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Radlerprosa



etc. PP - Posers Prosa

Ernstes, Lustiges, Skurriles von Radsportfan Manfred Poser



Fahrradkunst II

Vor über einem Jahr hatte ich einige Fotos und einen kurzen Text zur Betrachtung “Kunst und Fahrrad“ versammelt. Nun sind in den Monaten dazwischen wieder einige Schnappschüsse am Weg entstanden, die gar nicht viel Kommentar benötigen. Und hier und da bin ich auf Bilder gestoßen und habe anderweitig Anregungen erhalten, und all das ist nun ... auf dem Weg.

 

Maler und Bildhauer wählen Motive aus, die ihnen am Herzen liegen (oder auch: sich gut verkaufen lassen). Die Künstler wollen mit ihren Werken etwas ausdrücken, was ein Foto nicht leisten kann. Sie sprechen von sich selbst, aber auch über ein Thema – das ist nicht zu trennen –, und das, was ausgesagt wird, liegt jenseits der Sprache wie etwa Musik. Ein Bild ist ein Bild; und eine Schilderung des Bildes ist nur eine Schilderung und kann dem Werk mit Worten nur etwas nahekommen, kann es einkreisen.



Bacon

Fahrräder in der Kunst sind selten. Kürzlich fiel mir in der ständigen Sammlung der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel das Bild „Portrait of George Dyer Riding a Bicycle“ auf, das der irische Maler Francis Bacon 1966 schuf. Es ist eine Art Bewegungsstudie; man sieht eigentlich nur zwei Räder und ein vages Gesicht. Die Bilder Bacons sind immer gewalttätig; schön wird man das dunkle Gemälde (das über die Bilder-Suche bei den Suchmaschinen zu finden ist - Bild) nicht nennen. Francis Bacon wurde 1909 in Irland geboren und starb 1992.

Bei Wikipedia steht: „Francis Bacon lernt [1964] George Dyer kennen, einen gleichermaßen depressiven wie gewaltbereiten Gauner aus einfachen Verhältnissen, mit dem er eine Beziehung eingeht. (...) Am Vorabend der großen Retrospektive im Pariser Grand Palais [1971] wird George Dyer tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden, zusammengekauert auf dem Toilettensitz. Den durch Tabletten und Alkohol wahrscheinlich herbeigeführten Suizid wird Bacon in verschiedenen Bildern verarbeiten.“



Di Batte

In Livorno in Ligurien lebt ein „Maler des Radsports“, Giò di Batte. Der italienische Journalist Eugenio Capodacqua hat auf seiner Internetseite Sportpro im August 2010 über ihn geschrieben (>>> sportpro.it). Di Batte war früher einmal Radprofi, zu Zeiten Felice Gimondis, also Ende der 1960-er Jahre. Capodacqua lobt die Leuchtkraft und den Sinn für Farben in Di Battes Bildern, die zwar etwas düster seien, aber immer noch einen Funken Hoffnung bereithielten. Der Maler kenne aus eigenem Erleben den Spruch „Weiterfahren muss man“, doch in der Qual steckt auch ein Quentchen Hoffnung.

„Di Batte weiß immer etwas zu erzählen und zu vermitteln. Und das ist nicht wenig“, schrieb Capodacqua. Auf der Seite >>> artelivorno.it laufen auf der rechten Spalte Bilder des Malers aus Livorno hinunter, und darunter sind auch fantastische Gemälde über den Radsport.



Ausstellungen

Das Fahrrad ist Teil der Zivilisation, und es erstaunt nicht, dass es in Ausstellungen auftaucht. Anfang November schickte mir mein Freund Romano Puglisi aus Rom einige Fotos von einer Ausstellung über Fausto Coppi (1919–1960) im „Vittoriale“, dem monströsen Palast, der die Piazza Venezia in Rom beherrscht. 50 Jahre nach seinem Tod (am 2. Januar 1960) lebt der „Campionissimi“ immer noch in den Herzen der Italiener. Hier zwei Fotos.

Ein Siegerrad von Fausto Coppi (Foto: Puglisi)
Coppis Trikot bei seinen ersten Erfolgen 1940
(Foto: Puglisi)


In Zürich wurde im Museum Strauhof in der Augustinergasse eine Ausstellung zum 100. Todestag von Leo Tolstoj (1828–1910) gezeigt, die Ende November zu Ende ging. Der große Autor lernte erst spät das Radfahren und war begeistert. Zu sehen war in den Räumen ein Exemplar des „Rover“-Modells, von dem 3500 Exemplare nach Russland geliefert worden waren. Tolstoj soll mehrere Räder besessen haben.

