deshalb interessant, weil das Doping-Problem im Freizeit- und Amateursport nach den Ergebnissen einiger aktueller Studien hoch ist. Es ist wahrscheinlich sogar ernster einzuschätzen als im Profisport, vor allem auch außerhalb der Bodybuilder-Szene. Welche Probleme sich ergeben hinsichtlich der Erfassung und Abgrenzung neuer strafrechtlicher Verschärfungen bezüglich des Dopings der einzelnen Sportler-Gruppen, kann aus dem Protokoll/Bericht der Expertendiskussion vom 26.9.2013 entnommen werden, in dem sich dieses Abgrenzungsproblem durch fast alle Fragestellungen zieht. Das nun beschlossene Gesetz der Bundesregierung klammert den Amateur- und Breitensport gänzlich aus, bezieht sich allein auf den Spitzensportbereich. Betroffen sind lediglich ca. 7.000 Spitzenathleten, die dem NADA-Testpool angehören sowie alle Sportler/innen aus internationalen Testpools, die in Deutschland überführt werden, sowie Sportler/innen, die "Einnahmen erheblichen Umfangs" erzielen. Gerade letzter Punkt dürfte Abgrenzungsprobleme mit sich bringen.
Ein Vergleich zwischen Sportrecht (Schiedsgerichtsbarkeit) und staatlichem Recht (Zivil- und Strafrecht) wird im Folgenden nicht vorgenommen. Die Vorteile, Nachteile und jeweiligen Grenzen der beiden Rechtsformen im nationalen und internationalen Kampf gegen Doping müssten gesondert betrachtet werden. Die hier dargestellte Diskussion um die deutsche Antidoping-Gesetzgebung wird aber immer vor diesem Hintergrund geführt. Insbesondere die Beschlüsse des DOSB beziehen sich auf den Unterschied und leiten daraus sich möglicherweise ergebende Konflikte ab. (S.a. D. Maihold, Strategien und Instrumente zivil- und verbandsrechtlicher Dopingverfahren in Deutschland und ATHLETEN- UND SCHIEDSVEREINBARUNGEN, Fragen- und Antwort-Katalog der Athletenkommission im DOSB)
Einen neuen Schub erhielt diese Diskussion mit dem Urteil des Münchener Oberlandesgerichts im Falle Claudia Pechstein vom 15.1.2015. Pechsteins Klage auf Schadensersatz gegen die Internationale Eislaufunion ISU wurde statt gegeben. Die Begründung des Gerichts legt nahe, dass damit nicht die Schiedsverfahren im Deutschen Sport generell abgelehnt werden, sondern dass durch eine Reform des CAS, mit der die Rechte der Sportler besser berücksichtigt würden, die meisten Kritikpunkte ausgeräumt wären. Die deutsche Anti-Doping-Gesetzgebung ist davon insbesondere dadurch betroffen, dass der aktuelle Gesetzestext (Gesetzentwurf 5.2015) einen Artikel enthält, in dem die Schiedsvereinbarungen neu geregelt bzw. präzisiert werden. Über die Sinnhaftigkeit solcher Regelungen in einem Anti-Doping-Gesetz wurde jedoch unter Experten gestritten. (Prof. Peter W. Heermann, 15.1.2015) einige Kernpunkte der KontroversenDie Kontroversen wurden mit Verabschiedung des neuen Gesetzes nicht beendet. Sie dauern an auch wenn das Thema erst einmal aus dem öffentlichen Interesse verschwunden ist. Die folgenden beiden Texte zeigen die Breite der unterschiedlichen Einschätzungen: Nils Zurawski: Falsche Lehren aus den Doping-Skandalen Dr. Ali B. Norouzi: Sanktionierung von Vorbildversagen
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Hoffnungen der Befürworter in Erfüllung gehen oder ob sich alles, wie Kritiker meinen, als Papiertiger erweist.
