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Deutsche Ärzte und Doping





Dr. Mark Schmidt

Kurier, 10.10.2009:
"Bernhard [Kohl] hatte zu Mark Schmidt ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. "Ich hatte zu ihm von Beginn an eine gute Gesprächsbasis. Irgendwann kamen wir auf Doping zu sprechen. Er sagte: 'Logisch, dass man es machen muss.' Er sagte einmal, dass ich nicht der Einzige im Team sei, der Blutdoping fabriziere."
Mark Schmidt dementiert alle Vorwürfe über seinen Anwalt, der sein Vater ist. Ansgar Schmidt: "Das sind lauter Falschmeldungen. Niemals hat Mark Schmidt Dopingmittel weitergegeben oder verabreicht." "
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Allgemein- und Sportmediziner Dr. Mark Schmidt praktizierte gemeinsam mit seiner Mutter in Erfurt (Operation Karriere, 4.7.2016). Er hat seit mehreren Jahren auch mit Unterstützung seines Vaters Ansgar Schmidt in größerem Stil Blutdoping in Form von Bluttransfusionen betrieben. Bei einer Razzia am 27.2.2019 - >>> Operation Aderlass, Razzien in Erfurt und bei der Ski-WM in Seefeld - wurden ca. 40 Blutbeutel in einer Garage in einem Kühlschrank sicher gestellt. Mark Schmidt wurde zusammen mit einer weiteren Person in Erfurt festgenommen, sein Vater Ansgar Schmidt und ein Helfer, die zu der Zeit bei der WM in Seefeld agierten, wurden in Seefeld inhaftiert (SZ, 27.2.2019). Ein weiterer Helfer wurde in der Folge festgenommen.

Wie die Bluttransfusionen stattfanden, schildert Johannes Dürr in seinem zweiten Interview mit der ARD-Dopingredaktion nachdem er zugeben musste, auch noch 2018 gedopt zu haben:

sportschau.de: Johannes Dürr im Interview: Betrug bis zuletzt, 7.3.2019

>>> Zitate



Die Praxis war viele Jahre als "Sportmedizinische Untersuchungsstelle" mit dem Landessportbund Thüringen (LSB) eng verwoben. Zurück geht dies auch auf Ansgar Schmidt, der Vorstandsmitglied der Thüringer Sporthilfe, Rechtswart im Thüringer Skiverband sowie viele Jahre Vorsitzender des Schiedsgerichtes im LSB war und 2007 den Ehrenbrief des Freistaats Thüringen erhalten hatte, der ihm Anfang 2021 aber wieder aberkannt wurde. Er gründete gemeinsam mit Heinz-Jochen Spilker in Erfurt die Anwaltskanzlei Spilker & Collegen, für die er bis Ende 2018 arbeitete. Spilker ist kein Unbekannter in Sachen Doping, das 'Hammer-Modell' ist eng mit seinem Namen verknüpft. Nach der Wende ging er nach Thüringen und war seit 1991 Mitglied im Präsidium des LSB Thüringen und von 1997 bis 2012 dessen Vize-Präsident Recht. Da spielte es offensichtlich keine Rolle, dass er im Februar 1994 zu 12 000 DM wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt wurde. (>>> das 'Hammer-Modell' - Trainer Heinz-Jochen Spilker und Hans-Jörg Kinzel)

 

Arzt Schmidt fällt nicht zum ersten Mal in Zusammenhang mit Doping auf. Seine Tätigkeit von 2006 bis 2008 beim Radsportteam Gerolsteiner brachte ihm mehrere Dopinganschuldigungen ein. Leitender Teamarzt war Ernst Jakob, Chefarzt der Sportklinik Hellersen, bei der Schmidt fest angestellt war. Ernst Jakob war ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt in Sachen Doping.

>>> Bernhard Kohl erzählte detailliert, wie Stefan Matschiner und Mark Schmidt ihm bei den Bluttransfusionen halfen: s.u., Kurier, 10.10.2009. Team Milram trennte sich daraufhin von seinem Teamarzt Mark Schmidt (DLF, 28.5.2009). Bernhard Kohl, musste allerdings eine Unterlassungserklärung unterschreiben, wonach Schmidt ihm keine Transfusionen verabreicht habe. Während des Prozesses vor dem Landgericht München betonte M: Schmidt mehrfach, während seiner Zeit bei den beiden Radsportteams nicht an Doping beteiligt gewesen zu sein.

 

Im April 2013 eröffnete die Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen Ernst Jakob und Mark Schmidt Ermittlungsverfahren nachdem beide ehemaligen Teamärzte von Stefan Schumacher und David Kopp Ernst Jakob Wissen über ihr Doping vorgeworfen hatten.

Die Ermittlungen gehen auf Anzeigen des Doping-Bekämpfers Professor Werner Franke zurück. Der Heidelberger beschuldigt die beiden ehemaligen Mediziner des Teams Gerolsteiner systematischer Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz, der Körperverletzung und des Rezeptbetrugs. Franke beruft sich in seinen Anzeigen auf ein Interview des früheren Gerolsteiner-Profis Stefan Schumacher im Nachrichtenmagazin Spiegel vom März dieses Jahres. Darin hatte Schumacher über systematisches, von Mannschaftsärzten angeleitetes und überwachtes Doping berichtet. Wörtlich sagte Schumacher: "Die Teamärzte haben mitgemischt." (Bad. Zeitung, 16.5.2013).

