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HEW-Cyclassics 2003 - Chronologie eines Rennens

 

<typohead type=3>Prolog</typohead>

 

03. August 2004, halbzehn in Deutschland. Der Entschluss bei den Cyclassics zu starten fiel schon im Januar, ich frage mich trotzdem warum in Gottes Namen bin ich hier. Bloß nichts denken ... Konzentration! Startblock L „ach so weit hinten ist das“, so meine erste Reaktion bei der Akkreditierung. Und jetzt kurz vorm Start hat sich eine Mensch gewordene Wand vor meinem Auge aufgebaut; 4800 Starter von 5600 Teilnehmern >auf meiner Distanz: hier 55 Km< vor mir. OH MAN - wie soll man da vorbeikommen. Mittlerweile ist die Sonne rausgekommen, es wird wärmer, kleine Scherze mit den rechten und linken Nachbarn. – STARTVERZÖGERUNG!!!!

 

<typohead type=2>Zeit von Anfang an zu erzählen.</typohead>

 

Im Dezember 2003 werde ich von Firmenkollegen meines Studentenjobs gefragt, ob ich nicht Lust habe als Teamverstärkung bei den HEW - Cyclassics in Hamburg mitzumachen. Man hätte gehört ich würde Rennradfahren. Bisher bin ich nur hier und da mal eine „RTF“ oder einen Radmarathon gefahren - und in einer so großen Menschenmenge zu fahren auf Zeit? Eigentlich nicht.... Na gut ich lasse mich überreden.

 

<typohead type=3>1. Die Vorbereitung</typohead>

 

So treffen sich Anfang Februar 10 Rennlustige (manchmal auch unlustige) mit unterschiedlichsten Zielsetzungen und Ambitionen. In Hamburg fahren wir also in 2 Teams und jeder für sich in der Einzelwertung. Team I möchte unter die besten 15 und jeder einzelne unter die Top 150 mit einem 38 Schnitt. Team II möchte ins Ziel kommen, möglichst in der Zeit

 

März, die erste RTF gilt als Gradmesser. 120 Kilometer. Sehr gute Form, da lacht die Sonne durch die Speichen. Gemeinsame Zieleinfahrt, nachdem ich die anderen mit einem fiktiven Kälberstrick übe die Strecke gezogen habe. Staunen, man hatte mich nicht so stark erwartet und meine bisherigen Angaben zu Trainingsumfang und Jahreskilometern nicht so recht geglaubt. Gutes Selbstbewusstsein, zu gutes!!!

 

<typohead type=3>2. Die Wette</typohead>

 

Die weiteren gemeinsamen Trainingsfahrten bestätigen den RTF - Eindruck , der erste Radmarathon auch. Außer bei den Trainingssprints - keine Chance. Wohlgemeintes Necken und Aufziehen ob dieser Schwäche durch die anderen. Und ich lasse ich mich tatsächlich zu der folgenden folgenschweren Aussage verleiten, dass ich, wenn ich nicht als Teambester in HH über den Zielstrich rolle, mit voller Radler-Montur ins heimatliche Hafenbecken springen werde, allein schon aus Frust. UUUps der kleine Spaß, die kleine ironische Spitze wendet sich gegen mich, und. Wette abgemacht!! WIE BITTE!!! Das hat gesessen....Jeijeijei, verfängliche Arroganz – wo soll das bloß Enden? – Im Hafenbecken wahrscheinlich.

 

<typohead type=3>3. Erkenntnis und Frust</typohead>

 

War ich bisher der einzige, der mit dem Rad zur Arbeit gefahren ist, so hat sich das nun ab April grundsätzlich geändert. Unter den Kollegen ist der sportlich Ehrgeiz ausgebrochen. Und mein Trainingsvorsprung schrumpft. Auf der schnelleren Runde, die in jede Ausfahrt eingebaut, 15 Km lang ist und im Spurt endet, schaffe ich es nicht mehr mich durch Tempowechsel an den kleinen Küstensteigungen davon zu machen, es kommt regelmäßig zum Spurt, den ich regelmäßig mit Platz 4 (also dem letzten von Team 1) abschließe. Na das kann ja noch was werden. Ärger mich über mich. Saudumme Wette – ein Grund mehr, warum jeder für sich und gegen die anderen fährt. War da nicht was mit Teamwertung?

