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Geschichte Deutscher Radsport



Kleine Geschichte des deutschen Radsports<br> Teil I 1868 bis 1918



>>> Karl Drais 1820, der Erfinder der Draisine
Laufrad von 1817, schon mit Bremse

Die ersten Radrennen waren verboten, sie mussten meist heimlich durchgeführt werden, am Besten frühmorgens oder spätabends, auf einsamen Areal in Parks oder auf unbelebten Plätzen. München hatte da schon einiges zu bieten. Hier fand auch eines der ersten Rennen überhaupt statt, ein Draisinen-Rennen mit 26 Laufgeräten am 20. April 1829 mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von im Schnitt 22 km/h während einer halben Stunde. *



das VELOCIPED BONESHAKER ca. 1865

Am 31. Mai 1868 gewinnt James Moore das zweite Bahnrennen der Welt, einen Sprint über 1200 Meter auf einer Pferdebahn im Pariser Park von Saint-Cloud. Kurz zuvor hatte ein Herr Polocini das erste Rennen über dieselbe Distanz in etwa der gleichen Zeit gewonnen, ein Ergebnis, das in Vergessenheit geriet und so gilt allgemein Moore als erster Gewinner (s. Benjo Maso). Am 1. November 1868 wird das erste dokumentierte Damenrennen Europas in Bordeaux ausgetragen und Moore entscheidet im darauffolgenden Jahr auch die erste Städtefahrt mit internationaler Besetzung, Paris-Rouen über eine Distanz von 123 km, mit einem Schnitt von 11,4 km/h in 10 Stunden und 45 Minuten, für sich. Unter deren über 100 Teilnehmern befinden sich auch fünf Frauen, mit dabei die damalige Miss Amerika, die 29. wurde (nach Les Woodland war Miss America nur das Pseudonym einer Engländerin). Sowohl Michaulinen als auch Drei- und Vierräder treten an. 

 

In Deutschland wird der erste Radsportverein der Welt in Altona gegründet. Er soll das erste Velocipeden-Wettstreiten in Deutschland ausgerichtet haben: Die rasante Entwicklung des Radsports war nicht mehr zu stoppen.

 



Altona 1869
ein erstes Rennen


Der neue Sport wurde schnell beliebt, das Publikumsinteresse wuchs stetig und es wurde notwendig für die Rennen bessere Austragungsstätten zu finden. In Deutschland begann diese Entwicklung am 26. Juni 1880 in München auf der Schlittschuh- und Eisbahn mit einem Rennen über 4 Kilometer, das 11:21 Minuten dauerte und das ein Herr Schäfer für sich entschied, geehrt wurde er mit einer Goldmedaille, einem Goldpokal und 300 Mark.

 

Der Berufsradsport nahm damit seinen Anfang. Ein Jahr später fanden sich bereits ausländische Mitkonkurrenten ein, darunter der Sieger Thomas H. S. Walker, der die Entwicklung des Radsports in Deutschland wesentlich mit voran trieb. Als Vertreter eines britischen Fahrradherstellers mit Filiale in Berlin, reiste er viel umher, nahm an Rennen teil und brachte die Zeitung "das Velociped" auf den Markt. Mit Erfolg, denn 1883 gründete sich auf seine Initiative hin der "Erste Berliner Bicycle Club" dem bald eine Reihe weiterer Clubs in ganz Deutschland folgten. Viele Rennsiege halfen ihm erfreulicherweise das Produkt der Firma bestens zu vermarkten. Er verfasste zudem "Das erste deutsche Trainingsbuch" und bereits 1882 gründete sich auf seine Initiative hin in München der "Deutsche Velocipedisten-Bund".

 

In den Jahren von 1870 bis 1900 boomte der Turn- und Sportgedanke im bürgerlichen Deutschland, es kam zu sehr vielen Vereinsgründungen, vor allem von Turn- und Radvereinen. Zwei Strömungen entwickelten sich parallel: Wettkämpfe, Rekordjagden und bezahlter Leistungssport wurden die Sache der bürgerlichen Vereine, wohingegen die sich wenig später bildenden Arbeitervereine ein anderes Sportverständnis hatten. Das gemeinschaftliche Leben stand im Vordergrund, ganz abgesehen davon, dass ihren Mitgliedern weit weniger finanzielle Mittel zur Verfügung standen für Freizeitaktivitäten oder teures Sportgerät und dass der stark ausgeprägten Standesdünkel der damaligen Zeit ein Miteinander verhinderte.



