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Rund um Köln 2005

von Blaho



Ostersonntag...

Ostersonntag 27. März 2005

Ich habe zwar ein schlechtes Gewissen, trotzdem werfe ich die komplette Familie um 8 Uhr morgens aus dem Bett. Die Ostereiersuche wird im Schnellgang durchgezogen, das Frühstück ebenso. Danach packen wir haufenweise Klamotten und mein Fahrrad und vier Laufräder in den alten Kombi und machen uns auf den Weg.

 

Erste Station sind meine Eltern, die sich zum Glück bereiterklärt haben, den 3 Kids über Ostern Asyl zu gewähren. Danach stelle ich fest, dass ich keine Adresse für die Abholung der Startunterlagen habe, und wir fahren wieder nach Hause. Ich schaue schnell im Internet nach und wir machen uns wieder auf den Weg nach Köln. Bis auf einen Verrückten, der uns fast von der Autobahn schiesst, weil er nicht bemerkt, dass an seiner Autobahnauffahrt der Beschleunigungsstreifen fehlt, läuft die Fahrt bemerkenswert ruhig. Das Wetter wird besser, je näher wir Köln kommen und die Stimmung steigt unaufhörlich.

Als erstes machen wir einen Abstecher nach Leverkusen zum Start und holen die Unterlagen ab. Es klappt erstaunlich problemlos und ich erhalte meine Startnummer und eine nette Baseballcap.

 

In Köln startet dann die Suche nach dem Hotel. Dorint Kongress Hotel soll es heissen und zentral gelegen sein. Nach diversen Rheinüberquerungen finden wir ein Dorint, erfahren aber an der Rezeption, dass es das Dorint Sofitel sei und wir doch noch mal über den Rhein müssten. Die nette Dame beschreibt den Weg recht genau und gibt uns auch noch einen kleinen Stadtplan mit. Den Kölner Einbahnstrassen und Baustellen sind jedoch weder meine Frau, noch ich in irgendeiner Form gewachsen. Wir haben jetzt eine schöne Stadtrundfahrt hinter uns als ich die Taktik wechsle. Anstatt uns direkt vorzuarbeiten, umkreise ich das Zentrum im Westen, um dann unvermittelt von Norden durchzubrechen. Und siehe da: Kein Problem. Hotel und Tiefgarage sind gefunden. Die Dame an der Rezeption ist superfreundlich und stimmt auch unserem Late-Checkout um 15 Uhr problemlos zu. Das Zimmer ist spitze, aber trotzdem beschliessen wir, sofort einen Stadtbummel zu starten.



Ortsbesichtigung...

Der erste Weg führt (natürlich) zum Dom und von dort an den Rhein. Da gibt’s dann erstmal was zu futtern. Ich fühle mich völlig im Eimer, aber nach dem Essen geht es wieder besser. Wir spazieren zum Ort des morgigen Zieleinlaufs, was allerdings deutlich weiter ist als es auf der Karte aussah. Drei Stunden später befinden wir uns wieder auf Höhe des Doms und haben kaum noch Zeit, uns auf den Weg zum Sportmuseum zu machen, wo am Abend eine Lesung mit Marcel Wüst, Peter Winnen und Philip Köster veranstaltet wird. Als Eintrittskarte bekommen wir ein Probepäckchen der Firma Born Sportscare mit Muscle Relax 4! Ich will hier keine Werbung machen, aber von diesem Päckchen wird noch zu sprechen sein.

Die Lesung ist klasse, doch leider kommen wir erst gegen 22 Uhr wieder auf die Strasse. Und das offenbar in einer Gegend, die an sportlichem ausser dem Sportmuseum nur noch das Kampftrinken anzubieten hat. Die umherliegenden Schnapsleichen sind ja noch zu ertragen, aber dass wir ausgerechnet in eine Gruppe geraten, in der sich ein Mitglied in ein Delirium getankt hat, dass er glaubt Pavarotti zu sein und dementsprechend laut eindeutig zweideutige Lieder singt, während er genau neben uns her marschiert.

