Beitrag von Steamboat, 28. Januar 2005
Der Prinzenregent im Radsport 2004 hieß Iban Mayo. Ihm traute man es zu, dass er bei der Tour de France den großen Amerikaner vom Thron stoßen könnte. Und als er dann noch die Dauphiné Libere für sich entscheiden konnte und Lance dabei sogar hinter sich ließ, schien es beinahe zur Formsache zu werden: Bei der Tour würde er zusammen mit Haimar Zubeldia dem Texaner richtig einheizen. Es kam aber alles ganz anders.
Scheinbar bereits eine Schlüsselstelle schien die 3. Etappe von Waterloo nach Wasquehal zu sein, als sich der Tourtross über die Pavés bewegte, die sonst nur im Frühjahr von den Spezialisten des Klassikers „Paris-Roubaix“ bezwungen werden müssen. Es war bereits prophezeit worden, dass gerade auf dieser Etappe zwar die Tour nicht gewonnen werden kann, aber man konnte sie hier schon verlieren. Besonders alle Spanier hatte man hierbei im Auge, die nicht umsonst die Frühjahrsrennen und ganz besonders die „Hölle des Nordens“ seit Jahren meiden. Tatsächlich verabschiedete sich bereits hier einer der hoffnungsvollsten Herausforderer des Amerikaners aus dem Favoritenkreis. Iban Mayo kam zu Fall und verlor wertvolle Zeit. Und hier stellte man fest, dass die anderen Favoriten vom Verhalten des großen Amerikaner 2003 gelernt hatten. Man wartet nicht, wenn ein vermeintlich aussichtsreicher Kontrahent stürzt. Diesem Umstand bewusst und mit einem entsprechenden Rückstand ausgestattet, änderte Mayo seine Ziele und wollte fortan einige Bergetappen für sich entscheiden.
Aber die Tour entwickelte sich zur Tour der „versagenden Herausforderer“. Hamilton, Ullrich, Heras und Simoni strauchelten auf dem Wege nach La Mongie. Selbstverständlich machte da auch Mayo keine Ausnahme und büßte weitere Zeit ein. Von Zubeldia, der bei der Tour völlig indisponiert wirkte, war da schon lange keine Rede mehr. Entnervt gab der Baske auf, die Leistung des Vorjahres konnte er zu keinem Zeitpunkt abrufen.
Und auch Iban Mayo sollte es nicht besser ergehen. Unvergessen sind die Bilder, als er, von der Spitze weit abgehängt und von Teamkameraden begleitet, vom Rad stieg, um dann von den Betreuern zum Durchhalten überredet zu werden. Er fuhr noch weiter, gab aber später dennoch auf. Ziemlich unspektakulär ging zu Ende, was so verheißungsvoll begonnen hatte. Statt Podium Besenwagen – das war die Tour-Realität 2004. Eine bittere Pille.
Die Tour stand auch sonst unter keinem guten Stern für Euskaltel-Euskadi. Die Basken konnten keine Etappe für sich entscheiden. Selbst dann nicht, wenn sie in einer Fluchtgruppe im Gegensatz zu anderen Teams mit zwei Fahrern aussichtsreich vertreten waren. Inigo Landaluze und Egoi Martinez stellten sich auf der 14. Etappe schon gewaltig dämlich an, als sie ihre Überzahl nach Nimes nicht zu nutzen vermochten und als Neunter und Zehnter im Ziel ankamen. Diese Fahrweise wird künftig als Lehrvideo dienen können, wie man es nicht machen sollte. Vielleicht kann man aber dieses Verhalten auch als Referenz an den späteren Etappensieger Aitor Gonzalez werten, der 2005 für das baskische Team fahren wird.
Auf der 9. Etappe war Landaluze schon mal dem Hauptfeld zusammen mit Simeoni (Domina Vacanze) entkommen. Beide waren erst auf den letzten 100 Metern gestellt worden. Ihre Taktiererei wurde den beiden letztlich zum Verhängnis. Für das baskische Team letztlich symptomatisch für die Leistung bei der Tour. Statt zum 5. und 6. Platz wie bei der Tour 2003 reichte es nur zu einem 26. Gesamtplatz von Camano. Von einem Etappensieg ganz zu schweigen. Immerhin gelang Iker Flores auf der 7. Etappe ein zweiter Platz.
Aber für das baskische Team stand ja noch die Vuelta auf dem Programm. Sie sollte als Trost für das miserable Abschneiden der Tour dienen. Mayo jedoch trat erst gar nicht an. Zubeldia wollte aber die Tour vergessen lassen. Vergeblich – erneut gab er auf.
Es wurde auch sonst nicht besser. Beim Teamzeitfahren wurde schon am ersten Tag die schlechteste Zeit genommen. Das beste Tagesergebnis lieferte Isasi auf der 16. Etappe als Sechster. Samuel Sanchez belegte in der Gesamtwertung den 15. Platz. Verglichen mit dem, was man sich gerade bei den großen Rundfahrten versprochen hatte, war das Jahr für die Basken ein Desaster.
