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Heute das letzte Rennen des Trittico Regione Lombardia und zugleich der Abschluss meiner persönlichen Italien-Rennen 2004. Ich glaube kaum, dass ich dieses Jahr noch mal nach Italien komme, aber 2005 kommt bestimmt...
Namensgeber für die Coppa Bernocchi war ein gewisser Senatore (Senator) Antonio Bernocchi, der 1913 die Idee für dieses Rennen hatte. Seitdem sind viele Jahre vergangen, die Coppa Bernocchi hat so berühmte Sieger wie Felice Gimondi, Fausto Coppi oder Francesco Moser gesehen und noch immer sind Mitglieder der Familie Bernocchi im Organisationskomitee involviert.
Von der Geschichte zur Gegenwart: Legnano, Start- und Zielort des Rennens, liegt zwar nur ca. 35 km von Mailand entfernt, da aber viele Züge aufgrund der Sommerferien in Italien im August ausfallen, nicht nur speziell zum Ferragosto (15. August), bedeutete dies noch früheres Aufstehen als gestern. Mein Zug ging bereits um 07.40 Uhr von Mailand Porta Garribaldi, 20 Minuten später war ich in Legnano. Es ist immer erstaunlich, was zu so früher Stunde schon los ist: letzte Rennvorbereitungen wurden getroffen, die Ausgabe der Akkreditierungsunterlagen an die Stampa (Presse) und Fotografi (Fotografen) war bereits im vollen Gange und es hatten sich auch schon etliche Zuschauer eingefunden. Drei Fahrer der Motorräder der Polizia wollten mir weismachen, dass sie die schönsten Polizisten Italiens seien und ich sie bitteschön fotografieren solle... Die drei hatten nur ein Problem: Ich war nicht ihrer Meinung...
Einige Zeit später trudelten endlich die ersten Teams ein und wie fast immer machten die kleinen Mannschaften den Anfang: Die ersten waren Miche und Acqua e Sapone. Kyrylo Pospyeyev stellte sich schon bereitwillig zum Foto auf, bevor ich meine Kamera aus der Tasche geholt hatte, der Junge scheint mich mittlerweile ganz gut zu durchschauen. Leider ist mein Ukrainisch noch immer nicht besser, sein Deutsch oder Englisch so gut wie nicht vorhanden und mein passiver Italienischwortschatz übersteigt noch immer maßlos den aktiven, so dass eine echte Verständigung sich etwas schwierig gestaltete. Aber dafür lasse ich Fotos sprechen...
Saeco und Lampre, die als einzige Teams mit ihren Megabussen angereist waren, fanden auf dem eigentlichen Teamparkplatz keinen Platz, da es dort leider nur eine Minieinfahrt gab. Mega und Mini verträgt sich nun einmal nicht, also mussten sie ihre Mega-Fahrzeuge woanders abstellen. Gerolsteiner schloss sich wohl aus Solidarität der Saeco-Lampre-Fraktion an, jedenfalls konnte ich sie an diesem Morgen auch nirgends entdecken... aber an der Einschreibung hatte ich all meine Freunde wieder schön versammelt. Stefano Zanini kam mit Sohnemann auf dem Rennrad angerollt, der Rest der Family war auch nicht weit, das Töchterchen von Vini Caldirolas Dario Andriotto zierte sich Papa ein Abschiedsküsschen zu geben, während Zaninis Söhnchen in Tränen ausbrach als er von Papas Rennrad musste und Papa alleine zum Start rollte. Michele Scarponi. Michael Albasini und Cristian Gasperoni scherzten lieber untereinander, das Gesprächsthema ist mir zwar unbekannt, aber bei Italienern liegt man meistens nicht so falsch, wenn man auf das Thema „Frauen“ tippt...
Um 10.15 Uhr, nachdem die Fahrer gestartet waren, die Team- und offiziellen Wagen den Startbereich verlassen hatten, kehrte erst mal Ruhe ein. Ich genehmigte mir in einer Bar einen Capuccino mit Brioche (Croissant) als Frühstück, lernte dabei den 73-jährigen Nonno (=Opa) kennen, der die Besitzerin der Bar abgöttisch liebt und ihren Ehemann zum Ringkampf herausforderte... Nur zur Beruhigung: Es gab keine Toten und Verletzten.
