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Dolomiten 2010

mit Checker, Andi, Geralf, Basti & Vera



5. Tag, 25.08.2010:

Nach dem Ruhetag konnten es die Beine kaum erwarten, endlich wieder Pedalen zu drücken und zu ziehen. Und wir konnten es ebenso kaum erwarten, das auch wochentags hoffnungslos autoverstopfte Fassatal hinter uns zu lassen und in die Bergwelt der Dolomiten einzutauchen. Beginnen wir also mit dem Bericht irgendwo hinter Canazei, im Aufstieg zum Passo di Fedaia. Wir sind wieder vollzählig unterwegs und rollen zusammen in ruhigem Tempo die moderate Steigung hinauf. Hier mal eine Pinkelpause, da spontaner Videodreh, allerhand Späßchen - wir lassen es entspannt angehen. Lediglich auf den letzten 2 Kilometern teste ich mal kurz und schmerzlos, ob meine Beine auch noch anders können – sie können.

 

Der Ausblick auf den Marmolada-Gletscher ist aus größerer Entfernung wahrscheinlich attraktiver als von der Staumauer des Fedaia-Sees aus, aber auch so genießen wir die Umgebung. Nach der Passage des Sees, unmittelbar vor der rasenden Abfahrt, trennen sich die Wege wieder einmal: Vera und Geralf fahren zurück zur Unterkunft, während dieses Mal Basti die beiden Allesfahrer auf die große Runde begleitet. Die dunklen Wolken in Richtung Osten sehen zwar einigermaßen bedrohlich aus, aber unser Plan steht dennoch wie in Stein gemeißelt. Apropos Abfahrt: dieser hier eilt bekanntlich der Ruf voraus, wegen der kilometerlangen, sehr steilen Gerade bis Malga Ciapela dreistellige Geschwindigkeiten zuzulassen. Unmittelbar nach der letzten Serpentine heißt es also nur noch: beschleunigen, tief ducken, rollen lassen. Allerdings ist die kilometerlange Gerade eben doch nur fast gerade, und der Straßenbelag ist auch nur über fast alle Zweifel erhaben. Ergo: bei 88 km/h siegte meine Vernunft. Andi schaffte mit 93 km/h den offiziell gemessenen Urlaubsrekord, Basti kam immerhin auf Tempo 67 großes Grinsen . Der Rest der Abfahrt bis Caprile war mehr oder weniger gemütliches Bergabrollen. In besagtem Ort bekam ich plötzlich leichte Kopfschmerzen. Zu wenig getrunken? Die Trinkflasche um ein paar Schlucke erleichtert, ging es sofort wieder bergauf. Wir wählten den direkten Weg nach Selva di Cadore, der allerdings aufgrund zweier 300 Meter langer und unbeleuchteter Tunnel nicht sehr angenehm ist. Hat man die dunklen Röhren erst einmal überstanden, sorgen mehrere Serpentinen und schöne Blicke auf den Monte Pelmo für Kurzweil.

 

Kurzer Halt in Selva di Cadore, um Flaschen aufzufüllen und die herrliche Lage von Colle Santa Lucia zu bestaunen. Obwohl wir bereits wieder 300 Höhenmeter empor geklettert sind, begann jetzt erst, nach kurzer Zwischenabfahrt, der eigentliche Anstieg zum Passo Giau, dem Pass des Tages. 10 km, 9,1% im Schnitt – das ist zumindest Respekt einflößend. Aber im Grunde genommen lässt sich der Anstieg – mit entsprechender Übersetzung – recht angenehm fahren, da extreme Steigungsspitzen fehlen und die Straße sich ab und zu auch einmal einige flachere Meter gönnt. Zusammen mit Andi nahm ich die ersten Kilometer in Angriff, während Basti zentimeterweise an Boden verlor. Von der viel gerühmten landschaftlichen Extraklasse des Passes war hier noch nicht viel zu sehen, der Rückblick auf die bereits absolvierten Serpentinen (29 insgesamt) ist hier noch das spektakulärste. Aber etwa zur Hälfte des Anstiegs tritt die Straße aus dem Wald heraus und gibt zunächst den Blick frei auf La Gusela, den markantesten Berg am Giau. An dieser Stelle nutzte ich eine kleine Tempoverschärfung, um Andi abzuschütteln. Dennoch fuhr ich eher verhalten den Berg hinauf, da der Tag eigentlich erst angefangen hatte. Oben an der Passhöhe war es ungemütlich kühl, Sonne und viele umliegende Berge versteckten sich hinter dicken Wolken. Das Panorma war dennoch toll. Andi kam nicht lange nach mir an, Basti hatte schon größeren Rückstand und nach eigener Aussage bereits „Sternchen gesehen“. Wenn das mal gut geht…

 

