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Saisonbilanz Tenax-Salmilano 2006

von Steamboat, Dezember 2006

&copy Fotos: * Mani Wollner



Ein kleiner Radrennstall aus Italien versucht sich in der Welt des Pelotons zu behaupten. So oder so ähnlich konnte man das Ziel dieser Equipe märchenhaft umschreiben. Der Manager von Tenax-Salmilano, Fabio Bordonali, ließ sich trotz der wenig rosigen Aussichten, angesichts der schier übermächtigen Konkurrenz auch ein Stück vom Kuchen des Radrennsports abzubekommen, nicht entmutigen, auch für 2006 wieder ein ambitioniertes Team auf die Beine zu stellen.

Allerdings war die Mannschaftsleitung um Bordonali und Sportdirektor Flavio Miozzo nicht derart hilflos, wie man nun aus der Einleitung annehmen könnte. Sie probierten, aus den Überbleibseln von Fassa Bortolo etwas Kapital zu schlagen. Mit Erfolg. Mit Fabio Baldato, Paolo Bossoni, Massimo Codol und Roberto Petito stieß gleich ein Quartett zur italienischen Formation Tenax, die ihre Lizenz in Irland registrieren ließ.

Dass Tenax-Salmilano für die vier Akteure erste Wahl war, muss etwas bezweifelt werden, da jeder von ihnen in der Vergangenheit durchaus Erfolg hatte und sich vermutlich bessere Perspektiven erhoffte. Wahrscheinlich litten sie bei der Arbeitsplatzsuche darunter, dass nur drei italienische Teams der PT angehören, so dass zur Kernzeit der Transferaktivitäten der richtige Augenblick für Vertragsverhandlungen und deren Abschluss verfehlt wurde. Anscheinend haben Bordonali & Co von dieser Notlage der Fahrer in mehrfacher Hinsicht profitiert. Besonders Baldato und Petito haben sich durch ihre guten Ergebnisse bei den Kopfsteinklassikern einen Namen gemacht, während Bossoni bei anspruchsvollen Klassikern als aussichtsreicher Kandidat galt. Das konnten gewichtige Argumente in der Bewerbung um Startberechtigungen bei den wichtigen Saisonrennen werden.

Außerdem wurde auch Marlon Perez Arango von Colombia Selle Italia, ein Fahrer, der seine Chancen für die Klassements sucht, verpflichtet.

Das in seinen Grundzügen bestehen gebliebene Team kann hingegen als Konglomerat von Namenlosen und Fahrern, die ihre Zukunft noch vor sich haben, beschrieben werden. Diese Aufstellung schmälerte die Chancen, an PT-Rundfahrten teilzunehmen. Zudem zählten Wildcards für die italienischen Klassiker keineswegs zu den Selbstläufern. Fraglich war ebenfalls, ob die Veranstalter der Flandern-Rundfahrt und / oder Paris-Roubaix sich durchringen würden, diesen Rennstall einzuladen.



Pro Tour

Nur eine Starterlaubnis erhielt Tenax-Salmilano. Wie zu erwarten war, entschieden sich die Giro-Organisatoren gegen eine Einladung, aber auch für Tirreno-Adriatico erhielt man kein grünes Licht. In der Lombardei und bei Mailand-San Remo sah man auch keine Notwendigkeit für eine Einladung. Hingegen erinnerte man sich in Flandern an die Leistungen von Petito im Dress von Fassa Bortolo, der 2005 Fünfter wurde, und erteilte Tenax die Genehmigung zur Rennteilnahme.

Die Delgation zeigte bei diesem Rennen eine starke Leistung. Doch es sollte eben die einzige Möglichkeit bleiben, sich bei einem Monument zu präsentieren. Petito krönte die Teilnahme mit dem zehnten Rang und schnappte sich damit zwei PT-Punkte. Diese Ausbeute muss schon als hervorhebenswert angesehen werden. Andere Professional Teams erhielten mehr Chancen sich zu beweisen, ohne allerdings vergleichbaren Erfolg zu erzielen. Baldato wurde übrigens 41., während Bossoni die Veranstaltung als 49. beschloss.

Andere Veranstalter ließen sich dennoch nicht von der Qualitäten der Tenax-Akteure überzeugen und verteilten keine Wildcards an die Equipe.

* Fabio Baldato


Outside Pro Tour

Trotz einer zahlenmäßig kleinen Mannschaft und trotz der Skepsis der PT-Rennveranstalter in Bezug auf die Fähigkeiten, schlug sich das Team in der Saison wacker. Es ist erstaunlich, welche Erfolge der Rennstall trotz widriger Voraussetzungen erzielte. Man las diesbezüglich einige Namen recht häufig. Neben den genannten ehemaligen Fassa Bortolo Akteuren taten sich besonders Ruslan Pidgornyy und Daniele Pietropolli hervor.

Der erste Saisonsieg war jedoch Petito vorbehalten. Er gewann eine Etappe bei den Vier Tagen von Dünkirchen (2.HC), nachdem er an der Seite Stephane Petilleau (Bretagne Jean Floc´h) eine Flucht bestritten hatte, und ihm im Finish keine Chance ließ. Mit einer halben Minute Vorsprung vor dem Hauptfeld erreichte er das Ziel und übernahm damit die Gesamtführung, die er bis zum Schluss der Rundfahrt mit Hilfe seiner Stallgefährten verteidigte.

