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Deutsche Ärzte und Doping





Alois Mader

Alois Mader, Jahrgang 1935, war von 1965 bis 1974 Arzt an der Sportmedizinischen Hauptberatungstelle des Bezirks Halle (Saale). 1974 wechselte er in den Westen über. Hier wurde er Mitarbeiter Prof. Hollmanns an der Sporthochschule Köln. Ab 1987 war er Professor für Sportmedizin am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln, von 1999 bis 2000 fungierte er als kom. Institutsleiter. Von 1979 bis 1988 betreute er die Ruder-Olympia- und Nationalmannschaften der BRD.

 

 

Alois Mader gehörte in den 70er Jahren zu den klaren Befürwortern des Anabolika-Dopings. Auch im Frauensport, der in den 70er Jahren noch von vielen ausgeklammert wurde, hielt er deren Einsatz für akzeotabel. Für ihn galt 1977 "Eine Schädigung der Gesundheit ist nicht direkt und mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen." Dass die Schädigung nicht ganz auszuschließen wäre, konnte für ihn aber kein Gegenargument ein, denn durch Training sei dies ebenfalls nicht immer gegeben. Virilisierungseffekte bei Frauen seien nur bei hohen Dosen sichtbar und gingen später zurück. Einen schweren Eingriff in die körperliche Integrität der Frauen sah er dabei nicht. Er plädierte "für eine "Korrektur" gängiger Schönheitsideale und des vorherrschenden Frauenbildes: "Auch ohne anabole Steroide haben einige Sportlerinnen (und auch untrainierte Frauen) einen mehr oder minder ausgeprägten virilen Habitus."" ((1), S. 212)

Und : "Dem Problem der Leistungssteigerung im Sport unter Zuhilfenahme von Pharmaka unter Hinweis auf den hippokratischen Eid aus dem Wege gehen zu wollen, ist nach meiner Meinung vordergründige Drückebergerei, wie Pilatus wäscht man sich die Hände in Unschuld." Mader vertrat die Ansicht, die westlichen Mediziner machten sich schuldig, da bei gleichem Leistungsanspruch wie im Osten, das Gesundheitsrisiko der westlichen Athleten durch das ihnen verweigerte ärztliche Doping erhöht sei. ((1), S.217)

Die Frankfurter Rundschau schreibt am 7. Mai 1977 unter der Überschrift 'Bundesdeutsche Athleten zwischen Sauberkeit und Medaillenverlust': "Der 1974 aus der DDR in die Bundesrepublik übergewechselte Sportarzt Dr. Mader hat dabei die wohl blumigste Formel gefunden. Wer sich in der zur Zeit gegebenen Situation enrsthaft bemühe, die medikamentösen Hilfen für den Hochleistungssportler aus dem Verkehr zu ziehen , ... „benutzt die eigenen Athleten als Hasen, die er zwischen intelligenteren Igeln zuschande hetzt.“ Wer möchte sich dies schon nachsagen lassen?" (Mader: "Wer auf die zur Zeit gegebene Situation nur mit Entrüstung

reagiert, benutzt die eigenen Athleten als Hasen, die er zwischen intelligenteren

Igeln zu Schanden hetzt.")

 

Zudem forderte er 1977 vor dem Deutschen Bundestag deutlich die Anabolikagaben an Frauen aus wissenschaftlich gebotenen Gründen. "Es ist ziemlich sicher, daß Anabolika bei Frauen ebenso leistungssteigernd wirken wie bei Männern. Nach meiner Kenntnis ist das im DDR-Leistungssport ausprobiert worden. Es haben sich eindeutige Effekte in vielen Sportarten nachweisen lassen. Sie sind auch bei einzelnen Sportlerinnen mit derem freien Einverständnis angewandt worden. Die befürchteten gesundheitlichen Folgen sind bisher in keinem Fall eingetreten. ...

Wenn man wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet betreiben will, so muß man entsprechend Leistungsportlerinnen Anabolika geben. Wenn man das von vornherein moralisch verurteilt - das ist durchaus richtig - , darf man diese Forschung nicht machen. Das heißt, man wird nie Bescheid darüber wissen. (..) In einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation ist der Mensch aber auf das Experiment angewiesen; er kann nicht darauf verzichten." ((1), S. 233) (Protokoll der Öffentlichen Anhörung, S. 6/64, S. 6/66, S. 6/142/..149)