 

Das Verfahren wurde 2015 eingestellt, die Angelegenheit war bereits verjährt, auch konnte Medikamentenmissbrauchs nicht nachgewiesen werden. Negative Konsequenzen für die Beteiligten gab es daher nie. Im Gegenteil, wie die Verbindung zum LSB Thüringen belegt, der keinerlei Skrupel hatte, Jugendliche von Schmidt untersuchen und beurteilen zu lassen. Und das obwohl den Verantwortlichen diese Anschuldigungen bekannt waren. Allerdings sei Schmidt aufgrund dessen von der offiziellen Betreuung von Kaderathleten ausgeschlossen gewesen (DLF, 2.3.2019).

Der Radsportverband Thüringens wechselte sogar mit seinen Kaderuntersuchungen junger Sportler erst 2015 zu der Praxis Schmidt (SZ, 26.3.2019). Die Verbindungen der Familie Schmidt zum Radsport sind jedenfalls alt, so war Mark Schmidts Mutter, Heidrun, im DDR-Leistungs-Sportclub Turbine Erfurt als Ärztin eingebunden.

 

Oberstaatsanwalt Kai Gräber, der Abteilungsleiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Doping in München, ging anfänglich davon aus, "dass wir noch viel weiter zurückgehen werden im Laufe der Ermittlungen. Ich glaube, dass das in die Anfänge der Jahre 2000 zurückreichen dürfte" und "dass auch andere Sportler und Sportarten – etwa der Radsport – Teil des Netzwerks gewesen seien. „Weil er Personen kennt, und Kontakte in die Szene hat, halte ich das für nicht unwahrscheinlich.“ " (FAZ, 2.3.2019).

 

Mark Schmidt geriet auch 2014 in Österreich unter Verdacht, nachdem im Februar 2014 Johannes Dürr positiv auf EPO getestet wurde. Dürr erhielt damals bereits Bluttransfusionen von Schmidt. 2015 wurde dieser in Erfurt als Beschuldigter vernommen, im Rechtshilfeweg auf Ersuchen der österreichischen Behörden, nachdem auf Dürrs Handy ein Kontakt zu dem Arzt festgestellt worden war. Verteidigt wurde er damals von seinem Vater Ansgar Schmidt, später in München Mitangeklagter und verurteilt.

 

Die österreichischen Radsportler Stefan Denifl und Georg Preidler haben bereits am 3.3.2019 gestanden und Stefan Matschiner, ein alter Bekannter aus Zeiten des Teams Gerolsteiner, s.u., und eng eingebunden in die Dopingaffaire um die Wiener Blutbank Humanplasma, erzählte, wie Schmidt zu den nötigen Geräten und ersten Kontakten kam:

Belastet von zwei seiner Athleten war der Sportmanager [Matschiner] 2010 zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden, weil er Blutdoping mit ihnen betrieb. Seine zwischenzeitlich konfiszierten Gerätschaften waren ihm offensichtlich später zurückgegeben worden. Er sei dann mal gefragt worden von Mark Schmidt, ob er „nicht diese Gerätschaft“ und seine „Kontakte so weitergeben könnte“. Das habe er getan. „Ich habe gesagt, mach damit, was du willst, und somit war das Thema für mich erledigt. Dass er sie zum Einsatz gebracht hat, ist – glaub‘ ich – mittlerweile amtlich, auch durch den Fall Dürr.“ (sportschau.de, 3.3.2019

Matschiner hatte entgegen seiner verkündeten Absicht, die Gerätschaften an „gemeinnützigen Zwecken“ weiter zu geben, von Schmidt insgesamt einschl. einer Tiefkühltruhe, 50.000 Euro erhalten. 2018 legte sich Mark Schmidt eine neue Zentrifuge zu.

Von den angesprochenen vermuteten Erkenntnissen zu weit zurückliegenden Geschehnissen war im Laufe der Verfahren dann keine Rede mehr.

 

Die von Kai Gräber am 20. März vorgestellten Entwicklungen bestätigten jedoch die breit gestreuten Verbindungen. Insgesamt 21 Sportler*innen standen zu diesem Zeitpunkt unter Verdacht, die Dienste Schmidts genutzt zu haben. Sie kamen aus drei Wintersportarten und zwei Sommersportarten, darunter Teilnehme des Ironman auf Hawaii. Durchgeführt wurden die Behandlungen in Deutschland, Österreich, Italien, Finnland, Schweden, Estland, Kroatien, Slowenien, Südkorea und Hawaii.



gefährliche Transfusionen und andere Behandlungen

Am 20. März 2019 gab die Staatsanwaltschaft in München neue Ergebnisse bekannt. Ein weiterer Mitarbeiter, 38 Jahre alt, wurde ebenfalls festgenommen. Staatsanwalt Gräber berichtete u.a. über Details zu den Abläufen einiger Bluttransfusionen. Ärztlich verantwortliches Handeln sieht anders aus. So soll dieser medizinisch nicht vorgebildete Helfer die Blutbehandlungen ohne jegliche Erfahrung, nach dem Prinzip des 'leaning by doing', durchgeführt haben.