Strafbarkeit des EigendopingsDas Sportrecht stellt den Konsum von Dopingmitteln unter Strafe. Sportler/innen denen Dopingmittel oder die Anwendung verbotener Methoden nachgewiesen werden, müssen mit Sperren rechnen. Hier gilt das strict-liability-Prinzip, wonach nicht die sanktionierende Instanz zweifelsfrei nachzuweisen hat, dass und wie gedopt wurde, sondern der Sportler muss seine Unschuld beweisen.
Das deutsche Strafrecht sah eine Strafe für den Eigenkonsum von Dopingmitteln nicht vor und eine solche wurde auch lange Zeit nicht (mehr) diskutiert. Begründet wird dies vor dem Hintergrund des Grundgesetzes, woraus sich ergibt, dass selbstgefährdende und selbstverletzende Verhaltensweisen frei verantwortlicher Personen, die die Konsequenzen ihrer Handlungen überblicken, strafrechtlich nicht geahndet werden können. Im Mai 2013 stellte die SPD-Bundestagsfraktion diese Ansicht in Frage. In ihrem Gesetzentwurf vom 14.5.2013 wird das Eigendoping unter Strafe gestellt (SPD-Entwurf 2013).
Es folgte die Große Koalition von CDU/CSU und SPD, die in ihrem Referentenentwurf eines Anti-Doping-Gesetzes des BMI, BMJ und BMG vom 10.11.2014 das Eigendoping als strafbar einstufte. Verschiedene Stellungnahmen zu dem Referentenentwurf setzen an diesem Punkt aber mit Kritik an, so lehnen insbesondere der DOSB und der Deutsche Anwaltsverein die geplante Strafbarkeit des Eigenkonsums/Selbstdopings ab. Allerdings blieben diese Einwände unberücksichtigt. Das Eigendoping wird ab dem 1.1.2016 strafrechtlich relevant sein. Mehr Infos siehe >>> hier.
Das verabschiedete Anti-Doping-Gesetz lässt den überführten Sportler/innen jedoch ein Hintertür offen. Zeigen sie "tätige Reue", gehen sie straffrei aus.
Der dopende Sportler wäre allerdings auch nach den anderen Vorschlägen nicht aus der Diskussion gewesen. Zum einen wird versucht über Regelungen, die den Besitz und den Erwerb von Dopingmitteln betreffen, den Sportler zu belangen, zum anderen wird seit Jahren die Einführung eines Straftatbestandes Sportbetrug diskutiert, mit Hilfe dessen nicht allein das Doping sondern auch Korruptionsdelikte und Wettbewerbsverfälschungen wie Wettbetrug und Bestechung erfasst werden könnten. Baden-Württemberg beschränkte sich 2013 in seinem Gesetzentwurf auf Dopingbetrug.
Die Bayerische Landesregierung formulierte den Wunsch nach Bestrafung dopender Sportler 2009 in ihrem Referentenentwurf eines Antidoping-Gesetzes folgendermaßen:
Angesichts der weitläufigen Korruptions- und Wettbetrugsaffairen besonders im Fußball begann ab 2013 die Akzeptanz für solche einen neuen Straftatbestand Sportbetrug zu wachsen. (FAZ, Innenminister Friedrich „Den Straftatbestand Sportbetrug halte ich für sinnvoll“ 6.6.2013, FAZ: Kölner Sportrechtstag „Gesetzeslage genügt nicht“ 7.6.2013). Im November 2013 wurde der Gesetzesentwurf Baden-Württembergs mit dem Straftatbestand Dopingbetrug im Bundesrat positiv beschieden und in den Bundestag verwiesen. Dabei blieb es dann. KronzeugenregelungDie Aufnahme einer Kronzeugenregelung wurde 2006 in Vorbereitung der Novellierung des AMG innerhalb des Deutschen Sport Bundes (DSB) diskutiert, aber mit dem Hinweis auf die bestehende Rechtslage und die gewünschten Anforderungen von der DOSB Rechtskommission (Abschlussbericht) für nicht notwendig erachtet:
Diese Argumentation wurde vom Gesetzgeber übernommen und eine Kronzeugenregelung verworfen.