Nach Mittagspause mit Spaghetti, Ravioli, Polenta und Bratwurst smile fuhren wir weiter, zunächst natürlich bergab. Dieses Mal regierte nicht Geschwindigkeitsrausch, sondern technischer Anspruch bei Serpentinen im 15-Meter-Abstand. Da fiel es mitunter schwer, die Umgebung – Gusela, Tofana & co. – gebührend bestaunen zu können. In Pocol beendeten wir die Abfahrt, ließen Cortina rechts liegen und widmeten uns dem nächsten Anstieg zum Passo Falzerego. 11 Kilometer, 600 Höhenmeter, längeres Flachstück in der Mitte, Steigung durchweg einstellig – atemberaubend sind hier lediglich die gewaltigen Felswände von Tofana und Lagazuoi. Am Pass herrschte erwartungsgemäß reges Treiben, so dass wir uns gar nicht lange aufhielten und uns direkt in die nächste Abfahrt stürzten. Zu diesem Zeitpunkt waren immerhin bereits 2500 Höhenmeter absolviert, aber ich fühlte mich immer noch sehr wohl und ahnte, dass ich einen guten Tag erwischt hatte. Warum allerdings Basti, obwohl schon leicht angeschlagen, unsere Gruppe zeitweise mit 50 km/h Richtung Arabba ziehen musste (und Andi vorher auch nicht gerade locker gerollt war), wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Zum Glück stieg die Straße bereits vor Arabba wieder an, was mir umgehend einen Hinweis auf angeblich zu hohes Bergtempo einbrachte. Dabei war mein Puls bergauf bestimmt niedriger als in der Ebene an Bastis Hinterrad…

 

Wie dem auch sei - der Anstieg zum Passo Pordoi, ab Arabba bereits bekanntes Terrain, hatte begonnen. Im Ort hielten wir noch einmal am Brunnen zum Wasser tanken. Unterdessen fuhr eine Dreiergruppe, unter ihnen ein Fahrer im Rosa Trikot, kräftigen Trittes vorbei in Richtung Pordoi. Da sie wirklich ziemlich schnell aussahen, machte ich mir zunächst keine Hoffnung, mit ihnen mithalten, geschweige denn den bereits vorhandenen Rückstand aufholen zu können. Dennoch verabschiedete ich mich gleich auf den ersten Metern von Andi und Basti und beschloss zu testen, was die Beine denn noch so hergaben – mal sehen, was dabei heraus kommt. Sofort fand ich wieder einen guten Rhythmus und fuhr mit betont hoher Kadenz nach oben. Es fühlte sich super an – ungefähr so, wie ich mir den Aufstieg vor 3 Tagen eigentlich vorgestellt hatte. Damals musste ich bekanntermaßen ziemlich leiden, heute lief es prächtig. Trotz fast 3000 bereits absolvierten Höhenmetern und dem Gefühl, nicht wirklich schneller fahren zu können, hatte ich keine Probleme, keine Schmerzen. Nebenbei bemerkt, kam auch die Dreiergruppe langsam näher. Anfangs hatten sie noch gut 200 Meter Vorsprung, aber mit jeder der über 30 Serpentinen rückte ich ihnen wieder ein paar Meter dichter auf den Pelz. Ich kümmerte mich gar nicht so sehr darum, machte unterwegs ein paar Fotos und genoss die herrliche, von der Nachmittagssonne durchflutete Landschaft. Da ich, zurück schauend, Andi und Basti kaum noch identifizieren konnte, widmete ich mich aber doch wieder dem Geschehen vor mir. Man hatte mich scheinbar bemerkt, denn einer der drei, ein Mann bereits recht stattlichen Radfahreralters, fiel leicht zurück – die anderen beiden versuchten scheinbar eine Tempoverschärfung. Ich passierte den Senior (mein „Ciao“ wurde nicht erwidert – keine Luft mehr oder verletzter Stolz? smile ), und hatte 2 Kilometer vor der Passhöhe auch die anderen beiden erreicht. Nun wurden die Zügel endgültig losgelassen, es ging ja offensichtlich doch noch schneller. Und wie! In einer Welle der Euphorie fuhr ich das letzte Stück und erreichte den Pass in gefühlt 100mal besserem Zustand als vor drei Tagen. Als ich ein paar Meter zurück zu einem guten Aussichtspunkt fuhr, kamen mir die zwei entgegen und grüßten freundlich.

 

Da saß ich nun, den Blick nach Osten auf die gerade absolvierten Serpentinen gerichtet, und fühlte mich perfekt. Was für ein herrlicher Tag! Ich musste etwa 10 Minuten warten, bis Andi mit Basti im Schlepptau oben ankam. Letzterer hatte für heute definitiv genug, aber ich war noch heiß. Ein Blick auf den Höhenmesser: 3300 Höhenmeter. Verdammt, so schmerzlos wie heute lässt sich „die 4000“ vielleicht nie erreichen. Ich hatte schon vorher die Idee gehabt, bei entsprechender körperlicher Verfassung in Pozza noch einmal ins Val di San Nicolo abzubiegen. 4 Tage vorher haben wir dort, etwa bei der Hälfte der Strecke, einen nach rechts abbiegenden, gut aussehenden Asphaltweg entdeckt. Und ich sah es natürlich als meine Pflicht an, diesen zu erkunden! Andi kam mit, da er ja alles mitfahren wollte. Die steile Rampe am Beginn lief natürlich nicht mehr wirklich flüssig, aber es ging noch. Der Abzweig nach rechts war bald erreicht, der Weg führte durch dichten Wald mit etwa 10% Steigung nach oben. Leider viel zu früh – auf etwa 1600 m Höhe – endete jedoch die Asphaltdecke, eine Weiterfahrt auf dem Wanderweg erschien wenig sinnvoll. Ich ließ nicht locker, wollte noch einmal die eigentliche Talstraße bis nach oben fahren – aber Andi protestierte: „Ich fahre doch keiner Zahl hinterher!“ Na gut, er ist der Ältere von uns beiden, also zählt sein Wort smile . Der Schlusshügel zur Ferienwohnung war über Nacht auch nicht gewachsen, also kamen wir eben nach knapp 4000 Höhenmetern und einem rundum gelungenen Tag auf dem Rad wieder an. Die Endorphine wirkten noch lange nach.


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