Verbändewirrwar



Erste Briefmarke der Welt mit Fahrradmotiv; 20.8.1887 von der Stadtpost Frankfurt am Main erstellt anläßlich des DRB-Bundesfestes (Quelle poepperl.de)

Schnell kam es innerhalb der Organisation zwischen dem Norden und dem Süden zu heftigsten Auseinandersetzungen, woraufhin sich noch im gleichen Jahr der "Norddeutsche Velocipedisten-Bund" gründete, und da die Rheinländer dem in nichts nachstehen wollten, dauerte es nur kurze Zeit bis der "Rheinische Velocipedisten-Bund" sich meldete (einen "Deutsch und Deutsch-Österreichischen Velocipedisten-Bund" gab es zwischenzeitlich auch noch).

 

Immerhin fanden sich alle 1884 zu einem "Deutschen Velocipedisten Congress" ein, konnten sich einigen und gründeten am 17. August 1884 in Leipzig den Deutschen Radfahrer-Bund (DRB), den man als Vorläufer des heutigen Bund Deutscher Radfahrer ansehen kann. (>>> Bildbericht von der Gründungsversammlung)

Mister Walkers Zeitschrift avancierte zum offiziellen Organ des DRB nachdem der Titel in "Der Radfahrer" umgeändert wurde.

 

Das Niederrad löste das Velociped in den achtziger Jahren ab, der Prototyp des heutigen Fahrrades eroberte die Straßen. Das Publikumsinteresse am Radfahren und am Radsport wuchs schnell, die Mitgliederzahlen der Vereine ebenfalls und überall in Deutschland entstanden Bahnen, bereits 1885 wurden über 30 Pisten gezählt. Eigentlich Grund zur Freude und Harmonie, aber nein, wieder eskalierten Meinungsverschiedenheiten und erneut spalteten sich Verbände ab, in Süddeutschland die Allgemeine Radfahrer-Union (ARU), in Leipzig der Sächsische Radfahrer Bund.

 

1886 wurde eine erste nationale Meisterschaft  um den Kaiserpreis ausgetragen, ein Wanderpokal, den Wilhelm der I. gestiftet hatte. 1989 ging der Kampf bereits um vier deutsche Meistertitel: 10 000 m Hochradfahren, 7 500 m Niederradfahren, 5 000 m Dreiradfahrern und 5 000 m Doppelsitzer-Dreiradfahren.

 



Berufsfahrer contra Amateure

Ein weiterer Konflikt brach in den 80er Jahren vehement auf. Die Fahrer sagten sich immer häufiger, warum sollten sie nicht profitieren von dem Erfolg der Bahnen, der vor allem ihnen zu verdanken war und sie erhoben Anspruch auf Teile der Einnahmen. Diese Fahrer nannte man "Geldpreisfahrer", wobei die erhaltenen Summen damals nicht für den Lebensunterhalt ausreichten. Laut den Statuten des am 1. 12. 1882 gegründeten Norddeutschen Velocipedisten-Bundes war ein Geldpreisfahrer ein Fahrer, der "öffentlich" als Künstler auftrat oder der "wissentlich mit Leuten conkurriert, welche Geldpreise gewonnen, oder um solche concurriert haben". Somit waren diese Fahrer und solche die ohne Erlaubnis ihres Bundes gegen Professionals antraten, als Profis anzusehen.

 

Der Deutsche Radfahrer-Bund verschärfte die Bestimmungen. Bereits wer gegen Bezahlung Schrittmacherdienste leistete, einen gewonnenen Ehrenpreis veräußerte, Reisespesen, Reifen oder anderes Material empfangen hatte, wurde zum Berufsfahrer deklariert oder besser deklassiert. Für den Verband zählte allein der Amateurgedanke, das Berufsfahrertum war von Übel.

