von torte, 6.6.2006
Der Auftritt war beispielhaft: Im ZDF-"Sportstudio" stellte sich Jan Ullrich den Fragen von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein. Gleich zum Auftakt die Frage zum Thema „D": „Wie naiv muss man sein, um an einen sauberen Radsport zu glauben?"
Gegenfrage: Wie naiv muss man sein, um auf eine solche Frage eine erhellende Antwort zu erwarten? Von Jan Ullrich?
Darf man von der Moderatorin eines der wenigen Sportsendungen mit journalistischer Tradition - dazu noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – verlangen, sich ein paar Gedanken zu ihren Gästen zu machen? Und wenn man das nicht kann, darf man es von den im Hintergrund recherchierenden, die Sendung vorbereitenden Kollegen? Wie schwer ist es - bei ein bisschen eingesetztem Menschenverstand! auf Fragen wie diese zu kommen:
„Herr Ullrich, fühlt man sich als Radprofi von dopenden Kollegen betrogen? Wenn ja, warum protestiert dann niemand öffentlich gegen Fahrer, die ihre Leistung gedopt erbringen?"
oder:
„Sie sind lange mit Alexandre Vinokourov und Santiago Botero in einem Team gefahren. Ist Ihr Vertrauen in diese Kollegen durch die Fuentes-Affäre erschüttert?"
oder diese:
„Wie steht es mit Oscar Sevilla – fragen Sie ihn, was es mit seiner Zusammenarbeit mit Fuentes auf sich hat?"
oder auch diese:
„Würden Sie die Mannschaft von Manolo Saiz von der Tour ausladen? Warum fordert diesen Schritt keines der anderen Proftiteams, müssten diese doch befürchten, Betrugsopfer zu werden?"
vielleicht auch die hier:
„Sie haben im Winter mit Danilo Hondo trainiert – was halten Sie von seiner Klage gegen seine Dopingsperre? Ist das der richtige Weg für einen Sportler, mit positiven Dopingproben umzugehen?"
oder mal so eine:
„Die Anzahl der Trainingskontrollen in den einzelnen Ländern soll sehr unterschiedlich sein. Wird das unter den Fahrern thematisiert?"
auch nicht schlecht:
„Wundert man sich im Peloton über Kollegen, die plötzlich um den Sieg mitfahren, obwohl sie niemand auf der Rechnung hatte?"
und weil’s so schön passt:
„Sie haben mehrere bittere Niederlagen gegen Lance Armstrong einstecken müssen bei der Tour de France. Verfolgen Sie die Untersuchungen zu seiner angeblich postiven Dopingprobe aus dem Jahr 1999?"
Um aus den Antworten ein aufschlussreiches Gespräch über das Thema Doping und den Umgang damit zu gestalten, muss man nicht Journalismus studiert haben. Es wäre also möglich gewesen. Selbst für Frau Müller-Hohenstein.