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Kleine Geschichte des deutschen Radsports - Teil II 1919 bis 1945



1919 - 1932

 

Nach dem Krieg wurde Deutschland von den anderen Mächten geächtet. Es durfte an keinen internationalen Wettkämpfen teilnehmen, 1920 und 1924 waren die olympischen Spiele tabu und auch die Mitgliedschaft in der UCI, dem Weltverband, wurde bis 1923 verwehrt.

 

1919 nach dem ersten Weltkrieg vereinigten sich in Nürnberg die ARU und der DRB zum Bund deutscher Radfahrer (BDR), aber wieder waren nicht alle damit einverstanden und es kam noch zur Gründung der Deutsche Radfahrer-Union (DRU). Auch die Concordia- und Solidarität-Vereine bildeten sich neu. Trotz der Querelen gelang 1922 eine erfolgreiche Durchführung des Großen Preises von Deutschland, eine Vier-Etappenfahrt über 1 000 km im Rheinland.

 



Paul Oszmella und Schorn (Berlin 1925)
Hist. Bildergalerie des Bahnradsports

Paul Ozmella hieß einer der schnellsten Deutschen auf der Bahn, 1923 bis 1925 wurde er Deutscher Flieger-Meister der Amateure und konnte später auch als Profi überzeugen.

 

Erfolgreicher war zu der Zeit jedoch Matthias Engel, 1927 gewann er als Amateur den Großen Preis von Kopenhagen, kurz danach den Grand Prix von Paris quasi als Vorbereitung für die in Köln-Müngersdorf ausgetragene WM, die er unter dem riesigem Jubel von 25 000 Zuschauern als Sprint-Weltmeister der Amateure beendete, auch zur Freude des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer.

 



Weltmeisterschaft 1927 über 1000m für Herrenfahrer
Endstart zur Weltmeisterschaft: Matthias Engel, Deutschland, (links) gegen Falck Hansen, Dänemark (rechts)

Köln war ohne Zweifel die damalige deutsche Sprintermetropole. Nach seinem WM Sieg wechselte er zu den Profis und konnte 1928, 1929 und 1932 Deutscher Meister und 1932 dritter der WM werden. Verheiratet mit einer jüdischen Frau nutzte er eine Verpflichtung in den USA 1937 und kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück.



der Niedergang

 

Bis zum ersten Weltkrieg entwickelte sich der Radsport in der gesamten westlichen Welt, einschließlich den USA, zur populärsten Sportart. Das begann sich in den Zwanzigern zu ändern. Durch die hohe Arbeitslosigkeit nach dem Krieg versuchten immer mehr junge Männer ihr Glück im Radrennsport, auch wenn sie nicht mit großem Talent gesegnet waren. Die Veranstalter nutzten dies aus und ließen die Fahrer zu äußerst schlechten Bedingungen antreten, so dass nur die wenigsten ihren Lebensunterhalt mit Rennen bestreiten konnten. Sie hasteten von Termin zu Termin und boten zwangsläufig schlechte Leistungen, man sprach bereits von einem "Rennfahrerproletariat".

 

Schlechte Leistungen, neue attraktive Sportarten wie Fußball und Motorsport, die allgemeine wirtschaftliche Notlage, Schiebungen und Korruption bei den Rennen und -veranstaltern, Querelen unter den Radsportfunktionären - eine Menge Gründe beeinflussten den Niedergang des Radrennsports in Deutschland jener Jahre.

Von den rund 120 Rennbahnen meldeten viele 1929 Konkurs an, nur wenige wie Berlin, Leipzig und Dresden schafften es, schuldenfrei zu bleiben. Aber auch der Straßenrennsport war von der wirtschaftlichen Misere betroffen.

 



Räderpark in der Berliner Olympiabahn 1930

Eine geplante Deutschlandrundfahrt wurde abgesagt, auch wurde der Start einer ersten kompletten deutschen Tour de France-Mannschaft hinfällig, ebenso wie keine deutschen Fahrer an der WM teilnehmen konnten.