Learning by doing schien ohnehin ein mehrfach gewählter modus operandi des Erfurter Zirkels gewesen zu sein. In wenigstens einem Fall musste ein Sportler als Versuchskaninchen herhalten, um ein Hämoglobinpulver zu testen, von dem weder Wirkung noch Nebenwirkungen bekannt gewesen seien. Ergebnis: Das Herz des Athleten habe gerast, mit doppelter Geschwindigkeit. Von einer weiteren Verwendung des Mittels sei daraufhin abgesehen worden. Ein Sportler sei während der Observationen aufgefallen, der nach einer Eigenblut-Behandlung „aus einem Objekt herauskam wie unter Betäubungsmitteln stehend. Das erste, was er gemacht hat: Beide Arme bis zu den Schultern in den Schnee gesteckt. Offensichtlich, weil der Kreislauf und die Temperatur zu hochgefahren waren und er kühlen musste.“

 

Es gab noch mehr Sportler, die auf Risiko gesetzt haben sollen. Athleten seien als „Eigenblut-Bodypacker“ zu den Winterspielen nach Südkorea, aber auch nach Hawaii geschickt worden. Vor dem Abflug wurde ihnen zusätzliches Blut in den Kreislauf geschickt: ein Liter. Gute Reise? „Man hat zwar Thrombose-Prophylaxe mit zugegeben, aber das ist sicher medizinisch nicht in Ordnung“, sagte Gräber. Nach der Landung sei das Blut wieder abgenommen worden. Zwei Mitarbeiter des Netzwerks sollen sich in Pyeongchang um die Kunden gekümmert haben. (FAZ, 20.3.2019)

 

Insgesamt soll sich die Zahl der Behandlungen, ab 2011 gerechnet, im dreistelligen Bereich bewegen.

Rund 100.000 Euro pro Saison, schätzte Gräber eher konservativ, habe S. so eingenommen. Je nach Intensität habe die Dienstleistung zwischen 4000 und 12.000 Euro je Saison und Sportler gekostet, in Einzelfällen möglicherweise auch mehr. Seine Helfer waren für einen Tagessatz von 200 Euro dabei, bei freier Kost und Logis.



zweifelhafte Präparate

Mark Schmidt musste zudem einräumen, eine medizinisch nicht zugelassene Substanz an Christina Kollmann-Forstner ausprobiert zu haben. Das nur für Forschungszwecke zu verwendente Methämoglobin, gewonnen aus menschlichen Blutspenden und auch aus Blut von Tieren wie Mäusen, Katzen, Ziegen oder Elefanten, wäre aber nutzlos gewesen. Das Mittel kann keinen Sauerstoff transportieren. Ursprünglich habe er bei seinem kroatischen Lieferanten Nemec gentechnisch manipuliertes Hämoglobin (HBOC) bestellt, aber das neue Präparat bekommen. Er habe Nemec vertraut und versäumt sich ausreichend zu informieren.

Schmidt hatten das Mittel im Herbst 2017 in einige hundert Milliliter Flüssigkeit aufgelöst und der Österreicherin Christina Kollmann-Forstner injiziert, der WM-Zweiten im Mountainbike-Marathon von 2018. Wer dabei im Vorfeld wen wie genau über Inhalt und Nebenwirkungen aufgeklärt hat, darüber gehen die Angaben auseinander. Kollmann-Forstner hatte vor Gericht gesagt, Schmidt habe ihr versichert, dass das Produkt sicher sei. Unbestritten ist, dass sie nach der Zufuhr plötzlich an Schüttelfrost litt, später färbte sich ihr Urin rot. Die Staatsanwaltschaft wirft Schmidt in dem Fall Körperverletzung vor.

 

Die Expertin der Herstellerfirma führt im Gericht nun aus, dass es sich bei dem Präparat um Methämoglobin gehandelt habe, das aus Spenderblut gewonnen wird. Das Produkt sei aber nur für die Forschung gedacht, große Labore würden es beziehen, um Krankheiten besser zu studieren. "Am Menschen", sagt die Expertin, "darf es nicht eingesetzt werden." Das stehe auch auf jeder handelsüblichen Flasche. Und wenn man es doch einem Menschen einflöße?, fragt Richterin Marion Tischler. "Dann haben Sie ein großes Risiko." ... Schmidt hatte das Produkt aus Kroatien bezogen, über Dario Nemec, seinen Co-Kapitän in all den Jahren.

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Prof. Wolfgang Jelkmann, der medizinische Sachverständige, beschreibt im Anschluss zunächst, was Schmidts Probandin damals wohl widerfuhr: Das große Hämoglobinaufkommen im Blut habe mit Stickoxid reagiert, das führte zu Durchblutungsstörung. Bei mehrfachen Anwendungen hätte sogar die Niere geschädigt werden können. Zwar habe Schmidt nach dem missglückten Versuch den Blutdruck der Probandin gemessen und das Präparat nie wieder angerührt, aber: "Bevor ich jemandem etwas injiziere, informiere ich mich, was das ist", so der Sachverständige.

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"Das nagt dann auch innerlich", sagt Schmidt nun zur Richterin, "sie haben ja meine Geräte gesehen, sie haben gesehen, wie ich sonst gearbeitet habe." Die Blutwerte der Athleten, die habe er ja auch immer so fein säuberlich manipuliert, dass sie den Dopingfahndern nicht auffielen - was in der Tat stimmt. Sein Fazit? "Schuster, bleib bei deinen Leisten. Das wär' besser gewesen." (SZ, Forschungschemikalie in der Blutbahn, 4.12.2020)

 



Dopingmittel-Vielfalt

Im Münchner Prozess wurden zudem folgende Mittel und Medikamente genannt, die von Mark Schmidt eingesetzt worden waren:

Humanalbumin, TB 500 und TB 1000, Repoxygen, Molidustat - für Laien völlig unverständliche Begriffe, für die Sportler im Doping-Netzwerk um den Arzt Mark Schmidt offensichtlich das Geheimrezept.