Gute Ergebnisse waren im Frühjahr dünn gesät. Es zeigte sich hin und wieder, dass Tenax sich erst finden musste. Als Indiz für die keineswegs immer reibungslose Zusammenarbeit gilt die dritte Etappe des Giro del Trentino (2.1). Eine siebenköpfige Fluchtgruppe hatte sich gebildet, der drei Tenax-Fahrer angehörten, während die anderen Mitglieder dieser Gruppe Einzelkämpfer waren. Letztlich erreichte Pidgornyy den dritten Rang vor Codol und Giancarlo Ginestri wurde Siebter. Aus einer derartigen zahlenmäßigen Überlegenheit muss aber – kritisch betrachtet - mehr gemacht werden. Das Erreichen eines Podiumplatzes kann nur ein schwacher Trost bei so einer Ausgangssituation sein.

Besser machte es da schon Pietropolli beim GP Industria & Artigianato (1.1). Am Ende gab es zwar keinen Sieg zu verzeichnen, aber hinter Damiano Cunego beendete er den Wettbewerb auf dem zweiten Platz. Diesen erreichte er ebenfalls bei der zweiten Etappe des Circuit Lorraine (2.1), als er nur dem Kolumbianer Mauricio Soler nicht folgen konnte. Beim letzten Abschnitt des Circuits konnte auch Gabriele Bosisio einen zweiten Platz einfahren.

Codol gehörte der Delegation an, die bei der Bayern-Rundfahrt (2.HC) an den Start ging. Bei der zweiten Etappe setzte er sich mit einigen Kontrahenten in der entscheidenden Phase ab und verbuchte den zweiten Tagesrang.

Bossoni fiel zunächst dadurch auf, dass er sich in den Dienst des Teams stellte. Eigene Erfolge blieben deswegen aber nicht gänzlich aus. Bei der STER Electrotour (2.1) fuhr er auf eigene Rechnung und sicherte sich bei mehreren Ankünften gute Resultate, darunter je einen zweiten und dritten Rang. Unter dem Strich erreichte er trotz starker Konkurrenz den dritten Gesamtplatz. Bei der Trofeo Citta di Castelfidardo (1.1) schöpfte er sein Potential aus. Er entschied den Wettbewerb für sich. Von ihm muss man solche Siege verlangen dürfen; schließlich hat er schon bessere Tage erlebt und steht noch lange nicht auf dem Abstellgleis.

Baldato lieferte neben dem Resultat bei der Flandern-Rundfahrt einen weiteren Nachweis, noch nicht zum alten Eisen zu gehören. Er genehmigte sich einen Tagessieg bei der zweiten Etappe der Österreich-Rundfahrt (2.1), als er sich gegen zwei Begleiter einer Fluchtgruppe durchsetzte. Pidgornyy erreichte bei der vierten Etappe den zweiten Platz, als er kurz vor dem Ziel Pieter Ghyllebert ziehen lassen musste. Ebenso den zweiten Rang belegte er im Gesamtklassement der Rundfahrt.

Der Ukrainer war aber noch nicht mit seinen Kräften am Ende. Er freute sich bei der gut besetzten Brixia-Tour (2.1) über den dritten Gesamtplatz. Lediglich ein stärkeres Tagesergebnis war hierfür notwendig. Bei der zweiten Etappe wurde er Vierter und verwaltete diese Ausgangssituation geschickt, um bei dieser Rundfahrt auf dem Podium zu landen.

Das Meisterstück gelang ihm bei der Trofeo Matteotti (1.1), die er vor Pasquale Muto gewann. Beide hatten sich vom Verfolgerfeld abgesetzt und machten den Sieg unter sich aus. Pidgornyy behielt anders als Tage zuvor beim GP Citta di Camaiore (1.1) die Nerven und triumphierte. Beim Citta di Camaiore gab er sich nur Luca Paolini geschlagen. Gemeinsam hatten sich beide einen Vorsprung vor dem Peloton erarbeitet, aber der Liquigas-Fahrer agierte abgebrühter. Bossoni komplettierte ein gutes Teamergebnis als Fünfter. Die Erfolgsstory aber ging noch weiter. Pidgornyy griff auch in die Entscheidung beim Memorial Marco Pantani (1.1) ein. Hinter Daniele Bennati und Luca Mazzanti kam er auf den dritten Rang. Mit dem identischen Platz endete für ihn der GP Nobili Rubinetterie – Borgomanero (1.1).

Bei der Regio Tour (2.1) endete die erste Etappe mit einem Sprint. Der junge Claudio Cucinotta bot Danilo Hondo zwar Paroli, wurde aber von diesem auf den zweiten Platz verwiesen, während sein Stallgefährte Pietropolli den fünften Platz einnahm.

