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Radlerprosa



etc. PP - Posers Prosa

Ernstes, Lustiges, Skurriles von Radsportfan Manfred Poser



IVCA-Rallye 2010

Bericht und Fotos von Manfred Poser, Juni 2010





Wie schön war Moen!

Brian Rosenberg und Elsie Huntington, getrennt vom Schatten des Fotografen

Vier lupenreine Hochsommertage empfingen Anfang Juni auf der dänischen Insel Moen die Teilnehmer der viertägigen IVCA-Rallye 2010. Es war das 30. Treffen in der Geschichte des internationalen Verbands. Am Tag davor und am Tag nach der Abreise herrschte Regen in ganz Südskandinavien. Da lag die Frage von Elsie Huntington, der neuen Präsidentin des IVCA (International Veteran Cycles’ Association), an den Organisator Brian Rosenberg nahe, wie er das gemacht habe? Brian, der wortkarge, schlitzohrige Däne murmelte etwas von „Organisation“.



Stimmung in Hjerteberg

Die Insel Moen bildet Dänemarks Südosten und ist seit 1943 durch eine Brücke mit Seeland (die große dänische Insel mit Kopenhagen rechts außen) verbunden. Von West nach Ost mag die Insel 40 Kilometer messen, von Nord nach Süd 20. Der Hauptort heißt Stege, ausgesprochen wird ee „Stej“. Berühmt sind die Kreidefelsen am Ostrand. Es gibt kaum Steigungen. Das Meer ist überall zu riechen. Das Land ist dünn besiedelt.

 

Der abendliche Versammlungsraum war ein Bürgerheim im Dorf Hjerteberg. Man saß dicht auf dicht, bediente sich selbst mit Kartoffeln und Fleisch, und der Lärmpegel war enorm hoch. Draußen blieb es fast bis elf Uhr hell. Große Stimmung jeden Abend. Gleich am ersten Abend fand die Hochrad-Weltmeisterschaft statt, wie immer in den Disziplinen „Originale“, „Nachbauten“ und „Laufräder“.

Impression von der Hochrad-Weltmeisterschaft


Die Protagonisten kennen wir aus den zwei Berichten davor. Hans Rügner aus Frankfurt wurde Original-Weltmeister (Silber: Glen Norcliffe, Bronze: Tony Huntington), sein Freund Richard Ettmüller aus dem Chiemgau siegte bei den Nachbauten (vor Sándor Halápi und Ben Beeckman aus Belgien). So erklang zwei Mal die deutsche Nationalhymne, deren dritte Strophe ich lauthals mitsang. Ein netter Einfall, die Hymnen zu spielen! Bei den Laufrädern gewann erwartungsgemäß der harte Tscheche Ivan Křiwanek, der am nächsten Tag dann noch seinen gewünschten Rekord über 120 Kilometer aufstellte.

Richard Ettmüller gratuliert Ivan Kriwanek
Richard Ettmüller oben auf dem Siegerpodest


Das Century

Donnerstag war der große Tag des „Century“-Rennens. Start wie gewohnt um sechs Uhr morgens. Es ging von Hjerteberg circa 20 Kilometer nach Westen, auf eine Insel in Meeresnähe – und dann zurück, und da die Strecke 100 Meilen beträgt, also 160 Kilometer, war der Weg vier Mal zu absolvieren. Völlig flach ist Dänemark nicht; ein paar böse Steigungen waren doch eingebaut worden. Ich hatte eigentlich meinen Titel vom Jahr zuvor verteidigen wollen, doch das erwies sich rasch als unmöglich: Brian hatte mir ein opulentes und chromgeschmücktes „Crescent“-Rad aus Schweden von 1951 ohne Gangschaltung geliehen. 15 Kilogramm Schwedenstahl! Das war, als wollte man mit einem alten Volvo bei der Mille Miglia gegen Rudolf Caracciolas Mercedes 300 SL antreten.

15 Kilo Schwedenstahl mit Chrom: schön, aber nicht gut für Rennen


Caracciola war hier der unermüdlich in die Pedale seines Hochrads tretende Ungar Sándor Halápi. Er gewann so überlegen wie ich 2009.



Schon bei der Hälfte des Rennens war ich todmüde und wäre vielleicht ausgestiegen, hätte nicht ein netter dänischer Zeitnehmer meinen Sattel etwas höhergestellt. So kam wieder neue Kraft aufs Pedal, ich wartete sogar lange auf das Mittagessen, weil mir sonst die „Körner“ gefehlt hätten. Dann weiter. Ein Stück vor mir und unerreichbar fuhr stets David Brown aus Kanada auf seiner leichten „Comet“ von 1897. Immer wenn ich zur Verpflegungsstelle kam, fuhr er wieder los, und sein gelber Rucksack leuchtete dauernd wie ein kleiner Fleck weit vor mir.

