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Lichtradeln

von Mani Wollner, März 2008

&copy Fotos: Mani Wollner

 



Urlaub – Zeit und Anlass, zu tun was mensch am liebsten tut. Bei mir zählen Fotografieren und Radfahren dazu. Das mal für eine Woche in Flandern zu kombinieren, hielt ich für einen guten Plan – nicht zuletzt um etwas für mein Winterpokal-Punktekonto zu tun und Motivation für mein neues Leben als Spochtler zu tanken.

Dass am Wochenende rein zufällig mit 'Omloop Het Volk' und 'Kuurne-Bruxelles-Kuurne' die flämische Klassikersaison eröffnet wurde, soll nicht unerwähnt bleiben. Aber hier geht es nicht um Radrennen, sondern schlicht und ergreifend um Genussradeln.

Oder sollte ich es besser Lichtradeln nennen … Lichtradeln im Rahmen der



Flandernlichtspiele 2008.



Donnerstag, 28. Februar, 14 Uhr

Grauer Himmel zur Begrüßung

Auf dem Rad unterwegs auf Flanderns Straßen, und es ist alles von einfach genießen bis heftig wegen Wind, Regen, Kopfsteinpflaster und Schlamm – nur die Harten kommen in den Garten!

 

Wie geplant hab ich gegen 13 Uhr die Ferienwohnung außerhalb von Gerardsbergen erreicht. Schnell das Auto leergemacht, etwas in den Magen geschaufelt und ab aufs Rad!

12° C und trübe, mit leichtem Wind aus Süd-Ost. Sehr angenehm, aber Wetter kann sich ja ändern ...

Hab erstmal die nähere Umgebung mit dem Rad erkundet, es galt den entspanntesten Weg rein in die Vlaamse Ardennen zu finden.

Oggi kündigt sich telefonisch für ca. 12 Uhr am Freitag an.



Freitag, 29. Februar, 5 Uhr

Links oggi, in der Mitte Offi, und davor das Gummiband

Vier Prachtexemplare von Hähnen, die bis auf ca. drei Meter an mein Bett rankommen, beginnen ihr Tagwerk. Willkommen auf dem Land!

Die Nebelstimmung der Nacht hält sich auch am Vormittag, gegen 9 Uhr gibt es erste Auflockerungen und eine Ahnung von Himmel. Kalt.

Am späten Vormittag melden sich auch cervelo und Offi, die eine Ferienwohnung in der Nähe bezogen haben, und mittags brechen wir zusammen mit oggi zur Usertour auf flämischem Boden auf.



Offis Stunde war gekommen, als die Kamera ausgepackt wurde

Für mich gilt es heute, den ersten meiner zwei Spezialaufträge zu erfüllen. Er lautet: "Fotografiere Offi auf dem Rad!"

Ich erledige ihn quasi im Vorbeifahren – was kein Problem ist, da unsere Tour aufgrund unserer unterschiedlichen Formzustände erheblichen Gummibandcharakter hat. Cervelo ist im Vergleich zu uns dreien flämischer Vollprofi, und ich fühle mich nach sechs Monaten konsequenten Sports so fit auf dem Rad wie wohl noch nie.



13 Prozent? Lachhaft!

Offi beißt sich mit bemerkenswertem Kampfgeist auf meinem Querrad im Endeffekt doch jede Welle hoch (als Kieler kennt er so etwas ja nicht, außerdem lief seine Vorbereitung leicht suboptimal), und oggi, der den Winter quasi komplett auf der Rolle verbracht hat, bläst sogar gerne mal im Anstieg zur Attacke – bis ihn ein Hungerast kalt erwischt und seine Rückfahrt ein garstiges Ende nimmt. Nachdem ich den "Schlussanstieg" zur Wohnung gemeinsam mit Offi bewältigt habe, finde ich ihn in der Küche bei trockenem Müsli und einem Kopf Salat (eiskalt aus dem Kühlschrank) …



Fast geschafft!

"Gemeinsam-Blumen-Essen-in-Flandern" hatte ich mir anders vorgestellt!

