Es ist ein interner Schriftverkehr vom Jänner/Februar 2017, der einen tiefen Einblick in die Welt der internationalen Sportfunktionäre erlaubt. Vor allem aber sind die Mails eine explosive Chronik, die dem Gerichtsfall um die Dopingsperre von Alex Schwazer eine neue Wende geben könnte. Denn das Vorgehen der WADA und der IAAF machen deutlich, dass mit den umstrittenen Proben des Südtiroler Gehers einiges nicht stimmen kann.
Nur so lässt sich der Aufwand rechtfertigen, mit dem diese internationalen Organisationen und ihre Anwälte alles versuchen, um die vom Bozner Landesgericht angeordneten Untersuchungen von Schwazers Urinproben zu verhindern. Doch nicht nur das. Aus den Mails geht auch hervor, wie generalstabsmäßig man gegen Alex Schwazer und seinen Trainer Sandro Donati vorzugehen versucht.
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Von Anfang an laufen alle Fäden der WADA und der IAAF bei zwei hochkarätigen Anwälten zusammen, die auf den Bereich Sport spezialisiert sind. Ross Wenzel von der Kanzlei Kellerhals Carrad in Lausanne in der Schweiz und Huw Roberts, Anwalt in der Londoner Kanzlei Bird & Bird.
Wenzel und Roberts sind es letztlich, die den Fall Schwazer professionell steuern.
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Die IAAF wird in Deutschland von den renommierten Kölner Strafverteidigern Björn Gercke und Ulrich Leimenstoll vertreten. Sie sprechen jeden Schritt nicht nur mit Ross Wenzel ab, sondern auch mit der WADA. Das macht der Mail-Verkehr deutlich.
Die IAAF will unbedingt vor einem deutschen Gericht gegen die Herausgabe der Schwazer-Proben klagen. Doch die IAAF hat dabei von Anfang an ein größeres Problem. Der Verband hat seinen Sitz in Fürstentum Monaco und damit kein Klagerecht in der EU. In mehreren Mails zwischen Lausanne, London und Köln wird diese Rechtsfrage zu klären versucht. Man schafft es aber nicht.
Ulrich Leimenstoll arbeitet zwar einen Schriftsatz für die IAAF gegen das Bozner Rechtshilfeansuchen aus und er spricht auch mehrmals mit dem zuständigen Staatsanwalt, doch sicher ist nicht, dass die IAAF-Klage zugelassen wird.
Deshalb wird das Kölner Institut für Biochemie für die IAAF und die WADA zur Schlüsselstelle in dem Gerichtsfall. Am 9. Februar 2017 erkundigt sich Ulrich Leimenstoll bei Ross Wenzel: „Bist du einverstanden, wenn ich den Text unseres Schriftsatzes an Dr. Sartorius (Anwalt des Institutes für Biochemie) gebe, damit das Labor einen Schriftsatz ausarbeiten kann, der mit unserem harmonisiert ist“.
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Am 9. Februar schickt Ulrich Laimenstoll den Entwurf des Einspruchs der IAAF gegen das italienische Rechtshilfeansuchen beim Oberlandesgericht Köln an Ross Wenzel. In dem 24seitigem Schriftsatz steht unter anderem:
„Dagegen würde durch eine Verbringung in das Labor der Carabinieri in Parma, wie sie ausweislich des Schreibens vom 27.01.2017 (Anlage 4) sowie des Herausgabeersuchens vorgesehen ist (Bl. 119 HA), nicht nur die besagte „chain of custody“ durchbrochen. Sie hätte auch deshalb einen Beigeschmack, weil nicht nur dem Trainer des Athleten Schwazer enge Kontakte zur italienischen Polizei nachgesagt werden, sondern diese auch Sponsor des Athleten Schwazer ist, der regelmäßig mit dem Schriftzug „Carabinieri“ auf seinem Trikot aufgetreten ist (vgl. beispielhaft Anlage 7).“
Es ist der Versuch, das gesamte Bozner Ermittlungsverfahren als eine von den Carabinieri gesteuerte Reinwaschungsaktion darzustellen.