Als mein Handy seinen Geist aufgab, musste ich mir notgedrungen eine Telefonkarte besorgen, die es in Italien in den Tabacchi (Tabakläden) gibt, d.h. im Prinzip... Aber versucht mal, in einer italienischen Kleinstadt wie Legnano im August einen Tabaccho zu finden, an dem nicht ein Zettel mit der Aufschrift „chiuso per ferie“ (wegen Ferien geschlossen) hängt... nach einer Stunde und elendiger Lauferei mit Blasen an den Füßen wurde ich endlich fündig und konnte meine Telefonate doch noch erledigen.
Gegen Mittag durchquerte ich Legnano in der gesamten Breite, um zum Ziel zu kommen. Viel los war noch nicht. Ein Gerolsteiner-Betreuer sonnte sich auf einem Liegestuhl, ein paar Zuschauer warteten auf die Fahrer, die zwei Stunden später zum ersten Mal kommen sollten. Ich hatte keine Lust in der prallen Sonne zwei Stunden auszuharren und begab mich in Richtung Pressezentrum / Jury / Duschen, was alles praktischerweise in einem Freibad untergebracht war. Ich muss ziemlich verdurstet ausgesehen haben, jedenfalls versorgten mich ein paar Mitglieder des Organisationskomitees mit einem Liter Wasser und sagten mir auch, wo ich umsonst was zum Essen bekommen könnte... aber eines gab mir dann doch zu denken: Sie fragten mich, ob ich aus den Niederlanden kommen würde... wie soll ich das nun verstehen?
Etwas später tauchten auch die ersten Fahrer auf und mit dabei waren meine drei DVE-Lieblinge Michele Scarponi, Filippo Simeoni und Francesco Secchiari, die anscheinend bei dem Wetter mehr Lust auf ein frisches Bad als auf Radrennen hatten. Kann ich ihnen nicht verübeln... Im Fahrerlager traf ich dann auch noch auf Giovanni Lombardi und Stefano Garzelli, denen es ebenfalls zu heiß geworden war. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie stolperte ich am Straßenrand schon wieder über Grinsebacke Michele Scarponi, der frech grinsend wie immer an einem Gelato (Eis) schleckte. Da das nun wiederum meine Eisgeschmacksnerven aktivierte, packte ich all meine Italienischkenntnisse und meinen Mut zusammen und fragte Michele mit meinem bisschen Italienisch, wo er denn das Eis herhabe. Er erklärte mir den Weg zu einem Eisstand, an dem sich dann hinter mir noch die anderen DVE-Fahrer Secchiari, Simeoni und Lombardi anstellten... anscheinend ist Domina Vacanze ein echt „süßes“ Team... Vielleicht sollte man Santoni, dem berüchtigten DVE-Boss, den Vorschlag machen, seine Fahrer in Gelati zu bezahlen, dann gäbe es auch keine Probleme mehr mit den Auflagen der UCI...
Als die nicht ausgestiegenen Fahrer Legnano erreichten, stellte ich erfreut fest, dass der russische Meister Alexander Kolobnev sich in einer ganz gut besetzten Fluchtgruppe befand, in der neben ihm auch noch u.a. Simoni, Bertagnolli und Vainsteins waren, der 2002 schon mal in Legnano gewonnen hatte. Der Vorsprung schmolz langsam, aber stetig, und als der Streckensprecher ca. 1.100 m vor dem Ziel „Gruppo compatto“ vermeldete, war die Enttäuschung im Zielraum unter den anwesenden Zuschauern ziemlich groß. Aber das ist eben der moderne Radsport... zumindest hat mit Angelo Furlan wieder ein Italiener gewonnen und den Brillianten im Wert von 10.000 € für den Gesamtsieg des Trittico holte sich Bertagnolli von Saeco. Hat er eigentlich eine Frau, der er das schenken kann? Ansonsten wüsste ich noch jemand, der sich darüber freuen würde...
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Angelo Furlan (ITA, Alessio Bianchi)
Fred Rodriguez (USA, Acqua e Sapone Caffè Mokambo)
Giosué Bonomi (ITA, Saeco)
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