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Kleine Geschichte des deutschen Radsports<br>- Teil IV 1970 bis 2002

 



Radwandern war schon immer beliebt und wurde von den Vereinen gefördert, jetzt kam für den Verband erstmals offiziell das Radtourenfahren hinzu, Rennkleidung und Rennmaschinen hielten Einzug und die Fahrten wurden erheblich länger, bis zu 250 km mit vorgeschriebenen Zwangspausen, auch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h sollte erreicht werden. Eine Deutschland-Rundfahrt der Radtourenfahrer wurde geschaffen von Köln nach München über 1260 Kilometer, an der 1980 Fahrer aus acht Nationen teilnahmen. 1300 Vereine sind zu dieser Zeit im BDR organisiert. Der Zeitgeist bringt viel Neues in den 70ern, auch im Sport, BMX-Räder begeistern die Jugend und 1983 fuhren die ersten deutschen Fahrer zu Weltmeisterschaften in der neuen Disziplin, zu denen sich über 1000 Teilnehmer aus der gesamten Welt einfanden.

 

Rudi Altig zog sich aus dem aktiven Radsport zurück und wechselte ins Trainerlager, Jürgen Tschan gewann 1970 Paris-Tours.

 

Es rumorte heftig im BDR verstärkt durch große finanzielle Defizite, fast hätte es zur Auflösung des Verbandes geführt. Auch in den nächsten Jahren ging es vor dem Hintergrund der schlechten finanziellen Lage und weniger Erfolge auf der Straße, hoch her. Lediglich die Bahnfahrer, Kunstradfahrer und Radballer retteten mit ihren Medaillen bei den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 1972 die Stimmung, sodass in diesem Jahr der BDR innerhalb der UCI der erfolgreichste Verband war. Auch in den späteren Jahren glänzten die Bahnfahrer und ließen die Augen der Funktionäre leuchten.

 



Doping

 

Ein heute wieder aktuelles Thema, Doping, erhitzte schon damals die deutschen Gemüter - in einem Falle von Verbandspolitik allerdings mit anderen Vorzeichen als gewohnt: Der BDR-Präsident Erwin Hauck warf den bei der WM in Leicester erfolglos gebliebenen Straßenfahrern Dopingmissbrauch vor, woraufhin diese damit drohten, künftig nicht mehr im Nationaltrikot fahren zu wollen.

 

Der BDR folgte den Anforderungen der Zeit und gliederte sich ein Sportärzte-Team an, dem die führenden und später nicht unumstrittenen Professoren Reindell, Keul und Hollmann angehörten. Es begann die Zeit der intensiven systematisch-wissenschaftlich orientierten medizinischen Betreuung der Hochleistungssportler, insbesondere auch in der Leichtathletik. Eine rege Diskussion entwickelte sich um das Doping. Dopingmittel waren aus dem Hochleistungssport nicht mehr wegzudenken, weder im Osten noch im Westen, so gibt es Hinweise, dass z. B. das Dopen mit Anabolika in den frühen 60er Jahren in Westdeutschland weiter verbreitet war als in der DDR.

 

Die 70er Jahre zeichnen sich aus durch eine ausführliche sportärztliche Beschäftigung mit dem Thema, es kam zu kontrollierten wissenschaftlichen Untersuchungen und die ärztliche Kontrolle und Dosierungsberatung in bezug auf die Mittel zog sich durch die gesamte Diskussion. Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema erfuhr einen Höhepunkt nach den Olympischen Spielen in Montreal 1976, die als Dopingspiele in die Geschichte eingingen und deren Ergebnisse manche als traumatisch für den westlichen Sport bezeichnen. Das bestehende Dilemma zwischen "Doping war eindeutig abzulehnen und Doping ist nötig um erfolgreich zu sein" führte dazu, dass man sich fortan gegen das Doping aussprechen musste, dies offiziell auch tat, aber intern herrschte ein Stillhalteabkommen, ein Schweigegebot zum Thema, insbesondere über die weiter durchgeführten und auch bekannten Praktiken, zu denen ab sofort auch noch verstärkt die Rechtfertigungsstrategie "medizinische Indikation" gerechnet werden musste. Die Politik und die Sponsoren spielten mit, angefacht durch den politischen Kampf zwischen den Blöcken. Wobei die Geschichte des Dopings im Radsport noch eine eigene Qualität hat und einer getrennten Betrachtung bedarf. (siehe hier >>> )

 



nichts hat sich geändert - Siechtum trotz guter Fahrer

 



Ein Lichtblick gab es 1972 mit der Neugründung des Rennstalls "Rokado" in Dortmund, der im ersten Jahr die Fahrer Rolf Wolfshohl, Sigi Renz, Hennes Junkermann, Klaus Bugdahl verpflichtet hatte, sich aber nach 4 Jahren wieder auflöste.

