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Bitte recht freundlich! |
Präsentation vom Team Lamonta – aufgrund mangelnder Erfahrung mit solchen Veranstaltungen wusste ich nicht so richtig, was mich am Abend des 29. Januar in Rheda-Wiedenbrück erwarten würde. Vorsichtshalber war ich aber schon mal seelisch und moralisch auf alles gefasst. Egal, ob Björn Glasner auf einer in Nebel gehüllten Hebebühne zum Fußvolk heraufschweben würde oder ob Superstars-Ableger auf dem Podest rumhüpfen und einen Teamsong („Gegen den Strom, gegen den Wind“) trällern würden… ich hatte mir vorgenommen, alles ohne mit der Wimper zu zucken über mich ergehen zu lassen. (Ähnlichkeiten mit Präsentationen anderer Teams sind an dieser Stelle selbstverständlich rein zufällig und überhaupt nicht beabsichtigt). Abgesehen davon war ich mir Stephan (karteikarte) verabredet, an dessen starker Schulter ich mich sicherlich ausweinen könnte, sollte die Veranstaltung zu, sagen wir mal „speziell“, werden.
So machte ich mich am Donnerstagvormittag aus dem Herzen Niedersachsens auf nach Nordrhein-Westfalen. An dieser Stelle sei vielleicht noch erwähnt, dass ich mich nicht nur seelisch-moralisch vorbereitet hatte, auch mein Auto wurde ordnungsgemäß präpariert und mal wieder durch die Waschanlage gefahren. Und siehe da, es ist weinrot!! Zweieinhalb Stunden Fahrt auf schneevermatschten Autobahnen und drei Mal Scheibenwischwassernachfüllen später stand ich dann in Rheda-Wiedenbrück und wusste: Das mit dem Autowaschen hätte ich mir auch sparen können. Mein fahrbarer Untersatz sah aus, als hätten sich alle Streusalzkörner der nördlichen Hemisphäre auf ihm verabredet.
Per Handy nahm ich Kontakt mir „Hallo, René Haselbacher hier“ aka Stephan auf, um einen Treffpunkt auszumachen. Er war aber, wie er mir eröffnete, aufgrund eines Schneechaos in NRW zu Hause geblieben. Ich musste mich also allein ins Getümmel der Lamonta-Jungs stürzen, bekam aber noch den Auftrag, Christoph von Kleinsorgen zu grüßen und ihm ein paar nette Worte auszurichten. Kaum hatte ich das Telefonat mit Stephan beendet, düdelte mein Apparat schon wieder: Lina war an der Strippe. Ich solle gefälligst viele Fotos für unsere Homepage machen und nicht rumheulen, nur, weil ich jetzt alleine zu den rasierten Waden müsse. Ja, Mama.
Stefan Schumacher (Mitte) erzählt ´nen Schwank aus seiner Jugend... . |
Bis zum offiziellen Beginn der Präsentation blieb noch etwas Zeit und so machte ich Rheda-Wiedenbrück bzw. nur Wiedenbrück unsicher, holte mir Erfrierungen zweiten oder dritten Grades an der Nase und ließ mich von ein paar Schulkindern mit Schneebällen bewerfen. Da wurden mir die Stadt und ihre Bewohner doch gleich sympathisch.
Punkt 18 Uhr stand ich dann gestiefelt und gespornt vor dem Möbelhaus Carina, wo die Präsentation stattfinden sollte. Einigermaßen zielstrebig enterte ich das Gebäude und war bereit, mit vollem Ellenbogeneinsatz um Fotos zu kämpfen. Doch dann die große Überraschung: In einem mittelgroßen Ausstellungsraum mit gemütlichem Wohnzimmer-Charakter tummelten sich zwar einige Leute, doch an Drängeln musste nicht ansatzweise gedacht werden. Ein kurzer Blick durch den Raum: Keine Nebelmaschine, keine Hebebühne. Auch kein Superstar zu sehen. Puh. Stattdessen jede Menge Sofas und ein gut ausgeleuchtetes Podest mit drei Sesseln drauf, wo die Radler allem Anschein nach später Platz nehmen sollten.
Ich war noch nicht ganz angekommen, da kam schon die erste Kellnerin angehüpft: „Prosecco??“. Ich entschied mich für ein Wasser und wollte noch einen Flachwitz reißen („Ist das Gerolsteiner?“), spekulierte aber darauf, dass sie das nicht verstehen würde.