 

1930 gelang es dann doch wieder eine 2 581 km lange Deutschlandrundfahrt zu organisieren, die Hermann Buse vor Kurt Stöpel gewann (>>> D-Touren). Wegen des großen Erfolges verlängerte man 1931 die Rundfahrt auf 4 036 km und 15 Etappen. Es siegte der spätere Steher-Weltmeister Erich Metze vor Oscar Thierbach und dem zweifachen Tour de France-Sieger Nicolas Frantz aus Luxemburg. Ein wenig Auftrieb erhielt der deutsche Straßenradsport durch gute Leistungen deutscher Fahrer bei der Tour de France, die endlich einmal als komplette Mannschaft auftreten konnten. So wurde Kurt Stöpel 1932 nach großem Kampf zweiter hinter André Leducq, Oscar Thierbach wurde siebter. Hermann Buse gewann Lüttich-Bastogne-Lüttich. (>>> Stöpel: Tour de France 1932)



1933 - 1945 das Dritte Reich

 

1933 bestand der BDR aus 14 Landesverbänden, die in 101 Gaue untergliedert waren. Nach der Machtübernahme wandten sich die meisten Funktionäre des BDR den neuen nationalsozialistischen Machthabern bereitwillig und spontan zu. Trotzdem konnten sie die Auflösung ihres Verbandes nicht verhindern. Es kam zu einer Zerschlagung der bürgerlichen Organisationen und des Arbeitersports und zu einem "freiwilligen" Zusammenschluss der deutschen Radsportverbände und -vereine (35 an der Zahl) zum Deutschen Radfahrerverband, der dem Deutschen Reichsbund für Leibeserziehung unterstellt wurde und dem in den ersten Jahren noch ehemalige, willige BDR-Funktionäre angehörten. Ab 1937 wurde die Verbandsführung endgültig in die straffe NS-Hand eines "Reichsradsportführers" gelegt. Bereits 1933 kam der Arier-Paragraph für die Funktionäre zum Tragen, wonach bereits ein jüdischer Großelternteil zur Postenenthebung führte.

 

Der Bund "Solidarität" weigerte sich von Anfang an mit den Nationalsozialisten zusammen zu arbeiten, so dass die Vereine sehr bald aufgelöst wurden und deren Eigentum, darunter das Bundeshaus, eine Fahrrad- und Motorradfabrik, deren Verkaufsfilialen enteignet und die Arbeiter und Angestellten entlassen wurden.

 

Der Profisport hatte einen schweren Stand, selbst der Amateur-Leistungssport verlor an Anerkennung, an seiner Stelle wurden die "Leibesübungen für alle" hochgehalten, um das "deutsche Volk, die nordische Rasse, zu pflegen, zu stärken, zu erhalten, zu züchten." (Zitat aus R. Franz). Der Sport hatte der Körperertüchtigung aller Deutscher zu dienen, Lahmheit, Gleichgültigkeit und Faulheit galt es zu bekämpfen. Das hinderte die Machthaber aber nicht daran, den Hochleistungssport auch weiterhin auf das Wirkungsvollste für eigene Interessen zu nutzen.

 



erfolgreiche Athleten

 

Die Ausrichtung der Rad-WM 1934, sowie auch der Olympischen Spiele 1936, eigneten sich hervorragend für Propagandazwecke um sich dem Ausland von einer angenehmen Seite zu zeigen. Unter riesigem Publikumsinteresse fuhren die deutschen Radfahrer bei der WM gute Ergebnisse ein. Und auf dem topfebenen Straßen-Rundkurs in Leipzig über 226 km kam Gerhard Huschke hinter dem belgischen Sieger Karel Kaers auf den 4. Rang.



Merkens/Sellinger USA,Berlin 1936

 

Tony Merkens hieß der damalige Radsportliebling des Publikums und der Mächtigen. Als Amateur konnte er die olympische Goldmedaille bei den Fliegern auf der Bahn gewinnen und als er danach zu den Profis übertrat, büßte er keine Sympathie ein. Zu gut passte er in die offiziellen Pläne.

 

Ebenso wie die beiden Sechs-Tage-Fahrer NSDAP-Mitglied Gustav Kilian und Heinz Vopel aus Dortmund. Die Sechstagerennen galten schnell als "sportunwürdiges Spektakel" (Schoppe, 1992), wurden aber entgegen anderslautender Meldungen nicht verboten. Allerdings lohnten sich die Veranstaltungen finanziell nicht mehr, so dass bald keine mehr stattfanden. (siehe hierzu >>> Sechstagerennen in der NS-Zeit) Kilian und Vopel, bis dahin die erfolgreichste Winterbahnmannschaft, fuhren daraufhin einundzwanzigmal in die USA um zwischen 1937 und 1940 ca. 30 Six-Days zu gewinnen. Ihre Erfolge fanden in der Heimat durchaus Beachtung, denn hier wurden sie als erfolgreiches Eintreten für das Deutschtum verkauft, was so auch von Kilian öffentlich vertreten wurde (Kölnische Zeitung, 5.4.1938). Reichtümer konnten so aber nicht angesammelt werden, denn alle sportlichen Auftritte im Ausland mussten genehmigt werden und bis auf den direkten Unterhalt war alles Geld dem Radsportamt zu übergeben.



