<typohead type=2>Grenzerfahrungen im Schwarzwald</typohead>
Kurzer Rückblick - meine "Saison" war bisher so reich an "Highlights" wie noch nie: zuerst das Henninger-Rennen am 1.Mai, wenige Tage später eine pfeilschnelle RTF (denjenigen, die aus NRW oder RLP stammen, sei gesagt, dass eine RTF in Sachsen tatsächlich eine Besonderheit darstellt...), Absolvierung der Deutschen Alpenstrasse von Berchtesgaden nach Lindau mit dem MTB, schließlich am 3.8. mein erster Marathon, den ich unerwartet gut überstanden habe.
Und angesichts der 219 km an besagtem Tag erscheinen die 112 km, die das Jedermannrennen des GP Schwarzwald lang sein soll, fast wie ein Pappenstiel.
Gut, es wird im Vorfeld viel über diesen mysteriösen Stohren geschrieben, aber 18% Steigung sind für mich nichts Neues, wovor soll ich also Angst haben? Und der Feldberg - ich glaube, es war Sebastian, der mal geschrieben hat, dass dieser Anstieg sowieso nicht allzu schwer ist. Also, auf geht's in den Schwarzwald, das wird herrlich!
Anders als in Frankfurt haben sich dieses Mal nur zwei weitere C4-Fans entschieden, dem Spektakel aktiv beizuwohnen, nämlich Rino und Timer (der es mir hoffentlich nachsieht, dass ich die Groß- und Kleinschreibung seines Nicknames aufgrund erhöhter Verwirrungsgefahr vernachlässige...).
Rino, der noch die knallharte Kalmit-Tour von vor einer Woche in den Beinen hat, treffe ich am 24.8, dem Tag des Rennens, um 9:00 Uhr früh am Start in Bad Krozingen. Er ist gut drauf, sicherlich beflügelt durch seine neues 39er Kettenblatt, das in Verbindung mit einem 26er Ritzel eine butterweiche Stohren-Auffahrt gewährleisten soll.
Ich Warmduscher warte gleich mit Dreifachkettenblatt auf. Der Start ist für 10:00 Uhr angesetzt, also fahren wir uns warm, quatschen, pumpen noch ein wenig Luft in mein Hinterrad, bedienen uns am Buffet vor dem Start, ich warte mit ein paar Psycho-Tricks auf (v.a. was Rinos Übersetzung angeht...). Timer können wir leider nicht erblicken.
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Das Wetter ist gut, nicht zu warm, bewölkt - es scheint keine Hitzeschlacht zu werden. Also entscheide ich, mich meiner dritten Trinkflasche zu entledigen und nur die zwei üblichen mitzunehmen. Es gibt ja unterwegs auch noch Verpflegungsstellen. Dazu zwei Energieriegel, eine Banane - das sollte erst einmal reichen.
Als es dann um 10:00 Uhr endlich losgeht, stehe ich neben Rino etwa an 436. Position in der Startaufstellung - und das ist auch schon das erste Problem. Es scheint ewig zu dauern, bis wir dann endlich über die Startlinie fahren - die Spitze ist bestimmt schon einen Kilometer enteilt. Aber dort will ich erst einmal hin - also bin ich praktisch vom Start weg auf der Verfolgung, eine Neutralisationsphase gibt es sowieso nicht. Die Strecke ist zu Beginn praktisch vollkommen flach, ich rase teilweise mit 55 km/h über die Strassen, von Gruppe zu Gruppe, immer weiter nach vorn - wo ist die Spitze? Natürlich, die wartet ja nicht! Nach etwa 15 km Verfolgungsjagd habe ich endlich das Ende der ersten großen Gruppe erreicht - von Erholungspause kann jedoch keine Rede sein, vorn wird ordentlich am Horn gezogen. Wie nicht anders zu erwarten.
Etwa 17 km sind vorbei - Sturz! Vor mir wird scharf gebremst, etliche Fahrer weichen auf das Feld aus. In der Straßenmitte sitzen/liegen zwei Fahrer und fluchen - halb so schlimm, die steigen wieder auf!
