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Ein Herz für Kinder - Jungradler im C4F-Interview



Tony Martin



Tony wartet bei Berg-DM 2005 auf die Siegerehrung

Geb.: 23.04.1985

Land: Deutschland

 

Tony Martin war ein Klassejunior, der vor allem im Einzelzeitfahren in der absoluten Weltspitze mitspielte. Diese wird seine dritte Saison in der U23. Während er sich in der Ersten unauffällig im Feld bewegte, gelang letztes Jahr der große Durchbruch. Als Stagiaire im Team Gerolsteiner schaffte er den wohl Aufsehen erregendsten Erfolg eines U23 Fahrers weltweit. Er gewann das Bergzeitfahren der Regio – Tour am Kandel gegen nationale und internationale Profis.

Radelspatz befragte ihn im Februar 2006.

 

 

Erfolge 2005

1.   Giro delle Regioni / 4. Etappe

1.   Giro delle Regioni / 6. Etappe

6.   Europameisterschaft im Zeitfahren Straße in Russland

1.   Rothaus Regio-Tour International (2.1) / 4. Etappe

10. Tour de l'Avenir (2.1) / 5. Etappe

4.   Tour de l'Avenir (2.1) / 7. Etappe

28. WM Zeitfahren Männer U23 Weltmeisterschaft Zeitfahren 

 

 

Mehr über Tony erfahrt ihr hier in der C4F-Mock-List 2005.

 



das Interview

 

Du bist bei der DM Berg 2005 Vizemeister geworden, warst bei der WM in Spanien beim EZF der U23 am Start und hast überraschend als "Praktikant" für Team Gerolsteiner das Bergzeitfahren der Rothaus Regio-Tour gewonnen. Andererseits hast Du aber auch Siege ( u. a. 2 Etappen beim Giro delle Regioni ) und Top-10-Plätze bei normalen Strassenrennen herausgefahren. Was bist Du für ein Fahrertyp? Kannst Du einfach alles oder siehst Du selbst deutliche Stärken und Schwächen bei Dir?

In erster Linie sehe ich mich immer noch als Zeitfahrtyp, wenn ich das vielleicht auch in der vergangenen Saison nicht immer unter Beweis stellen konnte, sowie bei der DM und WM. Dennoch haben mir der Sieg beim Bergzeitfahren der Regio-Tour und der sechste Platz bei der EM viel Vertrauen gegeben, so dass ich auch in der folgenden Saison mein Hauptaugenmerk auf diese Disziplin richten werde.

Im vergangen Jahr habe ich auch gelernt, mich in den Bergen zurecht zu finden. Auf jeden Fall möchte ich mich auch in diesem Bereich noch weiterentwickeln, um auch international konkurrenzfähig zu werden.

Meine größte Schwäche ist wohl das Sprinten, eine Bergankunft ist mir dann doch lieber...

 



"Das ist keine Überraschung, es ist eine Sensation."
RSN über Martins Sieg am Kandel

Inwieweit war der Etappensieg für Team Gerolsteiner etwas besonderes für Dich? Hat sich dieser Sieg anders "angefühlt"?

Allein schon für das Team Gerolsteiner bei der Regio-Tour am Start stehen zu können, war ein großartiges Gefühl für mich und Anerkennung für meine erbrachte Leistung. In diesem Umfeld einen Sieg einzufahren war das bis jetzt größte sportliche Erlebnis für mich, welches ich nie vergessen werde.

 

Der Unterschied zwischen einer Amateurmannschaft wie TEAG Team Köstritzer und einem Pro-Tour-Team ist sicher nicht nur in Bezug auf das Equipment groß. Was ist Dir da selbst besonders aufgefallen oder hat Dich beeindruckt?

Obwohl das TEAG Team Köstritzer eine der besten und professionellsten Amateurmannschaften war, gab es doch deutliche Unterschiede  zum Team Gerolsteiner.

Angefangen bei dem riesigen Fuhrpark an Teamwagen, wo wohl auf einen Fahrer ein Auto kommt, über die große Anzahl von Physio-Therapeuten und Mechanikern, die dir jeden Handschlag abgenommen haben. Man merkt einfach, dass eine Menge Geld hinter so einer Mannschaft steckt und man wesentlich mehr Möglichkeiten hat. Es wird alles getan, um dem Rennfahrer das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Einstündige Massagen und warmer Milchreis und Sandwiches direkt nach dem Rennen ist man als Amateurfahrer nur bedingt gewohnt und sie verschönern natürlich den Tagesablauf.



Tony während der Regio-Tour 2005

Als Fan kann ich mir das schlecht vorstellen, wie man überhaupt Stagiaire wird. Ruft da ein Teamchef an und fragt, ob man Lust dazu hat oder muss man sich als Fahrer um so einen Praktikantenplatz bewerben? Wie war es bei Dir?

Dass ich die Regio-Tour fahren würde, stand von Beginn an fest. Die Frage war nur, ob für die U23-Nationalmannschaft oder für ein Profiteam. Zu meiner Überraschung habe ich einige Wochen vor der Rundfahrt einen Anruf von Hans Michael Holczer bekommen, ob ich Interesse hätte, für ihn zu fahren. In Absprache mit meinem sportlichen Leiter wurde dann alles weitere in die Wege geleitet und ich konnte somit diese Chance wahrnehmen.

 

Einige Stagiaires sind danach fast automatisch Profi in dem Team geworden, in dem sie als Praktikant gefahren sind. Du bist mit Jahrgang 1985 ja noch sehr jung. Hat man Dir einen Profi-Vertrag angeboten oder wolltest Du ganz bewusst noch ein Jahr in der U23 fahren?