Die Episode wie mein Querrad meinem Straßenrad hinten reinfährt verschweige ich jetzt mal

 

Nachts kommt Emma, oder wie hieß sie noch gleich?

Schon heftig, es gibt reichlich neue Geräuscherfahrungen, oggi fliegt das Dachfenster um die Ohren, und selbstverständlich regnet es an einigen Stellen rein.



Samstag, 1. März – Omloop Het Volk

Philippe Gilbert attackiert am Eikenberg

Offi und oggi sind gemeinsam zum Start gefahren, cervelo kombiniert Radfahren und Rennen gucken. Ich bin mit der Kamera unterwegs.

Das Rennen ist schon recht früh reichlich spannend, und am Eikenberg treffe ich die "O"s. Und das ist auch gut so: Philippe Gilbert setzt die rennentscheidende Attacke dankenswerterweise vor ihren Augen, ich stehe ein paar hundert Meter weiter oben und er fegt im Alleingang an mir vorbei.

Es ist immer noch mächtig windig und reichlich grau.

Hier geht es zu meinen Bildern vom Omloop Het Volk 2008



Sonntag, 2. März – Kuurne-Bruxelles-Kuurne

Falsche Flasche erwischt? Allez, les Turquoises!

Wir wiederholen den Film vom Samstag und treffen uns diesmal am Oude Kwaremont, wo allerdings nicht wirklich was passiert. Ich erledige meinen zweiten Auftrag: Bouygues-Fahrer für MrsFlax fotografieren. Die Turquoises waren bei den französischen Eröffnungsrennen scheinbar sensationell unterwegs, aber davon ist hier nicht wirklich was zu sehen.

Die Fotos vom Rennen gibt es hier

Im Ziel verabschieden sich die Nordlichter Richtung Heimat, auf beide wartet am Montag wieder der Alltag.

Es ist nach wie vor sehr windig, aber langsam klart es auf.



Montag, 3. März, 21 Uhr

Wieder alleine, und ein annähernd perfekter Tag sieht bei guter Musik und leckerem Wein langsam seinem Ende entgegen. Aber der Reihe nach:

Nach all dem Stress endlich mal ausgeschlafen.

Danach steht natürlich eine Radtour mit oggi auf dem Plan, der in Anbetracht vereinzelter Regentropfen und des nach wie vor tobenden Sturmes allerdings erste Heimfahrgedanken äußert. Für mich ist klar, dass ich nicht die Muur fahren will (abgesehen davon, dass ich sowieso nicht so geil drauf bin "Monumente abzuarbeiten", muss ich nicht mit der Muur anfangen) – da gesteht er mir, dass er an "fahren" auch nicht wirklich glaubt.





Naja, dummerweise ist oggi dann im Gegenwind auf dem Plateau in meinem Windschatten kaputt gegangen. Nach 22 km wollte er nach Hause. Hab ihn ein gutes Stück eskortiert, war aber auch mit Rückenwind zu schnell *grins*.

Und dann fing eine der – was Landschaft und Licht betrifft – geilsten Touren, die ich je gemacht habe, an entspannt zu werden, und das blieb sie eigentlich auch, außer am Ende am Pottersberg, dem laut cervelo höchsten Berg Flanderns, der mir irgendwie ständig im Weg rum stand ...

 

Echt flämisches Licht, leicht nachlassender Wind, ultrageile Stellen entdeckt, an windgeschützten Stellen richtig warm. Und Beine. Geil!

 



Zum Schluss mit Krawall durch die Kopfsteinpflasterbaustelle kurz vor dem Ziel. Darüber fliegen geht nicht lange, das muss echt gelernt sein. Und man muss an sein Rad glauben, und sich nicht fragen: "Welches Teil wird wohl als erstes wegfliegen?"

 

Am Abend hat die Lichtpracht ein Ende, von Norden soll der Winter noch einmal kommen. Kalt und nass, mit Hagel und vielleicht Schnee.



