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Niedersachsen-Rundfahrt 2007

Seit 2005 bin ich jetzt Fahrer im Männerbereich U23. Das heißt: Ich befinde mich jetzt im dritten Jahr dieser Altersklasse. Von Anfang an hatte ich die "Ehre", bei der Niedersachsenrundfahrt am Start zu stehen! 2005 reiste ich zusammen mit der Bahn-Nationalmannschaft zu dieser gut besetzten Profirundfahrt an und sammelte viel Erfahrung und Motivation. Die Rundfahrt gewann in diesen Jahr Stefan Schumacher. 2006 vertrat ich dann die Farben des Thüringer-Energie-Teams. Zum ersten Mal waren wir für ein Rennen dieser Kategorie startberechtigt, da unser Management den Weg einer Continental-Profilizenz gewählt hat. Im letzten Jahr durften wir Zeugen einer One-Man-Show werden, denn kein geringerer als Alessandro Petacchi gewann fünf von fünf Etappen!



1. Etappe

Scheint alles beim alten zu bleiben!? Heute gewann wieder einmal der italienische Superstar Alessandro Petacchi.





Der Tag heute begann eigentlich schön ruhig, um 9 Uhr Frühstück und 10:30 Uhr Abfahrt zum Startort Wallenhorst. Dort waren wir eines der ersten Teams, welches zur Teampräsentation aufgerufen und vorgestellt wurde. Viele Schulklassen waren gekommen um den Start der ersten Etappe zu sehen. Dementsprechend viele gierige kleine Autogrammjäger schwirrten um unseren Parkplatz. Der Start war für 13 Uhr vorgesehen, und wurde auch gut eingehalten. Insgesamt scheint die Rundfahrt wieder top organisiert und durchgeplant! Die Etappe heute war 162 Kilometer lang und wies keine topografischen Hindernisse auf. Auch der Wind war auf unserer Seite und pustete nicht zu stark. Allerdings war es ziemlich warm heute mit 30 Grad in der Sonne.



Nach rund 20 Kilometern stand die erste Wertung auf dem Programm. Es war die einzige Bergwertung des Tages und ich hatte mir vorgenommen, auf diese zu fahren.

Nur irgendwie hatten sich das fast alle vorgenommen, und so kam es, dass es ein wahnsinnig schnelles Gesprinte und Gespringe auf diese Wertung gab. Es gelang mir an einem kleinen Hügel vor der Wertung in eine 15 Mann starke Gruppe zu springen. Jetzt waren es nur noch ca. 1,5 Kilometer bis zur BW. Das Feld ließ nicht locker und schoss an uns heran. Kurz vor dem Zusammenschluss konnte ich mich mit drei weiteren Fahrern aus dieser Gruppe lösen, unter anderen mit Linus Gerdemann. Aber keiner von uns wollte zu früh auf die Bergwertung lossprinten, und so kam es wie es kommen musste: Das heranrasende Feld schluckte uns 400 Meter vor der Wertung im vollen Sprint. Gewonnen hat die Wertung und damit das Bergtrikot ein Fahrer aus dem Team Lamonta. Der weitere Rennverlauf war typisch für diese Rundfahrt.



Im Trikot des besten Nachwuchsfahrers: Marcel Kittel
cycling-pics.com


Endlich ließ man eine Gruppe wegfahren, leider war keiner von uns bei den vier Mann dabei. Das Team Milram um die Fahrer Petacchi und Erik Zabel kontrollierte das Feld und hielt die Gruppe gleichmäßig auf 2 Minuten Abstand. Ca. zehn Kilometer vor dem Ziel schluckten wir die Gruppe und der Kampf um den Tagessieg war entfacht. Drei oder vier Teams mit klasse Sprintern kämpften um die besten Positionen und wir mittendrin. Unsere Aufgabe war es, Marcel Kittel in eine gute Position zu bringen, da er unser schnellster Mann im Team ist. Mit einem Schnitt von über 60 km/h auf den letzten 4 km war dies keine einfache Sache für uns, aber es gelang.



Marcel ersprintete sich einen tollen 13 Rang in diesem hochkarätigen Fahrerfeld. Dadurch wurde er mit seinen 19 Jahren bester U23-Fahrer im Feld und bekam zum Lohn das Nachwuchstrikot, welches er morgen tragen darf. Da Daniel Becke 20. und Karsten Heß noch 22. wurde, konnten wir einen tollen 4. Platz in der Teamwertung des Tages erreichen. Die Form ist o.k. und die Stimmung im Team ist super. Morgen nehmen wir dann 185 km mit ähnlichem Profil in Angriff.



2. Etappe

Es waren 192 km nicht 185 km. Dies bekam heute besonders ich zu spüren! Denn es gelang mir nach einer furiosen Startphase, welche von Ausreißversuchen geprägt war, in eine dreiköpfige Spitzengruppe zu springen. Das ganze Spielchen dauerte 35 km - bis dann endlich eine Gruppe entstand, die für das Team Milram angenehm war.



