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Henninger 2006 - Mein erstes Radrennen

von Wolfsfrau



Vorbereitungen

Nachdem ich im September im Jahre domini 2005 in einem Anflug von existentieller Midlife-Crisis den Entschluss fasste,mich körperlich doch endlich mal wieder zu betätigen und nun regelmäßig unsere hiesigen Waldwege per pedes unsicher machte, kam mein Göttergatte auf die Idee, auch meine Füße auf zwei Pedale zu hieven. Sich dem zu widersetzen war mir nicht möglich, seine Argumente waren einfach zu gut.

 

Erst wurde ein Rennrad und die dazugehörige Montur als Grundausstattung gekauft, was sich als an sich schon anstrengend und kostspielig entpuppte, waren wir doch wochenlang unterwegs und suchten sowohl die richtige Rahmengröße fürs Rad und mich als auch für Hose und Trikot (bei meinen Maßen echt schwierig! Frauengerechte Bekleidung, also für Frauen MIT Brüsten, und Räder scheinen `ne richtige Marktlücke zu sein.). 

 

Nach einem 20-km-Probelauf, ähhh, Probefahrt auf meinem neuen Rad hatte mich sofort das „Fieber“ gepackt. Es ist einfach ein geiles Gefühl, bergab in den Rausch zu geraten, wenn der Tacho jenseits der 40 km/h anzeigt. Augenzwinkern  Aber ich schweife ab….

 

Aufgrund von mangelnden Trainingseinheiten (mein Laufpensum musste ich infolge einer Verletzung an der Ferse auf 0 runterschrauben, dafür konnte ich fast schmerzfrei radeln…) versuchten wir uns wenigstens durch akribische Planung auf das Jedermann-Rennen „rund um den Henninger Turm“ vorzubereiten.

 

Fragen über Fragen wurden in verschiedenen Foren gestellt und dort auch Gott sei Dank beantwortet. Eine Einkaufstour jagte die nächste, bis die generalstabsmäßig abgelaufenen Vorbereitungen endlich als abgeschlossen betrachtet wurden. An dieser Stelle verschweige ich hoheitsvoll die außerhalb des ursprünglichen Zeitplanes, also quasi nach der Deadline, erstandenen Regenjacken.



Vor dem Rennen

Ein lieber Bekannter (das „,alter“ lass ich weg, er könnte diesen Artikel finden und lesen fiesgrins ) gewährte uns vom 30. April auf den 01. Mai Obdach und ein gemütliches Abendessen bei seinem Lieblings-Italiener. Von daher fuhren wir am Sonntag Nachmittag schnurstracks erstmal zum Dorint-Hotel, um unsere Startunterlagen abzuholen. Wenn wir gewusst hätten, dass dort derart viele Jedermänner in formvollendeten Rennoutfits herumlaufen, hätten wir uns wohl auch noch in unseren schicken Dress geschmissen… so aber mussten uns die Veranstalter und Mitstreiter in Räuber-Zivil ertragen. Die „Nudelparty“ fand im großen Saal des Hotels und davor statt. Ich für meinen Teil fand das alles viel zu hektisch, laut und voll, von daher konnte ich den Run auf die Nudeln weder teilen, noch lange ertragen. Mein Schatz hatte dafür Gott sei Dank Verständnis und wir fuhren zügig weiter zu unserem Gastgeber (noch einmal vielen herzlichen Dank für den tollen Abend!). Mein Abendessen bestand aus phantastisch schmeckender Pasta und viel Apfelsaftschorle.

 

Die darauf folgende Nacht verlief für mich sehr ungewöhnlich, obwohl ich sonst immer gut bei unserem Bekannten schlafe (das Bett kenn ich), kam ich diesmal einfach nicht zur Ruhe. Wilde Phantasien plagten mich in Bezug auf das große Ereignis des nächsten Tages.

Meine Gedanken galoppierten zügellos in eine Richtung, die ich absolut nicht wollte und die bald in Panik ausarten würde, als ich dann endlich gegen 02:30 Uhr morgens ein Machtwort mit mir sprach und nach knapper Meditation tatsächlich einschlief.

 

Der kurze Schlaf endete dann aber schon um 06:30 Uhr mit dem Gang ins Bad. Meine Gedanken hatten sich beruhigt, dafür fing mein Magen jetzt an zu rebellieren. Nun gut, denk ich mir, das bekomm ich auch noch in den Griff. Graffity ging es zu meinem Leidwesen ganz genau so, der verzichtete sogar komplett auf seinen sonstigen morgendlichen Kaffee. 