 

Einfluss hatte auch die 1884 in London gegründete International Cyclists Association (ICA), der erste internationale Dachverband, dem im selben Jahr der DRB beitrat und der das Amateurprinzip ebenfalls hoch hielt. Der Radsport gehörte zu den Sportarten, die am frühesten und mit am stärksten zerrissen wurden zwischen den Polen Amateurismus, vertreten durch die Olympische Idee eines Pierre de Coupertin und Profitum, Ausdruck der kapitalistischen Gesetzlichkeiten. Denn schnell hatte man erkannt, dass dieser Sport vor dem Hintergrund des immensen Publikumsinteresses ein interessantes Berufs- und Vermarktungsfeld darstellte. So besteht der Radsport bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts aus zwei Lagern, den Amateuren und den Profis, die erst 1996 offiziell vereint wurden auch im Einklang mit der gesamtsportpolitischen Entwicklung, die immer auch und in besonderem Maße den olympischen Sport betraf. Auf internationaler Ebene hatte die UCI nach innen und nach außen, vor allem mit dem IOC, gut hundert Jahre lang diese oft sehr harten Kämpfe auszufechten.

 



der Radrennsport wird zum Geschäft

 

 



RADLER-VERDIENSTE IM JAHRE 1896. Deutschland hatte im abgelaufenen Jahre 50 Geldpreis-Rennfahrer und ebensoviele Ehrenpreis-Rennfahrer; aber nur ein Viertel der ersteren hat es über 2000 Mk. gebracht. Von den zwölf besten hat Arend 6400, Jörns 6000, Heimann 4400, Breitling 4100, Habich 4000, Herty 4000, P. Mündner 3350, F. Verheyen 2800, W. Koch 2600, Weeck 2500, A. Verheyen 2400, und Heidenreich 2250 Mk. an Preisen eingenommen. Dazu kommen Gratifikationen für einen Rekord oder eine Meisterschaft, deren die zwei ersten je vier errangen, und Prämien von den Fahrrad- und Reifenfabrikanten; auch läßt mancher Veranstalter von Radrennen sich das sichere Erscheinen einer ersten Kraft etwas kosten. Demgegenüber stehen aber auch ganz bedeutende Ausgaben für Einsätze und Transportkosten. Alles zusammen stehen die Einnahmen unserer deutschen Rennfahrer in keinem Verhältnis zu denen im Auslande; z. B. nahm der beste französische Fahrer schon im ersten halben Jahre 50,000 Frcs. ein, und für den Januar wurde in Amerika ein Rennen ausgeschrieben, wo der erste Preis mit 15,000 Mk. dotiert war. (Salvisberg)

Am 16. Mai 1886 veranstaltete der Münchner Bicycle-Club zur Eröffnung seiner neuen Radrennbahn am Schyrenplatz das mit 1000 Mark dotierte erste Berufsfahrerrennen Deutschlands. Dieses Rennen lockte bereits mit internationaler Beteiligung das Publikum, 3 Berufsfahrer aus Frankreich und England fuhren mit. Berufsfahrer wurden von den Veranstaltern bald lieber verpflichtet, da deren Leistungen besser waren als die der Amateure und somit das Publikumsinteresse steigerten.

 

Fachzeitschriften etablierten sich und berichteten über Rennerfolge und Trainingsweisen, so wurde z.B. empfohlen: "Man beginnt das Trainieren, um den Körper innerlich zu reinigen, gewöhnlich mit der Anwendung eines gelinden Abführmittels. Die passendste Zeit des Aufstehens ist im Sommer um sieben Uhr, im Winter etwas später, hierauf wird nach einem kurzem Spaziergang ein Bad genommen, womöglich ein Schwimbad in einem fließenden Wasser. Nach dem Bade reibt man den Körper mit einem rauhen Handtuch tüchtig ab." (A. Hochmuth)  

 

Der Radrennsport wurde zum lukrativen Geschäft und war bald nicht mehr zu trennen von der Fahrradindustrie, die Anfang der 90er Jahre bis zur Jahrhundertwende einen großen Aufschwung erlebte. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts warben die Fahrer mit den Namenszügen von Firmen auf ihren Trikots.