Wissenstransfer

Dass A. Mader seine Kenntnisse des DDR-Dopings an den Westen weiter gegeben hat, galt nicht als Geheimnis. Mit vielen Vorträgen und Diskussionsbeiträgen soll Forscher Mader über den Anabolikaeinsatz in der DDR berichtet haben. Er schreibt z. B. "schon früh, dass die Einnahme von anabolen Wirkstoffen nicht bei jedem Athleten erfolgversprechend ist. Danach erweist sich die Anwendung dieser Substanzklasse nur bei Hochleistungstrainierten als besonders effektiv, dann nämlich, wenn bereits ein stabiles und hohes Leistungsniveau erreicht wurde und die weitere Belastungssteigerung keinen zusätzlichen Effekt auf das sportliche Leistungsvermögen hat. (in 'Anabolika im Hochleistungssport', Leistungssport 2 (1977), 136-147, zitiert nach Claudia Seyffart, 2002). Brigitte Berendonk schreibt und zitiert: "Er [Mader] berichtete auch ganz ungeniert von den Wohltaten des DDR-Anabolikadopings, und er und seine Gefolgschaft hierzulande fanden daran eigentlich nichts Wesentliches auszusetzen, außer eventuell, [Zitat:]"wenn, wie z. B. im Sportschwimmen der Frauen in der DDR, die Verantwortlichen - hauptsächlich beim SC Dynamo Berlin und im Schwimmsportbund - ihre Leistungsbeeinflussung so weit getrieben haben, daß die negativen Folgen auch für den Laien so deutlich sichtbar werden." " (FAZ, 11.9.1976, zitiert nach (4), S. 53)

 

In der Zeitschrift Selecta 39 vom 27. September 1976 ist zu lesen unter 'Sportmediziner-Kontroversen nach Montreal. Kolbes Spritze und die Folgen': "Daß Kraftsportler in Ländern des Ostblocks seit langem systematisch mit Anabolika gemästet werden, ist spätestens kein Geheimnis mehr, seit der vor zwei Jahren aus der DDR geflüchtete Sportarzt Alois Mader detailliert darüber berichtete. Mader war es auch, der die staunenden westdeutschen Kollegen überhaupt erst auf die Vitaminspritze brachte."

 

In der DDR selbst reagierte man auf die Flucht Maders besorgt. "Aufgrund seiner Funktion und 10jährigen Tätigkeit im Bereich der Sportmedizin erhielt Mader ... umfangreiche Kenntnisse über interne spezifische Mittel und Methoden, welche zur Leistungssteigerung bei den Aktiven angewendet werden sowie Kenntnisse über die Trainingsgestaltung und Forschungsvorhaben in einzelnen Disziplinen. Die Anwendung von Anabolika erfolgt außer in der DDR auch in anderen Ländern, jedoch führte sie bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zu solchen enormen Leistungssteigerungen wie bei den DDR-Sportlern, da das richtige Verhältnis zur Trainingsbelastung noch nicht bekannt ist. Durch die Auswertung der Kenntnisse des Mader auf diesem Gebiet kann eine Leistungssteigerung in den westlichen Ländern erreicht werden ..." (1974, zitiert nach G. Hartmann, Goldkinder, S. 219)



Spritzenkuren

Vor dem Sachverständigenanhörung des Sportausschusses am 28.9.1977 bestätigte Dr. Mader Initiator der umfassenden Spritzenkuren der deutschen Olympiateilnehmer 1976 in Montreal gewesen zu sein: 1500 Spritzen erhielten die ca. 300 Sportler während der Spiele. "Diese Maßnahme habe ich damals vorgeschlagen unter dem Aspekt" daß sie nicht gegen die bestehenden Dopingregeln verstößt und daß nach menschlichem Ermessen und nach den vorliegenden Unterlagen keine unerwünschten Nebenwirkungen zu befürchten sind. Wenn man heute sagt, daß diese Substanz Nebenwirkungen hat, dann bezieht sich das auf das gespritzte B 1, nicht auf Cocaoxylase (?)." (Protokoll, S. 6/144ff) (>>> mehr Infos zu Montreal 1976)

 

Im Mai 1977 hatte er über seine Versuchen mit intravenös verabreichten Vitaminspritzen, insbesondere B1, auf einem Kongress an der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen EHSM (Schweiz) zum Thema 'Leistungssteigernde Maßnahmen im Elitesport' berichtet. Direktor H. M. Howard schrieb 1978 darüber, dass Mader der einzige sei, der diese Methode bislang bei Sportlern anwende. Dieser habe damit bei Schwimmern und Radsportlern eine Leistungssteigerung und eine größere Laktatverträglichkeit festgestellt. Allerdings genügten Maders Versuche wissenschaftlichen Kriterien nicht. Man kenne die schädlichen Nebenwirkungen nicht, die Anwendung sei abzulehnen. (Rev. Olympique, 1978, Nr. 127, Mai, S. 297-303, zitiert nach de Mondenard, Dictionnaire, S. 1081/1082)