Einen Tag später schriebt Ross Wenzel an den Londoner WADA-Anwalt Huw Roberts und an den Antidoping-Chef der IAAF Thomas Capdevielle, einem erklärten Gegner von Alex Schwazer über den Schriftsatz:
„Ich denke, er ist in der Tat sehr gut. Er enthält alle wesentlichen Punkte und Wünsche (z. B. Köln / Rom-Analyse, Beibehaltung der Probe in Köln, Versiegelung von Probe usw.) und berührt ganz subtil auch einige der empfindlicheren Hintergrundpunkte (zB. Schwazer ist Ex-Carabinieri und tritt für sie bei Wettbewerben an, das italienische Medien-Spektakel um diesen Fall usw.).“
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Am 4. Februar 2017 wiederholen die Mailänder IAAF-Anwälte Sergio Spagnolo und Roberta Giolitto in einer Mail an Ross Wenzel ihre Bedenken und ihre Skepsis gegen die geplante Gegenklage in Köln. Man würde damit das Bozner Gericht gegen sich aufbringen und die allgemeine Meinung, dass hier etwas nicht stimme, noch einmal deutlich verstärken.
Ross Wenzel antwortet umgehend:
„Ich werde sicherlich Ihre E-Mail an die IAAF senden, aber es ist ausgeschlossen, dass die IAAF- ohne alles in ihrer Macht stehende, zu tun - die nicht versiegelte Probe an das Carabinieri-Labor liefern wird.“
In einer Mail die gleichzeitig an Thomas Capdevielle und Huw Roberts geht, lästert Wenzel über die Mailänder Anwälte: „Ich frage mich, ob sie auf unserer Seite sind.“
Probleme gibt es aber auch in Köln. Das Institut für Biochemie pfeift nicht so recht nach der Pfeife der IAAF. Weil weder der stellvertretende Institutsleiter Hans Geyer noch Anwalt Sartorius eine Zeitlang erreichbar sind, wendet sich Ross Wenzel Ross am 20. Februar an Thomas Capdevielle:
„Es scheint, dass das Laboratorium sehr zurückhaltend ist.. (...).. Die Wahrheit ist, dass das Labor versucht, so neutral wie möglich zu sein, aber es würde helfen, wenn sie bereit wären, unsere Position zu einem gewissen Grad zu sichern.“
Capdevielle antwortet 9 Minuten später:
„Hallo Ross, erkennen die, dass sie Teil der Handlungen gegen AS sind und die möglichen Konsequenzen für sie daraus? Hans braucht wohl mehr Hintergrundinformationen.“
AS steht hier für Alex Schwazer. Und Plot kann man durchaus auch mit Komplott übersetzen.
Wenig später erreicht Ross Wenzel Hans Geyer und gibt in einer Mail an Capdevielle Entwarnung: „Ich glaube, ich habe es geschafft, sie zu überzeugen.“
Ein Großteil dieses Mailverkehrs geht immer wieder zur Kenntnis an Thomas Capdevielle.
Capdevielle ist eine Schlüsselfigur im Dopingfall Schwazer. Der Anti-Doping-Manager der IAAF war es gewesen, der im Frühjahr 2016 dem Kölner Labor angeordnete hatte, die Harnprobe Alex Schwarzers mit einem Spezialverfahren nochmals zu analysieren. Erst dann kam das positive Ergebnis.
Am Vormittag des 14. Februar 2017 schreibt Thomas Capdevielle an Ross Wenzel und Huw Roberts. Capdeviells Frage: „Huw, bist du glücklich, den Entwurf an Barra zu schicken?“
Mit Barra ist Luciano Barra gemeint, Ex-Sekretär des italienischen Leichtathletikverbandes FIDAL. Barra hat in den vergangenen Jahren immer wieder Stimmung gegen Alex Schwazer gemacht. So forderte er mehrmals Kontrollen, bezichtigte Schwazer des Schwindels und versuchte mit einem offenen Brief Schwazers Olympiateilnahme zu verhindern.
Luciana Barra ist ein verbitterter und erklärter Gegner nicht nur von Alex Schwazer, sondern auch von Sandro Donati.
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