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Doping im Radsport



die COFIDIS - Affaire 2004

 

Am 27. Juli 2003 geht in Paris auf den Champs Élyssées die Jubiläums-Tour de France unter großem Jubel zu Ende. Die Verantwortlichen zeigen offene Freude über den spannenden und skandalfreien Verlauf. Am selben Tag wendet sich der Vater eines jungverstorbenen Amateur-Radsportlers an die Ermittlungsbehörden in Nanterre und gibt Hinweise auf die Drogen- und Dopingszene im Velosport. Wochenlange verdeckte Untersuchungen folgen und lassen weit verzweigte Verbindungen innerhalb  Frankreichs und nach Osteuropa erahnen. Im Januar 2004 werden daraufhin von der französischen Drogenpolizei verschiedene Razzien durchgeführt.

 



die ersten Vernehmungen

Bogdan ("Bob") Madejak, Pfleger/Masseur (Soigneur) bei Cofidis, der bereits in die Rumsas-Affaire eingebunden gewesen sein soll, kristallisierte sich für die Fahnder aufgrund abgehörter Telefongespräche als Kopf des Beschaffungs- und Verteilungsnetzwerkes heraus. Hausdurchsuchungen bei Cofidis und dem Teamarzt Dr. Jean-Jacques Menuet  erbrachten jedoch keinerlei Ergebnisse. Fündig wurden die Ermittler dagegen bei dem jungen 23 jährigen Polen Marek Rutkiewicz, einem ehemaligen Cofidis-Fahrer, der jetzt bei Ragt MG-Rover (ex-Jean Delatour) unter Vertrag stand. Sowohl bei der Hausdurchsuchung als auch bei dessen Festnahme auf dem Flughafen Paris, als er von einer Reise aus Warschau zurückkam, wurden verbotene Substanzen sichergestellt.

 

Madejak kam in Untersuchungshaft und wurde daraufhin sofort vom Team suspendiert. Teamchef Alain Bondue ist geschockt: "Bob ist seit der Gründung 1997 im Team. Für mich gehören er, seine Frau und seine zwei Töchter fast zur Familie." Cofidis-Pressesprecher Alexandre Michaud bleibt ruhig: „Betrüger gibt es überall. Wir können nicht die ganze Zeit hinter allen her sein. Soweit es uns betrifft, ist die Sache klar. Jeder der schuldig befunden wird oder  in Verbindung steht mit drogenrelevanten Dingen, fliegt. Das steht  in den Verträgen des Personals und der Fahrer.“ Auch François Migraine, Konzernchef, meldet sich zu Wort: „Für uns ist das ein Moment im Leben, den wir am liebsten nie erlebt hätten. Aber wenn wir diesen Weg gehen müssen, um die Ethik des Cofidis-Teams und seines Mediziners, dem ich völlig vertraue, beweisen zu können, dann kann morgen wer will bei uns eine Hausdurchsuchung durchführen. Wenn das helfen sollte die Betrüger zu finden… .“ 

 

Die nächsten Hausdurchsuchungen und Vernehmungen betreffen Philippe Gaumont, Cédric Vasseur und Bahnfahrer Robert Sassone, der  bis Ende 2003 bei Cofidis einen Vertrag hatte.

 

Sassone, bei dem Testosteron, EPO und Amphetamine gefunden wurden, legte ein Teilgeständnis ab und denunzierte Rutkewicz und Gaumont (EPO) als Lieferanten.  Er führt die Behörden zu einer Apotheke in Paris, in der Fahrer (auch, aber nicht nur  Cofidis-Fahrer) sich ohne Rezept vor allem mit Wachstumshormonen und Cortisonpräparaten versorgen konnten. Die Staatsanwaltschaft spricht aber mittlerweile nicht mehr von einem weiten, großangelegten Drogen- und Medikamentennetz sondern vermutet eher viele kleine private Verbindungen.