 

<typohead type=3>4. Die Strecke</typohead>

 

Noch zwei Monate bis zum Start. Habe mich bei meiner Schwester in Hamburg übers Wochenende einquartiert. Rauskommen und Streckenerkundung. Fahre die Elbchaussee Richtung Wedel runter und was ich entdecke lässt mich neue Hoffnung schließen. Ab Wedel (ca. Rennhälfte) geht es Teufelsbrück hoch, einen langgezogenen Anstieg - genau das was ich brauche. Die weitere Strecke führt an der blankeneser Hauptstrasse Richtung Elbchaussee. Abwechslungsreich und Hügelig. Wie sagte der russische Langlaufnationaltrainer 1988 in Calgary „ Schwere Strecke ist gutes Strecke für gutes Läufer“. Denk ich mir auch. Behalte meine Erkundigungen nicht für mich, meine Streckenbeschreibung ringt den anderen allerdings nur ein müdes lächeln ab. Na sie werden schon sehen was sie davon haben.

 

<typohead type=3>5. Die letzten Trainingskilometer</typohead>

 

Weitere Wettkämpfe zur Vorbereitung. Das erste konsequente Wintertraining meines recht kurzen Radlerlebens macht sich bezahlt, lange Waldläufe, Schwimmen und Fitnesstraining, sowie lange Radfahrten: eine Grundlage von der sich zehren lässt. Gutes Duathlonergebnis im Juni, gutes Ergebnis und gute Zeit beim Zeitfahren des ansässigen Triathlonvereins.

 

Juli. Das Semester ist fast zu Ende. Noch einmal richtig Kilometer scheffeln, extensive Ausdauerfahrten, kurze schnelle Antritte. Die Form ist immer noch da bzw. wird immer besser. Ich lehne mich weit aus dem „diesmal eigenen“ Fenster, an der Wand vor meinem Schreibtisch prangt ein großes weißes Blatt mit zwei Zahlen und zwei Buchstaben

 

„40er“!! Letzter Test vor Hamburg. Das Team startet bei einer weiteren 120 Km RTF.

 

Wieder zeigt sich das bei den langen Distanzen keiner der anderen mithält. Aber in Hamburg sind es 55 Kilometer (mit beachtlichem Windschatten) und die Trainingssprints sehe ich mir immer noch von hinten an. Nun komme was wolle, man hat sich zumindest darauf geeinigt, dass das Teamergebnis im Vordergrund steht.

 

<typohead type=3>6. Anreise und Akkreditierung</typohead>

 

Freitag 01. August in Hamburg angekommen. Nudeln und Salat gemacht. Bett bezogen, Zähne geputzt, zu Bett gegangen.

 

Samstag 02. August 08:30 befinde mich im Akkreditierungsraum am Asteranleger Jungfernstieg. Kaum ein Mensch hier. Schnell die Sachen (Transponder, Startnummern, Trinkflasche und unzähliger Werbemüll) geholt und noch ein bisschen rumgeguckt. Fahrradverlosungen, Golfgewinnspiel, Losbuden, Ess- und Fressbuden, sämtliche Rennradhändler Hamburgs dazu ein Mavicstand, Timestand sowie Scott, Cannondale, Bianchi, Pinarello unundund. NDR-Showbühne. Irgendwie alles zuviel - nicht meine Welt und Schnäppchen sind auch nicht zu sehen bis auf den Stand von Karstadt Sport bei der Akkreditierung. Günstige Trikots, Hosen, Handschuhe, Schuhe etc unter anderem auch Adidas, Nalini und Nike runtergesetzt. Schöne Sache vom Veranstalter. Nachmittag Lenkerband neu, Schalthebel neu anpassen, Umwerfer und Schaltung einstellen, Bremsen anziehen. Allerletzte Trainingsfahrt vorm Rennen mit nochmaliger Streckenerkundung. Auf der Elbchaussee Richtung Blankenese. Miene Hoffnung erfüllt sich, fast jedes Rennteam hatte die gleiche Streckenwahl.

 

Begegnungen mit Bianchi (ohne Ullrich), CA , Saecco, Gerolsteiner (war das nicht Bölts?) undundund. Herrliches Wetter. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm. Wunderbare Atmosphäre. Viele Amateur- und Hobbyradler sind unterwegs. Hier ein Pläuschchen dort ein kleiner Schnack – ein treffen und getroffen werden. Zum Schluß der Runde lass ich es mir nicht nehmen den Waseberg zu testen. Das Fernsehen ist schon da , die Namen stehen auf der Straße (ich glaube es war der Tontechniker, der da gerade seinen Pinsel aus der hand legt – ein Kabelträger setzt seine Arbeit fort – das „ERIK“ ist hübsch geworden. Strassenmittig platziert, gerade Buchstaben und gut lesbar) und ich ernte ein aufmerksames Klatschen beim überqueren des Scheitelpunktes Waseberg. Ein hübsches Erlebnis. Abends Nudelparty im Start- u. Zielbereich. Ich treffe die anderen unserer Mannschaft, die Stimmung ist gut und wir einigen uns in letzter Minute auf ein „einer für alle, alle für einen“ Motto!!! Gute nacht!