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Professor Mario Thevis vom renommierten Anti-Doping-Labor in Köln gibt sich beeindruckt: "Die genannten Präparate zielen alle auf die Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit und Regenerationsfähigkeit ab. So dass wir es hier mit einem durchdachten System zu tun haben."

 

Mittel zur Korrektur der Blutparameter

Zum Beispiel Humanalbumin, das das Doping mit Eigenblut verschleiern soll. "Humanalbumin ist ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Blutes, was bei Bluttransfusionen dann zum Einsatz kommt, wenn die Blutparameter korrigiert werden müssen", sagt Thevis: "Damit sie bei Kontrollen nicht auffällig werden."

 

Fitmacher für Pferde

Oder TB 500 und TB 1000, eigentlich ein Fitmacher für Pferde. "Studien im Humaneinsatz gibt es meiner Kenntnis nach hierzu nicht. Es wurde im Veterinärbereich wohl umfangreich getestet", erklärt Thevis.

 

Auch Gendoping im Einsatz

Ein Sportler soll sogar Repoxygen verwendet haben, also Gendoping. Dabei wird der menschliche Körper quasi umprogrammiert, damit er mehr rote Blutkörperchen produziert - für einen besseren Sauerstofftransport im Blut. Außergewöhnlich - bisher wurde Repoxygen noch nie bei einem Sportler nachgewiesen.

"Das sind die ersten detaillierten Hinweise darauf, dass mit Gendoping-Präparaten gearbeitet wurde", sagt Thevis. [Repoxygen steht auf der WADA-Verbotsliste. Bereits 2006 hatte sich Trainer Thomas Springstein beim niederländischen Arzt Berend Nikkels danach erkundigt (>> c4f: Thomas Springstein)]

 

EPO-Ersatz Molidustat - vom Labor entdeckt

Molidustat wirkt wie EPO. Thevis und sein Team entwickelten 2017 dafür einen Test. Doping-Arzt Mark Schmidt warnte daraufhin sein Netzwerk, das Mittel nicht mehr zu nehmen. Er wolle sich nach einer Alternative umsehen. (BR: Geheime Dopingmittel - deshalb flogen Schmidt & Co. nicht auf, 9.12.2020)



Abschluss des Prozesses in München

Am Landgericht München II wurden am 15.1.2021 die Urteile verkündet. Arzt Mark Schmidt erhielt eine Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten, eine Geldstrafe über 158.000 Euro und ein Berufsverbot von 3 Jahren (ab wann?). Dirk Q. wurde zu zwei Jahren und vier Monaten, die Krankenschwester Diana S. zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Sven M. und Mark Schmidts Vater erhielten Geldstrafen.

Mark Schmidt ging in Revision.

 

In ihren Argumentationen und Plädoyers argumentierten die Anwälte Schmidts mehrfach mit der verbreiteten Dopingkultur im Profisport, insbesondere in den Ausdauersportarten.

Staatsanwalt Kai Gräber meinte nach Urteilsverkündung hierzu:

Die Verteidigung hat immer im wieder behauptet, dass Doping systemimmanent sei im Sport. Aber sie ist jeden Beleg dafür schuldig geblieben. Die Zeugen, mit deren Angaben sie das belegen wollte, die Unterstützer und Lieferanten Nemec oder Atanasov, wie auch die früheren Athleten, Hondo oder Kollmann-Forstner, hatten nicht viel zu bieten. Frau Kollmann-Forstner etwa sprach von neun Athletinnen unter den Top Ten, die im Mountainbikesport gedopt seien. Wenn man die Zeugen jedoch konkret gefragt hat: „Leute, ihr sagt immer, es ist alles so dopingverseucht, werdet konkret“, kam nichts weiter dazu. Insofern müssen wir den Ball ins Feld des Hauptangeklagten zurückspielen.

 

Kai Gräber erwähnt auch eine Handy-Kommunikation mit anderen Ärzten über die Nachweismöglichkeit eines Dopingmittels. Daraus schließt er, dass ein Netzwerk von Ärzten besteht, die sich mit Doping beschäftigen.

Mark S. hat insoweit nicht zur Erhellung beigetragen. Obwohl er es offenbar gekonnt hätte. Es gibt eine Nachricht auf seinem Handy, aus der man schließen kann, dass man sich unter mehreren Ärzten verständigt hätte, weil ein bestimmtes Doping-Mittel in den Kontrolllaboren nachgewiesen werden konnte, und auf Grund des gemeinsamen Gesprächs übereingekommen war, dieses Doping-Mittel nicht weiter zu verwenden und die Information zu verbreiten. Aber auf ausdrückliche Frage hat er die Ärzte nicht benannt, mit denen er kommuniziert haben will. (FAZ: „Schockierende, bedrückende Momente“, 26.1.2021)

 



alte-neue deutsche Verbindungen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fasste die alten und neuen Vorgänge und vor allem das existierende Netzwerk, innerhalb dem Mark Schmidt agierte zusammen:

FAZ: Blut und Spiele, 2.3.2019

 

Zitate:

Dumm oder dreist? In Österreich gibt es ein Anti-Doping-Gesetz. In Deutschland noch ein noch deutlich schärferes. Zum Schrecken des Sports. Denn wenn Strafverfolger einen hinreichenden Verdacht haben, dann taucht schon mal der Staatsanwalt in der Turnhalle auf. Oder im Quartier eines Athleten. ...