 

Schon ein Jahr zuvor, 1975, fiel Dr. Mader durch seine großzügige Anwendung von Spritzen auf. Bei Brigitte Berendonk ist zu lesen: "So berichtete Ilse Bechthold, Vizepräsidentin des DLV, in einem Verbandsgerichtsverfahren (Schreiben vom 10.5.1977), wie sie und Sportwart Otto Klappert mit vereinten Kräften den Dr. Mader, der mit Spritzen voller "unterstützender Mittel" auf dem Einlaufplatz den Damen nachstellte, zurückhalten mußten: "Anläßlich des Junioren Länderkampfes gegen die USA am 7./8.7.1976 in Lüdenscheid fanden auch Vorbereitungswettkämpfe in einigen Disziplinen auf die Spiele in Montreal statt, so auch 400-m-Läufe für Frauen. Auf dem Einlaufplatz wurde ich von Gerd Osenberg, Trainer (TuS 04 Leverkusen), darüber unterrichtet, daß Athletinnen mit 'leistungsfördernder' Spritze versehen werden sollten. - Der DLV-Sportwart... und ich haben sofort die notwendigen Schritte eingeleitet, diese Maßnahme zu stoppen." Klappert betonte dazu noch in einer Erklärung vom 11.5.1977: "Ich sprach Dr. Mader darauf an und untersagte ihm vor Zeugen, Athleten des DLV diese Injektionen weiter zu verabreichen." ((4), S. 44)



Folgejahre

"... wurde der Kölner Professor Alois Mader selbst von der honorigen Bundesärztekammer in eine Dopingkommission berufen, obwohl er im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Köln zugeben mußte, während seiner früheren Tätigkeit in der DDR "den Verlauf der Anabolikaanwendung ärztlich überwacht" zu haben."
(der Spiegel, 27.8.1990)
......................................................

Nach der öffentlichen, durchaus kontrovers diskutierten Dopingdebatte 1976/1977/78 wurde es ruhig um Dr. Mader. Die Diskussion um den Einsatz anaboler Steroide dauerte jedoch im deutschen Sport an. (Siehe hiezu auch Testosteronstudien und Debatte) Der Druck sich gegen deren Einsatz auszusprechen nahm zu, deren schwere Nebenwirkungen waren schon lange nicht mehr zu leugnen. Die Substitutionstheorie, mittels der häufig suggeriert wurde, ärztliche Bergleitung und Verordnung umfangreicher Medikation seien notwendig die Gesundheit der Sportler zu erhalten, hatte in der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit verloren, auch wenn sie bis heute noch gelegentlich vorgebracht wird.

 

1989 gehörte Dr. Mader u.a. neben Hollmann, Keul und Kindermann zu den Unterzeichnern einer Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, AG 'Pharmaka und Sport', in der es heißt: " Die Einnahme von Anabolika durch Athleten geschieht häufig in Unkenntnis oder Mißachtung der gesundheitlichen Gefährdung... Gesundheitliche Gefährdungen sind vor allem in folgenden Bereichen möglich: Wachstumsstop bei Jugendlichen, Leberschäden bis hin zu Leberkarzinom, Förderung der Atherogenese durch negativen Einfluß auf die Serumfettwerte..., Virilisierung bei Frauen, Hemmung der Spermogenese beim Mann, psychische Veränderungen etc." (zitiert nach Berendonk, Doping 1992, S. 35)

 

1993 wird er deutlich und klagt er in der gemeinsamen Sitzung von Enquete-Kommission und Sportausschuss zum Thema 'Sport in der DDR' die Heuchelei in den Verbänden an:

"... daß die politische Seite im Sport, die Funktionärsseite, soweit es sich um höhere Funktionäre handelte, überhaupt kein Interesse hatte zu erfahren, was sich im DDR-Leistungssport tut - aus persönlichen

Vorsichtsgründen. Man hätte ja dann irgendwann in Zusammenhang gebracht werden können mit Kenntnissen, die sozusagen mit einer ethischen Grundhaltung. wie man sie im öffentlichen Leben verlangte, nicht vereinbar gewesen wäre. Aber ich glaube, daß sehr viele Leute hier bezüglich der DDR-Dopingproblematik Bescheid gewußt haben, die das nie zugeben würden.