 

<typohead type=2>Start</typohead>

 

Sonntag 03. August 06:00!!! Ich bin nervös – eigentlich gar nicht meine Art. Schlecht geschlafen und oft aufgewacht. Duschen, umziehen und Frühstück machen. Ich esse lieber weniger, nehme dafür noch eine Banane mit für Kurz vor dem Start. Unterwegs etwas zu essen, bei 55 Kilometer, ist nicht mein Ding. Trinkflaschen ans Rad und auf zum Start. Es ist 07:45 und ich habe knappe zwei Stunden zum Warmfahren. Perfekt. Fühle mich gut und die Sonne lacht auch schon weder aus den Speichen. Ich stehe neben den drei Teaminsassen in vorderster Reihe von Startblock „L“. Die anderen scheinen sich ebenfalls gut zu fühlen. Also alles Top, bis mich Robert fragt wo denn mein Tacho sei. SCH..., NEEEIIINNNN . Das darf nicht wahr sein. Ich verzichte auf eine Beschreibung der nächsten zwei MInuten

 

<typohead type=2>Das Rennen</typohead>

 

Gute 45 Minuten Startverzögerung, dann geht’s los. Ca. 700 Meter bis zur Zeitmessung. Unser Team an 10 – 14 Position. Habe Robert gebeten mir Kilometerstand zu sagen bei meiner Führung. 42-43 Km/H. Von hinten kommt niemand. Endlich nach 3 Minuten kommt eine zweite Reihe nach vorne. 10 Minuten lang gutes abwechseln, mit 8 weiteren Fahrern, die ersten vor uns gestarteten werden eingeholt. Kurzer Blick nach hinten Die Reihen haben sich gelichtet, von 500 Startern aus Block „L“ sind etwas über 20 noch dabei. Robert Stefan und Arne auch. Können anscheinend keine Führung übernehmen. Egal. Weiter. Und immer dieses Rufen, ja schreien „Aufpassen“ „Reeechts“ „Vooorsicht“ habe das Gefühl nach 15 Min. völlig heiser zu sein. Zwei Kurven, auf die bzw. irgendeine Stadtautobahn. Robert kommt vor mich gefahren, ein par Sekunden nur , sieht nicht gut aus. Also Vorbeifahren, etwas Gas rausnehmen und langsam anziehen. Sirene, Blaulicht, ein Krankenwagen rauscht an uns vorbei, kurze Zeit später ein zweiter. Das rennen fordert erste Opfer

 

Kilometer 18, wir nähern uns der Autobahnabfahrt, kleiner Hügel, etwas Wind, in der Führung sind wir nur noch zu dritt. Starke Fahrer, sympathisch. Ortsdurchfahrt. Wie heißt das hier. Nicht so wichtig. Ich schaue kurz nach rechts und glaube meinen Augen nicht, eine 70-80 Jährige ältere Dame hat sich mit Einkaufstasche, Wollpuschen und Gehstock auf die Fahrbahnmitte, verirrt. Zack dran vorbei, höre die Rufe hinter mir noch, hektisch, laut. Arme Frau, wieso hat die keiner aufgehalten? Kopfschütteln; Im selben Augenblick Vollbremsung ... zwei Schnatterliesen auf Trekkern im Schongang unterwegs amüsieren sich prächtig,. Warum sie von Rechts überholt werden und warum keiner vor ihnen links fährt(außer deutlich schneller) scheinen zu profane Fragen zu sein. Überhaupt, mittlerweile ist unsere Startblockspitzengruppe mitten in einem nicht enden wollenden Strom aufgefahrener Fahrer. Auf der rechten Seite fährt alles zwischen 18 – 35 Km/H, auf der linken Seite rollt der Zug mit 42, 43 und man selbst ist an Bord. Gutes Gefühl!