Ruhig und konzentriert bleiben, sage ich mir. Ich traue mir fast nicht zu, beim Wiederverstauen der Trinkflasche in die Halterung den Blick kurz nach unten zu richten - wer weiß, was in dieser halben Sekunde vor einem passiert? Es geht weiter, ein paar kleine Anstiege werden ohne Tempoverlust weggedrückt.
Nach 25 km ist die erste der drei Rheintal-Runden absolviert, und schon jetzt wird klar, dass das Rennen keinesfalls nach 112 km zu Ende sein wird - der Rundkurs war mit 21 km angegeben! Wie auch immer, es geht in rasendem Tempo durch Bad Krozingen, im Ort ist eine Verpflegungsstelle aufgebaut, doch keine Chance, sich etwas zu greifen.
Weiter geht's, auf die zweite Runde. Vor mir schert einer aus und wird langsamer - Reifenschaden. Ich würde abko***! Andere halten an, um zu pinkeln - die haben vielleicht die Ruhe weg!
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Reichlich 30 km sind gefahren - wieder kracht es vor mir! Dieses Mal kann ich nur knapp ausweichen, und dieser Sturz sah schlimmer aus als der erste.
Hektik, schnell wieder den Anschluss schaffen. Ständig fahren auch Motorräder am Feld vorbei, hupen sich ihren Weg nach vorn - wie man es aus dem Fernsehen bei den Profis kennt. Apropos Profis: auf dem Radweg neben der Strasse trainieren 6 Fahrer in schickem Magenta, wir überholen sie - wer kann schon von sich behaupten, einen Matthias Kessler auf dem Rad überholt zu haben? Er ist leider der Einzige, den ich identifizieren konnte - der Blick geht schnell wieder nach vorn.
Nach etwa 40 km fängt das Rennen irgendwie an, langweilig zu werden. Den Rundkurs kennt man nun schon, ständig geht es flach daher - ich suche mir eine Ersatzbeschäftigung. Z.b. studiere ich die interessanten Hosen- und Trikot-Kombinationen anderer Fahrer. Einer trägt Kelme-Hose und Phonak-Trikot - das passt gut! Ein anderer ist in Lotto-Hose und Saeco-Dress unterwegs - auch nicht schlecht. Ein dritter wartet mit einem todschicken TT-Zeitfahreinteiler auf. Er fährt übrigens ein schwarzes Principa-Rad - diese Typen kennt man ja zur Genüge...
Ein bisschen Zahlen-Futter für Kalmit (und alle anderen, die es interessiert): in der ersten Stunde wurden 41,5 Kilometer zurückgelegt. Trotzdem habe ich keine Probleme mitzuhalten. Ich fahre weiterhin relativ weit hinten in der Gruppe, aber das ist in Ordnung.
Kurz vor Ende der zweiten Runde fährt ein Krankenwagen mit Sirene an uns vorbei - auweia, das verheißt nicht Gutes! Aber nach ein paar Kilometern ist auch das vergessen. Wir fahren das zweite Mal durch Bad Krozingen, wieder ist die Verpflegungsstelle für den A***.
Die dritte und letzte Runde bricht an, so langsam kennt man die Strecke. Trotzdem Hektik an jeder Kurve. "Links!" oder "Rechts!" brüllt es jedes Mal aus dutzenden Kehlen, dazu hektisches Gestikulieren - die Typen sollen die Hände zum Bremsen benutzen, wo es langgeht, sehe ich selbst, ich bin ja nicht blind!
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In der dritten Rheintal-Runde passiert nicht viel, das Tempo wird deutlich langsamer, was natürlich die Gefahr von Stürzen erhöht. Immer wieder werde ich zum Abstoppen gezwungen, die kleinen Hügelchen werden nicht mehr so explosiv genommen - haben die vorn keine Lust mehr? Naja, mir soll es recht sein.
Einem Beinahe-Sturz neben mir folgt ein heftiges Wortgefecht zweier Konkurrenten - die ganze Szene hat etwas von Sastre-Moreau! Die beiden beruhigen sich jedoch schnell wieder, ist auch höchst vernünftig. Als die dritte Runde vorbei ist, haben wir bereits 75 km in den Beinen - ganz so frisch wie zu Beginn bin ich nicht mehr. Aber ich fühle mich weiterhin relativ gut, esse und trinke - ein Hungerast am Stohren wäre der GAU!
