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Die Historie des „Großen Sachsenpreises“ 1911 - 1969



Hintergründe

Bis zum Jahre 1910 hatte sich der Deutsche Radfahrer-Bund mit Vehemenz gegen den Berufsradsport auf der Straße gewehrt. Fahrer, die Geldpreise annahmen, wurden bestraft und aus dem DRB ausgeschlossen.

Da griffen einige der besten Straßenfahrer zur Selbsthilfe und gründeten einen eigenen Verband, der ab 1910 mit Erfolg selbständig Straßenrennen organisierte.

Straßenfahrer der V.D.S.
Kühl - Naumann - Behr - Kuhns - Meyen - Axt
Ludwig - Wittig - Marx - Meck - Zeeh - Niehof


Das wohl bedeutendste der neuen „Vereinigung Deutscher Straßenfahrer“ war die „Meisterschaft von Mitteldeutschland“, die mit Start und Ziel in Berlin am 24. Juli 1910 über die gewaltige Distanz von 572 (!) Kilometer führte.

 

Die oft fälschlicherweise als erste Meisterschaft von Deutschland bezeichnete Fahrt, die u. a. auch quer durch Sachsen führte, gewann der Berliner Carl Wittig mit 20 Minuten Vorsprung vor dem Reichenbacher Arno Ritter und Gustav Schönweiß aus Nürnberg. 23 Stunden und sieben Minuten brauchte der Sieger für diese Mammuttour.

 

Als dem neuen Verband die Organisation weiterer großer Rennen wie beispielsweise „Rund um Köln“ gelang, reagierte der Deutsche Radfahrer-Bund. Am 23. Oktober 1910 beschloss der Bundessportausschuss auf einer außerordentlichen Sitzung in Leipzig, an der 31 Vertreter von 21 Gauen des deutschen Radsportes teilnahmen, die Annahme eines Antrages zur Veränderung des Paragraph 3 der Satzung mit folgendem Inhalt:

„Als außerordentliche Mitglieder können dem Bunde auch solche Radfahrer angehören, die um Geldpreise oder Vergütungen irgendwelcher Art Rennen bestreiten. Sie heißen Rennfahrer und können gegen ordentliche Mitglieder des Bundes nicht in Wettbewerb treten.“

 

In einer einstimmig gefassten Resolution begrüßten die Abordnungen fast aller Gaue mit Genugtuung diesen „ ... einzigen Weg zur Gesundung des zu hoher Blüte gelangten Straßenrennsportes“. Der historische Beschluss von Leipzig, der in letzter Instanz auch noch vom Bundesausschuss bestätigt wurde, brachte einen gewaltigen Aufschwung, der auch in Sachsen den schon reichlich gefüllten Terminkalender vergrößerte.



Es begann 1911

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Dresden auf der Bahn ebenfalls ein 'Grosser Sachsenpreis' ausgefahren. Zu den Siegern gehörten u.a. Richard Scheuermann (1912) und Walter Rütt (1922)

Neben den bereits etablierten Rennen, hauptsächlich organisiert vom Deutschen bzw. Sächsischen Radfahrer-Bund, begann jetzt auch die Industrie selbst, als Veranstalter aufzutreten. Die Prestowerke AG in Chemnitz hatte die große Werbewirksamkeit spektakulärer Fernfahrten erkannt und so wurde am Sonntag, den 10. September 1911 der „Große Sachsen-Preis“ aus der Taufe gehoben, der sich in den nächsten Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Rennen Deutschlands entwickelte.



Josef Hübner
Paul Suter und Fritz Schallwig

Unter der sportlichen Leitung des SRB organisierte der damalige Reklamechef des Prestowerkes, Heinrich Stevens, - er war später, 1923/24, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer – das 250 Kilometer lange Rennen für Profis. Früh am Morgen um sechs Uhr starteten 118 Fahrer in Chemnitz-Hilbersdorf und fuhren über Dresden und Leipzig zurück nach Chemnitz – Borna, wo vor dem Restaurant „Schweizerhaus“ eine riesige Menschenmenge die Helden der Landstraße erwartete.