* Bossoni bei der Ster-Electro


Zwischen die Speichen gesehen …

Die kleine Mannschaft profitierte von der Verpflichtung von Baldato, Bossoni, Codol und Petito, sie alleine erzielten vier der fünf Teamsiege. Ganz besonders sticht die Performance bei der Flandern-Rundfahrt hervor, bei der sie sich achtbar schlugen und mit dem Resultat von Petito einen Achtungserfolg verbuchten.

Aber das Team hatte weitere Standbeine. Besonders Pidgornyy muss hierbei genannt werden, der sich in dieser Saison einen Namen machte. Allerdings ist er mit 29 Jahren nicht mehr der jüngste Radsportler, so dass ihm nicht mehr viel Zeit für eine große Karriere bleibt.

Die fünf Siege teilen sich auf je zwei Erfolge bei Eintagesrennen und Etappen sowie auf einen Gesamtsieg bei einer Rundfahrt auf. Die Siege waren keine Zufallsprodukte. Sechs Podestplatzierungen (je zwei erste, zweite und dritte Plätze) bei den Eintagesveranstaltungen können notiert werden. Selbst in den Klassements der Rundfahrten machten sich die Akteure breit, wie ein zweiter und zwei dritte Plätze beweisen. Bemängeln lässt sich die Ausbeute bei den einzelnen Tageswertungen. Neben sechs zweiten Etappenplätzen gab es nur einen dritten.

Insgesamt konnte der Rennstall in dieser Saison in der UCI-Mannschaftswertung einen akzeptablen 11. Platz belegen. Im Vergleich zu manchen Teams, die man stärker einschätzen musste, schnitt der Rennstall passabel ab. Pidgornyy erreichte in der UCI Europe gar den zehnten Platz. Unter den ersten hundert Fahrern sind auch Bossoni (32.) und Petito (77.) zu finden.

* Teamwork


Die Top Acht:

Pidgornyy – Petito – Bossoni – Baldato – Pietropolli – Codol – Cucinotta – Bosisio

· Pidgornyy: Der Ukrainer siegte bei der Trofeo Matteotti und bewies auch bei anderen Wettbewerben eine starke Leistung. Am Ende belegte er den zehnten Platz in der UCI Europe-Wertung.

· Petito: Er fiel durch den zehnten Platz in Flandern auf und entschied die Vier Tage von Dünkirchen für sich.

· Bossoni: Auch ihm blieb ein Saisonsieg vorbehalten. Aber er glänzte auch bei einigen anderen Rennen.

· Baldato: Der alte Mann sicherte sich eine Etappe der Österreich-Rundfahrt.

· Pietropolli: Er verfehlte ein Erfolgserlebnis in Form eines Sieges nur knapp. Auf ihn sollte man künftig achten.

· Codol: Blieb hinter den Leistungen der anderen ehemaligen Mitstreiter von Fassa Bortolo zurück, hatte aber bei der Bayern-Rundfahrt eine starke Phase.

· Cucinotta: Er ließ sein Talent bei der Regio-Tour aufblitzen. Er hat bei Tenax die Zeit, zu einem veritablen Rennfahrer zu reifen.

· Bosisio: Er erreichte bei einer Etappe der Circuit Lorraine eine vordere Tagesplatzierung.

Keine Berücksichtigung fand:

· Perez Arango: Er zeichnete sich überhaupt nicht aus und wird nach der Saison abgegeben.



Ausblick

Petito (zu Liquigas) sowie Baldato und Bossoni (beide zu Lampre-Fondital) verlassen die Equipe Richtung Pro Tour. Auch Codol schlüpft nächste Saison in ein anderes Trikot. Dagegen wurden Pietropolli und Pidgornyy gehalten. Die Namen der Neuverpflichtungen sind allerdings nicht so klangvoll wie die der Abgänge. Darin könnte künftig das Problem bestehen, bei PT-Rennen zu starten will.

Die Wildcard in Flandern hatte das Team vor allen Dingen der Verpflichtung von Petito zu verdanken. Das sieht 2007 voraussichtlich anders aus. Die Anzahl der Konkurrenten um Wildcards ist gestiegen. So werden Jartazi, als belgischem Team, oder Wiesenhof, nach der Verpflichtung von Steffen Wesemann, bessere Chancen eingeräumt.

Aber auch für die italienischen Rennen hat sich die Lage verschlechtert. Es bestehen minimale Aussichten, bei Tirreno-Adriatico starten zu dürfen. Panaria oder Acqua & Sapone haben ihre Cards so gut wie sicher. Barloworld muss man gute Chancen einräumen, während Aurum Hotels von den 2006 gestarteten Teams eher schwächer einzuschätzen ist. Stattdessen müssen die Mannschaften der Teammanager Bofaiva bzw. Piscina gefürchtet werden, da sie über bessere Argumente für die Teilnahme verfügen; obgleich abgewartet werden muss, ob sie überhaupt an den PT-Events teilnehmen dürfen. Ein kleines Team wie Tenax, das sich vorwiegend mit unbekannten Fahrern verstärkte, kann jedenfalls schnell in Vergessenheit geraten, wenn den beiden Rennställen (Piscina/Bofaiva) keine hinderlichen Restriktionen auferlegt werden.

Aber vielleicht trotzt Tenax auch 2007 den Skeptikern.


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