Das frische Obst mit ein wenig Müsli und Milch verschaffte mir erstmal ein wenig Ruhe, doch der liebevoll zubereitete Kaffee, den ich dann doch nicht ablehnen wollte, rumorte innerhalb kürzester Zeit in meiner Körpermitte. Der Weg zum Klo war zwar kurz, aber heftig. [Achtung Ironie!]: Montezumas Rache ist der beste Ansporn für ein sportliches Großereignis… [Ironie Ende]

 

Zum Glück hatten wir keine Zeit mehr für weitere Toilettenbesuche, unser Zeitplan sah keinerlei Verzögerungen mehr vor. Ein kurzer Abschied vom Gastgeber und schon gings los in Richtung Radrennen.

Im Auto gab es nur ein Thema: das Rennen und alles drum herum. Je weiter wir Richtung Frankfurt und damit dem MTZ kamen, desto bedeckter wurde der Himmel. Vom strahlenden Sonnenschein bei unserem Start, rotteten sich immer mehr Wolken überm MTZ zusammen. Die Außentemperatur wurde kritisch auf dem Bordcomputer beobachtet, da stand tatsächlich 10°C!!! Das waren immerhin schon vier Grad mehr als am Vortag.

Am MTZ angekommen, bauten wir die Räder zusammen, packten die Verpflegung in die Trikottaschen, die Flaschen in die Halter, noch ein paar schnelle Fotos und dann aufs Rad zum warm fahren, welches sich ein wenig schwieriger gestaltete, als gedacht, jedenfalls für mich. Die Runden wurden immer enger gefahren, der Platz zum warm fahren immer weniger.

Wenigstens die reichlich aufgestellten Klohäuschen waren innerhalb einer recht kurzen Wartezeit benutzbar und auch Klopapier (danke für den Tip!) war noch reichlich vorhanden.  Soweit alles im grünen Bereich.

Dort vor den Toliettenhäuschen trafen wir auch die C4F-ler, die uns komischerweise gleich erkannten… (woran eigentlich??? Augenzwinkern!).

 





Start

Von der Startaufstellung im Block P (also die „wirklich-ganz-ganz-hinten-Starter…“) war ich angenehm überrascht. Da knuddelte ein Pärchen vor sich hin (sie bekam Unterstützung in Form von aufmunternden Worten und Klapse auf die Schulter von ihrem Partner, war wohl ihr erstes Rennen fiesgrins ), hier quatschten ein paar Fremde miteinander, dort begutachtete man wohlwollend die Räder der anderen Fahrer und Fahrerinnen. Ein netter Plausch mit zwei mitfahrenden Damen begleitete die Fahrt an die Startlinie (welche wir ganz hinten nur ahnen konnten). Dafür dröhnte der direkt über unseren Köpfen angebrachte Lautsprecher in unerhöhter Lautstärke „Highway to Hell“, ich denke mir: „toll, das passt jetzt aber wirklich, ich muss schon wieder aufs Klo!“. Das verkneif ich mir allerdings, ich kenne schließlich mein Talent kurz vor knapp noch mal „kurz was zu erledigen“ und dann das Ereignis an sich zu verpassen.

Man wünscht sich noch gegenseitig viel Glück und gute Fahrt, dann geht es nach gefühlten zehn Minuten nach dem Startschuss im Pulk los.

 

Diese Situation war für mich der größte Horror, davor hatte ich am meisten Angst. In einer Menschenmenge fühle ich mich auf meinen eigenen Füßen schon nicht wirklich wohl, auf dem Rad allerdings, dachte ich, wird mir das sicher zum Verhängnis… Falsch gedacht, zu meiner Überraschung nahmen die anderen Teilnehmer viel Rücksicht und ließen mir die fünfzehn Zentimeter um mich herum, damit ich mich sicher fühlen und damit auch befreit in die Pedale treten konnte.

Als ich die Zeitmatte überfuhr, legte ich einen etwas größeren Gang auf und an Tempo zu.



Das Rennen

Aus dem MTZ raus ging es lang gezogen bergab in Richtung Frankfurt. Ein wenig konsterniert bezüglich rechts überholender Mitstreiter jagte das Teilnehmerfeld in für uns horrendem Tempo jenseits der 40 km/h auf ebener Strecke der ersten Biegung entgegen. Mein Schatz rief mir zu, ich solle nicht so schnell fahren, die Kraft würde uns am Ende sonst fehlen…

 

Also ließ ich mein Rad ohne weiteren Antrieb rollen und bremste vor der ersten Rechtsbiegung ein wenig ab, nach diesem ersten Engpass folgte ein nicht Vorhersehbarer. An der zweiten Rechtskurve hatte es einen heftigen Unfall zwischen einem Golf und noch einem Verkehrsteilnehmer gegeben, und sowohl die für das Rennen abgestellten Polizisten als auch die nicht benötigten Sanitäter, riefen uns unüberhörbar zu, dass wir auf die umliegenden Glasscherben achten sollten und links weiträumig am Rettungswagen vorbeifahren sollten.

