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Jens Voigt / Jochen Willner: Man muss kämpfen!

Titel: Man muss kämpfen!
Nicht aufgeben - Siegen lernen
Autoren:Jens Voigt und Jochen Willner
Verlag: Delius Klasing, Juni 2007
ISBN-10: 3768852466
ISBN-13: 978-3768852463
Preis: EUR 19,90


 

Diese Besprechung könnte sehr kurz sein. Das Buch hat der Rezensentin nicht besonders gut gefallen. Sie fand es langweilig, mäßig geschrieben, hat sich über kleinere sachliche Fehler geärgert und war enttäuscht davon, wie es mehrmals auf recht unelegante Weise das „alles überschattende Thema Doping“ umschifft. Daß diese Besprechung dennoch länger ist, liegt daran, daß all dies nicht unbedingt zu erwarten gewesen wäre.

 

Der Sieger der letzten beiden Deutschland-Touren ist weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen, und wenn er sich nicht gerade zum Thema Doping um Kopf und Kragen stammelt, gehört er zu den amüsantesten und interessantesten Stimmen des Radsports. Daher ließe sich vieles von einem Buch von Jens Voigt erwarten, aber nicht, daß es keine besonders unterhaltsame Lektüre ist.

 

Daß dem dennoch so ist, liegt vermutlich unter anderem an der Konzeption des Buches: Kaum ein Sportler schreibt seine Bücher selber, und so auch hier nicht. Der Sportjournalist Jochen Willner traf sich seit Beginn des Projekts im Frühjahr 2006 mehrmals mit Voigt und legte ihm zusätzlich immer wieder Fragenkataloge vor, die Voigt mündlich oder schriftlich beantwortete. Man merkt dem Buch deutlich an, daß Willner bei der Ordnung dieses Materials versuchte, den individuellen Ton Jens Voigts in Prosa zu übertragen – und daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Im Gegenteil: dies nicht zu versuchen bei einem Protagonisten, der für seine markigen Aussagen bekannt (und beliebt) ist, wäre wohl geradezu sträflich. Umso trauriger ist es, daß das Unterfangen nicht ganz gelungen ist. Durch den Versuch, das Buch à la Voigt zu schreiben, ist es arg episodenhaft geworden. Die Lektüre hinterläßt einen zerfaserten, unzusammenhängenden, unorganischen Eindruck. Gleichzeitig wirkt Voigts Tonfall in dieser schriftlichen Form mitunter gestelzt und unnatürlich.



So fuhr sich Jens Voigt in die Herzen vieler Radsportfans...

Unglücklich wirkt es auch, wie Voigt den prominentesten Dopingfall seines Teams CSC kommentiert. Den Ausschluß Ivan Bassos kurz vor dem Auftakt der Tour de France 2006 schildert er eher als Schicksalsschlag für das Team denn als den handfesten Doping-Skandal, der er war. An dieser Stelle hätte man sich eine weniger allgemeine Aussage als die auf dem Aufkleber auf dem Umschlag des Buches gewünscht: „Ich wollte weiter kämpfen und dabei zeigen, daß es auch ohne Doping geht. Doping kommt für mich nicht in Frage.“ Für manche wird es der Gipfel des Hohns sein, daß das Buch durch ein Grußwort von Voigts Teamchef, dem geständigen Doping-„Sünder“ Bjarne Riis, eingeleitet wird.

 

Auch hier liegt die Ursache wohl wieder in der Planung des Buches: nach Angaben des Verlags war es „bereits vor der ‚Geständniswelle’ des Frühjahrs“ 2007 abgeschlossen. Einerseits hindert das wohl weder den Verlag noch Jens Voigt daran, ein paar klarere Worte zu verlieren; andererseits liegt nun ein Buch vor, mit dem die meisten Fans noch vor ein paar Monaten vollkommen zufrieden gewesen wären, was die Dopingfrage angeht.

 

Man muss kämpfen!, vom Verlag in einem nicht ungelungenen Wortspiel als „Radgeber für den Erfolg“ angekündigt, soll „Erinnerungsbuch und Bekenntnisband zugleich“ sein, und erstere Bezeichnung ist auch vollkommen zutreffend. Voigt beschreibt seinen Werdegang als Radfahrer von den Anfängen in der DDR-Sportschule über seine Amateurkarriere in der Nationalmannschaft bis zum schweren Einstieg ins Profigeschäft. Vieles davon mag dem Voigt-Fan schon bekannt sein, aber dennoch läßt sich noch so manches interessante Anekdötchen erfahren, z. B. wenn er die Beziehungen zu seinen „Weggefährten im Peloton“ schildert. Auch der Familienmensch Voigt tritt zum Vorschein, und insgesamt sind es diese „menschelnden“ Momente, die die stärksten des Buches sind. Ob Voigt mit seinem Rezept, „auf das Glück einzuprügeln, bis es nachgibt“, der passende „Radgeber zum Erfolg“ ist, muß jeder selbst entscheiden – wie auch die Frage, ob er dieses Erinnerungsbuch für einen überzeugenden „Bekenntnisband“ hält.

 

Neben stilistischen Merkwürdigkeiten („Für mich als ehemaliger DDR-Bürger hat die Friedensfahrt…“; „Für mich war und sind das keine Teamtreffen…“) haben sich auch sachliche Fehler eingeschlichen: Voigts Teamkamerad Kurt Asle Arvesen, der wie er seit 2004 bei CSC fährt, ist nicht Däne, sondern Norweger. Natürlich sind dies Kleinigkeiten, an denen man sich kaum hätte stören müssen, wäre das Buch in anderen Belangen befriedigender ausgefallen. So jedoch fügen sie sich in ein insgesamt durchwachsenes Gesamtbild ein.



von le coq sportif, September 2007, Fotos Mani Wollner


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