Man tut sein Möglichstes: die Brücke nach Nyort


Dann war das Ziel in Reichweite, noch 10 Kilometer, ich fuhr wie in Trance, kam durch einen kleinen Ort, und da lag links an einem Zaun im Staub David. Er lag entgegen die Fahrtrichtung, und seine Beine waren irgendwie um die Lenkstange verknotet. Ich begriff es nicht und hatte den abenteuerlichen Einfall, er habe sich da zum Ausruhen hingelegt. David stöhnte. Ich befreite seine Beine, und dann waren zwei Holländer da. David erkundigte sich, sichtlich verwirrt, wo seine Frau geblieben sei. Ein Minibus mit Belgiern nahm den Lädierten mit, der im Krankenhaus noch durchgecheckt wurde, aber schon am nächsten Tag wieder unter uns war.

 

Nach zehneinhalb Stunden war ich auch im Ziel. Elsie Huntington und Tony auf seinem Hochrad waren noch vor mir eingetroffen, und insgesamt schafften 17 Teilnehmer die 100 Meilen, immerhin 10 Prozent von allen. Denn 160 waren wir, darunter 50 Frauen, meist mit ihren Ehepartnern unterwegs. Nicht viel für einen Weltkongress, und Elsie Huntington, die als Präsidentin dem Dresdner Michael Grützner nachfolgte, mahnte auch, der IVCA sei noch nicht bekannt genug, man möge doch etwas unternehmen. Ich tue ja was und füge noch die Adresse an: ivca-online.org.

Es fehlt Nachwuchs, auch wenn es die beiden hübschen Tschechinnen Tereza und Jana auf ihrem Tandem gab und den zehnjährigen Sohn von Hans-Peter Mikkelsen, Mads.

Tereza und Jana
auf ihrem Tandem
fahren rechts
Mit dem Rad von 1870 auf Holzreifen schafft man keine 100 Meilen


Ausflüge

Das große Ereignis war damit vorbei, aber traditionsgemäß gab es Ausflüge – so am Freitag zu einem naturhistorischen Museum in der Nähe der Kreidefelsen. Ich hatte mich mit dem Wikinger Jan Paulsen angefreundet, einem sympathischen Norweger, der mal sein Hochrad fuhr, mal ein winzigkleines Rad mit Minirad hinten, vermutlich das kleinste Hochrad der Welt. Wir fuhren früher zurück, die Welt war weit und schien endlos bis zum Meer, die Luft gläsern und schmeichelnd. Nachts auf dem Campingplatz strahlte der immer noch blaue Himmel etwas Magisches ab, und die Krönung war eine schmale Mondsichel.

Jan Paulsen aus Norwegen mit dem Mini-Hochrad genießt die Ausfahrt
Die berühmten
Kreidefelsen

schöner als die Rügens


Am Samstag wurde ein Gruppenfoto gemacht, und die große Gruppe verteilte sich in Stege auf vier verschiedene kulturelle Attraktionen. Auf dem Hauptplatz trat Elvis Presley, gewissermaßen reinkarniert in Brian Troejborg aus Kopenhagen. Es war ein halber Feiertag mit Aktionen der dänischen Sozialdemokratie (Luftballons!), und ich hörte „Heartbreak Hotel“ und „Love Me Tender“ und sprach lange mit Elvis. Und außerhalb der Stadt ist gleich das Meer. Aber es riecht modrig.

Elvis
als junger Mann
... und in der weißen Gala-Uniform


Als Epilog ein paar Fotos von Teilnehmern. Schön war Moen, und im Jahr 2011 ist die Slowakei der Schauplatz – das Land, das Italien aus der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 entfernte. Die größte Delegation stellte übrigens die Tschechische Republik (Tjekkiet auf Dänisch), gefolgt von 30 Deutschen und 24 Belgiern. Lobend zu erwähnen die Gäste von anderen Kontinenten: 4 Australier, 5 Kanadier, 3 Neuseeländer, 4 US-Amerikaner. Es könnten durchaus noch mehr sein, Italiener werden schmerzlich vermisst, Südländer überhaupt, doch das kann noch werden.

Tony Huntington aus Yorkshire
im Gespräch
mit einer Dame
Michael Grützner, Dresden, nun Ex-Präsident
Der Wikinger
Jan Paulsen
mit seinem Hochrad



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