Am 24. März 2004 erschien in der spanischen Zeitung AS der erste Teil eines langen Gesprächs mit dem ehemaligen Kelme-Fahrer Jesús Manzano, 25 Jahre, in dem er sehr ausführlich über seine Dopingpraxis spricht und damit auch die Verantwortlichen des Kelme-Teams schwer beschuldigt.
Manzano ging an die Öffentlichkeit, da er 2003 nach seinen Angaben zweimal große gesundheitliche Probleme hatte, sogar mit dem Leben kämpfte und dieses mit den Dopingpraktiken in Verbindung bringt, ebenso wie Kinieprobleme, an denen er immer noch leidet. Zudem wurde er seiner Ansicht nach während der Vuelta a Espania 2003 offiziell aus Gründen entlassen, die nicht zutreffen.
Die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen wurde von vielen bestritten, es wird ihm vorgeworfen, aus Rache zu reden und aus Gewinnsucht, schließlich hatte er für das Interview Geld verlangt. Jesús Manzano gibt zu bedenken, dass er lediglich 9 000 Euro von der Zeitung bekommen hätte und da er auch noch vier Monate nicht von Kelme bezahlt worden sei, könne er das Geld gut gebrauchen.
Jesús Manzano gibt offen zu als Informant der Guardia Civil fungiert zu haben und damit die Operation Puerto, die im Mai 2006 für Aufruhr sorgte, mit ermöglichte. Siehe hierzu auch sein Interview mit der Gazzetta dello Sport vom 28.4.2007 "So haben Sie das Blut versteckt"
Der folgende deutsche Text über die Enthüllungen Manzano's beruht weitestgehend auf Berichten von cyclingnews zum Thema.
(..)Jesús Manzano erklärt, dass er und andere Fahrer von Kelme während der Tour de France 2003 Bluttransfusionen erhielten. Vor der Tour wurde ihm ein Liter Blut abgenommen, das in Portionen von 500 ml gelagert wurde. „Ich fand nicht normal, dass die Portionen, die von mehreren Leuten abgenommen wurden, in einen Plastikbehälter kamen ohne markiert worden zu sein. (…) Das erste was man doch tun müsste, ist sie zu kennzeichnen und in einer Blutbank einzulagern. Wir sind keine Hunde, wir sind Menschen und wir haben das Recht als solche behandelt zu werden. (...) Da wurde mir klar, dass erst ein Gegencheck vorgenommen werden musste, bevor du das Blut zurück bekommst.“
die Tour de France 2003
3 000 Euro musste er vor dem Start der Tour in die Medikation investieren, er vermutet dass die anderen Fahrer eine ähnliche Rechnung hatten. Aber da es am Ende der Tour kaum Team-Preisgelder gab, machten sie Verlust.
J. Manzano beschreibt den ersten Teil der Tour als ‘normal’ aber das änderte sich plötzlich auf der 7. Etappe. „Es war die erste Bergetappe und am Morgen testeten sie eine Substanz, mit der ich noch nichts zu tun hatte. Die Substanz wurde abhängig vom Körpergewicht verabreicht. Sie wurde in die Vene gespritzt und das einzige was geschieht, ist, dass es den Hämatokritwert niedrig hält, aber das Hämoglobin erhöht.“
„Am Morgen injizierten sie mir 50ml davon. Vor dem Start war ich im Dorf, ich telefonierte mit meiner Freundin Marina und sagte ihr: pass auf, heute wird es gut laufen.“
In der ersten Steigung des Tages, am Col des Portas Kat. 2 ( km 50), versuchten Manzano und Virenque die frühe Ausreißergruppe mit Paolo Bettini, Rolf Aldag, Médéric Clain und Benoît Poilvet zu erreichen. Virenque wollte nichts tun, da er Bettini vorne hatte, so ließ er Manzano alleine arbeiten und das Loch schließen. Aber nach 3 Kilometer Steigung „wurde mir übel, mir wurde sehr heiß, mir brach kalter Schweiß aus, mir wurde heiß und kalt aber vor allem sehr kalt, trotz der Julihitze begann ich zu zittern und mich schlecht zu fühlen. Virenque schaute mich an und attackierte. Ich fuhr noch einen halben Kilometer und da war eine Kurve. Es war so heiß, dass er Asphalt geschmolzen war (...) das einzige woran ich mich noch erinnere ist, dass mir schwindlig war und ich nicht länger geradeaus fahren konnte, aber ob ich hinfiel, ob sie mich wegtrugen, wo sie mich hinbrachten weiß ich nicht mehr.“
Er erzählt nun seine Erfahrungen nach dem Fall und meint ihm wurde in der Ambulanz eine Injektion verabreicht und ein Elektrokardiogramm gemacht. „Ich fühlte mich seltsam, als ob meine Zunge geschwollen sei, als ob ich nicht mehr atmen könne. Wenn sie mir ein Loch in meine Kehle gemacht hätten, wäre ich dankbar gewesen.“
Was auch immer er am Morgen vor der Etappe genommen hatte, es führte seiner Meinung nach fast zu einer katastrophalen Dehydrierung. Nach der Tour wurde er depressiv, bekam Angst und verlor den Wunsch Rad zu fahren. Eines Abends teilte ihm sein Teamdirektor mit, dass er an der Portugal-Tour teilnehmen sollte. „Ich weiß nicht ob ich nochmals fahren werde“ sagte Manzano, worauf der Direktor antwortete „Wenn du dieses Jahr nicht mehr fährst, wirst du nächstes Jahr auch nicht fahren.“ „Mann, wenn ich dieses Jahr nicht mehr fahre, warum sollte ich nächstes Jahr fahren wollen!“ so Manzano’s abschießende Worte.