>>> Manfred Poser: Nachtrag zu Tolstoj



Kunsthandwerk

Öfter trifft man das Fahrrad im Kunsthandwerk an. Zuletzt konnte ich das beim Besuch von Christian Vontobel in Rüthi im Kanton Zürich sehen. Vontobel hat in einem über 200 Jahre alten Bauernhaus eine ansehnliche Sammlung mit Rädern, Schildern, Fahnen und Geräten, und in einigen Vitrinen liegen und stehen alle möglichen Gebrauchsgegenstände aus über 100 Jahren, die auf irgendeine Weise ein Fahrrad ziert. Da war die Liebe zum Fahrrad und der Wunsch, ein nützliches Objekt zu schaffen, um dem Fahrradfreund bei dessen Nutzung immer an den geliebten Drahtesel zu erinnern. Der menschlichen Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Wie klein das Objekt auch ist – ob Rasierset, Pins, wer weiß nicht was alles –, das Fahrrad daran weist den Besitzer als Aficionado aus. Abgebildet wird hier ein Schreibset mit Behältern für Tinte, bereit für die vorn liegende Feder.

 


Blick in Vontobels Sammlung
Das Schreibset für den Radfahrer


Im öffentlichen Raum

Man ist ein Jahr herumgefahren und hat Fotos gemacht. Es gibt Objekte, die müssen sein: Fahrradständer zum Beispiel. Wenn sie schön gemacht sind, werden sie zu Design und ziehen die Blicke auf sich.

Radstellplätze
in
Vechta
Radparkplätze in einem elsässischen Dorf


Das Rad ist Alltagsobjekt, aber auch Sportgerät. Wir wissen, dass es Unabhängigkeit und Freiheit verkörpert, ans Ekstatische grenzende körperlich/geistige Erlebnisse zu spenden – und dass es noch dazu einfach schön ist, in einem fast antiken Sinn. Spartanisches Aussehen, gelungene Proportionen; wenig Materie, geringe Verdrängung; ideales Verhältnis zwischen Aufwand und Nützlichkeit.

 

In Halmstadt in Südschweden standen vor der Universität einige witzige Räder, als Skulpturen; und wir erinnern uns vielleicht an die Aussage eines Mailänder Bildhauers, jedes Rad sei eine Skulptur. Manchmal wird so ein Rad einfach in die Landschaft gestellt, als Blickfang. „Rum“ ist in Dänemark natürlich nicht das hochprozentige karibische Getränk – Alkohol ist da teuer, von Schweden gar nicht zu reden –, sondern Rum heißt: Zimmer zu vermieten, kommt vermutlich vom „room“.

Halmstad
RUM


In der Nähe von Mülhausen im Elsaß stieß ich auf die Nachbildung eines Hochradfahrers. Und das Rad eines Fernreisenden in der Fähre von Kiel nach Laboe ist auch nicht schlecht: Es ist meines, aufgenommen Ende Mai 2010.

 

gesehen in der
Nähe von Mülhausen

Rad eines Fernreisenden


Camilleris Rad

Interessant auch ein Kultobjekt im Bahnhof Termini in Rom: das Rad des sizilianischen italienischen Schriftstellers Andrea Camilleri, der 1925 geboren wurde. Sein „Commissario Montalbano“ heißt übrigens nach seinem Freund und Kollegen, dem katalanischen Autor Manuel Vázquez Montalban (1939–2003). Oben auf der Vitrine steht: „Einige Tage nach der Landung der Alliierten Streitkräfte zwischen dem 9. und 10. Juli 1943, fuhr ich aus Serradifalco los, weil ich seit 20 Tagen keine Nachricht von meinem Vater hatte, der sich in Porto Empedocle aufhielt. Im Schuppen meiner Tante hatte ich ein Fahrrad gefunden, damals das einzige Verkehrsmittel war, um ein Ziel zu erreichen. Es ging über zerstörte Straßen, auf denen sich noch deutsche Truppen mit italienischen und alliierten Soldaten Gefechte lieferten ...“

Das Rad von Andrea Camilleri in Rom


 

Text und Fotos Manfred Poser, Dezember 2010


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