Kaum war die Kellnerin wieder von Dannen gezogen, hatte mich schon der Pressesprecher des Teams, Holger Lachnit, gefunden. Er erkundigte sich nach meinen Motivwünschen für die Fotos und drückte mir ein Infoheftchen übers Team in die Hand. Ich war also gerüstet, es konnte losgehen. Ging´s aber nicht. Kurzum suchte ich mir ein mehr oder weniger williges Opfer für ein Gespräch und meine Wahl viel auf einen Mitarbeiter von Radsportnews.com. Nicht, weil er von der Seite war (das wusste ich bis dato gar nicht) sondern, weil er auf Krücken umherhumpelte und nicht so schnell vor mir weglaufen konnte (an dieser Stelle noch mal gute Besserung ans Knie).
Die sechs Lamonta-Neuzugänge (v.l.): von Kleinsorgen, Schumacher, Weigold, Kopp, Magyarosi und Kupfernagel. |
Wenig später ging´s dann tatsächlich los – ohne große Fanfaren oder Nebelschwaden. Holger Lachnit führte durchs Programm und bat als erstes die Neuzugänge des Teams zu sich auf die Bühne. Brav sortierten sich Peter Magyarosi (von den Hofbräu-Radlern Stuttgart und einziger Neo-Profi des Teams), Steffen Weigold (Ex-Gerolsteiner), Christoph von Kleinsorgen (von Bianchi), Stefan Kupfernagel (Ex-Phonak) sowie David Kopp und Stefan Schumacher (beide vom Team Telekom) auf die Polstermöbel und erzählten den einen oder anderen Schwank aus ihrem Leben. So erfuhren die Anwesenden über Kopp, dass eines seiner Hobbys Essen sei – „was man aber nicht sieht“, meinte Moderator Lachnit. „Naja, man muss ja nicht fett sein, nur, weil man gutes Essen mag“, antwortete Kopp. An dieser Stelle musste ich irgendwie an Jan Ullrich denken... aber das nur am Rande.
Als nächstes machte es sich Burckhard Kramer, Chef des 1991 gegründeten Carina-Unternehmens, das den Bezugsstoff Lamonta in Deutschland vertreibt, auf dem Podest bequem. Zu ihm gesellte sich Holger Sievers, der zum einen Teamchef ist, zum anderen aber auch noch für Lamonta in die Pedale tritt. Mit stolz geschwellter Brust resümierten sie das vergangene Jahr und blickten optimistisch auf die Saison 2004. Teilweise entstand bei mit der Eindruck, als würde Sievers am liebsten vom Podest springen, seine Jungs einsammeln, zum ersten Rennen fahren und dort so richtig auf die Kacke hauen wollen. Er blieb aber brav sitzen – zumindest so lange, bis die „Alteingesessenen“ des Teams ihn vom Sessel verdrängten. Philipp Mamos, 2003 durch eine Blinddarm-Operation fast die gesamte Saison außer Gefecht gesetzt, hoffte vor allem auf gute Gesundheit in diesem Jahr. Jonas Owczarek erzählte von seiner Leidenschaft für rohen Fisch („Ich gebe mein ganzes Gehalt für Sushi aus“) und Björn Papstein wurde als „der Mann mit der Pferdelunge“ beziehungsweise als „Rolf Aldag des Teams“ vorgestellt. Nicht, weil er dem Telekom-Profi besonders ähnlich sieht, sondern weil, glaubt man den Ausführungen von Holger Lachnit, Papstein seine Lunge bis zu den Zehennägeln gehen muss und er „wenn er vorne fährt, den anderen Profis ziemlich weh tun kann“. Als letzter im Bunde kam dann Björn Glasner zu Wort, der sich über die starken Neuzugänge des Teams freute, weil „wir jetzt nicht mehr so leicht auszurechnen sind und ganz anders taktieren können“.