schreckliche Erfahrung
Einige Tage später in Valencia wurde Manzano gebeten seinen zweiten halben Liter Blut zurückzunehmen. „Es war glaube ich der 25. Juli. Ich war in Valencia, ich schlief in einem Hotel und das Teampersonal sagte mir schon, dass es ein Problem gäbe bei der Tour das unser Team betraf, dass es einen positiven Fall gäbe, aber mit mir hätte es nichts zu tun.“
J. Manzano traf einen Mann, wahrscheinlich einen Assistenten des Teamarztes, der ihm das Blut verabreichte. „Es gab keine Gegenprüfung (...) es hätte auch das Blut von Pepito Flores sein können,“ sagte er. Er bekam 125 ml Blut gespritzt und sofort „begann ich mich sehr sehr schlecht zu fühlen. Mit Schüttelfrost und Zittern, sie gaben mir Decken aber auch damit fror ich stärker als wenn ich am Nordpol gewesen wäre.“
“Hätten sie mir den halben Liter gegeben, wäre ich in einer Holzkiste zurückgekehrt,“ fährt er fort, „sie gaben mir 124 –175 ml (...) Ich verstand, dass das Blut bei der Tour dabei war und dort schlecht gelagert wurde.“
Obwohl er sich so schlecht fühlte und noch zitterte, nahm J. Manzano ein Taxi zurück zum Bahnhof von Valencia. „Ich nahm einen Zug, ging in die erste Klasse (...). Meine Freundin kam und frug ob man nicht die Aircondition abstellen könnte. Und sie frugen zurück, ob ich bis Madrid überleben würde. Der Zugbegleiter beschloss sie auszulassen und trotzdem bat ich ihn um eine Decke, aber sie hatten keine. Vor mir stand ein Mann, der meinte der Junge wird nicht durchhalten, er wird sterben. Der Zug sollte nicht mit mir losfahren. Der Teammanager (von der Mutter benachrichtigt) hatte den Arzt angerufen und der kam. Dieser nahm mich auf die Schultern und brachte mich in die Klinik zurück. Und sie begannen mir mehr Urbason zu geben (ein Prednisolone Derivat, Corticosteroid mit entzündungshemmender Wirkung)."
J. Manzano verbrachte eine weitere schreckliche Nacht und am nächsten Morgen rief in der Teamarzt an und bat ihn, niemandem im Team davon zu erzählen. „Warum hätte ich das nicht tun sollen? Es könnte jedem anderen auch passieren.“
für Wachstumshormone gibt es keine Beschränkung
(…) J. Manzano gibt an, dass Wachstumshormone während des Trainings und der Wettkämpfe genommen werden können, da es für sie keinen Nachweis gibt. Zudem werden sie im Allgemeinen, um den größten Effekt zu erreichen, zusammen mit Insulin angewandt. Aber manchmal, z. B. im Verbindung mit Bluttransfusionen, berichten Fahrer von negativen Reaktionen auf das Medikament.
Bei der letztjährigen Portugal-Tour stieg das Kelme-Team wegen Magenproblemen bereits an den ersten beiden Tagen aus. Der sportliche Leiter José Luis Laguia sagte damals: „Wir wissen nicht was los ist und wir denken nicht, dass es am Hotel liegt, denn hier logierten noch andere Teams, die keinerlei Probleme hatten. Wir wissen nicht, ob vielleicht eine Dehydrierung während des Trainings gestern schuld war oder schlechtes Wasser, das wir tranken. Nun werden die Fahrer nach Spanien zurückkehren und wir werden nach den Ursachen suchen. Wir wissen nur, dass es sich um Magenprobleme handelt.“
J. Manzano, der zu den letzten drei Kelme-Fahrern gehörte, die auf der zweiten Etappe ausstiegen, äußert eine andere Sicht der Dinge. „Ich denke, es gab eine Absprache unter den Fahrern, denn es gab einen positiven Test während der Tour (Javier Pascual Llorente) , ich weiß nicht ob einige meiner Teamkollegen Angst hatten (...)“
J. Manzano gibt an, dass er nach der ersten Etappe Genotonorm (HGH) im Hotel nahm und das Rennen fortsetzte, da HGH nicht nachgewiesen werden kann. „Das ist eine offene Schranke.“ Als angewandte Medikamente nannte er Hematropin, Norditropin und IGF1. „Davon gibt es eine ganze Menge, denn jedes Laboratorium hat seine eigenen Produkte“ und dann beschreibt er die genauen Dosierungen und Kosten eines jeden Produktes.