( mehr zu den ersten Rennen könnt ihr hier lesen >>> )

 

Der Aufschwung des Straßenradsports begann in Europa 1891 mit den Fernfahrten Bordeaux-Paris über 572 km und Paris-Brest-Paris über 1200 km, die in einem Stück zu fahren waren. Neben dem Box- und dem Pferdesport avancierte der Radsport damit zur beliebtesten Sportart. Das Rennen Wien-Berlin über 582.5 km 1893, großzügig gesponsert von der Industrie, gilt als das Ereignis, das den Durchbruch des Fahrrads in der deutschen Öffentlichkeit bewirkt haben soll. Josef Fischer aus München brauchte 31 Stunden für diese Distanz, er war damit mehr als doppelt so schnell wie der bisherige Rekordhalter auf dieser Strecke: 71 Stunden und 35 Minuten benötigte dafür 1892 ein österreichischer Offizier mit dem Pferd. (>>> zeitgenössischer Bericht über das Rennen Wien-Berlin)



Joseph Fischer (Rad) contra S.F. Cody (Pferd)


Das sich Messen mit einem Pferd wurde von Anbeginn an als Herausforderung begriffen, war es doch bislang das schnellste individuelle Fortbewegungsmittel. Bereits 1820 siegte nicht selten auf längeren Strecken der Laufradfahrer. Und im August 1894 trat Joseph Fischer an drei Tagen gegen S. F. Cody aus Texas an, einem Sohn von Buffalo Bill. Sieben Stunden insgesamt mußten gefahren werden, Fischer schaffte 258.5 km, Cody 208,962 km, wobei die Bahnbedingungen für den Reiter weniger günstig eingestuft wurden. (>>> Bericht)

P. Mündner(6) - Andersen(4) - G. Sorge(2) - Fischer(1)- Gerger(3) - Rehais(5)
Sieger von Wien-Berlin 1893


1894 wurden dann die Alpen überquert. Ca. 590 km waren auf der Distanz-Radfahrt Mailand-München zurückzulegen, wohl zum ersten Male ging es dabei über die Alpen. Erneut hieß der Sieger Joseph Fischer. (>>> ein Bericht von 1894)  

 

Der Deutsche Radfahrer-Bund hielt das Amateurprinzip unverdrossen weiter hoch und ächtete die Berufsfahrer. Als Beispiel sei der Fall Albert Aichele aus Lörrach erwähnt: Er gewann in der Schweiz ein Rennen, nahm den Geldpreis entgegen, gab ihn allerdings am nächsten Tag wieder zurück. Das genügte, um ihn zum Berufsfahrer herab zu stufen und ihn aus dem Verband auszuschließen. Nach Protesten wurde die Strafe zu einer 4monatigen Sperre reduziert. Selbstverständlich aber mussten die Amateure alle anfallenden Kosten für die Reise und die Hotels selbst übernehmen.

 



Verbändewirrwar - die Steigerung

Am 2. 9. 1895 wurde der erste Sprinttitelkampf in Leipzig ohne Zustimmung des DRB veranstaltet. Innerhalb des Verbandes tobten die Auseinandersetzungen um die Statuten, da wurde es einigen zu dumm und der Verband der Vereine für Radwettfahrten wurde gegründet. Berufsfahrer und Amateure hatten eine Starterlaubnis, letztere durften selbstverständlich keine Geldpreise annehmen. Der DRB verbot seinen Amateuren die Teilnahme mit dem Erfolg, dass es zu Massenaustritten kam hinein in Verbände, die etwas berufsfahrerfreundlicher waren wie die Deutsche Radfahrer-Union (DRU) oder der 1896 gegründete Deutsche Rennfahrer-Verband (DRV). Diese Bemühungen hatten auch Einfluss auf die Politik des Weltverbandes ICA, der sich bei der Weltmeisterschaft gezwungen sah, die Berufsfahrerkategorie einzuführen.