 

30.000 Zuschauer erlebten einen Sieg des Schweizers Paul Suter, der den Dresdner Josef Hübner und den Berliner Fritz Schallwig in einer Fahrzeit von acht Stunden und 58:15 Minuten besiegte. Die überragende Klasse des Schweizers zeigte sich 20 Kilometer vor dem Ziel, als er nach einem Reifenschaden drei Minuten auf den mit ihm in Führung liegenden Hübner verlor, diesem energisch nachsetzte, ihn auf der Zielgerade einholte und in einem packenden Spurt bezwang. Nur 60 der Gestarteten erreichten das Ziel und der letzte, Herbert Ziller aus Chemnitz, brauchte exakt zwölf Stunden für die anspruchsvolle Strecke rund in Sachsen.

"Eine der grossartigsten Fahrten in bezug auf Ausgestaltung, Organisation und Besetzung war der von den Presto-Werken veranstaltete 'Grosse-Sachsenpreis', der am 9. September ausgefahren wurde.
...
Der Fahrt folgte eine Siegesfeier, an der sich alle Chemnitzer Sportleute beteiligten und die bei der Preisverteilung die Beliebtheit der Straßenrennen und der Matadore der Landstrasse zum Ausdruck gelangen ließ. Das vom Sächsischen Radfahrer-Bund tadellos geleitete Rennen hinterliess einen guten Eindruck und verschaffte dem Strassensport viele neue Freunde." (Sport-Album der Radwelt, 1912)



Ausländer setzten Akzente

Die zweite Austragung am 15. September 1912 war auch für die Amateure offen. Über 500 Nennungen waren einschließlich der Berufsfahrer eingegangen und das diesmal vom Deutschen Radfahrer-Bund sportlich geleitete Rennen gestaltete sich zu einem denkwürdigen Ereignis in der Geschichte des deutschen Straßenrennsportes. Starteten doch erstmals die damals viel bestaunten und gefürchteten Profis aus Frankreich und Belgien sowie wiederum die Schweizer.

Trotz strömenden Regens säumten Hunderttausende die Straßen und erlebten, wie die Ausländer beeindruckend vorführten, wie mit dem Teamwork eines schnellen Starts und dem sofortigen Tempobolzen neue taktische Akzente gesetzt wurden.

Der Grosse Sachsen-Preis 1912
In Wind und Wetter unterwegs


Unsere deutschen Fahrer staunten auch nicht schlecht, als die Ausländer sich zum Schutz der Nässe die Beine mit Fett und öligen Massagemitteln einrieben, statt Wachstuch und ähnliche Hilfsmittel zu verwenden. So nahm es nicht wunder, dass sechs der ersten zehn Platzierten nicht aus Deutschland kamen. Wiederum erreichten zwei Spitzenfahrer gemeinsam das Ziel und der Belgier Marcel Buysse siegte ind 9:32:00 Stunden im Spurt vor dem Franzosen Charles Crupelandt. Einen großartigen dritten Platz mit allerdings bereits 18 Minuten Rückstand belegte der Leipziger Richard Schenkel. Für die Härte des Rennens und die Klasse der Sieger spricht die Tatsache, daß der 20. Preisträger auf den aufgeweichten Straßen bereits eine Stunde und 33 Minuten Rückstand hatte und der Sieger der Amateure, der Münchner Josef Rieder, erst nach 11 Stunden und 27 Minuten das Ziel erreichte.

