FRANCE SOIR: Armstrong wurde am Mittwoch, bei der Vorstellung der Tour 2010 wie ein Superstar begrüßt. Ist das nicht surrealistisch? JP de M: Die Tatsache, dass er 2009 teilgenommen hat, war schon Ketzerei und markierte eine gewaltige Niederlage des Kampfs gegen Doping. Nach der Tour 2005 legte die Tageszeitung "L'Equipe" offen, dass sechs der zwölf mit EPO positiven Tests der Tour 1999 von Armstrong waren. (...) Wenige Jahre vor diesem Skandal fragte [ein Kardiologe anlässlich seiner Krebserkrankung] nach den Medikamenten, die er einnähme. Armstrong erzählte dem Arzt vor vor Zeugen, dass es sich vor allem um EPO handelte. Die Summe der Aussagen zu Armstrongs verdächtigen Praktiken sind in rechtlicher Hinsicht Zeugenaussagen. (...)
FRANCE SOIR: Er könnte also von der Justiz zur Rechenschaft gezogen werden? JP de M: Sofern es zu einem Prozess kommen würde, ja! Aber einen Prozess hat es bisher nie gegeben, außer gegen Bücher und Veröffentlichungen. Wenn die Organisation der Tour de France ihn wegen Verletzung des Ethik oder wegen Beschädigung des Rufs der Tour de France verklagen würde, wäre die Summe der Zeugenaussagen und der Beweise für ein Gericht ausreichend, um Armstrong verurteilen zu können.
FRANCE SOIR: Und warum macht sie dies nicht? JP de M: Die UCI wird nicht riskieren, das Image ihrer Sportart zu beschädigen. Frank Vandenbroucke war seit Jahren bei einem Drahtseilakt. Und wer sah es als seine Aufgabe an ihm zu helfen? Niemand! (...)
FRANCE SOIR: Schließlich, wie viele Fahrer dopen sich Ihrer Meinung nach? JP de M: Vor ein paar Jahren haben wir noch von einem Radsport mit zwei "Gängen" gesprochen. Jetzt können wir von einem Radsport mit vier Gängen sprechen. Da gibt es diejenigen, die so genannte Sauerstofftransporter verwenden, d.h. das sind die wirksamsten Produkte. Der zweite "Gang" umfasst diejenigen, die weniger wirksame, aber auch nicht nachweisbare Produkte verwenden, die z.B. die Hormonausschüttung erhöhen (Kortikoide, anabole Steroide). Dann gibt es so genannte Borderline-Produkte, die vor allem in Italien verkauft werden, wie Neoton, (wird bei Patienten mit Herzinsuffizienz eingesetzt). Dies hat z.B. der Fußball-Profi Fabio Cannavaro 1999 am Abend des UEFA-Cup-Finales verwendet. Schließlich gibt es Leute, die sich Gefälligkeitsrezepte ausstellen lassen. Und zum Schluss hoffe ich, dass es auch noch Fahrer gibt, die sich nicht dopen.
Übersetzung Prof. Dr. Gerhard Treutlein
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