 

Daran, dass einige Fahrer zu unerlaubten Mitteln gegriffen hatten, gab es keine Zweifel mehr. Protokolle abgehörter Telefongespräche sind deutlich. So bekam z. B. Marek Rutkiewicz von Bogdan Madejak erklärt, wie es möglich sei, die Anzahl der roten Blutkörperchen hoch zu halten, auch während der Tour de France, da „mieten sich die Fahrer Blutspender. Du weißt, da gibt es eine neue Methode, du kaufst dir den Typ und du führst die Bluttransfusion direkt durch, et voilà.

 



der Sportminister zürnt

Das Cofidisteam geriet immer mehr unter Druck, denn die überführten Fahrer äußerten sich immer präziser. Philippe Gaumont  meinte, dass den Verantwortlichen zumindest bekannt war, dass gedopt wurde. Auch Teamarzt Dr. Menuet soll alles gewusst  haben. Menuet weicht etwas auf und gibt  öffentlich zu, dass Sassone verdächtige Blutwerte aufgewiesen hatte und deshalb Sassone's Vertrag nicht mehr verlängert wurde – muss wohl heißen auch Alain Bondue, Teammanager wusste vom Dopen, er hatte aber immer schlechte Leistungen als Grund für die Nichtverlängerung angegeben. Sassone’s Frau betonte, dass das Gehalt ihres Mannes nicht ausgereicht hätte, um sich einen teuren Präparateur zu leisten, der nötig gewesen wäre, um den Cofidis-Leistungsanforderungen zu entsprechen. Und Daniel Morelon, Cheftrainer der französischen Bahnfahrer, musste zugeben, dass bei Sassone seit dem Jahr 2000 keine einzige Trainingskontrolle durchgeführt worden war.

 

Philippe Gaumont wird deutlich: Nach der Festina-Affaire hätten viel Angst gehabt vor polizeilichen Kontrollen, doch mit dem neuen Sportminister hätte sich ein Gefühl der Straffreiheit im Peloton breitgemacht, die Bahn war wieder frei zum Dopen. 

 

Jetzt schaltet sich Sportminister Jean-François Lamour ein. Er bestellt die Hauptrepräsentanten des französischen Radsports zu einer Krisensitzung ein und bringt staatliche Maßnahmen zur Dopingprävention in die Diskussion. 

 

Die Oberen von Cofidis und RAGT Semences-MG Rover waren allerdings erst einmal sauer, sie hatten genug von den öffentlichen Verdächtigungen,  für sie blieben es Affairen einzelner, nicht der ganzen Teams und so reichten sie jeweils Zivilklagen ein mit dem Ziel die Ehre des Teams ( l'honneur, la réputation et la respectabilité sportive de l'équipe) wieder herstellen zu lassen.  Die Klagen wurden abgewiesen.

 

Ende Januar 2004 wurden bei Daniel Majewski, Neuprofi, 24 Jahre alt, Freund von Majedak, in Frankreich nicht zugelassene Medikamente, die als maskierende Substanzen eingesetzt werden, aus Spanien und Italien sichergestellt. Gerade erst angestellt, sollte er im Club von Castelsarrasin 16jährige Nachwuchshoffnungen trainieren. Den Job hatte er auf Empfehlung von Bob Majedak erhalten. Ein Ermittler meinte frustriert: „Die Dopingmittel sind bereits da, sie stehen in  diesem Club, der ein richtiges regionales Radsportzentrum ist, jedem zur Verfügung, sind erreichbar. Wenn es mit dem Jungen gut läuft, wird er in den Himmel gelobt. Wenn nicht, fliegt er und seine Karriere ist vorbei.“ Auch ausländische Straßen- und Bahnradteams sollen hier gerne Trainingslager abhalten.

 



Gaumont redet

Im März 2004 packt Phillippe Gaumont rücksichtslos aus und schockt Frankreich entgültig. Seine Aussagen machten auch letzten Zweiflern klar, dass er kein Einzelfall im Peloton war. ( >>> Gaumont’s Aussagen ).