Dreister noch als die Athleten bei der WM im Ski-nordisch in Seefeld trat die vermutlich zentrale Figur in diesem Stück organisierter Doping-Kriminalität auf. Der deutsche Mark S., ein Mediziner mit Sitz mitten in Deutschland. ...

 



>>> c4f: Arzt Ernst Jakob:
Im April 2013 eröffnete die Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg gegen Ernst Jakob und Mark Schmidt Ermittlungsverfahren nachdem beide ehemaligen Teamärzte des Rad-Teams Gerolsteiner von Stefan Schumacher und David Kopp im Prozess Holczer gegen Schumacher mit Doping in Verbindung gebracht worden waren. Stefan Schumacher warf Ernst Jakob Wissen über sein Doping vor:
„Wir haben uns vor der WM 2007 über Doping unterhalten, über Epo-Arten, über Nachweisbarkeit und Nichtnachweisbarkeit. Ich war offen, was meine Pläne waren. Ich verstehe nicht, warum Sie sagen, Sie hätten keine Ahnung davon.“
Auch David Kopp argumentierte ähnlich: „Unterhalten habe ich mich über alle Präparate.“ Mehrfach im Jahr sei er bei Jakob gewesen, um sich beraten zu lassen über den optimalen Einsatz dessen, was sich die Gerolsteiner-Profis selbst beschafften: Epo, Wachstumshormon, Testosteron."
Jakob geriet nach Schumachers und Kopps Aussagen auch in den Verdacht, Rezepte für Cortison ohne medizinische Indikation ausgeschrieben zu haben. (Berl. Z., 5.8.2013, FAZ, 6.8.2013).
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Vor zehn Jahren war ihm schon Doping vorgeworfen worden, öffentlich, im deutschen Fernsehen. Vor sechs Jahren behauptete er als Zeuge vor Gericht, im damaligen Rad-Profi-Team Gerolsteiner habe er sich an die Diktion des Chefs gehalten: brav die Anti-Doping-Regeln beachten. Unterstützung durch die Ärzte habe es nicht gegeben. Mancher Profi erinnerte sich anders, David Kopp beispielsweise erzählte, S. habe das verbotene Synacthen zur Hand gehabt. "Die Mittel wurden nicht offensiv angeboten. Aber man konnte sich bei den Ärzten über alles von Belang austauschen - verboten oder nicht verboten." Der Richter glaubte S., zwei anderen deutschen Ärzten und auch dem Teamchef nicht: Die Klage gegen den des Dopings überführten Stefan Schumacher auf Rückzahlung von Gehalt wurde abgewiesen. Schumacher hatte erklärt, alle im Team hätten Bescheid gewusst.

 

Für Mark S. hatte das keine Folgen. So wie bislang kein Arzt in Deutschland wegen Dopings vom Sport oder von den Behörden, geschweige denn vom eigenen Stand ernsthaft zur Rechenschaft gezogen wurde. Wie ist das möglich?

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Bernhard Kohl ist ein ehemaliger Radprofi. Er ist 2008 positiv getestet worden auf das Blut-Doping-Mittel Cera nach der Tour de France im selben Jahr. Und dann hat er ausgepackt. Der Österreicher erinnert sich unter anderem an den 11. Juli 2008. An sein Blut-Doping in einem Hotel in Bordeaux während der Tour de France: "Ich fragte Teamarzt S. (Name von der Redaktion auf den ersten Buchstaben verkürzt), wo wir am besten die Blutzufuhr veranstalten könnten. Mark bot sein Zimmer an", berichtete Kohl. Zudem habe er alle zwei bis drei Tage seinen Hämatokritwert von S. messen lassen. Selbst der klagende Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer belastete seinen früheren Honorar-Arzt S. in einer mehrstündigen Zeugenaussage vor der 16. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart schwer. "Ich habe 2009 von Bernhard Kohl unglaubliche Dinge über Mark S. gehört." Der soll Kohl nicht nur das Zimmer, sondern auch eine für die Blutpanscherei notwendige Zentrifuge zur Verfügung gestellt haben. S. bestritt alles. Er soll eine eidesstattliche Versicherung unterschrieben haben, wie sein Vater Ansgard S. damals erklärte. ...

Passiert ist - nichts. Das Radsport-Team Milram kündigte zwar eine Trennung von S. an, nahm den Schritt aber im Juni 2009 zurück, nachdem der Mediziner in einer schriftlichen Erklärung versichert hatte, dass er keine Doping-Mittel besorgt, weitergeleitet oder verabreicht habe.

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Wegen des Vorwurfs der Mittäterschaft in verschiedenen Funktionen [wurde am 27.2. auch Mark Schmidts Vater verhaftet]: vom Kurier im Auftrag des Filius bis hin zur Hilfe bei Behandlungen der Athleten. ... S. führte die Praxis laut Schild zusammen mit seiner Mutter Dr. Heidrun S. Sie hat einst im Radsport der DDR mitgewirkt, bei Turbine Erfurt, wie ein früherer, unwissentlich gedopter Athlet dieser Zeitung schilderte. Ob Frau S. involviert ist in die Machenschaften ihres Sohnes, wissen wir nicht. ...

 

Die Ermittler können aber von einer Kooperation des Hauptbeschuldigten ausgehen. ... Die Beweislast scheint ohnehin erdrückend. Oberstaatsanwalt Kai Gräber, Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Doping in München, rechnet in einem solchen Fall mit einer Aufklärung, die bis zum Beginn des Jahrtausends zurückführen könnte und über Manipulationen im Ski-Langlauf hinausreicht. Kein Wunder, dass die Rad-Profi-Szene besorgt ist in diesen Tagen, wie ein Insider dieser Zeitung berichtete ...

