Zu Beginn sei ein kleiner Exkurs in die Welt der spanischen Frühstückskultur gestattet : das ging erst mal damit los, dass die Gaststube zu Beginn der angegebenen Frühstücks-Zeit vollkommen leer war. Na gut, die 40 Minuten Verzögerung hätten wir noch verschmerzen können… Unser Tisch war lediglich mit 4 Messern eingedeckt. Als der Wirt die bestellten Tassen Kaffee bzw. Tee brachte, servierte er uns zudem einen Teller mit 4 kleinen, abgepackten Kuchenstücken darauf. Netter Einstieg, dachten wir, aßen den Kuchen und warteten auf den zweiten Gang . Warteten, warteten – nichts geschah. Eine furchtbare Ahnung beschleicht uns: das WAR unser Frühstück! Nein, das kann einfach nicht sein, das geht nicht! Also fragen wir den Wirt höflich nach Brot und Marmelade. Der Wirt ist nun seinerseits völlig konsterniert: „Brot?!?!“ Aber er serviert uns dann doch eine – recht bescheidene - Ration der gewünschten Erzeugnisse. Am Nebentisch sitzen Leute, die essen Schinken! Der Wirt möchte uns wohl erklären, dass die bestellt haben bzw. besondere Gäste sind oder was auch immer. Egal, wir wollen auch Schinken haben! Bekommen wir sogar, und dazu auch noch etwas Brot. Naja, irgendwann verlassen wir dann, mäßig gesättigt, doch unseren Tisch. Nach Tellern haben wir übrigens vor lauter Bescheidenheit nicht mehr gefragt…
Rad gefahren sind wir übrigens auch noch, wenngleich das „Frühstück“ in etwa den halben Tag eingenommen hatte. Nur wenige Kilometer nach dem Start stand der Anstieg zum Col de la Perche auf dem Programm. Etwa 400 hm, die Steigung war recht moderat (5-7%) – genau richtig zum Warmwerden. Cornelius fuhr ein Stück voraus, wir anderen drei ließen uns etwas mehr Zeit. Ich fühlte mich sehr gut, beinahe mühelos erschien die Auffahrt zum Pass.
Nur wenige Kilometer nach dem Perche konnten wir uns bereits den zweiten Pass des Tages gutschreiben lassen, den Col de la Quillane. Gut, es sei nicht verschwiegen, dass der Anstieg vielleicht 4 km lang war, die Anfahrt von der anderen Seite jedoch fast 30 km lang ist… Aber Pass ist Pass . In der Abfahrt passieren wir die imposanten Stauseen Matemale und Puyvalador. Für die Mittagspause finden wir indes keinen besseren Platz als einen sehr schattiges Flecken ohne Aussicht irgendwo im Nirgendwo . Danach geht die Fahrt weiter, zuerst in eine rasante, kurvenreiche Abfahrt, dann durch ein enges, einsames Tal bis Usson.
Dort wird es ernst, ein Highlight unserer Tour steht auf dem Programm: der Port de Pailheres. 15 km, über 1200 hm. Ich hatte mir im Vorfeld Gedanken gemacht, ob dieser Pass nicht zu schwer ist, wenn man bis zu 15 kg Gepäck dabei hat. Einer der Wirte aus unserer netten Frühstücks-Pension hatte uns jedenfalls keine Chance gegeben. Na, das wollen wir doch mal sehen…
Der Anstieg beginnt recht einladend, aber schon nach wenigen hundert Metern (etwa an der Stelle, an der Guerini für Timo attackiert hatte), wird es steil. Über 10%. Ich schalte so klein, wie es mein Gewissen zulässt , 32:30. Tempo liegt bei etwa 9 km/h. Hinter Rouze wird es kurzzeitig flach, an einer Kreuzung warte ich auf die anderen, damit keiner falsch fährt. In Mijanes nach etwa 5 km bleiben nur Cornelius und ich vorn übrig. Corny atmet zwar etwa doppelt so schnell wie ich und sieht immer etwas leidend aus, macht aber den Großteil der Führungsarbeit, und ich habe nicht das Gefühl, schneller fahren zu können. Die Sonne brennt herunter, die Steigung liegt konstant im zweistelligen Bereich – so richtig wohl fühle ich mich nicht. Nach etwa 8 km fällt Corny dann doch leicht zurück. Es wird etwas wolkig und damit auch kühler, und prompt macht mir die Fahrt wieder mehr Spaß. Vor allem, als knapp 5 km vor dem Pass diese genialen Kehren beginnen. Heisa, was für eine Gaudi! Plötzlich spüre ich keine Anstrengung mehr, obwohl die Strasse immer noch bis zu 12% ansteigt. Dieser Anstieg ist genial: schmale Strasse, zahllose Kehren, wunderbare Landschaft – 5 Sterne! Immer wieder halte ich kurz zum Fotografieren an.
Corny kommt dann etwa 5 Minuten nach mir an der Passhöhe an, Basti 10 Minuten. Georg erreicht den Pass als Letzter, bricht aber als Erster wieder auf – das herannahende Gewitter verjagt ihn . Wir folgen ihm sogleich.
Die Abfahrt ist irrsinnig schnell, auf den langen Geraden haben wir Rückenwind. Bei Tempo 70 ziehe ich die Notbremse, es wäre wohl noch deutlich schneller gegangen. Muss aber nicht sein. Spontan entscheiden wir uns, in einer Herberge nach 2/3 der Abfahrt zu übernachten. 83 km stehen bis hierher auf dem Tacho. Später zwingt uns der Wunsch nach einem Abendessen aber doch noch, die 7 km Abfahrt (und hinterher natürlich den Anstieg ) nach Ax-les-Thermes unter die Räder zu nehmen. Auf der Hinfahrt werden wir noch von einem wunderbaren Wolkenbruch überrascht, was ich ziemlich sch*** fand. Gestärkt durch ein gutes Steak jedoch, kommen Basti und ich auf die tolle Idee, den Anstieg auf der Rückfahrt wie die Bekloppten hochzurasen. Total sinnlos und gestört, aber Spaß hat’s trotzdem gemacht. Und die Gelegenheit, ohne Gepäck zu fahren, muss man ja ausnutzen…