Marcell Buysse, 1. Platz
Ch. Crupelandt, 2. Platz




DRB übernimmt Initiative

Der hohen Kosten wegen sah die Industrie im Jahre 1913 von einer Austragung des Rennens ab. 1914 ergriff nun der Deutsche Radfahrer-Bund die Initiative und ließ das Rennen unter Leitung seines Bezirkes Chemnitz rollen. Der Start erfolgte allerdings in Leipzig-Wachau, und da die Behörden einen Massenstart verboten, wurden 140 Herren- und Berufsfahrer im halbminütigen Abstand abgelassen.

 

Wiederum säumten Hunderttausende die Rennstrecke und erlebten diesmal bei schönstem Wetter einen Sieg von Richard Weise (Berlin), der die 252 Kilometer in der Rekordzeit von 7:58:49 Stunden bewältigte und den Südafrikaner Rudolf Lewis und den Österreicher Ernst Franz auf die Plätze verwies. Das Ziel in Paunsdorf passierte in der Amateurklasse der Berliner Karl Kohl in 8:32:58 Stunden vor Hans Schneider (Weinböhla) und Paul Kohl (Berlin) als Erster. Krönenden Abschluss bildete eine großartige Siegerfeier im Leipziger Kristallpalast.

Die Brüder Karl und Paul Kohl, 1914 auch Sieger der Fernfahrt Wien-Berlin (hier an deren Start).


Erneuter Beginn

Der I. Weltkrieg unterbrach das Renngeschehen und erst 1920 kam es zur vierten Auflage der Fahrt. Sie war den Wertpreisfahrern vorbehalten und sah Paul Kohl in 8:41:02 Std. vor Fritz Brenne (Leipzig) und Ernst Hartmann aus Magdeburg erfolgreich.



Ein Jahr später, 1921, fanden sich nur 26 Berufsfahrer in Chemnitz am Start ein. Sie wurden um 5:30 Uhr gestartet, nachdem bereits 4:50 Uhr die Altersfahrer und 5:08 Uhr die 74 Amateure auf die Strecke gegangen waren. Auf der Radrennbahn in Chemnitz-Altendorf sorgte eine Musikkapelle für Unterhaltung und eine ansehnliche Zuschauerkulisse erlebte den erneuten Sieg von Paul Kohl, der Erich Aberger und Adolf Huschke bezwang. Großer Jubel bei den Chemnitzern, als ihr Landsmann Georg Oelmann im Amateurrennen mit über einer Minute Vorsprung vor Erich Henning aus Leipzig triumphierte.



Nachdem 1922 wiederum starke Regenfälle das Rennen erschwerten und Paul Kohl seinen dritten Sieg in Folge feierte, herrschte bei der siebenten Auflage 1923 glühende Hitze, bei der nur die Amateure starten mussten. Die Sensation war der Leipziger Rudi Dost, der als B-Fahrer den Spurt einer fünfköpfigen Spitzengruppe sicher vor Paul Kroll und Karl Kohl (beide Berlin) gewann.



Richard Huschke

Seinen vierten Erfolg feierte Paul Kohl 1924, als er den großen Favoriten Richard Huschke um mehr als vier Minuten hinter sich ließ. Dieser war als Spurtsieger der Verfolgergruppe noch gestürzt, als er hinter der Ziellinie in die begeisterten Zuschauer hineinfuhr. Einen Doppelsieg für den Leipziger Club „Tornado“ schafften die Gebrüder Hans und Walter Hundertmarck vor einem weiteren Messestädter, Walter Baake (Concordia). Zu erwähnen wäre hier jedoch, dass der eigentliche Zweite des Rennens, Eisold (Triumph Leipzig) distanziert und auf den letzten Platz seiner Gruppe gesetzt wurde, da er unter einem falschen Namen (Haurig) gestartet war.

 

Das Rennen, seit dem Vorjahr auf 270 Kilometer Länge angewachsen, wurde 1925 von „Atze“ Nörenberg (Berlin) gewonnen, der am letzten gefürchteten Berg kurz vor Chemnitz, am „Hartmannsdorfer“, eine zwölfköpfige Spitze demontierte. Nur die Gebrüder Kohl und Richard Huschke konnten seinem Antritt folgen und mit einem langen Kraftspurt verwies er Karl Kohl schließlich auf den Ehrenplatz.