 

Trinken, kurz nach hinten und die anderen nach dem Befinden Fragen, und mitteilen, dass nach zwei Kilometern und scharfer Linkskurve der Berg anfängt. Um die Kurve. What’s that?! In der Kurve befinden sich 5cm dicke Leitungsschläuche, die kein Mensch zugedeckt hat. Schaffe es noch Anzuzeigen und komme selbst gut rüber. Glück gehabt. Am rechten Straßenrand nehme ich einen Krankenwagen war. Wiedereinmal. Kurz nach der kurve beginnt leicht der Anstieg. Ich fahr voll rein. Ein blick nach hinten. Die anderen des Teams sind noch da, sehen aber schon mitgenommen aus. Da, die Attacke. Einer der verbliebenen Mitstreiter in der Führungsarbeit und ein Lutscher, habe das Trikot die ganze Zeit noch nicht vor mir gesehen. Egal hinterher und loch wieder zufahren. Plötzlich hör ich Stefans Stimme hinter mir und ich solle warten. Ein halbe Halsumdrehung und ich sehe das Loch, das die Attacke gerissen hat. Robert nicht zu sehen, Stephan um Anschluss bemüht, aber zu langsam; aber Arne könnte noch den Anschluss schaffen, scheint aber auf Stephan zu warten. Ich bleibe erst mal bei den Attackenreitern dran, 10 Sekunden später nehme ich Tempo raus. Gut, die Mannschaft geht vor. Puls von 160 auf 100. Fahre zwei Minuten halbherzig weiter. Von unserer Mannschaft kommt keiner! Wo bleiben die? Versuch wieder anzufahren, bin aber völlig aus dem Tritt. Die Beiden vorne kann ich abhacken, die sind weg. Bin innerlich verärgert, denke über alles mögliche nach, außer daran mich auf’s Radfahren zu konzentrieren. Da ist Arne, die anderen kommen nicht mehr ran, werden aber schon eine Gruppe erwischen. Endlich. Wir wechseln uns ab, ich finde meinen Rhythmus wieder. Fahrt wird aufgenommen und Arne hängt sich dran. Super. Motivation wieder da. Mittlerweile befinden wir uns auf der Hauptstr. durch Blankenese. Welliges Terrain. Durch Blankenese auf die Elbchaussee, am Busbahnhof vorbei, und der letzte Stieg Richtung Ottensen/Altona. Arnes Stimme, die mich auffordert nicht mehr zu warten. Fahre meinen Tritt weiter, Arne fällt ab. An unzähligen Zuschauern und überholten führt das Rennen vorbei. Mit hektischen Handbewegungen verhindere ich, das ein Wasserschlauch zu Erquickung aufgedreht wird, ist einfach nicht meine Sache. 10 Kilometer. Eine Fotografin steht direkt auf meiner Fahrtlinie, ich deute ihr an da weg zu gehen, ein Zusammenstoß lässt sich knapp vermeiden. Später bekomme ich meine Rennfotos zugesandt, wo genau diese Ruderbewegung mit dem linken Arm zu sehen ist. Herrlich. Das Feld biegt auf die verlängerte Reeperbahn, dann geht’s über die Reeperbahn, links Knick Richtung Rathaus. Treten, Treten, Treten. Mein Puls befindet sich jetzt voll am Anschlag. Noch einmal eine lange Linkskurve. Und ich befinde mich auf der Zielgeraden. Mönckebergstraße. Gebe noch einmal alles. Raus dem Sattel und ich sprinte mit einer 53/13 Übersetzung dem Ziel entgegen , Schmerzen, die Säure schießt in die Beine. Geschafft. Ende. Aus.

 

Kurze Zeit später kommt Arne, dann folgen mit Zeitabstand Stephan und Robert.

 

<typohead type=2>Schluß und Fazit</typohead>

 

Mittlerweile ist auch Team 2 im Ziel und zwar komplett. Es sind alle zufrieden. Die Ergebnisse sind sehr viel besser, als die Zielsetzung. Ich verpasse knapp die Top fifty und um 4 Zehntel meinen „Vierziger Schnitt“, brauche dafür aber auch nicht in ein mit Quallen gefülltes Hafenbecken springen . Arne bleibt in den Top 100 und Robert und Stephan unter den besten 150. Krönung sind die Teamergebnisse. Unter den ersten Zehn in der Teamwertung und unter den besten 5 der Firmenwertung.

 

Ich weiß nicht, ob ich noch mal wieder in Hamburg starten würde, auf jeden Fall nicht über 55 Km, diese Sprintstrecken liegen mir nicht. Ansonsten viel Rummel, viel Atmosphäre ein schönes Event mit nettem Drumherum. Für Fahrer die nur just for Fun mitmachen möchten kann ich Cyclassics nur empfehlen, für Ambitionierte bleibt meine salomonische aber unbefriedigende Antwort – Für die einen ist es was, für die anderen nicht.

 

 

Beitrag von  faustocoppi


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