 

Der nächste Fahrer von Cofidis gerät Anfang April 2004 unter Verdacht, Médéric Clain soll 5 Ampullen Wachstumshormone bei Oleg Kozlitine, dem ukrainischen Trainer der GSII-Equipe Oktos Saint-Quentin gekauft  aber nicht benutzt haben. Kozlitin war der EPO-Lieferant von Gaumont.

 

Cofidis sagt alle Rennen ab, die Konzernspitze braucht Zeit zum Nachdenken, in Ruhe soll alles aufgeklärt werden. 

 

Gaumont greift  jetzt auch ganz direkt Cofidis-Team-Arzt Dr. Jean-Jaques Menuet an: „Die Politik von Menuet war niemals verbotene Produkte selbst zu verschreiben, aber wenn sie ihm diese brachten, beriet er sie nicht nur, sondern er war sogar imstande, sie ihnen zu verabreichen.“ Dann geht er noch weiter - es wurde ungemütlich für David Miller. Gaumont berichtet, dass er und Massimiliano Lelli von Dr. Menuet Spritzen mit den Resten einer Miller-Präparation bekommen hätten. Zudem sagt er aus, dass Millar vor einem Zeitfahren der Tour de France 2003 sich selbst eine von Dr. Menuet erhaltende Spritze gesetzt hätte.

 

Miller schäumt: „Es ist erschreckend, wie ein paar Idioten jedermanns Jobs in Gefahr bringen könne.“

Er (Gaumont) ist eine Natter, aber besonders gefährlich ist, dass er ein Talent darin hat Menschen zu manipulieren. Momentan scheint er den Richter, die Polizei und die Presse zu  manipulieren. Er führt sich auf  wie ein Wahnsinniger. Er führt einen Guerillakrieg gegen das Team.

 



die Lage spitzt sich zu

Für Teammanager Alain Bondue wurde es auch immer schwieriger sauber zu erscheinen, Hinweise auf dessen Mitschuld und Mitwissen häuften sich und es kamen  Vorwürfe auf den Tisch, die bis in das Jahr 1999 zurückgingen. ( >>> Cofidis 1999

 

Arzt und Manager werden von der Staatsanwaltschaft verhört und vom Team suspendiert.

 

Ende April beschließt der Konzern Cofidis trotz der Entwicklungen erst einmal dem Radsport treu zu bleiben. Er wird sich vorerst nicht, wie vorher als Möglichkeit angedeutet, aus dem Radsport-Sponsoring zurückziehen und so kann die Mannschaft Anfang Mai wieder an den Start gehen. Das Nachdenken während der Rennpause hatte ein paar Früchte getragen. Neue Auflagen sollen in der Zukunft dazu beitragen, den Anreiz zum Dopen zu minimieren: Die Fahrer  müssen sich zusätzlichen medizinischen Kontrollen unterziehen;  Trainingscamps werden nur noch in Frankreich abgehalten um Trainingskontrollen zu erleichtern, während dieser soll das Thema Doping immer intensiv behandelt werden; die Fahrer kommen nur noch an 90 Wettkampftagen zum Einsatz und das Gehalt  wird unabhängig von den errungenen UCI-Punkten festgesetzt.

 

Ende Juni kommt dann der vielleicht härteste Tiefschlag für Cofidis: Bei David Miller wurden bei einer Hausdurchsuchung in einem Buchversteck leere EPO-Ampullen entdeckt. Der amtierende Zeitfahrweltmeister gesteht bei der Vuelta a Espania 2001 und der Weltmeisterschaft 2003 mit EPO gedopt gewesen zu sein. Erhalten hätte er dies von Dr. Jesus Losa, Teamarzt von Euskatel, den er über seinen Cofidis-Teamkollegen Massimiliano Lelli kennen gelernt hatte.  Millar legte 2011 eine Autobiografie vor, in der nähere Einzelheiten über das Doping im Team Cofidis berichtet: podiumcafe, 17.6.2011

 

Massimiliano Lelli wird im August vernommen, gibt EPO-Konsum zu und bestätigt Gaumont's Aussage: "Millar bat Dr. Menuet, mir und Vasseur die Reste der Präparation zu spritzen, die er sich gegeben hatte vor dem letzten Zeitfahren der Tour de France 2003, das er gewonnen hat." Lelli wird vom Team suspendiert..