 

Am gleichen Berg sicherte sich Alfred Schmidt (Dresden), der Deutsche Straßenmeister von 1924, den Sieg bei den Amateuren. Von den 150 Gestarteten durchfuhren die Kontrolle am Leipziger „Kuchengarten“ noch 25 Spitzenreiter, in Penig lösten sich fünf Fahrer, von denen schließlich Schmidt allein dem Ziel zustrebte. Die resignierenden Verfolger Rösen (Köln) und der inzwischen nach Frankfurt/Main übergesiedelte Hans Hundertmarck verloren 4:34 bzw. 7:19 Minuten gegen den entfesselten Dresdner.



Zum Jubiläum wieder Ausländer

Die Jubiläumsfahrt 1926 sah erstmals nach dem I. Weltkrieg wieder ausländische Profis am Start, von denen vor allem die Schweizer und Italiener zu den großen Favoriten zählten. Das Rennen gestaltete sich für den ausrichtenden BDR-Gau Chemnitz zu einem noch nie dagewesenen Erfolg. In den Durchfahrtsorten standen tausende von Zuschauern und vor allem bei den Hauptkontrollen in Dresden und Leipzig sowie am Ziel in Chemnitz herrschte ein riesiges Gedränge, so dass die Offiziellen Mühe hatten, die Fahrstrecken freizuhalten.

 

Der Held des Rennens war der Leipziger Herbert Nebe, der vor allem auf dem letzten Teil der Strecke immer wieder auf Tempo drückte und schließlich eine sechsköpfige Spitze ins Ziel führte. 400 Meter vor dem Ziel trat Nebe an, stand den zu langen Spurt jedoch nicht durch und musste den Italiener Belloni und die Schweizer Suter und Blattmann an sich vorüberziehen lassen.

Herbert
Nebe
Gaetano Belloni
Albert Blattmann


Die Sensation schlechthin war jedoch das Rennen der Amateure. Die Asse schafften es nicht, die Vorgabe der B-Fahrer aufzuholen, so dass eine zehn Fahrer starke Gruppe weit auseinandergezogen das Ziel in der Leipziger Straße erreichte. Die schnellsten Beine hatte der Leipziger „Tornado“ Hermann Meier, der Weber (Reichenbrandt) und Faust (Leipzig) im Spurt bezwang. Bester A-Fahrer wurde fast elf Minuten zurück Max Günther (Presto Chemnitz). Die Profis mussten im internen Vergleich eine fast drei Minuten schlechtere Fahrzeit hinnehmen. Ein Wermutstropfen waren zahllose „wilde“ Autofahrer, die – in eine riesige Staubwolke gehüllt – das Rennen begleiteten und zahlreiche Stürze verursachten.

 

Eine Verschnaufpause gab es 1927 – das Rennen war nur für Amateure offen – und hier behaupteten sich gleich drei Chemnitzer auf den ersten Plätzen. Erich Reim vor Bruno und Rudolf Wolke lautete der Einlauf.

Die siegreiche Ausreißergruppe 1927
Endspurt der zweiten Gruppe
Rudolf und Bruno Wolke


Erste Weltmeister am Start

Noch einmal stellte sich die internationale Profi-Elite 1928 dem Starter. Immerhin waren u. a. die drei Medaillengewinner der ersten Weltmeisterschaft, die Italiener Alfredo Binda, Constante Giradengo und Domenico Piemontesi am Start, die 1927 auf dem Nürburgring ihre Klasse unter Beweis gestellt hatten.