 

Die Entwicklung führte zwangsläufig zu einer Spaltung der Rennbahnveranstalter. Auf den Bahnen des Verbandes der Vereine für Radwettfahrten fuhr man nach eigenen Bestimmungen, die in Gegensatz standen zu denen des DRB.

 

Erst 1897 gelang es mit der Gründung der Deutschen Sportbehörde für Bahnwettfahrten, der alle größeren Verbände angehörten, einheitliche Bestimmungen für Berufsfahrer zu erarbeiten. Aber wieder erkannten nur 20 der fast 100 Wettkampfbahnen Deutschlands diese neue Institution an. Die meisten der anderen vereinigten sich 1899 zu einem Verband Deutscher Radrennbahnen (VDR), der dann auch der UCI beitrat, die 1900, nach ebenfalls längeren heftigen internationalen Streitigkeiten gegründet wurde. Der DRB zog sich ganz aus dem Bahnsport zurück und kümmerte sich fortan nur noch um die Straßenrennen.

 

1896 schlossen sich die Vereine der Arbeiter-Radfahrer aus 12 Städten zu einem Verband, dem Arbeiter-Radfahrerbund Solidarität, zusammen. Der Namensteil Solidarität drückte die Zugehörigkeit zur Arbeiterbewegung aus. Es bildeten sich zudem viele Vereine unter dem Beinamen Concordia, die der Katholischen Kirche nahe standen.

weitere Informationen gibt es hier >>> )

 

Fliegerrennen auf dem Sportplatz in Leipzig 1902


Frauenradsport

Auch die Frauen begannen das neue Fortbewegungsmittel zu schätzen. Zwei Frauen-Radfahrzeitschriften waren vor der Jahrhundertwende auf dem Markt, Draisena und Die Radlerin. Die Radfahrerin war im städtischen Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Allerdings blieb die Fahrradbegeisterung der deutschen Frauen weit hinter der der britischen und amerikanischen zurück. In den Vereinigten Staaten sollen bereits Hochradfahrerinnen in Rennen gegeneinander, gegen Männer und gegen Pferde angetreten sein. Heftig tobten die Auseinandersetzungen darüber, ob Fahrradfahren dem Weibe überhaupt entsprechen könne, viele Gründe gab es dies zu Verneinen, allein schon die Kleiderfrage führte zu heftigsten Diskussionen, die extra für das Radfahren entwickelte Pumphose kam bereits einer kleinen Revolution gleich und ließ Schlimmes für die Zukunft befürchten.

 

Und dann wollten die Frauen den Männern auch noch sportlich begegnen. Zwischen 1868 und 1870 wurden in Frankreich und Belgien 23 Damenrennen ausgetragen, das erste Damenrennen Deutschlands war 1890 in Machern nahe Leipzig auf Dreirädern zu bestaunen und das erste offizielle Damenrennen auf Niederrädern folgte 1893 in Berlin-Halensee.

 

Aber: "Wir wollen keine kampflüsternen, ruhmlechzenden Amazonen." Eine wettfahrende Dame, die "siegeshungrig, in Außerachtlassung aller dem Weibe geziemenden Anstandsgefühle, in krummer, den Schönheitssinn verletzender Haltung, atemlos und schweißbedeckt dahinstürmt", habe bereits viel von dem "idealen Charakter des Weibes verloren". (1897, Bleckmann). Lieber sah man die Damen bei Preisverleihungen neben männlichen Heroen. Umstritten oder nicht oder genau deshalb, das Publikum schien die Rennen zu mögen und die Rennveranstalter wussten dies zu schätzen: "Die Verbindung von Athletik und Weiblichkeit scheint eine große voyeuristische Attraktion für männliche Zuschauer gewesen zu sein - und ein Segen für die Einnahmen." (1897, Bleckmann).

 



Grazer Frauen

Die radsportliche Betätigung von Frauen wurde etwas gelassener beurteilt wenn es um das Saalfahren ging. Reigen- und Kunstradfahren entsprachen eher weiblicher Grazie, Eleganz, Geschicklichkeit und Anstand. Es wurden auch in diesen Disziplinen Wettkämpfe ausgetragen und Preise vergeben, doch wurden diese im Gegensatz zu denen im Radrennsport akzeptiert.