Die Spitzengruppe - im Wind: der Autor selbst!
Foto: cycling-pics.com


Es war nämlich niemand von T-Mobile oder Gerolsteiner dabei. Vertreten waren das Team Skil-Shimano mit Christoph Meschenmoser, das Team Lamonta mit Dominik Klemme, das Team Navigators aus den USA und das Thüringer-Energie-Team mit mir. Der erste Vorsprung der uns angezeigt wurde, betrug 45 Sekunden. Kurz darauf waren es 2,45 min. Mit diesem Vorsprung fuhren wir vier auf die erste Sprintwertung zu. Den Sprint bei Kilometer 55 konnte ich gewinnen, vor Meschenmoser und Klemme. Dadurch bekam ich 3 sek. Zeitbonifikation für die Gesamtwertung. Unseren Vorsprung konnten wir auf einen Höchstwert von knapp 5 Minuten ausbauen, aber jeder von uns wusste das es nie bis zum Ziel reichen würde, da Milram viel zu kontrolliert die Sache im Griff hatte --- wie jeden Tag!



Und noch einmal: die ...
Fotos:
... Spitzengruppe der 2. Etappe
cycling-pics.com


Konstant hielten sie uns dann auf zwei Minuten Abstand. Die beiden Bergwertungen konnte Dominik Klemme gewinnen und übernahm dadurch das Trikot des besten Bergfahrers. 25 Kilometer vor dem Ziel und nach knapp 130 Kilometern in der Spitzengruppe bei permanentem Gegenwind mit schmerzenden Beinen und müden Knochen war es dann um uns geschehen! Ein blauer D-Zug raste an uns vorbei und bereitete den Sprint für Petacchi vor. Mein Ziel war es ab da, im Feld zu bleiben um meine Bonifikation voll auszukosten. Doch leider gelang mir das nicht! 1,5 Kilometer vor dem Ziel war das Fahrerfeld eine einzige riesige Kette und leider riss diese mehrfach. Ich befand mich zu weit hinten, um irgendetwas an dieser Situation ändern zu können, schließlich sehnte ich mir schon seit langen das Ziel herbei, da ich total platt war. Am Ende habe ich ganze 58 Sekunden Rückstand auf den Tagessieger Petacchi gehabt. Wäre ich zeitgleich mit dem Feld rein gefahren wäre ich jetzt Zehnter in der Gesamtwertung!! Schade, naja morgen ist ein neuer Tag.



3. Etappe

Jeder will raus aus dem Feld. Wie jeden Tag gab es heute unzählige Versuche eine Spitzengruppe zu bilden. Doch heute hat es verdammt lange gedauert bis dies endlich geschah.





Daher ist es auch nicht verwunderlich das die erste Rennstunde mit einem 48 km/h Schnitt gefahren wurde! Das tat weh!! Übrigens gab es auch noch eine Bergwertung dazwischen, die wieder Klemme von Lamonta gewinnen konnte. Den Berg haben wir quasi weggebügelt. Den kompletten Berg habe ich im Unterlenker gehangen und habe mich nicht einmal getraut die Nase in den Wind zu stecken. Nach knapp 50 Kilometern ging dann endlich eine Gruppe und im Feld kehrte "Ruhe" ein. Pinkelpause!



Also begann dasselbe Spielchen wie am Vortag nur leider war keiner von uns in der Spitze vertreten. Unser Ziel war es, Marcel Kittel und Carsten Hess im Finale vorne rein zu fahren, doch das war nach wie vor eine schwere Aufgabe. Gedränge, Geschubse und Höllentempo prägten die letzten 10 Kilometer. Letztendlich wurde Kittel bester von uns auf Platz 19 und übernahm wieder das Trikot des besten U23-Fahrers. Die Siegesserie von Petacchi nahm allerdings auch ein Ende. Nach sieben Siegen in Folge konnte heute Nachwuchsstar Gerald Ciolek den Sprint gewinnen - vor Zabel und Brown. Morgen wird's bergig und lang! 200 Kilometer stehen uns bevor!



4. Etappe

Die "Angstetappe" ist geschafft! Es war sehr heiß, bergig und schnell! Start war heute in Rheda-Wiedenbrück und es ging die ersten 90 Kilometer flach in Richtung Bergwertung. Dementsprechend schnell und hart wurde gefahren.



Platz 18 bei der 4. Etappe: Karsten Heß
velo-pix.de


Heute dauerte es noch länger bis endlich eine Gruppe weggelassen wurde. Ich versuchte genau wie meine Teamkollegen mein Glück, aber "No Way". Milram und T-Mobile waren nicht gewillt, eine Ausreißergruppe laufen zu lassen. Als es dann endlich zur lang ersehnten "Pinkelpause" kam, sprangen noch mal fünf oder sechs Fahrer auf und davon. Die Strecke kannte ich noch vom letzten Jahr, da ich da zusammen mit Stefan Löffler 120 Kilometer allein an der Spitze fuhr bevor uns das "Team Petacchi" überrollte.