Piemontesi und Belloni
Alfredo Binda

Das Rennen begann im gemächlichen Bummeltempo, und war von mehreren Stürzen gekennzeichnet. Die Entscheidung fiel wiederum zwischen Leipzig und Chemnitz, als der Belgier Jules van Hevel und Piemontesi dem Felde davonfuhren, wobei der Belgier die Hauptführungsarbeit leistete. Am Hartmannsdorfer Berg schließlich zog der Italiener rasant davon und erreichte mit einem Vorsprung von über fünf Minuten das Ziel, empfangen wiederum von tausenden von Zuschauern, die miterlebten, wie der völlig entkräftete Belgier van Hevel nach dem Ziel zusammenbrach. Auf die nächsten Ränge fuhren die Italiener Belloni, Giradengo und Binda, bevor auf Platz sechs mit Paul Kohl der erste Deutsche erschien.



Thierbachs Karriere begann

Oscar Thierbach
1930 Hoffmann und Franke allein in Front

In der Amateurklasse gab es einen Leipziger Sieg. Rudi Dost (RC Opel) verabschiedete sich bereits vor der Kontrolle in Leipzig vom uneinigen Feld und konnte über sechs Minuten Vorsprung auf Otto Schenk (Hemer) und den Stettiner Olböter herausfahren. Gleichzeitig startete erstmals auch die B-Klasse der deutschen Amateure und hier begann die Karriere von Oscar Thierbach (Robschütz/Dresden), der Jahre später sechs Mal an der Tour de France teilnahm, immer das Endziel erreichte und mit den Plätzen 7, 10, 11, 13, 14 und 23 zu den größten deutschen Straßenfahrern zählte.

 

Bis zum Jahre 1933 gab es ausnahmslos nur Rennen der Amateure. 1929 fuhr der Sieger der B-Klasse, Kurt Tätweiler, über 15 Minuten schneller als der Berliner Walter Hoffmann, der im Sologang in Chemnitz eintraf. Rudi Risch (Berlin/3:23 Minuten zur.) und der aufstrebende Thierbach (4:23 Minuten zur.) hielten den Rückstand in Grenzen, doch der Vierte, Hertwig (Dresden) hatte bereits über 13 Minuten verloren.

 

Ein Jahr später wiederholte Hoffmann seinen Vorjahressieg mit einem neuen Rekord. Nach 8:02:40 Std. überfuhr er das Ziel, 38 Minuten schneller als im Vorjahr. In der B-Klasse kam Paul Tennler (Wanderer Chemnitz) mit drei Minuten Vorsprung an, Bennewitz (Dresden) und Dornblut (Leipzig) folgten bei großer Hitze auf den Plätzen.



Deutsche Meisterschaft mit Rekord

Eine deutsche Straßenmeisterschaft prägte 1931 das immer schneller werdende Rennen. Erstmals blieb ein Sieger unter acht Stunden, und der neue Meister August Brandes aus Hannover schlug in 7:52:20 Std. die Berliner Emil Schöpflein und Rudi Risch in einem Massenspurt, an dem sich 19 Fahrer beteiligten. Der Wettkampfausschuss konnte nur fünf Mann ausmachen, der Rest wurde auf Platz sechs gesetzt!

 

1932 hieß der große Pechvogel Walter Lohmann, der spätere Steherweltmeister. Er war bei der Anreise nach Chemnitz in Jena gegen einen Baum gefahren und hatte sich dabei so schwer verletzt, dass er nicht starten konnte. Erst später begannen die Asse auf den letzten Kilometern, richtig radzufahren und der Berliner Bosse siegte vor dem Einheimischen Hanke und Stach (Berlin).

August Brandes
Rudi Risch


Wieder konnte in der B-Klasse ein Fahrer seine ersten Sporen verdienen: Der aus Sebnitz stammende Herbert Hauswald (Wanderer Chemnitz), später ebenfalls Tour de France-Teilnehmer, erreichte alleine das Ziel.