 

Nach dieser Stelle kam ich weder in meinen Rhythmus, noch auf mein Starttempo zurück. Hinter der Abbiegung nach Hattersheim hatte ich den Anschluss an meinen Lebens- und Trainingspartner vollends verloren und kam auch für die nächsten Kilometer nicht wieder heran. Dabei spielte eigentlich weder die Strecke noch die sanften Anstiege eine große Rolle, mir war nicht klar, warum ich nach so kurzer Zeit einen derartigen mentalen und körperlichen Einbruch verzeichnen musste.

Hatte ich am Anfang noch das berauschende Gefühl gehabt, dass mir selbst mein stärker, schneller und besser fahrender Göttergatte nicht das Wasser reichen konnte, deprimierte mich jetzt schon ein relativ geringer Abstand zu ihm, den ich nicht aufzuholen vermochte. In mir kroch Wut hoch…, auf mich, auf das Rennen… ich dachte: „wie bescheuert muss frau eigentlich sein, um sich auf solch ein Abenteuer einzulassen, wenn frau doch ganz genau weiß, dass so was NIE gut gehen kann!!!“.

 

Zwischen Lorsbach und Kelkheim schloss ich zu meinem Schatz wieder auf, dummerweise verschlossen mir sowohl meine Wut als auch mein Puls in Höhe von (schon wieder beruhigten) 189 Hfz meinen sonst so geschäftigen Mund. Gut für ihn, bitterböse für mich.

Mein Herzblatt zog lieber wieder ab (was ich gut verstehen kann), und ich fiel vollends ins schwarze Loch und in der Geschwindigkeit ab.

 

An der Burgstraße (das war doch da, oder?) gab es eine Sprintwertung, Massen von Menschen jubelten meinem Schatz zu, der sich derart motiviert noch mal richtig ins Zeug legte. Bis ich dann den Anfang der Menschenmenge durchfuhr hatte der Applaus schon wieder nachgelassen, doch als ich mich herzlich lächelnd für die einzelne Unterstützung am Beginn der Sprintwertung bedankte, brandete erneut ein riesiger Jubel auf, den ich gekonnt mit einer hoheitsvoller Geste des rechten Handgelenks quittierte… das wiederum beschert mir noch mehr Applaus. Wahnsinn, dachte ich, mein Adrenalinspiegel stieg sprunghaft in rauschende Höhen.

 

Dieser Motivationsschub brachte mich die nächsten Meter nach vorne. Leider ließ die Motivation nach einiger Zeit wieder nach. 

In Kelkheim an der ersten markierten Steigung sah ich, dass auch andere ihr Rad schoben, nicht allzu viele, nur einige, quasi nur noch einer, aber immerhin… mir ging es nicht alleine so! An der Strecke standen sehr liebe Leute, die mich anfeuerten, das half mir noch ein paar Meter weiter, am oberen Drittel jedoch musste ich schieben. Welch eine Schmach! Mein gequältes Grinsen spornte noch mehr Leute an, mich anzufeuern…

 

Am Ende der Steigung wartete auch schon mein Göttergatte auf mich und ich nutzte die kurze Gehpause dazu, meine Jacke im Trikot zu verstauen, jedenfalls dachte ich, dass mir dies gelungen sei. Gemeinsam stiegen wir wieder aufs Rad und machten uns auf den restlichen Weg zum MTZ.

Mit einem Mal hörte ich von hinten einen erschrockenen Ruf meines Herzblattes, „deine Jacke hat sich im Hinterrad verfangen…“, ich griff nach hinten und versuchte meine Jacke aus den Speichen zu ziehen, was mir nicht wirklich gelang. Hinter mir brüllte mein Schatz: „Anhalten!!!“ dem folgte ich unmittelbar. Mit einem Fluch auf den Lippen stoppte ich das Rad, zerrte meine Jacke heraus (hier konnte ich meine Wut endlich auslassen und siehe da, die Jacke war zwar dreckig ohne Ende aber heil geblieben…) und stopfte sie nun kompakter gerollt in die Mitteltasche meines Trikots. Das hielt dann bis zum Ziel.