Die verschiedenen nach 2006 eingebrachten Gesetzesinitiativen nahmen jedoch die Forderung nach einer Kronzeugenregelung immer wieder auf: >>> Diskussion um eine Kronzeugenregelung im Antidoping-Gesetz
2021 wurden jedoch alle Bedenken beiseite geschoben und eine Kronzeugenregelung in das Gesetz aufgenommen in der Hoffnung, die Erfolgsquote zu erhöhen. strafrechtliche Erfassung des Umfeldes wie Ärzte, Trainer, FunktionäreHauptsächlich drehte sich die Diskussion zum Thema Erweiterung der Anti-Doping-Gesetzgebung um die Rolle des Sportlers, um dessen Bestrafung und die Wege hierzu. Gleichzeitig wird immer wieder Kritik daran laut, dass mit dem Sportler allein das Problemfeld Doping nur unzureichend erfasst werden kann, solange nicht bzw. vor allem die Hintermänner, das gesamte Umfeld, das dopingbegünstigend wenn nicht gar dopingfordernd ist, strafrechtlich belangt wird. Die Rolle von Ärzten ist spätestens nach den Enthüllungen um das Team Telekom und die Freiburger Sportmedizin kein Geheimnis mehr, und aus früheren Jahren sind auch deutsche Fälle von Trainern bekannt, die nachweislich Doping von den Sportlern verlangten. Sport- und strafrechtlich belangt wurden sie jedoch nur unzureichend oder gar nicht. Eine Verschärfung der deutschen Antidoping-Gesetzgebung sollte daher nach Meinung vieler vor allem dafür sorgen, dass dieses Sportlerumfeld genauer unter die Lupe genommen werden kann. Nach dem bis zum 31.12.2015 gültigen § 6a (1) ist es "verboten, Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 1 zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden, sofern ein Doping bei Menschen erfolgt oder erfolgen soll." Das neue Gesetz bringt keine weiterreichenden Formulierungen und übernimmt die alten Bestimmungen. Warum aber bislang Personen aus dem Umfeld der Sportler kaum bestraft wurden, wird in den vorliegenden Diskussionspapieren und Expertisen nur am Rande behandelt. Hier wäre es wünschenswert, wenn dieses Problemfeld einmal kompakt dargestellt und heraus gearbeitet würde, woran es mangelt, dass es bislang kaum möglich war, diesen Personenkreis zu erreichen. Einige Antworten werden im Expertengespräch, S. 50f vom 26.9.2013 gegeben. Danach könnte es einige Lücken in der bestehenden Regelung geben. Die Bandbreite der Ansichten ist groß.
Dieter Rössner, Befürworter eines Straftatbestandes Sportbetrug, sieht in dessen Schaffung auch verstärkte Möglichkeiten hier erfolgreich zu sein: Da nur bei einer Kriminalisierung des Eigendopings die allein erfolgversprechenden strafprozessualen Ermittlungsmethoden möglich sind, gehen die Einwände an der Realität vorbei und sind jedenfalls in einer Kronzeugenregelung aufzufangen. Staatliche Verfolgung des Eigendopings ist in der Lage, das System „Doping“ in der Breite zu erfassen." Möglicherweise wäre es aber schon hilfreich, die Zusammenarbeit der Justiz mit den Sportorganisationen zu intensivieren, wie es Sylvia Schenk anregt:
Siehe hierzu auch unten auf dieser Seite zur Zusammenarbeit Justiz-NADA. PräventionDen älteren Gesetzesinitiativen war gemeinsam, dass sie neben Gesetzes- und Strafverschärfungen Aufklärungs- und Präventionspflichten einführen wollten. In den späteren Entwürfen war dies kein Thema mehr. Erst im SPD-Entwurf vom Mai 2013 wird die Doping-Prävention wieder aufgegriffen.