Der Grosse Sachsenpreis 1932


Nur ein Jahr später avancierte Hauswald zum besten Mann der fast 100 Gestarteten. Die mit 18 bzw. 10 Minuten Vorgabe bedachten C- bzw. B-Fahrer werden von Hauswald und Schulze, die bereits kurz hinter Dresden dem Felde einzeln davongefahren waren, im Kührener Wald eingeholt. Mit fünf B-Fahrern am Hinterrad erreicht schließlich Hauswald allein das Ziel vor dem tapferen Bruno Schulze, der über 3 ½ Minuten verloren hatte. Den Spurt der Verfolger gewann der Sohn von Adolf Huschke, Gerhard, der sage und schreibe 24 Minuten Rückstand in Kauf nehmen musste. B-Klasse-Sieger wird Fritz Anger (Berlin) vor dem Leipziger Rudolf Kühn.

Herbert Hauswald
Gerhard Huschke links neben Willberg, 1932


Wieder Berufsfahrerrennen

Erstmals nach 1928 standen 1934 wieder Berufsfahrer am Start. Held des Rennens war der Schweinfurter Ludwig Geyer, der als Siebenter der Tour de France in großer Form das schwere Rennen dominierte und, nachdem er seine drei letzten Wegbegleiter in Mühlau abgeschüttelt hatte, solo das Ziel mit drei Minuten Vorsprung erreichte. Die Verfolger fuhren einen Spurt mit Haken und Ösen, der Magdeburger Otto Weckerling drückte Hodey (Essen) mit dem Ellenbogen nach außen, so dass dieser 10 Meter vor dem Ziel gegen den Bordstein fuhr und schwer stürzte. Auch ein Polizeibeamter und ein Kind verletzten sich, der Wettkampfausschuss platzierte Hodey auf Rang drei hinter Roth (Frankfurt).

Ludwig Geyer
Otto Weckerling


Um ein Zusammentreffen mit den Profis zu verhindern, starteten die Amateure elf Minuten später. eine dreiköpfige Spitze erreichte das Ziel und der Münchner Sebastian Krückl drückte den Vorjahressieger Hauswald in der letzten Kurve nach außen, so dass dieser schließlich resignierte und hinter Weiß (Berlin) nur Dritter wurde. Das B-Rennen gewann Büttner (Dresden) vor Albani (Chemnitz).



Sieben Chemnitzer im Nationaltrikot

Bei glühender Hitze absolvierten Profis und Amateure 1935 das schwere Rennen. Alles sah nach einem erneuten Sieg von Ludwig Geyer aus, als dieser am Hartmannsdorfer Berg scharf antrat, auf die linke Straßenseite wechselte und im Nu 100 Meter Vorsprung gewann. Ein den Berg herunterfahrender Radfahrer stieß mit ihm zusammen, er musste sofort ins Krankenhaus gebracht werden. So gewann der alte Fuchs Emil Kijewski aus Dortmund vor Umbenhauer und Kutschbach. Die Amateure stritten um die Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft. Obwohl der Schweinfurter Walter Loeber mit über drei Minuten Vorsprung am Ziel anlangte, konnten sich insgesamt sieben (!) Rennfahrer aus Chemnitz die begehrten Trikots überstreifen. Mit der Zeit von 7:37:11 Std. wurde ein neuer Streckenrekord gefahren, die Profis benötigen fast vier Minuten länger.



Zu erwähnen wäre noch der Kommentar im Illustrierten Radrennsport über die B/C-Klasse. Sie schreibt, dass ein „aus dem flachen Lande kommender Fahrer namens Hermann Schild bei dieser, mit steilen Bergen gespickten Fahrt, die Einheimischen aus den Schuhen galoppierte. Mit fast vier Minuten Vorsprung erreichte er das Ziel und es hat den Anschein, als ob in dem erst der Jugendklasse entwachsenen Gubener ein neues Talent heranwächst, das seinen Weg in die Nationalmannschaft finden wird.“ Wie wahr, denn nur drei Jahre später gewann Schild die Deutschlandrundfahrt ...!