 

Ende der neunziger Jahre soll es im Deutschen Reich 9 reine Frauenvereine (der erste wurde 1890 in Dresden gegründet), sechs Vereine für Eheleute und 66 Vereine, die Frauen und Männern offen standen, gegeben haben. Der große Rest war ausschließlich männlichen Mitgliedern vorbehalten. DRB und ARU nahmen Frauen bereitwillig auf und gewährten ihnen zunächst das volle Stimmrecht, was vor der Jahrhundertwende sehr außergewöhnlich war. Schnell erkannten die Männer den ‚Fehler' und begannen dagegen zu arbeiten. Weibliche Familienmitglieder erhielten eine Beitragsreduktion, mussten damit aber auf ihr Stimmrecht und die Ausgabe der Verbandspublikation verzichten, männliche Familienmitglieder eröffnete man diese Möglichkeit nicht.

 

(etwas ausführlicher wird das frühe Frauenradfahren hier behandelt )

 



Es geht voran

Zu den herausragenden männlichen deutsche Fahrern jener Jahre um die Jahrhundertwende, gehörte bei den Profis neben den Weltmeistern Willy Arend, 1897 und Paul Albert, 1898, vor allem der Münchner Thaddäus Robl, in seiner Jugend an Kinderlähmung erkrankt, der mit ungeheurem Kampfeswillen, so wird berichtet, als Steher 1901 und 1902 Weltmeister der Dauerfahrer und von 1901 bis 1904 Europameister und Sieger ungezählter Großer Preise auf internationalen Rennbahnen wurde.

(Portraits der ersten Radhelden finden sich >>> hier)

 

Bruno Demke hinter Schrittmacher Paul Dunkel
Thaddäus Robl, München, hinter
Bretschneider-Stege


Der Straßenradsport befreite sich etwas aus dem Schatten des Bahnradsports. Fahrradfirmen entdeckten den Wert von Straßenrennen und begannen Dauer- und Fernfahrten zu finanzieren. Josef Fischer, der Held von Wien-Berlin, gewann noch etliche der viel gefahrenen Langstreckenrennen wie Moskau-St.Petersburg und Bordeaux-Paris (594 km 1900) und war auch 1903 bei der ersten Tour de France dabei. Fischer wurde 15. im Alter von 38 Jahren. Zudem gewann er das erste Paris-Roubaix 1896. Um die Jahrhundertwende und in den Jahren danach führte der Straßenrennsport aber ein Schattendasein in Deutschland. 

 

Zwischen den Verbänden kehrt keine Ruhe ein. Der Deutsche Radfahrer Bund schließt sich in der Hoffnung, so besser seine Amateurinteressen vertreten zu können, dem immer mächtiger gewordenen Verband der Radrennbahnen an.

 

Zum ersten Male wird 1908 "Rund um Köln" gefahren.

 

Im März 1909 tat sich Neues, übernommen aus New York fand in Berlin in der Ausstellungshalle des Zoologischen Gartens das erste Sechstagerennen Kontinentaleuropas statt. Die Sechstagerennen entstanden in den 70er Jahren in Großbritannien als Vergnügen der Oberschicht und fanden schnell den Weg nach Australien und Amerika, u. a. nach San Franzisko, Chicago und New York. Heute noch heißt das Zweier-Mannschaftsfahren "Madison" nach dem Madison Square Garden oder in Frankreich "americaine". Sechstagerennen wurden ohne Pausen durchgeführt, 144 Stunden ohne Unterbrechung. Der Deutsche Walter Rütt vollbrachte in New York wahre Heldentaten (einmal soll er nach einer Verletzung seines Partners 9 Stunden allein gefahren sein) und als der Reporter Fredy Budzinsky in Berlin darüber berichtete, fanden sich schnell Möglichkeiten, das Spektakel in die Hauptstadt zu holen.

Dresden, Kiel, Hamburg, Frankfurt, Hannover folgten mit großem Erfolg und seit Brüssel 1912 wurden diese Rennen auch im europäischen Ausland ausgetragen.