Die Strecke führt jetzt aus Bad Krozingen heraus Richtung Osten, d.h. Richtung Berge. Nachdem in der zweiten Stunde auf immer noch flachen Gelände "nur" etwas mehr als 38 km zurückgelegt wurden, wird vorn jetzt, da die Strasse leicht ansteigt, wieder schärfer gefahren. Wir passieren Staufen und fahren in Richtung Münstertal.
Das Gerede im Feld nimmt merklich ab, die Gesichter werden angespannter - die Ruhe vor dem Sturm, jeder weiß, dass es jetzt ernst wird. Wir haben den Ortseingang von Münstertal erreicht, 90 km sind zurückgelegt. Die Strasse steigt mit etwa 3% an, das Tempo liegt immer noch über 30 km/h.
Erstaunlich: ich arbeite mich immer weiter nach vorn im Feld, unter die ersten 50, die ersten 40, die ersten 30. Der Weg führt aus Münstertal heraus, es wird steiler, 8, vielleicht auch 9% Steigung.
Das Feld zerfällt jetzt endgültig, ich bin schon unter den ersten 20, zweifle aber, dass ich noch lange Anschluss halten kann. Und wir befinden uns immer noch auf der Hauptstrasse! Nach einiger Zeit wird es etwas flacher und die Hauptstrasse beschreibt eine langgezogene Rechtskurve - aber für uns geht es jetzt links weg, auf eine kleine, schmale, schlechte Strasse - der Stohren wartet. Das Rennen beginnt! Kurzer Blick auf den Tacho - 96 km. Ziemlich langer Anlauf, vielleicht zu lang...
Thema unzähliger Gespräche vor dem Wettkampf, schon jetzt sagenumwoben, angst-, wenigstens jedoch respekteinflössend, herbeigefürchtet, unausweichlich, unvermeidlich - der Stohren ist DAS Highlight des Rennens (obwohl niedriger als der Feldberg...)!
Die ersten 200 Meter lassen sich noch ganz gut an, der Belag ist jedoch äußerst bescheiden. Nur Kopfsteinpflaster rollt noch schlechter. Mehr Eingewöhnung wird uns jedoch nicht gegönnt - die Trasse steigt unerbittlich an. Ich schalte auf mein kleines Kettenblatt, versuche, einen halbwegs ordentlichen Rhythmus zu finden.
Die nächsten 3 km stellen eine Art "kontrollierte Quälerei" dar. Ich versuche, mich nicht komplett zu verausgaben, denn der Feldberg wartet ja noch. Andererseits gibt es bei konstant 18% Steigung keinen, der sich nicht schinden muss.
Ich bin mittlerweile an etwa 10., 12. Position des Rennens, den Spitzenreiter weiterhin im Blickfeld. Aber jeder fährt für sich allein, muss für sich allein fahren. Wenn mich jemand überholt, versuche ich nicht, sein Hinterrad zu halten - das wäre ein Spiel mit dem Feuer. 50 Meter vor mir sehe ich einen Fahrer neben seinem Rad stehen - Krämpfe. Als ich an ihm vorbeifahre, steigt er gerade wieder vorsichtig auf. Später holt er mich wieder ein.
Etwa 2 km wirklich brutaler Steigung sind geschafft - und was sehe ich plötzlich auf der Strasse stehen? Ein kleines, weißes "c4f". Das kann nur Prinzin gewesen sein, klasse! Wenig später kommt es noch besser: "Checker" und "Rino" lese ich, dazu ein weiteres "c4f".
Ich schaue nach vorn, etwa 50 Meter vor mir, an einer Serpentine, steht eine Gruppe von Menschen. Ob Prinzin dort dabei ist? Sie ist es tatsächlich - und sie erkennt mich sofort und feuert mich in bester Chick-Manier an: "Checker! Checker! Checker!" Einfach genial! Sie kann mir trotz der Strapazen ein kleines Lächeln entlocken - das letzte in diesem Rennen.
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