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Laut Oberstaatsanwalt Gräber zahlten Athleten 8000 bis 15 000 Euro pro Saison für die "Betreuung", alles inklusive.

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Die Familie S. ist im Thüringer Sport nicht unbekannt. Bis Donnerstag galt die Praxis als lizenzierte sportmedizinische Untersuchungsstelle des Landessportbundes Thüringen. Sicher ist es nur ein Zufall, dass Vater S. bis zum altersbedingten Ausscheiden, wie die Kanzlei dieser Zeitung sagte, Ende 2018 in der Kanzlei des Rechtsanwalts Heinz-Jochen Spilker arbeitete. Spilker kommt aus dem Westen. Er hat rübergemacht kurz nach dem Fall der Mauer.

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Im westdeutschen Sport war Heinz-Jochen Spilker zu dem Zeitpunkt nicht mehr tragbar. Spilker gilt als Kopf des sogenannten Hammer Modells. Ein Doping-Nest, in dem der Anwalt des Rechts, Spilker, als Trainer Anabolika an Sprinterinnen verteilte, als Ost-West-Fachmann, schon damals. "Komm zu uns, dann zeigen wir dir, warum die DDR-Mädels so schnell sind", berichtete die ehemalige Sprinterin Claudia Lepping 2011 dem "Kölner Stadt-Anzeiger" über Spilkers Kontaktaufnahme. 1994 wurde er vom Amtsgericht Hamm wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilt zu einem Bußgeld in Höhe von 12 000 Mark. Seiner Karriere im Sport schadete das nicht. Der LSB Thüringen nahm ihn mit Kusshand: als Rechtswart und Vizepräsident. Was nichts Besonderes ist. In Thüringen sind einige Ehemalige wieder auf die Füße gefallen. Das prominenteste Beispiel ist Rolf Beilschmidt. Der Hochspringer wurde 1991 Leiter des Olympiastützpunktes, 2001 dann Hauptgeschäftsführer des LSB. 2011 gab der ehemalige Stasi-Spitzel (IM Paul Grün) zu, gedopt zu haben.

 

Die Versorgung "Ehemaliger" ist beileibe keine Erfindung des Ostens. ... Neulich erst stellte der Radsportverband Nordrhein-Westfalen Holger Sievers ein. Sievers war Radprofi. 2002 wurde er positiv getestet auf das Blut-Doping-Mittel Epo. Nun soll er als Trainer "Schüler/innen" auf den richtigen Pfad führen.

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Dürr war kein Einzeltäter. Und seine Nachfolger, fünf wurden in Seefeld nach Ermittlungen erwischt, die gerade einmal fünfeinhalb Wochen dauerten, stehen auf der Spitze eines Eisberges. Einer der fünf Verhafteten, der Este Karel Tammjärv, erzählte am Freitag, wie der Service seit Sommer 2016 lief: Blutentnahmen und Blutinjektionen in Frankfurt und Berlin. Er wurde von seinem Trainer Mati Alaver an S. vermittelt, der das in einer Stellungnahme bestätigte, die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk Estlands zitiert wurde. Demnach soll Alaver auch aus der Exekutive des Estnischen Olympischen Komitees zurückgetreten sein. Alaver war jahrelang Cheftrainer des Skiverbands Estlands, in den letzten Jahren hat er ein Privatteam trainiert, über das er auch den ebenfalls festgenommenen Kasachen Alexeij Poltoranin trainierte. "Mal sehen, wie viele ,Einzelfälle' wir sonst noch herausbekommen", sagt Oberstaatsanwalt Gräber.

 

Wie verbreitet die Mentalität im Spitzensport ist, Leistung auf allen Wegen zu steigern, belegt eine Episode aus Oberhof im vergangenen Jahr. In einem Hotel entdeckte ein durstiger deutscher Trainer einen prall gefüllten Kühlschrank, wie er dieser Zeitung im Januar während einer persönlichen Begegnung schilderte. Der Inhalt verleitete ihn zur Aufnahme des auf dieser Seite gezeigten Fotos. Denn Packungen mit der Aufschrift Testosteron in einem Athleten-Hotel während einer Trainingswoche ließen ihn an ein Doping-Depot denken. Der Zusatz DRG deutete aber nicht auf das Hormon hin, sondern auf einen Testosteron-Test, den man zur Steuerung der Trainingsbelastung einsetzen kann. Er ist aber wegen der Ungenauigkeit sehr umstritten, sagen Experten. Außerdem finden solche Test eher im Labor statt. Warum also der Testosteron-Test im Trainingslager? Weil das ausländische Team wissen wollte, ob seine Athleten, eine Junioren-Auswahl im Skilanglauf, den zulässigen Grenzwert einhalten, weil man sich herandopt? Die Information, dass sich auch ein Doping-Mittel unter den Produkten befand, lässt sich nicht mehr beweisen. Der Kühlschrank wurde kurz nach der Aufnahme geräumt, die Mannschaft reiste ab ins nächste Trainingslager. Erst Tage später kam die Staatsanwaltschaft - und fand nichts mehr. ...

