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Rund um den Henninger Turm

von Raktajino, 2.5.05. Fotos von MrsFlax und Gines.

 

Mein erstes Mal. Mit Zwanzig ein wenig spät? Sicherlich nicht, handelt es sich hierbei doch lediglich um das Jedermann-Rennen „Rund um den Henninger Turm“.



Die Startvorbereitung im Geiste

Ich hatte es mir so schön vorgestellt: auf einer abgesperrten Strecke genüsslich durch den Taunus fahren, im Windschatten größerer Gruppen hohe Geschwindigkeiten treten, von den Massen am Straßenrand angefeuert werden und am Ende über die Ziellinie rollen. Auch das Zuschauer-Erlebnis des letzten Jahres konnte mir diese Vorstellung nicht nehmen. Gut, es hatte geregnet und am Schulberg sind die Fahrer reihenweise gestürzt. Aber auch dies konnte ich mir gedanklich positiv auslegen: Wenn es regnet, ist es wenigstens nicht so warm. Denn das mag ich gar nicht – ich fahre am liebsten bei Temperaturen unter 15°C.

Voll erfüllt von diesem romantischen Erwartungen meldete ich mich frühzeitig zum Rennen an. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich erst Ende März anfangen werde zu trainieren und zwei Wochen vor dem Rennen von einer dicken Erkältung heimgesucht werde. Und ich wusste auch nicht, dass am Tag des Rennens brütende Hitze herrschen wird. Ebenso war ich unwissend, welche Rolle die Straßenabsperrung und die Ziellinie spielen würden – nämlich gar keine.

Als einige Tage vor dem Rennen die Meldung der Rennorganisation kam, dass man bis Kelkheim, also bis nach den Bergen, einen 27er Schnitt wird fahren müssen, überkam mich ein leicht unangenehmes Gefühl. Würde ich das schaffen können? Klar, dachte ich mir, wenn man in Gruppen fährt, ist man ja sowieso schneller.

Mit viel innerer Aufregung reiste ich mit Sven am Sonnabend dem 30.4. nach Frankfurt an. Abends war Grillen bei Marcus geplant, dort verschlang ich einiges an Spaghetti, trank später noch ein Hefeweizen und dachte dann, dass es nun sicherlich kein Problem wäre, bis zum nächsten Morgen genug Schlaf zu bekommen. Zwar war die Couch bei einer Bekannten von mir recht bequem, doch trotzdem wachte ich nachts zu oft auf. Als es hell wurde, fing im Garten ein Grünspecht an zu rufen - er tat dies sehr kontinuierlich und laut. So konnte ich schon gegen halb 6 anfangen, mir wegen des Rennens Sorgen zu machen. Die „27km/h bis Kelkheim“ schwebten mir wie ein Damoklesschwert über dem Kopf.



Der Start in Realität - jetzt wirds ernst

Am Start war noch alles in Ordnung...

Nach einem kargen Frühstück fuhren wir zum Main-Taunus-Zentrum. Dort trafen wir recht bald auf Marcus, Stephan und Detlef. Noch war die Stimmung gut, und als ich dann umringt von unzähligen schwarzweißen C4F-Trikots im ersten Startblock stand, dachte ich dass es doch eigentlich gar nicht so schlimm werden kann. Auch wenn mein Puls zu diesem Zeitpunkt schon 140 Schläge zählte – was die anderen C4Fler ziemlich amüsierte. Ich musste zwar lachen, fand das eigentlich aber gar nicht witzig... Dann rollte man zum Start. Dort stellte ich fest, dass Sven und ich mein Vorderrad falschrum eingebaut hatten, so dass ich nun keine Anzeige auf dem Tacho hatte. Und ich war der festen Überzeugung, kein Werkzeug bei mir zu haben. Dass ich nach dem Rennen den für den Radwechsel benötigten Imbus in meiner Trikottasche fand, ist eine andere Geschichte…



Immer wieder eine Frage im Kopf...

Der Start gab mir gleich zu Beginn des Rennens den Rest: die Insassen des ersten Startblocks, in dem ich Aufgrund meiner Teamzugehörigkeit stand, rasten wie bekloppt los. Und ich dachte, ich müsse mitrasen. Ich verlor völlig das Gefühl für meine Geschwindigkeit und übernahm mich maßlos. Und obwohl ich schon am Anschlag fuhr, wurde ich kilometerlang überholt. Als ich dann recht bald in Eppstein angelangte, hatte ich bis dahin einen permanenten Puls über 190. Das hätte mir zu denken geben sollen, doch hatte ich immerzu die 27 im Kopf. Dann sah ich das Steilstück des Schulbergs. Und ich sah die Anzeige auf meinem Pulsmesser: 203. Nein, dachte ich mir, das wird sowieso nichts. Kaum war ich abgestiegen, überkam mich Übelkeit – ich hätte mehr trinken müssen. Also blieb ich einige Minuten stehen, trank Wasser, bekämpfte den Brechreiz und beäugte kritisch meinen stetig sinkenden Puls. Als die Menge der Fahrer, die nunmehr fast alle schiebend, den Berg bezwingen wollten, stark abgenommen hatte, fing auch ich an, mein Glück zu Fuß zu versuchen. Schon nach ein paar Metern war der Puls wieder ganz weit oben, aber darauf war natürlich keine Rücksicht zu nehmen. Als es merklich flacher wurde, stieg ich wieder auf. Just in dem Moment überholte mich ein Krankenwagen, der die beiden Besenbusse im Schlepptau hatte. Die Busse fuhren an mir vorbei. Toll, dachte ich, jetzt bist du eigentlich schon raus aus dem Rennen. Zu meinem Trost war ich aber wenigstens nicht völlig allein auf weiter Flur. Hier und da war ein Jedermann zu sehen, jedoch konnte sich keine permanente Gruppe bilden. Denn nun war die Strecke ja nicht mehr gesperrt, sodass wir stets zwischen Autos herumfahren mussten. Ich war völlig fertig, von der Hitze zermürbt. Auf einem der seltenen flachen Stücke kippte ich mir eine halbe Flasche Wasser in den Helm. Dies verschaffte kurzzeitig Linderung. Das Wasser jedoch sollte ich bald schmerzlich vermissen.