Ich meine, daß es im internationalen Hochleistungssport eine doppelte Heuchelei gibt, die darin besteht, daß während der 10 oder 15 Jahre, in denen das DDR-System funktionierte, jeder augenzwinkernd gewußt hat, was sich abspielte, es jedoch hier in der Bundesrepublik nie auch nur im entferntesten zugegeben hat. Wenn man versuchte, darüber zu reden, dann war es ein Problem, als hätte man einen Haufen Unrat auf den Tisch gebracht, für den sich niemand interessierte, weil es politisch brisant war. Aus dieser Sachlage muß man auch Konsequenzen ziehen. Es geht nicht an, für das was sich da an Dopingpraktiken in der DDR entwickelt hat, ausschließlich die dort Betroffenen verantwortlich zu machen, sondern es hätte von anderer

Seite, genauso wie in der Raketenrüsmng oder in anderen sensiblen Bereichen zwischenstaatlicher Beziehungen, Einfluß genommen werden müssen auf das DDR-System mit der Maßgabe, daß die Leute Bescheid wissen, aber, daß man das möglichst abstellen sollte. Vielleicht wäre es dann nicht so ausgeartet." (>>> Protokoll der öffentlichen Anhörung)

 

Im April 2010 wandte sich Alois Mader in einem 'offenen' Brief, den er zwar nicht veröffentlichte, aber an verschiedene, nicht näher benannte Personen, darunter auch Journalisten, versandte, an Gerhard Treutlein und Andreas Singler. Darin leugnete er, in das DDR-Doping eingebunden gewesen zu sein bzw. besondere Kenntnisse darüber besessen zu haben:

>>> Briefwechsel Mader - Treutlein, April/Mai 2010



Frankfurter Rundschau, 31.3.1977:<br>Eine Hexenjagd von zweifelhafter Moral

Am 26. Februar 1977 erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel von Brigitte Berendonk, in dem sie die verbreitete Dopingkultur anprangerte und vor den anabolen Steroiden warnte:

Hormon-Monster statt Athleten: Der Betrug an der ehrlichen Leistung

Der Sport geht über den Rubikon

Mit ihrer teils verdeckten, teils offenen Sanktionierung des Anabolika-Dopings haben sich deutsche Verbände und Sportmediziner endgültig dem internationalen Leistungskrieg um Rekorde und Medaillen ausgeliefert

 

Alois Mader antwortete am 31. März 1977 in der Frankfurter Rundschau:

Eine Hexenjagd von zweifelhafter Moral

Mit der Verteufelung der Anabolika-Gebrauchs wird das eigentliche Problem nur erneut verdrängt Die olympische Idee ist heute ohne Vergewaltigung der

Realität und ohne Heuchelei nicht aufrechtzuerhalten

 



Zitate:

...

Verdrängung der Probleme

In einigen sportlichen Disziplinen scheint es nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis kaum mehr möglich zu sein, ohne Pharmakaanwendung (anabole Steroide) absolute Spitzenleistungen zu erreichen. In anderen ist es wahrscheinlich erheblich vorteilhafter, zu bestimmten Zeiten mit anabolen Steroiden, statt ohne sie zu trainieren. Wegen der weitgehenden Tabuierung im Westen und der Geheimhaltung im Osten ist es jedoch schwierig, ein halbwegs objektives Bild der Situation zu gewinnen. Es geht jedoch nicht an, diese Tatsachen beständig zu verschweigen und beispielsweise einem Sportler ein jahrelanges, anstrengendes Hochleistungstraining im Kugelstoßen aufzubürden, wenn man genau weiß, daß ein Erfolg ohne Anabolika- Einnahme bereits nicht mehr möglich ist.

 

Es erscheint unnatürlich, weil ungewohnt, sportliche Leistungen unter Zuhilfenahme von Pharmaka zu steigern. Da diese Vorstellungen zumindest unbehaglich sind - für viele sind sie unheimlich oder unsittlich -, wäre die Welt wieder in Ordnung, wenn diese Prozedur wenigstens gesundheitsschädlich ist. Dies entspricht jedoch bei nüchterner Betrachtung nicht den Tatsachen.

 

Daß die Kombination Pharmawirkung und körperliches Training zur Verbesserung des Gesundheitszustandes und der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht nur unter dem Berendonkschen Monster- und Horroraspekt gesehen werden kann, zeigt ein Blick auf die alltägliche therapeutische Praxis zum Beispiel von Kurkliniken; sie ist hier durchaus auch im humanen Sinne nützlich.