Umbenhauer mit Glück Meister

Georg Umbenhauer

Georg Umbenhauer aus Nürnberg verbesserte 1936 beim dritten Rennen um die Deutche Straßenmeisterschaft den Streckenrekord von Walter Loeber um genau elf Sekunden. Zehn Spitzenreiter kämpften vor 10.000 Zuschauern um den Sieg, der Dortmunder Erich Bautz zog sich am führenden Georg Umbenhauer ab und schlug ihm um Handbreite. Die Jury gab dem Protest des Nürnbergers statt und sprach ihm den Sieg zu.



500 Meter vor dem Ziel gab es leider ein Missgeschick, als eine Zuschauerin in die Gruppe rannte und der hohe Favorit Kijewski sowie Arents und Weckerling schwer zu Fall kamen und ausscheiden mussten. Damit war der Weg für Umbenhauer frei, der mit 51 Punkten aus drei Rennen den kaum noch erhofften Meistertitel errang, während der bis dato klar führende Kijewski bei 45 verblieb und hinter Bautz (48) nur Bronze holte.

 

Straßenmeister der Amateure auf dem verkürzten 110-Kilometer-Kurs wurde im Spurt einer dreizehnköpfigen Spitzengruppe Fritz Scheller aus Schweinfurt, gefolgt von Willy Hupfeld (Chemnitz) und Fritz Ruhland (Klein-Auheim).

Der neue Deutsche Straßenmeister Erich Bautz siegte 1937 vor 7.000 begeisterten Fans im Spurt vor dem vorjährigen Pechvogel Kijewski und Bruno Roth (Frankfurt): Die drei hatten sich wieder einmal am Hartmannsdorfer Berg abgesetzt und in einer sechsköpfigen Spitze das Ziel erreicht. Erneut gab es einen Rekord, denn mit 7:06:00 Std. war er 31 Minuten schneller als Georg Umbenhauer 1936. Auch der Amateursieger Paul Reichel bleibt noch 17 Minuten unter der bisherigen Bestzeit.



Arents trotz Sturz Meister

Zum letzten Mal vor dem II. Weltkrieg traf sich die Profi-Elite beim nunmehr bereits 22. „Großen Sachsenpreis“ 1938, der gleichzeitig letzte Lauf der Deutschen Meisterschaft war. Eine sechsköpfige Spitzengruppe hatte sich bereits in Dresden vom Felde gelöst und fast acht Minuten Vorsprung herausgefahren. Der Düsseldorfer Willy Fischer, der sich im Interesse seines Kameraden Bruno Roth, der in der Meisterschaftswertung führte, aber nur in der zweiten Gruppe fuhr, vorn geschont hatte, setzte sich am Mühlauer Berg ab und passierte mit zwei Minuten Vorsprung das Ziel, das wiederum von einer riesigen Menschenmenge gesäumt wurde.

 

Trotz eines Sturzes in der Einfahrt in die Chemnitzer Schlossteich-Strecke gewann Josef Arents den Spurt und wartete nun gespannt auf die nächste Gruppe, denn ein Platz unter den nächsten sechs hätte Roth den Meistertitel gebracht. Dieser war jedoch völlig erschöpft am gefürchteten Hartmannsdorfer zurückgefallen und wurde nur 14. Das Endergebnis lautete somit 1. Arents – 61 P., 2. Roth (60) und 3. Scheller (47). Ein entsetzlicher Unfall überschattete den Wettbewerb, denn in der Nähe von Borna stürzte der Münsteraner Gustav Schmidt so schwer, dass ihm in der Folge ein Bein amputiert werden musste.



Hans Preiskeit

Hans Preiskeit (Breslau) erreichte im Amateurrennen solo das Ziel vor den Leipzigern Franz Heller und Johann Czikowski, die alle drei mit großem Kampfgeist ihre Vorgaben als B-Fahrer vor den Assen verteidigt hatten. Runde zwei Minuten nach dem Sieger fehlten dem ersten A-Fahrer Rudolf Kühn (Chemnitz) 17 Sekunden an einem Platz auf dem Treppchen.