Nachdem Manzano Genotonorm genommen hatte, bekam er am nächsten Morgen Probleme mit Durchfall und Erbrechen. Er fuhr die halbe zweite Etappe und gab dann auf. Auf dem Weg nachhause teilte ihm der Team-Direktor mit, dass sein Gehalt angehoben würde und er glaubt, dass der Hauptgrund dafür war, dass er mehr Geld für die Mittel zur Verfügung hätte.
Höhentrainingslager und EPO
J. Manzano erklärt, dass ein Höhentrainigslager der ideale Platz ist um EPO nehmen zu können, da man dabei kaum Gefahr läuft, durch eine Dopingkontrolle erwischt zu werden, da die Höhe das Wachstum roter Blutkörperchen stimuliert. „Nur wenn dein Hämatokrit nach 15 Tagen Höhenaufenthalt bei 46% ist , solltest du nicht noch auf 50 % gehen, damit könntest du draußen sein." (..) Manzano beschreibt die verschiedenen EPO-Varianten, die zur Verfügung stehen: Eprex, Neorecormon, Epocrin (russisches EPO), Epomax. „Du behandelst dich vor dem Star eines Rennen selbst. EPO wird in bestimmten Perioden benutzt, abhängig von deinen Plänen. Du kannst es nicht das ganze Jahr nehmen um gut zu fahren, denn du wirst hohe Werte haben. Ich würde es bis 15 Tage vor einem Rennen nehmen."
Manzano beschreibt, wie er sich selbst EPO injizierte, entweder subkutan oder intravenös, das hängt vom gewünschten Effekt ab. „EPO stimuliert das Knochenmark und erhöht die roten Blutzellen. Das hängt von jedem Fahrer ab. Jetzt bin ich nicht trainiert und habe einen Hämatokrit von 46% (...) aber wenn ich 100 km am Tag trainiere, beträgt er 42%. Somit ist es nicht dasselbe, ob jemand natürlicherweise 48% hat, denn er kann nur zwei Punkte hochgehen, ich aber acht.“
Einige Fahrer hält J. Manzano für ‚ziemlich blöd’, da sie Produkte wie Darbepoetin Alfa (Aranesp) nehmen, was leichter nachzuweisen ist als EPO, das nur 3 Tage nach Anwendung zu entdecken ist.
Um auf die Blutransfusionen zurückzukehren, betont Manzano, dass er EPO benutzen musste um auf einen Hämatokrit von bis zu 56 % zu kommen, (Voraussetzung um das Blut zu entnehmen) was zu Herzstillstand führen kann. „Ich hatte dann ein Telefon alle zwei Stunden auf Alarm gestellt und ich nahm Aspirin, da es heißt,, das würde das Blut verdünnen.“
Von dem angereicherten Blute wurde ein Liter entnommen um es während der Haupttouren zurückzuführen, dann wenn der Hämatokrit der Fahrer nach einer Woche Rennen abgesunken ist. „Ich glaube nicht, dass wenn es das alles nicht gäbe, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 42 km/h bei den großen Touren möglich wäre.“
Das Vermeiden von Kontrollen
„Gegenwärtig ist es nicht schwer die UCI-Vampire (Kontrolleure, die zu den Bluttests erscheinen) zu täuschen“ erklärte Manzano. „Du brauchst eine halbe Stunde nachdem die Inspektoren vorsprachen, daher gehen die Fahrer mit dem geringen (Hämatokrit-)Level zuerst. Eine Praxis zum Zeitgewinnen. Die Teamärzte sind jederzeit vorbereitet. Den verbleibenden Fahren, die die höchsten Werte haben, bekommen Humanplasma und Glukose und gehen als letzte zur Kontrolle. Damit kann der Hämatokritwert um 4 Punkte gesenkt werden."
J. Manzano bemerkt, dass sie danach mit dem ganzen Wasser im Körper während der Rennen leiden ‚wie ein Hund’. „Stellen sie sich vor wie es ist mit einem Liter Flüssigkeit im Körper plus dem mitgeführten am Rad.“ Er fügt hinzu, dass die UCI besser daran täte die Fahrer (einschließlich der Urintests) um 7 Uhr am Abend zu testen und ihnen höchstens 5 Minuten Zeit zu geben.
Im letzten Abschnitte des zweiten Interviewteils erwähnt Manzano noch einige andere Produkte, die genommen werden, einschließlich Cortison „das Schmerzen lindert, die Müdigkeit nimmt und das gibt Kraft“ aber man müsse es kontrollieren, da bei zuviel Cortison der Hämatokrit nicht sinkt und noch viele andere negativen Nebeneffekte eintreten können. (...)