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Premiere am Henninger Turm 2006

von Graffity



Vorwort

Als mein Arzt mir letztes Jahr empfahl, mein angegriffenes Knie durch Radfahren zu kräftigen, erinnerte ich mich daran, dass in der Garage noch ein Rennrad fast neu seit einigen Jahren vor sich hin schlummerte. Also entfernte ich die Spinnweben und fing an zu fahren. Zusätzlich ergab sich der Umstand, dass in meinem Arbeitsumfeld der ein oder andere Radler zu finden war und schon ist man mitten im Thema.

Auch das Rennen „Rund um Köln“ (gestartet in Leverkusen) führt fast an unserer Haustür vorbei. Der Gedanke ward geboren, mal bei der Challenge mit zu fahren. Die Sache hat nur zwei Haken: Erstens, Ostermontag ist super früh im Jahr und man muss auch den Winter durch trainieren. Zweitens ich schaffe derzeit bereits den ersten großen Anstieg im Bergischen Land nicht. Also, vor einem solchen Wagnis stehen da noch etliche Trainingseinheiten.

Inzwischen war auch meine zweite (bessere?) Hälfte aufs Rad gekommen.

Da begab es sich, dass die Organisatoren vom „Henninger Turm“ ein Einsehen mit solchen Radlern wie mir hatten und neue Strecken mit dem Prädikat „flach“ ins Programm nahmen. Das ist es! Da unsere Trainingseinheiten (bisher) 25-28 km umfassen, dürften 35 km für uns kein Problem darstellen. Auch 75 km erscheinen machbar, da die Strecke jenseits des 33 km-Abbiegepunktes dem Profil nach praktisch eben ist. Also: melden oder nicht melden? Am letzten Tag der Frist haben wir (meine Frau und ich) uns für die 75 km gemeldet, allerdings mit der Option, ggf. auf die 35er zu wechseln, wenn irgendwas nicht passt. Wir gaben einen Schnitt von 22 km/h an, da wir erstens die Strecke nicht kannten und zweitens uns aus den ehrgeizigeren Startgruppen raushalten wollten.

 

Meine Horrorvorstellung entsprach einer klassischen Filmszenerie: Ich fahre auf der letzten Rille und werfe einen Blick nach hinten. Direkt hinter mir ist der riesige, dunkle Schatten des Busses. Durch die Frontscheibe ist überdeutlich der diabolisch grinsende Fahrer zu sehen. „Früher oder später kriege ich euch…!“ – Doch zurück in die Realität…

 



Vorbereitung

Gute Vorbereitung ist (fast) alles!

Wissend, dass wir eigentlich viel zu wenig gefahren sind bisher, versuchten wir, die fehlenden Trainingskilometer durch perfekte Organisation auszugleichen (im Forum nachzulesen). Davon abgesehen fehlte uns auch jegliche Erfahrung mit solchen Veranstaltungen und was da so alles zu beachten ist. Was muss man vorbereiten, was mitnehmen, welche Verpflegung, wie viel davon, … die Liste wurde immer länger. Der erste Grundsatz lautete: wenn es regnet, dann schreiben wir unsere Meldegebühr ab und bleiben trocken. Schließlich legten wir uns doch noch kurzfristigst zwei Tage vor dem Rennen entsprechende Regenjacken zu…

Ach ja, seit Tagen aßen wir alle unsere Teller leer, um das Wetter positiv zu beeinflussen!

 



Anfahrt

Sonntag wurde das Auto (glücklicherweise ein Kombi) gepackt, um zu einem Bekannten in der Nähe Frankfurts zu fahren, bei dem wir unser Nachtquartier aufschlagen wollten. Ich hatte das Gefühl, zwei Wochen Urlaub hätten weniger Gepäck benötigt! Aber wir waren für alle möglichen Fälle gerüstet.

Das Dorint-Hotel war problemlos zu finden und da waren sie: Massen von Radfahrern, die augenscheinlich alle besser sind als wir! Die Startunterlagen-Ausgabe war schnell erledigt. Auf die Nudelparty verzichteten wir, denn wir hatten ein privates Nudelevent mit unserem Gastgeber vor uns.