Wir machen dem ein Ende, indem wir links abbiegen und beten, a) einen Geldautomaten und b) etwas Essbares zu finden. Beides gelingt, auch wenn unsere Pastaparty bei KFC stattfinden muss. Pasta gibt’s keine, dafür kaum fettiges Hähnchen. Danach geht’s ins Hotel, wo der Abend noch lange nicht zu Ende ist.



Es wird Nacht in Köln...

Da die Beine immer noch durch die Fahrt mit Fraenki und jetzt auch noch durch stundenlanges Spazieren gehen in Köln völlig im Eimer sind, beschliesse ich sie mit besagter Probe, die wir in der Lesung erhielten, zu bearbeiten. Also werden die Beine damit einmassiert und dann sollte geschlafen werden.

 

Erstes Hindernis ist eine SMS, die Fraenki kurz vor Mitternacht schickt, um mir mitzuteilen, dass 7 Grad und Regen angesagt sind. Ich beruhige ihn, indem ich von unseren 14 Grad und Sonne schreibe. Dann wird wieder versucht einzuschlafen.

 

Nächstes Hindernis ist die Klimaanlage: Es ist so unglaublich heiss im Zimmer. Meine Frau stellt das gute Stück kurzerhand ab. Als ich dann endlich schlafe ist nicht mehr so arg viel von der Nacht übrig.

 

Aber es kommt noch besser: Gegen 2 Uhr werde ich wach und habe das Gefühl, von Malaria befallen zu sein. Oberhalb der Gürtellinie schwitze ich dank des zweifelhaft klimatisierten Zimmers wie ein Eisbär in der Sahara und unterhalb der Gürtellinie hat Born mir alles abgefroren. Meine Beine sind wie Eisklötze.

Es stellt sich die übliche Pre-Race-Verzweiflung ein: Nichts funktioniert und ich werde morgen bestimmt aus dem Zeitlimit fallen. Mit diesem positiven Gedanken falle ich endlich in Schlaf, aus dem mich erst der Wecker um 6 Uhr wieder herausreisst.



Der Tag der Wahrheit...

Eigentlich wollte ich ans Frühstücksbuffet, aber ich bevorzuge momentan eine Stunde länger zu schlafen. Nächstes Wecken um 7 Uhr. Jetzt stehe ich dann doch auf. Kurze Stippvisite im Bad, und dann wird in der Tiefgarage das Rad zusammengebaut. Ich beschliesse hinten auf Shamal und vorne auf ein konventionelles Laufrad mit Messerspeichen zu setzen.

 

Für 8:30 Uhr bin ich mit Moritz am Bahnhof in Köln-Mülheim verabredet. Meiner Meinung nach kein Problem, da ich ja nur über die Mülheimer Brücke muss und dann folge ich einfach den Gleisen. Soweit die Theorie.

In der Praxis finde ich dann die Gleise recht schnell, die führen aber leider durch die Deutz-Werke und dort will man mich nicht mit meinem Fahrrad durchlassen. Auch sie Idee, auf den Gleisen zu fahren verwerfe ich wieder. Also umfahre ich dieses Industriedenkmal und stosse irgendwann auf der anderen Seite wieder auf die Bahnlinie. 2 Minuten später finde ich mich in einer Sackgasse wieder und habe langsam die Faxen dicke. Da die Strassen um diese Zeit noch fast menschenleer sind, benötige ich noch etwas Zeit, bis ich ein Pärchen finde, das mir bereitwillig Auskunft gibt. Ungefähr eine Minute später bin ich am Bahnhof, wo Moritz schon auf mich wartet. Wir fahren direkt los, Moritz gibt die ungefähre Richtung (wir müssen eigentlich nur den Gleisen folgen) vor und schon sind wir auf dem Weg nach Leverkusen - glauben wir.