2006/2009 Freistaat Bayern:
2007 BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN
2013 SPD Bundestagsfraktion
Warum die Dopingprävention in den anderen Gesetzesinitiativen nicht aufgenommen wurde, ist mir nicht bekannt. Es gibt seit 2009 den Nationalen Dopingpräventionsplan, doch dessen Verbindlichkeit dürfte umstritten sein und einklagbar sind die darin festgehaltenen beabsichtigten Maßnahmen keinesfalls. Kooperation NADA - JustizIn Kommentaren zu prominenten Dopingfällen, -affairen in Deutschland fällt auf, dass nicht selten eine fehlende Kooperation zwischen der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) und den Staatsanwaltschaften beklagt wurde. Beanstandet wurden u.a. mangelhafter Informationsaustausch wie fehlender Zugang der NADA zu polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsergebnissen und fehlende Anzeigen von Dopingfällen und damit keine juristischen Eröffnungen von Verfahren. Diese Defizite haben ihre Ursachen oft nicht in der gültigen und auch zukünftigen Anti-Doping-Gesetzgebung. Das verabschiedete Gesetz gibt der NADA nun zwarvweiter reichende Ermittlungskompetenzen. Damit werden aber die vorliegenden Strukturschwachpunkte kaum verbessert.
Der Evaluierungsbericht des DBVG, vorgelegt im September 2012, greift diese Punkte auf. Er nennt einige Gründe für unbefriedigende Verfahrensabläufe und -ergebnisse, wie mangelndes Problembewusstsein bei Strafverfolgungsbehörden, personelle Unterbesetzung, unklare gesetzliche Vorgaben, Unsicherheiten und unterschiedliche Auslegungen bei Strafanzeigen mit 'nicht geringen Mengen' beim Besitz von Dopingmitteln. Doch auch grenzüberschreitende Ermittlungen seien häufig schwierig aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten und gesetzliche Regelungen sowie fehlender Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Mit der Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften könnten einige Engpässe abgebaut werden. Bayern versucht dies schon länger, Baden-Württemberg folgte 2012, Nordrhein-Westfalen plant. Festgehalten wurde eine geringe Anzeigenerstattung von NADA und den Sportverbänden bei den Staatsanwaltschaften. Lediglich 10% der möglichen Fälle waren den Ermittlungsbehörden bis 2011 gemeldet worden. Die NADA sei aber 2011 dazu übergegangen, bei allen positiven Befunden, die eine nicht-spezifische Substanz betreffen (z.B. Testosteron, Erythropoetin → *), Strafanzeige gegen unbekannt zu erstatten, um auch eventuelle Hintermänner belangen zu können. Aus den Verbänden heraus, insbesondere den Amateurbereich betreffend, sei aber keine Veränderung der Quote zu erwarten. Eingeschaltet in die Ermittlungen waren und sind auch Zoll und das BKA im Falle des internationalen illegalen Handels. Beide hätten in den letzten Jahren ihre Kompetenz und Kapazitäten hinsichtlich Delikten mit illegalen Arzneimitteln und Dopingprodukten erheblich erweitert. Die Zusammenarbeit mit der NADA und den Sportverbänden würde intensiviert und harmonisiert werden, um eine ganzheitliche Problemlösung zu finden. Insgesamt zeichnete der Bericht ein positives Bild mit einigen Schwierigkeiten, an deren Behebung allerdings gearbeitet würde.
Ob dieses Bild realistisch ist? Zumindest lässt sich sagen, dass einige Verfahren der jüngeren Vergangenheit aufgrund oben beschriebener Mängel nur wenig Erkenntnisgewinn brachten und eingestellt wurden. Dies provozierte teils heftige Kritik an der alten Antidopinggesetzgebung und deren Handhabung. Die zugrunde liegenden Mängel betrafen beide Seiten, auch die NADA.
Dieter Maihold arbeitete in seiner Stellungnahme Strategien und Instrumente zivil- und verbandsrechtlicher Dopingverfahren in Deutschland, die er im Januar 2013 vor dem Sportausschuss abgegeben hatte, die wachsende Bedeutung und Aufgabenfülle der NADA heraus. Insbesondere brächte die sich 'anbahnende schrittweise Vereinheitlichung der Verbandsgerichtsbarkeit in Dopingverfahren' neue komplexe Anforderungen, vor allem auch in rechtlicher Hinsicht. Daraus ergäbe sich für die NADA die Notwendigkeit einer guten personellen Besetzung und ausreichender finanzieller Ressourcen.