..."Was mach ich hier eigentlich?"

So fuhr ich alleine dahin… immer wieder überholten mich Autos. Die Zuschauer feuerten mich fast gar nicht an und mein Kreislauf lief nicht mehr im Kreis, sondern sprang im Dreieck. Ich fuhr alle Steigungen hoch, jedoch musste ich bei dreien davon oben anhalten und mich erstmal wieder erholen. Die Steigungen in praller Sonne waren die allerschlimmsten. Zuhause in Leipzig würde ich bei solch hohen Temperaturen und solch intensiver Sonne alles tun, nur nicht trainieren. Wie also sollte ich dieses Rennen jemals zu Ende fahren? Fragen wie diese beschäftigten mich und die 27 war schon längst aus meinem Blickfeld gerückt. Die Zeitverluste durch das Anhalten machten das sowieso unmöglich.

Ich trank permanent zuwenig, denn ich hatte immer die Befürchtung, dass ich dann später kein Wasser mehr gehabt hätte. Und trotzdem leerten sich meine Flaschen zusehends. Ansonsten nahm ich kleine Traubenzucker zu mir, die außerdem noch mit Magnesium angereichert waren - ich hatte völlig vergessen, in Leipzig noch Sportlernahrung zu kaufen und die Müsliriegel in meiner Tasche erschienen mir bei der Hitze allzu klebrig und süß.

Ein müdes Lächeln huschte mir über das Gesicht, als ich immer wieder denselben Fahrer überholte. Er fuhr dreifach und daher schnell kurbelnd, aber langsam die Steigungen hinauf. Ich mit meinen 39:23 war zwangsläufig schneller, musste jedoch oben oft pausieren. So überholte er mich als ich stand, und ich überholte ihn als ich fuhr.

Einmal im Schatten, tritt es sich gleich leichter - auch am Ruppertshainer


Mit wachsender Besorgnis stellte ich fest, dass nicht nur die Zahl der Autos auf der Strecke zunahm, sondern dass die Zahl der Polizisten und Ausschilderungen stark nachließ. Ich wusste einige Male nicht, ob ich den richtigen Weg fuhr. Ich fühlte mich wie Gretel, als ich nach weggeworfenen Powergel-Packungen Ausschau hielt, denn diese wiesen mir den Weg. In einem Ort sah ich einen großen Haufen Bananenschalen. Dort schien die Verpflegung gewesen zu sein.



Endlich Fans am Straßenrand!

Irgendwann, nach endlosen Quälereien und Frustschüben, sah ich das Ortsschild „Ruppertshain“. Endlich, dachte ich, hier noch hoch und dann ist es vorbei! Ich hörte das Handy in meiner Trikottasche piepsen. Und in dem Moment sah ich einen anderen Jedermann, der auf der Strecke stand. Ich hielt an und fragte, ob ich mitschieben darf. Ich durfte. Wir schoben zu den Zuschauern am Rand und baten um Wasser. Dies spendete man uns großzügig und ich las bei der Gelegenheit gleich die SMS. Sven fragte: „Wo bist du denn?“ – eine beschönigte Variante von „Bist du schon ausgestiegen?“… Sven und Manuela wollten die C4Fler am Ruppertshainer anfeuern und die Straße bemalen. Ich befand mich ja nun schon am Fuß des Anstieges und bin mit meinem Mitschieber zusammen weitergefahren. Er fuhr natürlich dreifach, so dass ich ihn leider allein lassen musste. Ich quälte mich hinauf und sah schon von weitem Manuela und Sven. Ebenso sah ich die Schrift auf der Straße. Na immerhin… Ich wurde angefeuert und fotografiert.



Und endlich das Ende in Sicht

Danach begann die Abfahrt und das vertrieb allen Ärger auf meiner Seele. Ich konnte endlich die Landschaft begutachten und der Fahrtwind tat sein übriges. Bald traf ich auf einen Fahrer im roten Trikot. Wir fuhren zusammen, beziehungsweise wir betätigten uns zusammen als Pfadfinder – denn nun waren nirgendwo mehr Ausschilderungen. In Kelkheim angelangt war ich gespannt darauf, ob und wie wir denn nun umgeleitet werden würden, denn den 27er Schnitt hatten wir definitiv nicht erreicht. Tja, es war niemand zu sehen – kein Polizist, kein Schild. Völlig ahnungslos folgten wir den Hauptstraßen, die uns auf die B8 führten. Hier waren dann wieder Schilder, welche wahrscheinlich zur 50km-Strecke gehörten. Diese Schilder führten uns in das Main-Taunus-Zentrum. Das war natürlich insofern schade, dass wir dadurch nicht ins Ziel gefahren sind. Aber Hauptsache angekommen. Ich holte mir meine Medaille und meinen Joghurt ab, ließ mir für einen Coupon ein Radler geben und setzte mich endlich den Schatten.


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