Sicher, diese gnadenlosen Zwangsverhältnisse machen den Unterschied. Doch mir wurde beim Lesen bewusst, wie schmal der Grat ist, auf dem wir uns mit unserem Sportsystem bewegen.
Das DDR-System beruhte auf Unmündigkeit, Abhänggkeit, auf Gehorsam, Ausbeutung und Erpressung. Mündige Sportler waren nicht gefragt. Und unabhängig vom Doping sind Schilderungen dabei, die nur mit Missbrauch zu umschreiben sind, man kann es auch bereits Folter nennen. Das klingt hart aber ähnliche Tendenzen und Beziehungen findet man auch außerhalb totalitärer Staaten.
Viele Trainer / Athleten-Beziehungen basieren auf Repression und Abhängigkeit, auch bei uns. Der 'harte Hund' ist noch immer zu finden, Mitsprache und Widerrede sind nicht unbedingt die Eigenschaften, die man an den Schützlingen am meisten schätzt.
Trainer und Mediziner sind Autoritätspersonen, sie genießen nicht selten uneingeschränktes Vertrauen. Diese Haltung war eine Grundlage der Geschehnisse in der DDR, ihren Anordnungen wurde gefolgt, nach dem Warum wurde nicht gefragt. Diese Haltung war Voraussetzung der im Buch zitierten Schicksale und sie ist Voraussetzung vieler Dopingkarrieren bei uns. Und dieses Nichthinterfragen, die entsprechende Erziehung und Erwartungshaltung, müssen sich daher auch andere aus dem Umfeld der Sportler vorwerfen lassen, auch bei uns.
Das Buch klärt somit nicht allein über Vergangenes auf, sondern es kann helfen, Zusammenhänge zu sehen, Verstehen zu lernen, Gegenwärtiges zu hinterfragen und gibt wichtige Hinweise für die Dopingprävention.