Es dauert einen Moment, bis Moritz Zweifel befallen und ich bin mir auch ein wenig unsicher. Irgendwie sind keine Gleise mehr zu sehen und insgesamt haben wir das Gefühl, uns eher Dortmund als Leverkusen zu nähern. An einer Bushaltestelle finden wir einen Stadtplan, der unsere Befürchtungen bestätigt. Also geht es zurück und dann parallel zum Rhein nach Leverkusen.



Hier macht sich mein fehlendes Frühstück bemerkbar. Ich habe Hunger! Das verkünde ich dann auch alle zwei Minuten immer wieder. Meinen Hinweis, dass gleich ein McDonalds kommt ignoriert Moritz geflissentlich. Beruhigt bin ich erst als meine Frage, ob es in Leverkusen auch Bäcker gibt positiv beschieden wird.

 

Wir fallen dann auch direkt über die Bäckerei her. Ich nehme Brötchen mit Pute und MezzoMix, Moritz bevorzugt Schokobrötchen. Hier treffen wir auf eine Gruppe von C4F-Chicks. Eigentlich treffen sie auf uns. Ich hoffe mir ist keiner böse, aber ich weiss gar nicht mehr, wer alles dabei war. Kian kam irgendwann dazu, Niniel war da...???

 

Danach rollen wir zum Start. Moritz fährt sich gnadenlos weiter warm und ich halte mich ebenso gnadenlos weiter in seinem Windschatten. Das Wetter ist perfekt, 17 Grad, leicht bewölkt und wenig Wind. Das Streckenprofil ist in meiner Trikottasche und eigentlich sollte es direkt nach dem Start bergauf gehen, was mir traditionell gar nicht liegt. Wir bewundern vor dem Start noch einige der Konkurrenten. Froh sind wir über diejenigen, die eindeutig männlich sind, aber dennoch nach schwanger aussehen. Das lässt uns hoffen.



Der Start

Irgendwann fällt dann auch der Startschuss und wir machen uns auf die Socken. Die angesagte Steigung kommt einfach nicht, dafür wird richtig wild Tempo gefahren. Als es dann endlich etwas bergan geht, sehe ich Moritz nur noch kurz von hinten und dann ist er weg. So in etwa hatte ich das befürchtet. Zum Glück ist das Profil eher wellig als bergig. Bergab komme ich irgendwann wieder an ihn heran und wir haben bald eine nette Gruppe, in der wir mitrollen können.

 

Die ganze Angelegenheit verläuft relativ unspektakulär. An einem Anstieg brüllt mir ein freundlicher Zuschauer zu: "Mach´ die Zunge rein, wie sieht denn das aus!" Was er mit seiner Zunge machen kann, denke ich mir nur. Es fehlt die Luft für eine hörbare Antwort.

 

Die Strecke ist sehr schön, nicht mal halb so anstrengend wie ich es erwartet hatte und Moritz und ich fahren zusammen ein ganz nettes Tempo. Er hat noch seine Fans postiert, die ich leider nicht erkennen kann, aber jede Anfeuerung wird natürlich gerne mitgenommen. Interessant wird es nach ungefähr 60 Kilometern, als von rechts ein nicht endender Lindwurm von Radfahrern auf unsere Strecke trifft.  Es dauert einen Moment bis ich realisiere, dass dies wohl die Fahrer der 60 km Runde sein müssen. Wir treffen direkt am Fuss einer Steigung aufeinander und ich werde sofort von einem Rennrad mit Schutzblechen und Gepäckträger überholt. Der Fahrer eines Bonanzarads lässt sich nicht lumpen und zeigt mir meine Defizite als Kletterer auf. Ich überlege, ob ich auf den Besenwagen warte oder mich weiter lächerlich machen lasse. Da der Besenwagen noch einige Zeit braucht, tendiere ich zu Alternative 2.