 



Renntag

Das erste, was mir nach dem Aufwachen auffällt, ist ein gleichmäßiges Geräusch. „Mist“ denke ich „es regnet“. Doch dann registrieren meine noch halb schlafenden Gehirnwindungen: „da tropft nichts, das ist eine Uhr!“ Schnell mal einen Blick aus dem Fenster, das sieht nicht schlecht aus. Es scheint aufzuklaren, na bitte! Unser Frühstück besteht aus einem Müsli mit frischem Obst. Kaffee will ich meinem ohnehin etwas flauen Magen nicht antun. So, nun wird’s Zeit, zum MTZ zu fahren. Ob das Wetter hält?

Wir haben einen suuper Parkplatz fast direkt an der Startzone gefunden und bereiten uns vor. Nummern anbringen, Reifen nochmals prüfen, Flaschen in die Halter. Ich entscheide mich kleidungstechnisch für die kurze Hose, Funktionsshirt und Trikot, verstärkt durch Armlinge. So, nun mal ein wenig warm fahren (neue Rechtschreibung!), das ist auch dringend nötig bei der herrschenden Frische! Wir treffen die anderen C4F-ler, zumindest die, die noch nicht in ihrem Startblock stehen.

Boah ist das kalt, ich entscheide mich, mit einer Weste weiter aufzurüsten. Bei der Gelegenheit wird die Verpflegung verstaut (2 Powerbars, 2 Bananen und ein Gel für alle Fälle), es kann auch nicht schaden, darüber hinaus noch schnell eine Banane direkt zu sich zu nehmen. So langsam wird es ernst…

 



Taktik

Wir haben zwei Ziele: Erstens, HEIL IM ZIEL ANKOMMEN und zweitens, hoffentlich das geforderte Zeitlimit am km33 einzuhalten.

Wir haben beschlossen, zusammen zu fahren, um uns gegenseitig zu unterstützen. Kurz vor der Kontrolle bei km 33 wollen wir nach unserem Zustand entscheiden, ob wir die 75 oder doch nur die 35 fahren. So weit die Theorie…

 



Start

Jetzt gibt es kein zurück mehr!

In unserem Startblock P (letzter) stehen bunt gemischte Radler: Rennradfahrer, Mountainbiker, Tandems, selbst Tourenrad-Fahrer sind dabei. Nach dem Vorrollen zum Start gesellen sich weiter hinten noch die Bonanzaräder dazu. In der letzten Wartephase scheppert die Box neben uns „Highway to Hell“ und „We will rock you“ – irgendwie passt das ja…

 

Dann geht es los und wir fahren endlich. Nach der Kurve hinaus auf die Bundesstraße wird das Tempo angezogen. Es geht leicht bergab. Wir haben vorher vereinbart, dass wir uns nicht an der ersten Hatz beteiligen wollen, trotzdem fahren wir selbst jenseits der 35 km/h. Hier und da sprinten die ersten an uns vorbei, warum sind die denn nicht weiter vorne gestartet?  Ich rate Wolfsfrau, nicht so schnell zu fahren, um die Kräfte einzuteilen. Die erste Engstelle ist auch noch von einem Verkehrsunfall zusätzlich verengt, langsam geht’s um die Ecke. Das Tempo ist zwar hoch, aber der Puls im Trainingsbereich. Ich fühle mich gut. So langsam überlege ich, mich einer Gruppe anzuschließen, die etwa mein Tempo fährt. Ich schaue mich um, W. ist ca. 15 m hinter mir. Kann sie mitfahren? Ich lasse es lieber.

 

Locker fahre ich den ersten kleinen Anstieg hoch. Hey, das geht ja besser als gedacht! W. fällt bei Anstiegen immer etwas zurück, das ist normal und sie fährt in den flachen Stücken normalerweise wieder ran, kein Problem. Nach dem nächsten Anstieg drehe ich mich um, ja, da hinten ist sie, gut zu erkennen mit ihrem roten Helm und der roten Jacke. Ich nehme etwas Fahrt weg, um ihr Gelegenheit zu geben, aufzuschließen. Ich werde von einigen Fahrern überholt, darunter auch zwei Boanzaräder. Ich drehe mich nochmals um. Wo ist sie denn? Nicht zu sehen. Ich fahre mal ein Stück normales Tempo, hier geht’s ja wieder hoch und ich möchte nicht ohne Schwung hoch. Aber am nächsten Flachstück wird W. aufschließen, sie hat mehr Trainingskilometer und fährt stetiger als ich. Ich drehe mich um und sehe sie wieder, ca. 100 m hinter mir – na bitte! Wieder überholen mich mehrere Fahrer, darunter eine Dame mit rotem Helm und roter Jacke. Ich denke mir nichts dabei…

 