 

Fakt war, dass die Zahl der lizenzierten deutschen Straßenrennfahrer ab 1974 so gering war, dass keine deutschen Meisterschaften ausgetragen werden konnten, sondern zum ersten Male eine "Drei-Nationen-Meisterschaft" mit Luxemburg und der Schweiz durchgeführt wurde, die bis 1992 stattfanden; 1993 war es noch eine Zwei-Nationen-Meisterschaft für die Schweiz und Deutschland. Erst Ende 1988 wurde die Grenze von 30 lizenzierten Fahrern wieder überschritten.

 

In der Öffentlichkeit machte der Berufsradsport Ende der 70er Jahre keine schlechte Figur durch die Erfolge von Klaus-Peter Thaler, Gregor Braun und vor allem durch Dietrich Thurau, der mit seinen 15 Tagen in Gelb bei der Tour de France 1977 eine Riesenbegeisterung in Deutschland entfachte. Die Deutschland-Rundfahrt fand einen Sponsor, die damit 1979 wieder ausgetragen werden konnte und es wurde erneut eine Profimannschaft geschaffen, der schwäbische Fahrradhersteller Konrad Kotter träumte von einem "Star-Ensemble", verpflichtet auch Dietrich Thurau, mußte aber 1982 sein "Kotters Racing Team" wieder aufgeben, da er sich damit finanziell übernommen hatte. 1978 bei der WM in Deutschland trat man mit zwei getrennten Mannschaften in München an und gehörte nach den Niederländern zu der erfolgreichsten Nation. Gregor Braun, Wilfried Peffgen, Dieter Berkmann und Beate Habetz gewannen für den BDR Gold, Lothar Thoms, Detlef Macha sowie der Bahnvierer für den DRSV.

 



Der west- und vor allem der ostdeutsche Bahnradsport hatte, was die Erfolge anbelangte, in den siebziger und achtziger Jahren eine gute Zeit. Die DDR stellte in den Jahren 1978, 79, 81, 89 die Weltmeister im Verfolgungsfahren über 1000m, die BRD 1962, 1964, 70 und 1973 - 1975. Von 1973 - 1981 entschieden die Bahnvierer der DDR die Weltmeisterschaften im 4.000m Mannschafts-Verfolgungsfahren für sich. Lutz Hesslich gewann den WM-Sprint der Amateure 1983, 1985 und 1987, Michael Hübner 1986 und Bill Huck 1989 und auch im Punktefahren konnte man glänzen.

 

1983 und 1984 überraschten auch die bundesdeutschen Bahnradsportler bei den Europa- und Welt-meisterschaften mit jeweils 5 Goldmedaillen.

 

Dabei ging ein neuer Stern auf in den 80er Jahren mit Rolf Gölz, 1983 Weltmeister mit der Vierer-Mannschaft auf der Bahn. Er wechselte auf die Straße und siegte 1984 bei "Rund um den Henninger Turm", 1987 bei der Meisterschaft von Zürich und bei der Ruta del Sol und 1988 brachten ihn u. a. Siege beim Wallonischen Pfeil und Paris-Brüssel an die 5. Stelle in der Weltrangliste. Raimund Dietzen, 1981 Deutscher Meister der Amateure, 1984 und 1986 bei den Profis, fuhr erfolgreich in spanischen Teams.

 



die Wiedervereinigung

 

1989 war bekanntlich ein besonderes Jahr für ganz Deutschland, die Wiedervereinigung brachte völlig neue Realitäten. Ab sofort konnten die ostdeutschen Amateure sich in das ehemals unerreichbare Profi-Renngeschehen des Westens einklinken.1990 löste sich der DDR-Verband auf und wurde in den BDR integriert. Sieben Radsportlern gelang es nach der Wende Profi-Verträge in verschiedenen nationalen Teams zu bekommen, mit dabei Uwe Ampler, Olaf Ludwig, Mario Kummer und Jan Schur, die durch ihre Erfolge bei Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen auch im Westen populär waren.