Ich bitte um Verständnis, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch keine weiteren Auskünfte zu diesem Thema geben kann. Fest steht nur, dass ich noch mindestens ein Jahr für das Thüringer Energie Team fahren werde und ich somit die Möglichkeit habe, meine Ausbildung in der Sportfördergruppe der Thüringer Polizei fortzuführen.

 

Während der Saison bist Du durch die Verpflichtungen für Dein Team und die U23-Nationalmannschaft ja eigentlich nie da. Wie wird die Ausbildung da organisiert?

Die Ausbildung zum Polizeimeister dauert in der Regel zwei Jahre. Im Jahr 2004 wurde zum ersten Mal eine Sportfördergruppe der Thüringer Polizei ins Leben gerufen, wo die Ausbildungsdauer auf vier Jahre gestreckt wurde. Das Prinzip beruht darauf, dass ich nach der Saison von Oktober bis Ende Januar in Meiningen anwesend bin und dort in komprimierter Form an der Ausbildung teilnehme. In den Monaten in der Saison werde ich freigestellt und muss mich mit Lehraufträgen mehr oder weniger fit halten. Ich habe nun meinen zweiten Ausbildungsabschnitt erfolgreich hinter mich gebracht und kann bis jetzt nur positiv über dieses Prinzip der Sportförderung reden.

 

Stell Dir mal kurz ein Leben ohne Radsport vor. Welchen Berufswunsch hättest Du denn dann gehabt?

Ich denke, dass ich mir immer einen Beruf ausgewählt hätte, der eng mit dem Sport verbunden ist. Wahrscheinlich hätte ich erst einmal Sport studiert und dann geschaut, welche Möglichkeiten sich mir bieten.

Aber auch der Beruf als Polizist erscheint mir aus heutiger Sicht sehr interessant und ist eine echte Alternative für mich.

 

Aus TEAG Team Köstritzer ist jetzt das EON Thüringer-Energie-Team mit einer Continental-Lizenz geworden. Hat Dich dieses Entwicklung überrascht?

Eine Überraschung war diese Entwicklung für mich nicht, vielmehr eine logische Weiterentwicklung der jahrelangen guten Arbeit, die im Team verrichtet wurde.

 



DM Berg in Blumberg, 2.10.2005, Rad-Bundesliga
Köstritzer Sieger in der Mannschaftswertung
Robert Wagner, Philip Patzer, Tony Martin, Sebastian Schwager (weisses Trikot = Dt. U23-Strassenmeister ), Andreas Schillinger, Matthias Hahn, Sven Hippel

Was wird sich für Dich persönlich dadurch ändern?

Auf jeden Fall freue ich mich über die neuen Möglichkeiten, die wir nun als Team haben, wie zum Beispiel die zahlreichen Profirennen, an denen wir nun teilnehmen können. Sich in Deutschland vor einer großen Zuschauermenge mit Profis messen zu können wird sehr interessant und motiviert mich, noch härter zu arbeiten.

 

Von den Personalien ist noch nicht allzu viel bekannt, aber Sebastian Schwager und Du sollen die Kapitäne für die neue Saison sein. Sozusagen eine Doppelspitze wie bei Team Milram.

Wer macht denn bei Euch den Zabel, wer den Petacchi? Wie werden die Aufgaben verteilt werden?

Da wird es wohl keine großen Unterschiede zu der vergangenen Saison geben, wo Sebastian und ich aufgrund von Verletzungen einiger Mannschaftsmitglieder oft die Spitze der Mannschaft gebildet haben. Wir sind zwei unterschiedliche Fahrertypen, die sich sehr gut ergänzen und es auch nicht scheuen, für den anderen zu arbeiten.

Da Sebastian im letzten Jahr und somit Dienstältester ist, wird er in erster Linie die Kapitänsrolle übernehmen und ich werde ihn unterstützen, wo ich kann.

Nicht zu vergessen ist, dass wir Nico Graf dieses Jahr in unseren Reihen haben. Er wird uns mit Sicherheit ebenfalls eine große Hilfe sein und die Mannschaftsführung mit übernehmen.

 

Das Team und die Vorgaben sind eine Seite, aber wie sieht es mit Deinen eigenen Zielen und Wünschen für die Saison 2006 aus?

Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn ich eine ähnlich erfolgreiche Saison wie 2005 fahren würde. Als spezielles Ziel habe ich mir den Titel bei den deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren, die Qualifikation für die Straßen-WM und einen Gesamt-Top-Ten Platz bei der Thüringen-Rundfahrt gestellt.

 

Du machst auf mich einen eher nachdenklichen und zurückhaltenden Eindruck und scheinst nicht der Typ zu sein, der große Töne spuckt oder mal auf den Tisch haut. Was könnte Dich denn mal so richtig auf die Palme bringen?

Das trifft wohl auf mein "normales Ich" zu. Auf dem Rennrad kann ich aber ein ganz anderer Typ sein, der auch mal laut und aggressiv wird. Was ich gar nicht leiden kann, sind Arroganz und Respektlosigkeit. Menschen mit diesen Eigenschaften sage ich dann schon mal meine Meinung.

 

Und wie würdest Du Dich wieder abreagieren?

Einfach mal abschalten und an etwas Anderes denken.

 

Tony ist ein schön kurzer Name, der sich beim Anfeuern gut rufen lässt. Hast Du auch einen Spitznamen?

Nach meinen zwei Etappensiegen beim Giro della Regioni wurde ich des öfteren mal Regioni-Tony gerufen. Ich hoffe, das reicht dir als Antwort, alles andere wäre doch zu peinlich…

 

Danke, dass Du dir die Zeit für uns genommen hast. Viel Erfolg dieses Jahr!

Kein Problem!



 

&copycycling4fans

von Radelspatz, Februar 2006

Fotos: Radelspatz und velo-photos.com


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