 

Mein Herzblatt teilte mir seinen Entschluss, die 75 km auf 35 km zu verkürzen, mit. Dieser Umstand ließ mich den ganzen Druck, die Wut und alles andere Negative komplett vergessen. Locker und befreit trat ich in die Pedale, glücklich, dass ich endlich sowohl mein inneres Gleichgewicht, als auch meine körperliche Form wieder gefunden hatte. Ich bot meinem Herzblatt großzügig an meinen Windschatten zu nutzen, verlangsamte die Fahrt ein wenig, doch er bedeutete mir, ich solle einfach weiterfahren. Wir verabredeten, gemeinsam durchs Ziel zu fahren, doch als es dann so weit war, fuhr mein Schatz ein wenig voraus, damit wir einzeln fotografiert würden und hier ist das Ergebnis:





Nach dem Rennen

Von links: "Herzblatt" Graffity, Wolfsfrau und Niggel (Foto: MrsFlax)

Ich folgte G. durchs Ziel und zur Medaillenausgabe. Nachdem wir uns ein wenig ausgeruht hatten, je ein Wasser und einen Kakao eingesackt hatten, verstauten wir unsere Räder im Auto und dann kam auch endlich ein flüchtiges Gefühl von Stolz auf. Wir hatten es geschafft! Und, das Wichtigste: wir hatten keinen Besenwagen gesehen! Ab und zu war mal ein Polizeimopped an mir vorbeigerauscht und ich dachte mir, wenn du dich jetzt umdrehst und den Besenwagen siehst, dann gibste einfach auf! Doch als ich mich umdrehte: da war kein Besenwagen…

 

Weil ich das ganze Rennen eigentlich nur noch an den Beinen gefroren hatte (ich besitze noch keine Beinlinge…) stürzte ich mich in warme Klamotten und dann mit meinem Schatz in die Zipfelmützen. Das wärmte die verfrorenen Ohren und war gleichzeitig ausgemachtes Kennzeichen für alle Forums-Teilnehmer, die mit uns ein After-Race-Bierchen trinken wollten.

 

An dieser Stelle einen wunderbaren Dank an Fraenki mit Frau/Freundin und Schwester (ähem, räusper… war doch so, gelle Augenzwinkern !?), wowbagger für das kurzweilige Gespräch (nächstes Jahr wieder!), Niggel für die kurze Ansprache und die Verwechslung fiesgrins

 

Wir haben uns dann recht zeitig verzogen, da bei mir sowohl der Adrenalinschub nachliess als auch die Sehnsucht nach Saunawärme stetig stieg. Noch schnell die Urkunden abgeholt, ähhh, nun ja, noch fix ans Ende der Schlange angestellt, der Ausdruck ging dann wirklich sehr flott und da kam die nächste Überraschung: ich war weder Letzte, noch stand da, dass ich zu langsam gefahren wäre… glücklich über diesen Umstand brachen wir dann Richtung Sauna in heimatlichen Gefilden auf.



Fazit

Nicht mehr ohne entsprechende Vorbereitung!!! Und: vorher genauer absprechen, wie die Taktik im Rennen dann sein soll. Denn so stand ich mir mehr selbst im Weg, als meinem Göttergatten hilfreich zur Seite. Ich denke, wenn vorher klar gewesen wäre, dass jeder sein Rennen fährt, dann wäre vermutlich auch mein Puls nicht derart eskaliert (bei einer „normalen“ maximalen Hfz von 182, zeigte mein Pulsmesser an einer kurzen Steigung 210 an!!!). Danach war sowieso nix mehr mit mir anzufangen und das Rennen genießen ist für mich auch etwas anderes. Erst, als der ganze Druck von mir abfiel (kurz vor dem Abzweig zum MTZ), fand ich die Tour ganz gut. Aber: suboptimale Taktiken sind dazu da, verbessert zu werden…

 

Damit wir uns nicht falsch verstehen: meine letzten regelmäßigen Leibesübungen hatte ich im zarten Alter von 12 Jahren einstellen müssen. Daraus ergibt sich in etwa eine sportlose Zeit (ich spreche hier von regelmäßigem Training mit mindestens zwei, drei Einheiten pro Woche) von fast dreißig (in Ziffern: 30!!!) Jahren… und demnach eine entsprechende konditionelle und physische Verfassung, nur durch das Laufen konnte ich ein wenig Fett ab und Muskeln aufbauen. Durch die verletzungsbedingte Pause war das aber wieder schnelle hinfällig. (Eine Entschuldigung dafür, dass ich/wir das 35-km Rennen nicht gewonnen haben, muss doch einfach sein, gelle? Augenzwinkern !!!)

 

Für diese Voraussetzungen lief es eigentlich noch ganz gut.


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