Neuanfang an Meister

Der II. Weltkrieg legte den Straßenradsport nach und nach lahm und es vergingen zwölf Jahre, bis 1950 in der damaligen DDR wiederum in Chemnitz ein Sachsenpreis gestartet werden konnte. 50 Fahrer begaben sich auf die 270 Kilometer lange Strecke. Der als sechstes Auswahlrennen deklarierte Wettbewerb wurde eine Beute des erst 18-jährigen Lothar Meister (Leipzig), der den Spurt sicher vor seinem letzten Wegbegleiter Horst Gaede (Magdeburg) gewann. Beide hatten sich in Frohburg vom Felde abgesetzt und über sechs Minuten Vorsprung herausgefahren.

 

Es blieb die einzige Austragung dieser Zeit, ehe 16 Jahre später der damalige Radsportverband der DDR versuchte, das traditionsreiche Rennen wiederzubeleben.



Letzte Wiederbelebung scheiterte

Bernhard Eckstein
Straßen-Weltmeister 1960

Mehr als 13 Minuten Vorgabe sollte die Leistungsklasse I 1966 für die zu absolvierenden 265 Kilometer vor der Meisterklasse erhalten, doch als der Trainerrat kurzfristig beschloss, ein Auswahlrennen zu fahren, fiel diese weg und so stellten sich nur 45 Fahrer dem Starter. Sieger wurde nach einem geglückten Ausreißversuch am Mühlauer Berg der Leipziger DHfK-Fahrer Harald Dippold, der zäh einen minimalen Vorsprung von sechs Sekunden ins Ziel rettete. Den Spurt der Verfolger gewannen mit Rainer Marks und Exweltmeister Bernhard Eckstein weitere Leipziger.

 

Die Entscheidung 1967 fiel wieder einmal am gefürchteten „Hartmannsdorfer“, als sich aus einer sechsköpfigen Spitze Rainer Marx und Günter Hoffmann lösten und mit 17 Sekunden Vorsprung ins Ziel fuhren.

Nachdem der DDR-Bergmeister Siegfried Huster im Vorjahr genau an diesem Berg nach einem Schwächeanfall zurückgefallen war, präsentierte er sich 1968 in großer Form, meisterte die 2,5 Kilometer lange Steigung als Erster und gewann vor seinem Mann-schaftskameraden Gerd Steiner und dem BSG-Fahrer Fritz Braun.

 

Die letzte Austragung 1969 sah nur noch 15 (!) Meisterklassefahrer am Ablauf, die neun Minuten nach der Leistungsklasse I (31 Starter) das Rennen aufnahmen. Nach 75 km war jedoch bereits alles zusammen, die Angst vor der Mammutdistanz von 270 Kilometern lähmte vorn die Aktivitäten. Zwischen Leipzig und Chemnitz fiel die Vorentscheidung, sechs Akteure lösten sich vom auseinanderfallenden Feld und schließlich erreich-ten drei Spitzenreiter das Ziel und Jürgen Wanzlick (Dynamo Berlin) bezwang den Karl-Marx-Städter Reinhard Dertz und Erwin Raidt (DHfK Leipzig) im Spurt.

 

In der Auswertung des riesigen Aufwandes zur Durchführung des Rennens und der schwachen Resonanz der Teilnahme, wurde 1970 beschlossen, den Klassiker nicht mehr durchzuführen.

 





 

Text © Wolfgang Schoppe

Der Text wurde erstmals in der Zeitschrift des Vereins HISTORISCHE FAHRRÄDER e.V. Knochenschüttler 19,2 2000 veröffentlicht.

 

Fotos Archiv cycling4fans (*)

September 2011


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