Mit dem neuen Gesetz wurden folgerichtig die Kompetenzen der NADA erweitert. Gerichte und Staatsanwalten können nun einfacher relevante Daten an die NADA übermitteln und die NADA erhält mehr Vollmachten bezüglich der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten. Erste Erfahrungen in 2016 zeigen, dass die Strafverfolgungsbehörden auf Anzeigen der NADA reagieren, so in den Fällen des Saarbrücker Sprinters Rouven Christ und der Ringer des ASV Nendingen (Saarbrücker Zeitung, 17.3.2016, spiegel-online, 15.3.2016) Durch die neue Gesetzgebung erhielt auch der Zoll neue Kompetenzen. "Bis vor kurzem hätten die Zollmitarbeiter die Pakete, für die der Flughafen nur eine Zwischenstation sein sollte, gar nicht oder nur im Fall einer falschen Auszeichnung aus dem Verkehr gezogen. Das hat sich mit dem Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes (AntiDopG) am 18. Dezember 2015 geändert. Die neuen Regelungen verbieten nicht nur die Einfuhr von Dopingmitteln mit verbotenen Wirkstoffen in größerer Menge, sondern auch den Transport durch den Geltungsbereich des Gesetzes, wie es im Paragraf 2 heißt." (FNP, 18.3.22016) Eine erfolgversprechende Umsetzung der neuen Anti-Doping-Gesetzgebung wird aber vor allem zum einen davon abhängen, ob die Funktionsfähigkeit der NADA langfristig durch ausreichende finanzielle Mittel gewährleistet ist und davon, ob die Strafverfolgungsbehörden einschl. des Zolls in der Lage sein werden, Antidopingeinsätze durchzuführen. Eine Verbesserung der finanziellen Situation der NADA soll 2015 eingetreten sein, große Schritte können aber nicht unternommen werden. Bei Polizeien und Staatsanwaltschaften scheint die nicht gewährleistet. das beklagte auch Christoph Frank, Leiter der Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg. "„Wir sind voll motiviert, aber wir brauchen kurzfristig ein bis zwei Stellen mehr. Und bei Polizei und Zoll, von wo aus die Staatsanwaltschaft ja beliefert wird, werden noch größere Defizite entstehen.“ (Stuttgarter Nachrichten, 27.1.2016) Frank wird auch zu einer Frage zitiert, die bislang öffentlich kaum Thema war, aber entscheidend ist:
Günter Younger, bayrisches Landeskriminalamt und Mitglied der WADA-Untersuchungskommission zu Russland und der IAAF, beschrieb die Situation im Deutschlandfunk am 15.11.2015 wie folgt:
Dies klingt nicht all zu optimistisch, zumal, wann wird es schon so ausführliche Untersuchungsberichte von Sportorganisationen wie WADA/NADA geben, auch diese sind finanziell nicht oft zu stemmen. Andererseits wurde von Seiten des organisierten Sports immer wieder betont, allein mit der Sportgerichtsbarkeit seien große Erfolge zu erzielen, siehe den Fall Armstrong. Selbst wenn das stimmte, mit abhängigen Agenturen und Behörden wäre dies sicher nicht möglich. Trevis Tygart (USADA) legte vor dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages den Finger in die Wunden (die Zeit, 31.1.2013):
Der Fall Armstrong ist vor allem ein Beispiel dafür, was erreicht werden kann kraft besonderer Konsequenz, Stärke und Unabhängigkeit verantwortlicher Menschen wie Richard Young, Trevis Tygart, William Bock und Jeff Novitzky. Er wäre aber nicht möglich gewesen ohne Besonderheiten des USamerikanischen Justizsystems, insbesondere des hohen Stellenwertes der eidesstattlichen Erklärungen, und sich daraus ergebenden Kooperationsmöglichkeiten. (Siehe hierzu Richard Young (USADA), Balco and Armstrong Investigations, 21.1.2014)
Monika, März 2013, laufende Aktualisierungen
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