Das gilt auch für die klinische Anwendung anaboler Steroide zur Förderung des Eiweißaufbaus nach Eiweißverlusten durch Erkrankungen, Operationen, Hunger und sonstigen außergewöhnlichen psychischen und körperlichen Belastungen. Selbstverständlich steigt mit der Einnahme anaboler Steroide auch in diesen Fällen die körperliche Leistungsfähigkeit. Es ist bekannt, daß anabole Steroide bei einer Vielzahl von relativen, d. h. therapeutisch nicht zwingenden Indikationen (in dem Sinne, daß es sich hierbei nicht um definierte Krankheiten handelt) in der Klinik und Praxis angewandt wurden und angewandt werden.

...

Niemand hat behauptet, daß der beliebige Gebrauch von anabolen Steroiden, noch dazu unter ärztlicher Kontrolle, völlig frei von Nebenwirkungen ist. Der Unterschied ist gering, aber wichtig: Es wurde gesagt, daß bei maßvoller Dosierung und zeitlich begrenzter Anwendung die Gefahr langdauernder Nebenwirkungen oder gar bleibender Schäden nach den bisher vorliegenden Erfahrungen kaum zu befürchten ist, da diese, sieht man von den Stimmstörungen bei Frauen ab, auch bei langfristiger exzessiver Dosierung nur selten beobachtet werden.

Statt im Namen ethischer Grundsätze Greuelgeschichten zu verbreiten, sollte man eher darauf hinweisen, daß der leistungsfördernde Effekt der Anabolika im Training spätestens wahrscheinlich dann nicht mehr vorhanden ist, wenn die Nebenwirkungen offensichtlich sind, und daß die Steigerung der Dosis über ein vertretbares Maß hinaus der sportlichen Leistung eher schadet als nützt. Die Verbreitung einiger Kenntnisse über den Mechanismus der Wirkung von anabolen Steroiden könnte wahrscheinlich mehr dazu beitragen, Sportler oder Sportlerinnen davon abzuhalten, in völlig unrealistischer Hoffnung auf Leistungssteigerungen sind mit sinnlos hohen Dosen von Anabolika über sinnloslange Zeit zu traktieren. Dies geschieht meistens aus Unwissenheit und ist durch die Anabolikahysterie eher gefördert als gebremst worden.

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Kennzeichnend für die Nichlobjektivität oder die Unwissenheit von Frau Berendonk ist die Tatsache, wie androgenabhängige Symptome bei der Frau, z: B. Akne vulgaris, Regelstörungen, der Typ der Körperbehaarung und der Ausprägung der Körpermuskulatur, ausschließlich der Anwendung anaboler Steroide und der daraus resultierenden Monstertheorie zugerechnet werden. Es ist bekannt, daß alle diese Effekte bei entsprechender Disposition durch ein sportliches Training selbst hervorgerufen oder verstärkt werden können.

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Wer wie Frau Berendonk, versucht, das derzeit vorhandene Unbehagen am Leistungssport ausschließlich auf die Pharmaka zu konzentrieren und zu emotionalisieren, der leistet eine Verdrängungsarbeit auf Kosten der jeweils Betroffenen und trägt wenig dazu bei, die eigentlichen Ursachen des Problems offen auf den Tisch zu legen.

Diese liegen in der Struktur und den Grundlagen des internationalen Hochleistungssports, der zu der beklagten Entwicklung geführt hat.

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Statt ständig die Pharmazie im Sport zu verteufeln, sollte man sich besser fragen, ob nicht vielmehr eine extreme konstitutionelle Eignung, verbunden mit einer extremen durch Training (mit oder ohne anabole Steroide) hervorgerufenen Anpassung, jenes dem allgemeinen Schönheitsideal widersprechende Erscheinungsbild in gewissen Sportarten hervorruft. Wer die Kugel 22 Meter weit stoßen will, braucht eine entsprechende Muskelmasse, gleichgültig, ob diese durch Training allein oder durch Training und anabole Steroide erworben wird. Das letztere scheint jedenfalls wesentlich einfacher zu sein.

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Das Streben, die äußerste Grenze menschlicher Leistung zu erreichen, war immer das Ziel des Leistungssports, auch wenn man das in der Bundesrepublik nicht mehr wahrhaben will. Weltrekorde hätten sonst keinen Sinn. Das Streben nach einem solchen Ziel unter den gegenwärtigen Bedingungen kann, es muß nicht notwendigerweise inhuman sein, sofern es dem freien Willen der jeweils davon Betroffenen unterliegt. Daß dieses Unternehmen völlig ungefährlich und risikolos ist, wird niemand behaupten wollen.

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von Maki, Februar 2009, Update 7.2010


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