Steffen Weigold berichtete über seine Ausflüge zum Cross. |
Zum krönenden Abschluss verteilten sich alle elf Profis auf die drei Sessel und ihr Arbeitsgerät wurde präsentiert. Steffen Weigold, der im Frühjahr bereits erfolgreich bei den Matschwühlern, äh, Cross-Fahrern, für Lamonta unterwegs gewesen war, erläuterte zunächst die Eigenheiten seines Cross-Rades. Einleitendes Wort: „Yo“ – gefolgt von leisem Kichern seiner Mannschaftskollegen. Er versäumte es nicht, einmal ordentlich die Werbetrommel für Cross-Wettbewerbe zu rühren („Ist zwar kalt weil im Winter, aber viel spannender als Straßenrennen“) und übergab dann an Holger Sievers, der das eigentliche Straßenrad zeigte. Fazit des Teamchefs: „Wir haben das beste Material, jetzt müssen wir nur noch ordentlich treten“.
Nun wurde zur großen Fotosession gerufen, und wir sechs Fotografen (bitte nicht heulen, wenn wir fünf oder sieben waren) konnten die Fahrer in alle Himmelsrichtungen dirigieren, bis auch der Letzte abgelichtet war. Danach durften die Herren ins obere Stockwerk des Möbelhauses verschwinden und die Trikots gegen Straßenkleidung tauschen.
Während sich die Jungs in Schale warfen, testete ich schon mal die Frühlingsrollen am Buffet und wurde von der Seite gefragt: „Prosecco??“. Ich orderte lieber eine Johannisbeersaft-Schorle und begab mich damit in einen getränketechnischen Teufelskreis, den ich bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr durchbrechen konnte.
Mit der Rückkehr der umgezogenen Lamonta-Profis war dann das bittere Ende des Buffets besiegelt. Man könnte auch sagen: Hätte es in der Bibel eine achte Plage gegeben, es wären vermutlich verfressene Radprofis gewesen. Wie eine Flutwelle schwappten sie über die Frühlingsrollen, Mandelgebäck, Blätterteig-Sonstnochwas, überbackene Champignons etc. und ließen nichts übrig. Es ging sogar so weit, dass Jonas Owczarek nur noch den Dipp per Finger vom Teller schaufelte. Aber vielleicht hatte er auch nur den Begriff „Fingerfood“ nicht so richtig verstanden. David Kopp ärgerte sich währenddessen, dass er sein Tupperdöschen vergessen hatte – er hätte doch gerne noch was eingepackt.
Ich gönnte mir das vierte oder fünfte Glas Johannisbeersaftschorle, übte mich im Smalltalk und hatte die Radler eigentlich für mich alleine. Nicht das Schlechteste, ich denke, ich könnte mich daran gewöhnen.
Kaum war der erste Teil des Buffets vernichtet, zauberten die Kellner eine riesige Sahnetorte mit Lamonta-Logo hervor. Wobei die beiden „a“ vom „Lamonta“-Schriftzug verkehrtherum waren - was den Hunger der Radsportler aber in keiner Weise minderte. Philipp Mamos sicherte sich sofort einen Teller und stellte sich "dezent" in die direkte Nähe zur Tore, um ja das erste Stück zu ergattern. Rund zehn Minuten wartete er, ganz zur Freude seiner Teamkollegen, mit den Hufen scharrend neben dem Dessert. Dann wurde er endlich erlöst und bekam das allererste Stück. „Reine Sahne“ stellte er freudig fest – der Junge ist einfach glücklich zu machen.
Lobend erwähnen muss ich an dieser Stelle noch Stefan Kupfernagel, der für den Abend einen Zweitjob als Kellner annahm und alle benutzten Tellerchen einsammelte. Kommentar: „Habe ich von meiner Freundin gelernt.“
Merke: So einfach sind Radprofis glücklich zu machen! |
Da die Lamonta-Jungs allesamt noch an diesem Abend nach Hause fahren mussten (teilweise bis nach Stuttgart runter…) und wohl auch, weil es nichts mehr zu Essen gab, herrschte langsam aber sicher Aufbruchstimmung. Auch ich hielt es für an der Zeit, mich zurück ins Hotel zu begeben. Immerhin musste ich bei meinen letzten Gläsern Johannisbeersaft-Schorle nur noch mein Glas auf die Theke stellen, und der Kellner füllte es unaufgefordert auf. Und wie mir ein weiser Mensch einst sagte: „Hanna, wenn der Barmann schon weiß, was du trinkst, geh´ nach Hause“. Abgesehen davon musste ich auch dringend mal wohin… .
Mehr Bilder von der Präsentation des Team Lamonta gibts auf
www.peloton-pictures.com
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