 

Ich erfreue mich also am Windschatten der merkwürdigen Vögel vor mir und hoffe, dass hier keiner an der Strecke steht, der mich kennt. An der ersten wirklich steileren Steigung in Bergisch Gladbach kann ich dann meinen Materialvorteil ausnutzen und die beiden überholen, bergab holt mich zumindest der Kollege auf dem Rennrad wieder ein.



Der Bensberg...

Die nächste Steigung ist der gefürchtete Bensberg. Ein Höhenunterschied von nur 70 Metern, aber recht steil und auf Kopfsteinpflaster. Man hat uns hier Tour-Atmosphäre versprochen und die Zuschauer halten das Versprechen. Ich versuche mit möglichst viel Schwung auf das Pflasterstück zu kommen und gebe noch mal ein wenig Gas. Es klappt perfekt. Vor mir ist die Strasse fast frei, nur ein einzelner Radler quält sich in der Mitte der Strasse. Links neben mir findet sich ein Fahrer, der genau mein Tempo hält und wir überholen den Dritten rechts und links gleichzeitig. Dass der gute Mann beschliesst jetzt nach rechts zu fahren, kommt mir nicht wirklich entgegen. Er allerdings kommt mir entgegen. Die Lücke wird kleiner, wir bekommen Körperkontakt, ich lehne mich gegen ihn, trotzdem kommen mir jetzt die Metallgitter rechts entgegen. Wirklich entgegenkommend sind die Zuschauer, die mein Problem erkennen und mich mit Stössen an die Schulter immer wieder vom Gitter wegdrücken. Irgendwann habe ich soviel Luft, dass ich mit einem kurzen Antritt an meinem Freund vorbeikomme. Das war mal eine andere Erfahrung!

 

Der Rest der Tour geht mehr oder weniger bergab oder flach weiter und ich mache mir eigentlich nur Gedanken darüber, dass es bei dem hohen Tempo zu Stürzen kommen könnte. Ich versuche mich nicht einklemmen zu lassen und möglichst weit links zu bleiben. Bald kommen wir in voller Fahrt nach Köln hinein, überqueren den Rhein, donnern durch den Rheinufertunnel und dann ist da auch schon das Ziel. Moritz und ich überqueren die Linie fast gleichzeitig (gut, er hat 19/100 sec. Vorsprung) und sind froh, dass alles so gut geklappt hat. Es steht ein Schnitt von 32,5 km/h zu Buche, den ich sonst vor Juli nie zusammenbekommen habe. Im Ziel wartet meine Frau, die sich wieder zu Fuss bis hierhin quälen musste und die sich noch einige Zeit an Blasen an denselben erfreuen wird.



Nach dem Rennen...

Auch auf Tourmalet treffen wir hier, der uns noch begleitet, bis zur Transponderabgabe. Das heißt, nach einigem Fußmarsch beschließen wir, die Fußgänger zurück zulassen und mit dem Rad weiterzufahren, was eine gute Wahl war, angesichts der gut vier km bis zur Abgabestelle.

 

Moritz fährt von hier direkt zum Bahnhof, ich radele zurück und Tourmi zeigt uns noch eine U-Bahnstation, von wo aus wir zum Hauptbahnhof (schwarz)fahren. Dann geht’s ins Hotel unter die Dusche und ab ins Auto. Meine Frau überreicht mir noch eine Rund-um-Köln Trophäe, die einen Ehrenplatz erhalten wird.

 

Insgesamt ein wunderschönes Wochenende, mit großartiger familiärer Unterstützung.

 



Ein Dankeschön...

Besten Dank an alle Anfeuerer, ins-Rennen-zurück-Schubser, Tourmi, Moritz, die Dame in der Raststätte, die nicht gemeckert, sondern nur komisch geguckt hat als ich versuchte 2 kg Bratkartoffeln auf einen Teller zu packen, das alles mit einem Schnitzel zu krönen und das als völlig normale Portion deklarierte.

 

Und Riesendank an Irina, für die nächtliche Behandlung, 24h-Betreuung und Durchhaltens trotz schmerzender Füsse.

 


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