 



Interview Johannes Dürr, 7.3.2019:

sportschau.de: Johannes Dürr im Interview: Betrug bis zuletzt

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„Ich habe mir weiterhin [2014] von Mark Schmidt Blut abnehmen lassen, als Vorrat für die Zeit nach der Dopingsperre. Das Blut lagerte in einem Kühlschrank in Erfurt. Das ging so weit, dass Mark Schmidt sich zurückziehen wollte und ich mit ihm diskutiert habe, es selbst weiterzumachen, den Kühlschrank zu besorgen, der dann aber in Erfurt gelandet ist.“

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„Mark Schmidt war 2015 nicht mehr in meinem Leben, keine Handynummern, keine Kontaktdaten, nichts mehr. Plötzlich, Mitte Juni [2018], kommt ein Anruf, deutsche Nummer, da war es der Mark. Er sagte, ‚Geld kann ich dir keines geben, aber ich unterstütze Dich bei deinem Projekt auf meine Art und Weise.‘“

 

„Das heißt, Sie haben von ihm wieder Blutbehandlungen angeboten bekommen?“

„Es war eine Art Erinnerung, dass das Depot von mir noch vorhanden ist. Ich habe dafür nichts bezahlen müssen. Trotzdem habe ich im ersten Moment nicht ja sagen können. Ich hatte geglaubt, ich bin schon fast draußen aus dem Sumpf. Aber ich steckte noch bis zu den Knöcheln drin. Bei seinem nächsten Anruf, als er mich noch mal daran erinnert hat, da bin ich schwach geworden.“

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„ Es gab nur noch Blutrückführungen aus dem alten Depot von 2014, 2015. Die erste Rückführung gab es, ich weiß den Zeitpunkt nicht mehr genau, irgendwann im August in Irschenberg.“

 

„An der Autobahnraststätte?“

„Genau, an demselben Rasthof wie immer.“ ... „Bei dieser Behandlung war Mark Schmidt anwesend.“ ... „Er ist mit dem Auto gekommen, ich bin mit dem Auto gekommen. Dann war ein Hotelzimmer von ihm vorbereitet, da ist die Behandlung abgewickelt worden, und unsere Wege haben sich wieder getrennt. Die Idee dahinter war einfach, härter trainieren zu können.“

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„Mitte Oktober gab es mit einer Kollegin von Mark eine Blutrückführung.“ ... „Das war im Trainingslager in der Ramsau, auf einem Parkplatz in Pichl bei Schladming haben wir uns getroffen und im Auto das Blut zurückgeführt.“ ...

„Es gab noch eine weitere Behandlung bei einem Wettkampf in Campra in der Schweiz. Da ging das so, wie man es jetzt in Seefeld gesehen hat: Kurz vor dem Wettkampf das Blut rein und unmittelbar nach dem Wettkampf das Blut wieder raus.“ ... „Das war bei uns im Apartment im Hotel. Der Servicemann war bereits an der Strecke, hat die Ski getestet und gewachst, zu der Zeit waren wir im Apartment.“

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„Waren die Behandlungen der am Anfang von Schmidt angedeutete Freundschaftsdienst, oder haben sie im Endeffekt dann doch Geld gekostet?“

„Nein, ich habe für alle Behandlungen und die ganze Organisation keinen Cent bezahlt, gar nichts.“

 

„Mark Schmidt war in diesem Prozess eine entscheidende Person. Wie würden Sie ihn charakterisieren?“

„Er ist ein umgänglicher, entspannter Kerl. Er war offen, vertrauenserweckend. Das war ein Punkt, der noch dazu gekommen ist: Ich hatte nie das Gefühl, der will mir was Böses.“

 

„Wenn man das mit dem Fall Fuentes vor zwölf Jahren vergleicht, gibt es Parallelen. Beispielsweise trugen alle Blutbeutel Tarnnamen. Wie lautete Ihrer?“

„Mein Tarnname war Lucky Luke.“

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„Als Sie 2015 die Diskussion hatten, das Geschäft von Mark Schmidt zu übernehmen – wie ist das damals abgelaufen? Was hat dazu geführt, dass Sie es nicht übernommen haben? Was hat dazu geführt, dass er letztlich doch weitergemacht hat? Und warum wollte er das Geschäft überhaupt abgeben?“

„Er hat gesagt, er ist müde und hat es lange genug gemacht. Er will sich quasi zurückziehen. Bei mir war das einfach ein letzter Strohhalm, um eine Chance auf Topleistungen im Hochleistungssport zu wahren. Denn wenn das ganze Depot weg ist – das wollte ich halt vermeiden.“

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„Und wenn Sie sagen, Sie haben ihm [Max Hauke] den Kontakt zu Schmidt nicht verschafft, wie, denken Sie, ist er an Mark Schmidt geraten?“

„Es hat ja noch andere gegeben, die im Team waren, die Kontakt zu ihm hatten.“

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Hans-Michael Holczer, Gerolsteiner Teamchef:
"[Schmidt] hatte die Unterstützung seiner Eltern und wollte mit uns durch die Welt reisen. Er kam frisch von der Uni und war unbefleckt von der Dopingvergangenheit im Radsport. Das war in meinem Sinne, deshalb hat er wunderbar in unser Team gepasst. Ich dachte, er könnte dazu beitragen, einen saubereren Radsport zu realisieren.“ Das Gegenteil war der Fall.
Holczer schickte ihn damals sogar „als Vertreter unseres Teams zu den Sitzungen der Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport [MPCC]. Dort besuchte er einige Beratungen und setzte sich pflichtgemäß für einen sauberen Radsport ein. Wie sich jetzt herausstellte, war er scheinbar ein Wolf im Schafspelz.“
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(...)