Ich drehe mich wieder um, hmm wo isse denn??? Da hinten ist jemand mit rotem Helm und roter Jacke. So langsam dämmerts mir, davon gibt es mehrere! Ich nehme noch etwas zurück, ja, diesmal ist sie es bestimmt. Huch, hier kommt eine Sprintwertung. Na dann mal wieder ein glaubhafteres Tempo. Weit und breit niemand, mit dem man um die Wette durch den Bogen sprinten kann. Naja, dafür gibt es Applaus und anfeuernde Rufe der Zuschauer. Ich bin zwar nicht mehr taufrisch, aber soweit fühle ich mich noch gut. Hinter mir höre ich einen großen Jubel, W. muss gerade durch das Tor gesprintet sein.

 

So langsam tut mir der Allerwerteste weh, das hatte ich doch im Training nicht!? Erstmals schalte ich meinen Compi von Durchschnittsgeschwindigkeit auf Tageskilometer um – 18 km… . Endlich schließt W. auf. Auf meine Frage nach dem Zustand erhalte ich praktisch keine Antwort. Au weia! Nicht mal ein Fluch verlässt ihre Lippen, völlig untypisch, die Lage muss ernst sein. Ich gebe zu, auch mir hatte die Strecke inzwischen stark zugesetzt, mein Puls geht bei Anstiegen inzwischen deutlich in Richtung 180, dafür mein Tempo ebenso deutlich nach unten. Mein Entschluss steht bereits fest, ich habe die 75 km weder in der Lunge, noch im Hintern, das einzige was fit ist, sind die Beine. Ich teile W. meine Entscheidung mit, um sie zu motivieren und erhalte – keine Reaktion. Ich glaube, ich sollte bei den nächsten Anstiegen nicht zu weit wegziehen…

 

An einer Kreuzung gesellen sich zwei private Rennradfahrer dazu mit den Worten „das sind die Jedermänner, da können wir locker mitrollen…“. BINGO, an die kann ich mich am gerade beginnenden Anstieg dranhängen, ich warte dann oben wieder. Die Freude währt keine 200 m. Tja, die sind ja noch frisch… . Ich nutze die nächste flache Stelle um anzuhalten und meine Kontaktlinse gerade zu rücken, die mich schon eine ganze Weile nervte. W. schließt wieder auf. Die nächste Steigung zu einer Kreuzung fahre ich so ziemlich am Limit. Meine Lockerheit ist inzwischen verschwunden. Dann kommt auch noch Gegenwind. Eine kleine Gruppe fährt 50 m vor mir. Es gelingt mir, in deren Windschatten zu kommen. Als es weiter aufwärts geht, kommt deren Tempo mit meinem Rhythmus nicht mehr hin, ich überhole. Dann biegen wir rechts ab und es geht bergab. Ah, hier kommen die anderen, die sich die Berge angetan haben dazu.

 

Ein C4Fler fährt an uns vorbei und begrüßt uns. Kurzfristig kommt ein wenig Motivation zurück, nachdem wir nun permanent von hölleschnellen 100ern überholt werden. Und das Schlimme: es geht wieder ziemlich penetrant aufwärts. Ich verfluche still mein Rad, mit einem dritten, kleinen Kettenblatt wäre mir sicher geholfen. Es kommt zum GAU, mit einem Puls von fast 190 steige ich ab und gehe die restlichen 100 m am rechten Straßenrand. Selbst die gut gemeinten Anfeuerungen der Zuschauer erreichen mich nicht mehr. Hinter mir geht es W. genauso. Sie nutzt die Zeit, ihre Jacke auszuziehen und in der Trikottasche zu verstauen. Dann steigen wir wieder auf und so langsam geht die Tendenz der Strecke in Richtung eben oder abwärts. „Würde ich den Anstieg am Henninger Turm fahrend schaffen?“ Eher nicht. Blamieren will ich mich schließlich auch nicht, es bleibt dabei: 35!

 

Nun kommen die ersten Abfahrten, eine Erholung – aber das ist auch gewaltig frisch! Nur jetzt nicht am Fuß des Gefälles zu spät bremsen und abfliegen – es funktioniert. Die Stelle kenne ich doch – die Kopfsteinpflastersteigung! Ich dachte,  die käme erst hinter der 33er Kontrolle. Jetzt Schwung holen und hoffen, dass der bis oben reicht. Immerhin überhole ich nun auch mal jemanden! Der Schwung reicht nicht und ich habe einen großen Gang drin. Die letzten Meter wieder walking… Auch W. tut es mir gleich, immerhin sind wir beisammen. Das lässt einen die Schmach ertragen. So, jetzt geht es fast nur noch bergab, oder nicht?