Zitat aus Völkischer Beobachter zu Kilian / Vopel, 3.1.1938:
"Sie sind wahrhafte Fahnenträger ihres Landes geworden. Sie haben es durchgesetzt, dass über ihren Kojen statt irgendwelcher bunten  Phantasieemblemen die Hakenkreuzfahne weht und selbst die wildesten Schreier und Hetzer stehen mäuschenstill, wenn diese beiden großen Rennfahrer mit ihrer Fahne auf die Ehrenrunde gehen." (...) Als deutsche Nationalhymne spielte man in den USA nach dem Siege des deutschen Paares meist die "Wacht am Rhein", ein jüdischer Kapellmeister in Montreal allerdings auch einmal "Ach, du lieber Augustin"! Jetzt wird das Deutschlandlied gespielt, mit dem sanften aber entschiedenen Hinweis, daß bei Ehrenrundenbegleitung in künftigen Verträgen unter allen Umständen ein Passus stehen würde, der die unerwünschten Kapellen namentlich bezeichnet. Wenn man Kilian und Vopel heißt, kann man so etwas durchsetzen."



Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges waren noch einige deutsche Athleten auf der Bahn erfolgreich. Walter Lohmann gewann die WM 1937 in Kopenhagen, diesen Titel musste er dann 1938 in Amsterdam an Erich Metze weitergeben. 1939, während der WM in Rom, stand Lohman vor einem weiteren Erfolg, als der 2. Weltkrieg ausbrach und die WM abgebrochen wurde. Die Bronzemedaille, seine 7. WM-Medaille, hatte im kleinen Finale kurz vorher in der letzten Entscheidung Albert Richter gewonnen.





Albert Richter

 

1932 wurde Albert Richter Weltmeister der Amateur-Flieger, wechselte aber kurz danach ins Profilager über und errang 1933-1939 den Titel Deutscher Meister in der Flieger-Disziplin. Er fuhr überwiegend im Ausland, hatte viele Freunde unter den ausländischen Fahrern und erregte schnell durch sein unangepasstes Verhalten das Misstrauen der Machthaber. Wenige Monate nach der WM kam Richter bei dem Versuch in die Schweiz einzureisen, ums Leben. Die genauen Ursachen sind bis heute nicht geklärt. Er wurde verhaftet und hat sich laut Nazi-Angaben in der Zelle erhängt. Seine Leiche war jedoch blutverschmiert und zeigte nach einigen Aussagen Einschüsse im Rücken, so dass er mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet wurde. Vieles deutet auch daraufhin, dass er von deutschen Radfahrerkollegen verraten wurde. Heute trägt das neue Radstadion Köln seinen Namen. (>>> Portrait Albert Richter)

 

Albert Richter
1932


die Renaissance des Straßenradsports

 

Der Straßenradsport war Ende der zwanziger Jahre fast tot. 1932 und 1933 fanden in Deutschland keine Berufsfahrerrennen statt. Die Erfolge deutscher Fahrer bei ausländischen Rennen (s.o.) führten mit zu einer Renaissance, 1934 zählte man 12 Rennen, darunter die Harz-Rundfahrt, Berlin-Cottbus-Berlin, dem Sachsenpreis, Rund um München, Frankfurt und Dortmund, Nürnberg-München-Nürnberg (über 400 km). Stöpel, Geyer, Buse, Sierinski, Altenburger, Thierbach oder Kutschbach hießen die deutschen Helden der damaligen Zeit auf der Straße, wobei Ludwig Geyer mit dem Gewinn der 2. Tour de Suisse und einem siebten Platz bei der Tour de France am erfolgreichsten war. 1937 erregte der Dortmunder Erich Bautz mit zwei Etappensiegen und vier Tagen in Gelb bei der Tour de France Aufmerksamkeit.

 

1936 nahmen die konkurrierenden Fahrradfabriken Adler, Diamant, Dürkopp, Opel, Phänomen und Wanderer insgesamt 36 Profis unter Vertrag. 1937 rechtzeitig zum Start der neuaufgelegten Deutschland-Rundfahrt, engagierten sich noch Express, Viktoria und Presto. Auch 1938 und 1939 wurde die Deutschland-Rundfahrt ausgerichtet, 1939 mit Etappen durch das annektierte Österreich, dabei mussten 20 Etappen mit insgesamt 5 038 km zurückgelegt werden, es siegte der Nürnberger Georg Umbenhauer vor dem Schweizer Robert Zimmermann.

 

>>> die Jahre 1946-1970

 


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