Stefan Matschiner verfolgte vom Hotelzimmer aus die Tour und wartete. "Stefan schickte mir gegen 17 Uhr eine SMS mit seiner Zimmernummer." Die Nervosität wuchs. Nun galt es, sich zum Zimmer des Managers zu begeben. Den Gang entlang. Hoffentlich merkt es niemand. "Ich schaute auf mein Mobiltelefon, ob es sich um das richtige Zimmer handelte. Dann klopfte ich an die Tür. Stefan öffnete und sagte: 'Servas, Oida!', und nach einem kurzem Small Talk ging es gleich zur Sache."

(...)

Im Schlauch, der bis zur Nadel führt, war das Blut bereits drinnen. "Dann stach Stefan Matschiner zu. Dreißig Sekunden lang wurde das Blut eingelassen. Dann wurde abgedreht. Bei schlechter Lagerung oder Verunreinigung des Blutes wäre ein allergischer Schock die Folge. Das merkt man schnell, nach zehn Minuten, hat Matschiner erzählt."

In diesem Fall lief alles, also das Blut, nach Plan, nach dreißig Minuten sei die Prozedur zu Ende gewesen. "Danach haben wir den Plasmaexpander Humanalbumin zugeführt, um den Hämatokritwert wieder zu senken."

Das alles unter enormer Anspannung. "Du denkst dir: Wahnsinn. Das ist eines der größten Ereignisse des Weltsports, und du sitzt da und lässt dir Blut zuführen, obwohl du weißt, es ist verboten. Das Herz rast. Du denkst, hoffentlich geht nichts schief." Nach dem Vorgang verschwanden die Beweismittel. Beutel und Infusionsbesteck wurden zerschnitten, mit der Schere. Dann im Klo runtergespült.

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Kohl: "Teamarzt Mark Schmidt half. Er war eingeweiht in die Dopingvorgänge. Zum Glück hatte ich ein Messgerät daheim, das hat dann Matschiner mitgenommen. Matschiner und Schmidt haben sich in Stefans Zimmer getroffen. Er übergab dem Arzt das Messgerät. Ab diesem Zeitpunkt war das Ding immer bei Mark Schmidt. Ich konnte jederzeit messen, um meine Werte konstant zu halten." Bernhard Kohl ließ alle zwei bis drei Tage seinen Hämatokritwert von Schmidt messen, erzählt er. Manchmal schlich sich der Sportler morgens gegen 6.30 Uhr ins Zimmer des Mediziners, "wo er mir dann mein Blut mit einer Kochsalzlösung verdünnt hat, um meinen Wert zu senken."

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Ich fragte Teamarzt Schmidt, wo wir am besten die Blutzufuhr veranstalten könnten. Mark bot sein Zimmer an." Beim Abendessen rauschte auf einmal eine Botschaft herein. Erster Dopingfall bei der Tour. Manuel Beltram, positiv auf Epo. Große Empörung an der Gerolsteiner Tafelrunde. "Ich musste das Spielchen mitspielen. Umso unangenehmer das Gefühl, da ich wusste, in einer halben Stunde würde ich selbst wieder dopen."

 

Unmittelbar nach dem Abendessen in dem Restaurant ums Eck verschwand Bernhard, offiziell wegen Magenschmerzen. "Dadurch fiel es nicht auf, da mir Mark ja was gegen meine angeblichen Beschwerden geben musste. Mit Matschiner trafen Mark und ich uns vor dem Hotel."

 

Dr. Mark Schmidt öffnete sein Zimmer und marschierte zurück ins Restaurant, um jeglichen Verdacht zu vermeiden. "Im Zimmer des Arztes haben wir dann den zweiten Blutbeutel zugeführt."

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Doch Gernot war längst nicht so professionell wie sein Meister. Es hatte 50 Grad im Hotelzimmer. "Ich war völlig durchnässt", erinnert sich Bernhard. "Ich hatte Angst, dass das nicht gut geht. Für Stefan war es Routine, für Gernot Stress pur. Wir hatten nichts zum Abbinden. Stefan hatte immer eine Binde, wie beim Blutspenden. Gernot hat daneben gestochen. Wir haben abgedreht. Ich habe die Kanülle rausgezogen, das Blut ist rausgespritzt und auf den Teppich. Alles war voller Blut. Gernot hat geschrubbt wie ein Wilder. Dann sagte ich: 'Halte du, ich steche mich.'"

Schließlich ging alles gut.

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"Das Blut führt man im Idealfall zwei Tage vorher zu. Dann hat es die beste Wirkung. Drei Tage davor hatte ich Hämatokritwert 46 und noch Spielraum bis zum Grenzwert 50. Ich hatte aber ein ungutes Gefühl. Ich hatte schon viel mehr erreicht, als ich mir erhofft hatte." Teamarzt Schmidt habe gemeint, man könne die letzten Prozentpunkte auch noch nutzen. Doch habe sich der Sportler dagegen entschieden, "obwohl Gernot schon vor Ort war.

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Bernhard hatte zu Mark Schmidt ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. "Ich hatte zu ihm von Beginn an eine gute Gesprächsbasis. Irgendwann kamen wir auf Doping zu sprechen. Er sagte: 'Logisch, dass man es machen muss.' Er sagte einmal, dass ich nicht der Einzige im Team sei, der Blutdoping fabriziere."

 

Mark Schmidt dementiert alle Vorwürfe über seinen Anwalt, der sein Vater ist. Ansgar Schmidt: "Das sind lauter Falschmeldungen. Niemals hat Mark Schmidt Dopingmittel weitergegeben oder verabreicht."

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Operation Aderlass




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