 

Ständig fliegen jetzt Gruppen mit einem Höllentempo vorbei, wie machen die das? Obwohl eine vierspurige Straße zur Verfügung steht und wir zwei rechts hinter einander fahren, werden wir mit ca. 5 cm Seitenabstand überholt, einmal ist W. sogar am Arm gestreift worden. Muss das sein? Am Ende des Feldes wurde da deutlich rücksichtsvoller gefahren!

 

So, nun müsste langsam mal die Abbiegung kommen, die uns zum MTZ zurückführt. W. fährt inzwischen vorne, sie hat wieder Power, im Gegensatz zu mir. Ein ungewohntes Geräusch schreckt mich hoch. Woher kommt das? Ich blicke nach vorn und sehe, dass sich W.s Jacke aus der Trikottasche verflüchtigt und am Hinterrad schleift. Ich rufe es ihr zu und sie versucht, das Teil wieder in der Tasche zu verstauen. Es misslingt und die Jacke verfängt sich richtig im Hinterrad. Ich rufe „anhalten!“, denn ein Sturz ist sonst nur noch eine Frage der Zeit.

 

Nach diesem Schreck halten wir Ausschau nach der Abbiegung. Hmm, die 33 sind doch schon vorbei, 34 auch, haben wir etwa die Kreuzung übersehen? Aber schließlich erscheint unübersehbar ein überdimensionales Hinweisschild und dann die entsprechende Kreuzung. Auch per Lautsprecher wird auf die Trennung hingewiesen, also nicht zu verpassen. MTZ wir kommen! Nach ein paar Metern können wir das Dorint sehen, gleich sind wir da. Wir verabreden, gemeinsam durchs Ziel zu fahren. Wir werden von einer schnellen Dame überholt, die gehört bestimmt zum 65er Rennen. Wir lassen sie ziehen.  So, die Abfahrt zum MTZ ist durchfahren, um die Ecke, da ist das magentafarbene Tor. Nochmal das Trikot geradegezogen für das Zielfoto – aber da ist niemand!? Oh, dann müssen wir noch weiter. Na klar, das Ziel wird da sein, wo wir auch gestartet sind. Am Parkhaus hat die Strecke eine kleine Welle, für mich inzwischen ein Anstieg, ich schalte noch mal einen Gang runter. Ich habe mir vorgenommen, mit beiden Händen nach oben durch das Ziel zu fahren (für ein ordentliches Foto). Immerhin klatschen ein paar Leute. Ich sehe die Ziellinie – und die Zeitmessungsmatte. Sofort nehme ich die Hände wieder an den Lenker, um nicht womöglich noch einen Abgang im Ziel zu machen. Geschafft!

 



Ergebnis

Die Urkunde überrascht mich dann doch. 15. Platz in meiner Altersgruppe, gesamt 63. Platz, Schnitt 23,488 (mein Tacho sagte 25,12 ?!). Allerdings relativiert sich das Ergebnis nach einem Blick in die Liste, es sind nicht mehr sehr viele hinter mir/uns. Aber immerhin: den Besenwagen haben wir nicht gesehen!

 



Fazit

Die fehlenden Trainingskilometer waren nicht aufzuholen und machten sich bemerkbar. Ich werde klären müssen, warum plötzlich mein Kreislauf rapide nachließ. Ich bin stolz auf W., sie hat sich sehr gut geschlagen! Unsere Taktik war „suboptimal“ und für das nächste Mal werden wir noch mal darüber nachdenken müssen. Wir konnten beide den Vorteil von Gruppen nicht nutzen und sind größtenteils alleine gefahren.

Die 35 km sind also auch für ambitionierte Ungeübte machbar, nächstes Jahr müssten die 75 eigentlich drin sein. Und wenn nicht, dann fahren wir wieder 35 – aber mit hoffentlich besserer Zeit!

 



C4F

Wir haben die Jungs vor dem Start teilweise kennen gelernt und nach dem Rennen zusammen ein Workout-Bier getrunken. Nette Leute allesamt. Obwohl ich manchmal den Eindruck hatte, dass hier zwei Welten (Radsportler und Anfänger) zusammentrafen. Mal sehen, evtl. gibt es ja nächstes Jahr ein zweites Team: C4F Flachstrecke!?


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