 

Siehe hierzu auch eine etwas detailliertere Beschreibung der Entwicklung des frühen Radrennsports >>> hier.

 



die Vorkriegszeit

Die Zeiten waren politisch gesehen äußerst spannungsgeladen, lange war es nicht mehr hin bis zum 1. Weltkrieg. Die Stimmungslage unter den Nationen war nicht selten gereizt und so kam es 1910 anlässlich der Weltmeisterschaft in Brüssel zu einem Eklat zwischen deutschen Verbänden und der UCI, als der klar vorne liegende Hannoveraner Henri Mayer nur als Zweiter eines Sprint-Zwischenlaufs klassifiziert wurde. Die Vertreter des Verbandes Deutscher Radrennbahnen nahmen alle deutschen Fahrer aus dem Rennen und traten von der Weltmeisterschaft zurück. Die anderen deutschen Verbände erklärten sich, obwohl untereinander zerstritten, solidarisch und traten gemeinsam aus der UCI aus, als diese das Urteil des Zielrichters Carozzi bestätigte. Auch eine Reihe namhafter ausländischer Fahrer akzeptierten das offizielle Endklassement nicht. In der Folge kam es zu weiteren Disqualifikationen deutscher und in Deutschland startenden ausländischen Fahren, so dass auch der Schweizer und der Polnische Radfahrer-Bund ihren Austritt aus der UCI erklärten. Diese Turbulenzen hatten sicherlich ihre Ursachen in den Schwächen und den Auslegungsmöglichkeiten der bestehenden Wettkampfregeln aber vor allem spiegelten sich darin die politischen Gegensätze zwischen den europäischen Großmächten wieder.

 

Die deutschen Verbände gaben nicht klein bei und organisierten in Berlin eine sog. Oberweltmeisterschaft der Steher, die der Holländer Dickentmann gewann. 1911 wurde in Dresden erneut eine inoffizielle WM ausgetragen. Der große internationale Zuspruch hatte zur Folge, dass sich die zerstrittenen Parteien einigten und sich eine deutsche Mehrheit fand für den Wiedereintritt in das internationale Renngeschehen. 1912 versöhnte man sich mit der UCI, woraufhin die Deutschen 1913 mit der Austragung der nächsten Weltmeisterschaft belohnt wurden, bei welcher der Profi Walter Rütt, Sieger von über 1000 Rennen, seinen einzigen WM-Titel im Sprint erringen konnte.

 

Auf Initiative der Allgemeinen Radfahrer-Union wurde 1913 auf einem Rundkurs in Berlin die erste Deutsche Meisterschaft der Berufsstraßenfahrer ausgetragen, Sieger wurde Ernst Franz vor Erich Aberger und Fritz Bauer.

Selbst das Jahr 1915 sah noch ein Rennen, ein Langstreckenrennen über 134 km, das Karl Wittig gewann.

 



Radrennen um den Olympia - Preis
Start der Dauerfahrer auf der Olympiabahn Berlin
von links: Krupkat, Wittig, Sawall, Lewanow (Sieger!)
Histor. Bildergalerie des Bahnradsports

Der Profiradsport bot in jener Zeit vielen jungen talentierten Männern eine Möglichkeit zu gutem Verdienst und sozialem Aufstieg. Neben den Siegprämien bezogen die Fahrer ein Gehalt als Werksfahrer und von den Veranstaltern Startgelder, das Material wurde gestellt. Damit kamen die meisten Fahrer Anfang des 20. Jahrhunderts auf ca. das dreifache Jahresgehalt eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Es gab auch schon Spitzenverdiener wie etwa den Steher-Weltmeister Peter Günther mit 28.000 Reichsmark oder Walter Rütt mit ca. 13.000 Reichsmark im Jahr 1913. Ein Amateur gefährdete allerdings seinen Status bereits, wenn er ein kleines Geschenk annahm.

 

>>> die Jahre 1919 - 1945

 



 

* Der Hinweis zur Durchschnittsgeschwindigkeit des Laufradrennen 1829 sowie die Bilder von Drais und dem Laufrad mit Bremse kamen von Prof. Dr. H. E. Lessing - vielen Dank!


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