Dienstag, 4. März, 13 Uhr

Stark geschönt: die Kopfsteinpflasterbaustelle

Fernsehbilder von zu Hause aus dem Rheinland: Winterchaos, reichlich Schnee. Hier ist es ein wenig kälter, ein wenig wolkiger und feuchter als an den vorherigen Tagen, dabei meistens nicht mehr ganz so windig. Gleich gehts aufs Rad – bis dahin werden die Beine hoffentlich wieder da sein und ich hoffe darauf, gegen Ende der Tour ein wenig spätes, weiches Licht zu erwischen.



21 Uhr:



… und auf dem Rad war dann alles gaaanz anders. Geblasen hat's wie Sau, der angesagte Schnee blieb zwar aus, dafür wurde munter gehagelt. Sicherheitshalber hab' ich mich spiralförmig um meinen Ausgangsort Viane bewegt, um im Fall der Fälle schnell ins Trockene zu kommen. Das war nicht nötig, auch wenn es mich einige Male fast vom Rad geholt hat. Lenker festhalten ist hier enorm angesagt. Für spätes, weiches Licht war ich so natürlich zu früh zurück, aber das fiel wegen aufziehenden Dunkelgrauwetters sowieso wieder ins Wasser.

 



Morgen soll es mit 2-4 Bft sowas wie windstill werden, außerdem beständiger und schöner als heute. Sollte ein guter Rahmen für eine würdige Abschiedstour werden, mal sehen ob ich noch irgendwelche "Legenden" in Angriff nehme. Vor allem werde ich aber wie bisher einfach genussvoll drauflosfahren – immer dahin, wo es gerade am schönsten scheint.



Dwars door Vlaanderen



Mittwoch, 5. März, 18 Uhr

Ich bin halb erfroren, kurz vorm Verhungern, kann mich kaum noch bewegen – und es geht mir so, so gut.

140 Kilometer kreuz und quer durch Flandern, davon geschätzte 20 op kasseien. Die definitiv heftigste Tour meines Lebens. Den "klassischen Dreier" Leberg, Berendries und Valkenberg habe ich mitgenommen, den Eikenberg bin ich später zuerst runter- und dann wieder raufgefahren. Ich weiß nicht was schwerer war, aber eins ist klar: Gemein ist beides. Auch wenn das ganze im schmeichlerischen Licht Flanderns unglaublich schön aussehen kann ...



Der Eikenberg ganz nah ...


Beim Wetter war wieder alles dabei, zunächst noch heftiger Wind (von vorne – woher sonst?) und reichlich Wolken, später wurde aber wieder die flämische Luxusbeleuchtung eingeschaltet. Die brachte heute allerdings reichlich Kälte mit, und der für den Rückweg erhoffte Wind aus Nord oder West schlief schon vorher ein.



... und von Schorisse aus gesehen


Zu Hause gerade vom Rad gestiegen kommt es zu einem kleinen Plausch mit dem Vermieter, der mir erzählt, dass die Ferienwohnung für das Wochenende der 'Ronde' 2010 schon seit Ende vergangenen Jahres reserviert sei. Und dass er jedes Jahr die Spitzengruppe auf der Muur im Fernseher verfolgt, dann ins Auto springt und sich das Ganze am Bosberg live gibt – der letzten Helling in der 'Ronde van Vlaanderen'. Dabei zeigt er auf einen der Hügel in ca. 2,5 Kilometern Entfernung. Da!



Und weil das Licht genau das war, auf das ich seit fast genau einer Woche wartete, habe ich die kleine Runde dann noch angehängt



Donnerstag, 6. März

Rückreisetag. Die vorläufige! Abschiedstour auf flämischem Boden ist nicht der Rede wert. Gut 2,5 Stunden entspanntes Radeln unter grauem Himmel bei Windstille. Das kann ich auch zu Hause. Also: nichts wie zurück in die Heimat!

Es war eine unvergessliche, annähernd perfekte Woche, und einige Momente mehr als hier zu sehen habe ich mit der Kamera eingefangen.



 

Zum Schluss noch der Service für die Freunde der Statistik: Während der acht Tage habe ich knapp 22 Stunden auf dem Rad verbracht, dabei 542 Kilometer mit 3710 Höhenmetern bei einem Durchschnittspuls von 124 abgespult, 1555mal auf einen Kamerauslöser gedrückt und 1010 Autokilometer zurückgelegt.


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