 

Mit der Gründung des Team Stuttgart am 17. Januar 1989 trat endlich einmal wieder ein Straßen-Profi-Team ins Geschehen ein. Der Stadt Stuttgart gelang es einen Geldpool zu schaffen, in den 20 lokale Firmengrößen einzahlten, die Sportliche Leitung übernahm Hennie Kuiper. 12 Neo-Profis stellten das Fahrer-Kader, mit dabei Hartmut und Udo Bölts. 1991 ging das Team Deutsche Telekom aus dem Team Stuttgart hervor. Gab es 1991 46 deutsche Fahrer mit Profilizenzen, stieg die Zahl 1993 auf 63 und als die UCI im Jahre 1996 den Amateur-Status abschaffte und die männlichen Radsportler in "Elite" und "Espoirs" unterteilte, stieg deren Zahl bald auf über 100. Eine gute Zeit begann für den deutschen Straßenradsport. Olaf Ludwig rettete mit seinen Erfolgen den Fortbestand des Teams Telekom, Marcel Wüst entschied in den Farben ausländischer Teams eine Tour de France-Etappe, eine des Giros und zwölf der Vuelta für sich, das Team Telekom stellte mit Bjarne Riis und Jan Ullrich zweimal den Tour de France -Sieger und Erik Zabel wurde zum Mann in Grün. Unvergessen für die Fans bleiben auch die Erfolge auf der Bahn und auf der Straße bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000.

 

Im Jahr 2002 stand der deutsche Straßenradsport der Männer mit drei GSI-Mannschaften (COAST, Gerolsteiner, Telekom), noch drei GSII (Cologne, Wiesenhof und  Nürnberger Versicherungen),  vier GSIII-Mannschaften (Comnet-Senges, LTA Quatro Logistics, Lamonta, Rothaus), gut wie nie zuvor da. Mehr als 150 Straßen-Radsport-Lizenzen wurden 2002 vom BDR vergeben. Leider gab es 2003 nur noch ein GSII-Team, die Teams Cologne und Nürnberger Versicherungen für Männer gaben auf. Die GSII-Teams Lamonta (Rheda-Wiedenbrück) und Comnet-Senges (Stolberg) gehen in die zweite Saison, begleitet von drei neuen: Merlin Logistic (München), Vermarc Sportswear (Köln) und Winfix Techem (Berlin). Im Ausland fahren 9 deutsche Männer in GSI-Teams und 4 in GSII.

 

Auch die deutschen Frauen sind seit einiger Zeit international mit starken Leistungen bestens vertreten: Hanka Kupfernagel, Petra Roßner, Judith Arndt, Regina Schleicher, Ina-Yoko Teutenberg und Sabine Spitz (MTB) heißen die erfolgreichsten. Ein Frauen-Trade-Team, die Equipe Nürnberger Versicherungen, weckt hohe Erwartungen, 3 Frauen haben im Jahr 2002 Verträge im Ausland. Zudem gibt es seit 2001 ein erstes deutsches Profi-Team auf dem Cross-Country-Sektor (Mountainbike) Team T-Mobile. Im Bahnradsport glänzen die deutschen Fahrer schon seit langem in der  Weltspitze, Thomas Liese, Jens Lehmann, Stefan Steinweg, Guido Fulst, Daniel Becke, Robert Bartko und Andreas Siedler sind die bekanntesten Namen, die für Aufsehen sorgten.

 



Judith Arndt

Nicht minder gut, wenn auch weniger bekannt, sind die seit Jahrzehnten herausragenden Leistungen im Radball und im Kunstradfahren.

 

Und noch eine Besonderheit ist zu vermelden: Der BDR hat seit 2001 eine Präsidentin, Sylvia Schenk.

 

(Stand 1. 1. 2003)

 



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Quellen:

 

RADProfis, Handbuch des deutschen Radsports, 1989-1993

Kommt Zeit, kommt Rad, A. Hochmuth, Wien 1991 

Geschichte des Radsports, des Fahrrades, W. Gronen/W. Lemke, Hausham 1987

Im Glanz und Schatten des Regenbogens, Ruttkus/Schoppe

Der vergessene Weltmeister, Renate Franz, 1998

100 Jahre Bund Deutscher Radfahrer, Festschrift, 1984

Un hommage au sport cycliste, UCI Centenaire 1900-2000, Lugano 2000

Wehe wenn sie losgelassen, Dörte Bleckmann, Maxime 1998

 

Mein Dank für das Überlassen der Photos geht an de wielersite, Argus Steiermark, DDR-Alltagskultur, Roland Schürmann (historische Bahnradbilder), Heinz Wohlers, RV03 Bürstadt, Judith Arndt

 

Viele Fehler und Unklarheiten im Text hätte ich selbst nie gefunden, ich danke Werner, KeinSeriensieger und Tick für die Unterstützung.

 

 

Beitrag von maki, 2002/2003

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