Jedoch war das nicht alles. Wie erwähnt war Mayo bei der Dauphine siegreich. Diese Rundfahrt gilt als Gradmesser für die Tour und hier zeigte sich der Baske in bestechender Form. Neben dem Prolog gewann er die 4. Etappe. Dabei verwies er Lance in seine Schranken, als er das Bergzeitfahren weit vor dem Texaner beenden konnte (Unterschied: 1.58 Minuten). Bei den anderen HC-Rundfahrten wussten die Euskalteler ebenso zu gefallen. Mayo musste sich bei der Baskenland-Rundfahrt musste sich nur dem Russen Menchov (Illes Balears) beugen. Ein Etappensieg gelang aber ebenso wenig wie bei der Volta a Catalunya, als der Veteran Roberto Laiseka einen dritten Gesamtplatz erreichte.
Euskaltel nahm noch an zwei weiteren HC-Rundfahrten teil. Hierbei war man aber nicht ganz so erfolgreich – nicht jedes Mal kann ein Podiumsplatz erreicht und erwartet werden. Bei Paris-Nizza wurde Sanchez als bester seines Teams 19. Die identische Platzierung gelang Camano bei der Tour de Romandie. Etappensiege konnten auch bei diesen Rundfahrten nicht vermeldet werden. Jedoch schnitten die Basken (siehe weiter unten) bei den einzelnen Rundfahrten gut ab.
Weltcuprennen zählen nicht zu den Spezialitäten der Basken. Umso erstaunlicher war dann der 4. Platz von Sanchez bei Lü-Ba-Lü. Auch der Spanier David Etxebarria als 12. und Inigo Landaluze als 16. kamen bei diesem Rennen in die Punkteränge, bei dem Mayo 2003 gar den 2. Platz belegen konnte. Iosu Silloniz erreichte bei Mailand-San Remo den 15. Platz (Sanchez 20.), Joseba Albizu wurde bei Züri-Metzgete ebenfalls 15. Isasi rundete mit dem 19. Platz bei Paris-Tours ein für das spanische Team nicht schlechtes Ergebnis für den Weltcup ab. Ferner schaffte der aufstrebende Sanchez beim Wallonischen Pfeil einen 12. Platz.
Man sollte nach der Saison den Stab über Mayo nicht zerbrechen. Zwar konnte er den Erwartungen zum richtigen Zeitpunkt nicht standhalten, dennoch steuerte er mehrere Siege der Teambilanz 2004 bei. So ging er aus den Rundfahrten Tour de Asturias (2,2) und Clasica Alcobendas (2,3) als Gesamtsieger hervor. Bei der zuletzt genannten Rundfahrt entschied er auch zwei Etappen für sich. Letztlich rundete ein Sieg bei Subida al Naranco (1,3) seine Saison ab, die allerdings Wünsche offen und unerfüllt ließ.
Zu Siegen bei Ein-Tages Rennen kam auch der Venezolaner Unai Etxebarria, der jeweils die GP Llodio (1,3) und die Trofeo Calvia (1,3) gewinnen konnte. Sein Namensvetter David ging hingegen sieglos aus der Saison. Dafür zeigte Altmeister Laiseka, dass man ihn noch nicht abschreiben sollte. Bei der Bicicletta Vasca (2,1) gestaltete er die 5. Etappe siegreich.
Aufgefallen ist 2004 besonders Samuel Sanchez, dem bei der Escalada a Montjuic immerhin die Gesamtwertung sowie 2 Etappen gewinnen konnte. Dieses Rennen ist recht prestigeträchtig. Wertvoller wären aber Siege bei der 6. Etappe bei Paris-Nizza, als er den Tagessieg knapp verfehlte. Sowohl auf der 2. als auch der 4. Etappe der Baskenland-Rundfahrt wiederholte er dieses Kunststück. Aber auch Teamkollege David Etxebarria gelang auf der Etappe 5A nur der 2. Platz. In der Bergwertung belegte dann Unai Etxebarria auch nur den 2. Platz, während David Etxebarria 4. und Gorka Gonzalez 5. wurden. Zumindest die Teamwertung ging an Euskaltel. Auch Laiseka gelang bei der 4. Etappe der Volta Ciclista a Catalunya nur der zweite Platz. Es war wie verhext.
Für das nächste Jahr hat man sich u.a. mit Aitor Gonzalez verstärkt. Der ehemalige Vuelta-Sieger kam - wie schon mehrere Ex-Kelme-Fahrer zuvor – in der Fremde nicht zurecht und verließ nach zwei mehr erfolglosen Jahren Fassa Bortolo. Er ist als Kapitän für die Vuelta vorgesehen, während Mayo bei der Tour wieder die Leaderrolle übernehmen soll. Zubeldia, der 2004 deutlich hinter den Erwartungen blieb, darf beim Giro verlorenen Boden gut machen.
Außerdem wurden Herrero (Patenina) und Lopez (Café Baque) verpflichtet. Dafür verließen David Etxebarria (Liberty Seguros) und – m.E. etwas überraschend – Galparsoro (Kaiku) das Team. --> Team 2005
Die Basken werden 2005 ihren Fokus wieder auf die großen Rundfahrten legen. Dass sie dort radeln können, muss niemanden gesagt werden. Es steht zu bezweifeln, dass sie abermals so wenig Fortune wie 2004 haben. Allerdings stehen Mayo & Co. unter Zugzwang. Sie müssen beweisen, dass sie zurecht zur ersten Garnitur der Rundfahrer gehören. Ein Podiumsplatz sollte Ziel sein und auch erreicht werden. Gespannt darf man sein, ob sich Sanchez glücklicher als 2004 schlagen wird und auch mal was großes gewinnt. Zu wünschen wäre es ihm.