In diesem Jahr blieb ich schön brav im Feld. Milram und Astana kontrollierten die Situation bis zur Zielrunde. Kurz vor der ersten Zieldurchfahrt bei Kilometer 186 war dann auch die Ausreißergruppe gestellt. Mit hohem Tempo ging es in den Schlussanstieg, welcher einigen die letzte Kraft aus den müden Beinen zog. Meine Aufgabe war es wieder, unseren schnellsten Mann Marcel Kittel in Position zu fahren. Viel Hektik, Kurven, Verkehrsinseln und hohes Tempo machten das Finale gefährlich und hart. Einen Kilometer vor dem Ziel schaffte ich es nochmal ein paar Positionen gut zu machen und Marcel an mein Hinterrad zu nehmen. Die Zielkurve warf ihn leider wieder zurück. Am Ende wurde Karsten Heß Bester von uns auf Platz 18. Ich wurde 43. Das Trikot des besten Nachwuchsfahrers mussten wir heute leider an Gerald Ciolek abtreten, aber morgen holen wir es uns auf den letzten 180 Kilometern dieser Rundfahrt zurück!



5. Etappe

Das hat wohl nicht geklappt. Meine Ansage von gestern, das Trikot des besten Nachwuchsfahrers zurück zu gewinnen, war wohl etwas voreilig formuliert. Ich ahnte ja nicht, was uns Rennern heute bevor stehen sollte! Die ersten 20 Kilometer ging es nur bergauf. Vorbei an unserer Pension hinauf zur ersten Bergwertung wurde zügig gefahren. Heute war es das Team Panaria, welches es wissen wollte. Die Kumpels attackierten mit voller Kraft in das Steilstück des Berges hinein. Entsprechend viele kleine Grüppchen bildeten sich, ich befand mich in der dritten und fühlte mich ganz gut. In der langen Abfahrt hin zum Andreasberg welcher bis zu 22% steil war habe ich mir durch ein Schlagloch das Hinterrad zerschossen. Allerdings bin ich damit noch über die Rampe gefahren.



Patrick Gretsch vom 'Thüringer Energie Team'
velo-pix.de


In der folgenden Abfahrt wollte ich das Rad wechseln lassen, nur leider kam ewig kein Juryauto, da dieses hinter den abgeschlagenen Gruppen klemmte. Als dann endlich mein Materialwagen kam wechselten wir hektisch das Rad und weiter ging es. Voller Adrenalin konnte ich das größere Feld am nächsten Anstieg wieder erreichen. Allerdings war ich durch diese Aktion ziemlich platt. Die folgenden Kilometer in Richtung Verpflegung waren ätzend. Die ganze Zeit wurde ein hohes Tempo auf der Windkante gefahren, und ich ganz hinten dran. Schließlich merkte ich, dass mein Hinterrad völlig schief eingebaut war und es dadurch noch schwerer ging. Also hob ich wieder meine Hand um nach den Materialwagen zu rufen, der kam auch. Nach dem korrekten Einbau nahm ich im Windschatten des Autos wieder die Verfolgung auf.



Am letzten "Schwanz" einer ewig langen Kette reihte ich mich wieder im Feld ein. Kein Windschatten, ständiges Antreten und Anschlag fahren machten mich letztendlich so kaputt, dass ich bei einem Waldstück bergauf 10 Kilometer vor der Verpflegung reisen lassen musste. Dies taten an dieser Stelle ungewöhnlich viele. Leider wusste ich, dass es kein Zurückkommen mehr geben sollte und war traurig, dass es so kommen musste. Aber etwas Glück gehört im Radsport immer dazu, genauso wie Defekte am Rad.



An meinem Mannschaftsbus bei der Verpflegung verließ ich also dann das Rennen, und beendete damit die Rundfahrt. Schade! Die schwere Etappe konnte Heinrich Haussler im Sprint aus einer 40 Mann starken Gruppe gewinnen. Darin befanden sich auch Marcel Kittel und Florian Frohn aus meinem Team. Kittel wird damit Gesamt 22. in seinem ersten Männerjahr! Das Trikot des besten U23 Fahrers gewann Gerald Ciolek, da dieser heute Zweiter wurde. Alles in allem war diese Rundfahrt eine gute Vorbereitung für den Bahnlehrgang mit EM-Qualifikation der am 6. Mai in Frankfurt / Oder startet. Ich hoffe, dort läuft alles glatt und ich kann mich für die Europameisterschaft qualifizieren.





Die Niedersachsenrundfahrt war wie jedes Jahr ein Highlight. Es ist vor allem schön zu sehen, dass trotz der ganzen Dopingskandale in letzter Zeit, nach wie vor Massen von Zuschauern an die Straße strömen um uns anzufeuern und dabei Fahrern wie mir zu zeigen, dass es sich lohnt, diesen Sport ernsthaft zu betreiben und alle Kraft und Zeit dafür zu opfern! Ich freue mich schon auf nächstes Jahr!


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