 

Cédric Vasseur, der nie zugeben hatte, sich gedopt zu haben, gelang es, sich vom Verdacht des Kokain-Konsums zu befreien, diesbezüglich wurde er rehabilitiert und die Suspendierung wurde aufgehoben. Da er aber immer noch in  juristische Untersuchungen eingebunden war, wurde ihm von der ASO die Teilnahme an der Tour verwehrt. Bei ihm ging es noch um die von Gaumont und später von Lelli erhobenen Vorwürfe und angeblich auch um den Erwerb und Besitz von Actovegin, einem Mittel, das von Sportlern gerne zur Verbesserung der Blutzirkulation, besonders bei verdicktem Blut, eingesetzt wird. Am 22.10.04 wurden die juristischen Ermittlungen offiziell eingestellt.

 



gibt es Konsequenzen?

David Miller wurde mittlerweile für zwei Jahre gesperrt, seinen WM-Titel ist er los. Er leugnet aber weiterhin, zuletzt bei einer zweiten Gegenüberstellung mit Gaumont am 21.10.2004, beim Zeitfahren der Tour de France 2004, gedopt gewesen zu sein. Ein dem Prozess nahestehender soll laut Le Monde von einer "blockierten Untersuchung" gesprochen haben: "Es herrscht das Gesetzt des Schweigens. Alle die weiterfahren/machen möchten, schweigen." Er beklagte auch "mangelnden politischen Willen" bei der Dopingbekämpfung in Frankreich. 

 

Die Disziplinarkommisssion des französichen Radsportverbandes hat am 3.11.2004 Médéric Clain die Absolution erteilt. In Anerkennung der 7 Monate Lizenzentzug nach seinem Geständnis bei der Polizei Anfang April 2004, kann er wieder seinem Beruf nachgehen. Ob es Entscheidungen der Sport-Instanzen zu den anderen betroffenen Personen gibt, ist mir nicht bekannt.

 

Die französischen Teams gaben sich einen Ethikcode, demzufolge sie sofort alle Teammitglieder, denen ein Dopingvergehen nachgewiesen wird, entlassen werden und Fahrer, gegen die ermittelt wird, an keinen Rennen teilnehmen dürfen – Cofidis konnte diesen Code als einziges Team nicht unterzeichnen, da sie Vasseur aus arbeitsrechtlichen Gründen starten lassen mussten.

 

Der französische Radsportverband FFC wird auf Anregung des Sportministers weitere Blutparameter zur Analyse heranzuziehen und einen Grenzwert für Reticulozyten festlegen. Bei Überschreitung (ist allein noch kein Beweis für Doping) werden ergänzende bzw. zusätzliche Tests angeordnet und Fahrer sowie Team werden informiert mit dem Hinweis, dass Verdacht auf Doping bestehe. Zudem sollen Fahrer die positiv getestet wurden oder die Einnahme illegaler Substanzen zugeben haben, sofort keine Rennen mehr fahren dürfen.

 

Sportminister Lamour arbeitete weiter an seinen bereits im Januar 2004 angekündigten sechs Maßnahmen. U. A. sollen endlich echte unangekündigte Trainingskontrollen stattfinden können und französische Teams werden verpflichtet nur noch diplomiertes Fachpersonal anzustellen. Die berühmt-berüchtigten, aber beliebten Soigneurs sollen ausgegrenzt werden - diese Vorschrift wurde bereits zur Tour de France zwingend. Da Spanien durch die Aussagen Manzano's ( >>> hier mehr ) im Jahr 2004 ebenfalls heftig gebeutelt wurde, vereinbarten die zuständigen Minister beider Länder eine verstärkte Kooperation in Sachen Anti-Doping-Kampf.

 



der Prozess

Um juristische Sanktionen war es lange Zeit still. Lediglich am 8. November 2005 verurteilte ein französiches Gericht Cofidis zur Zahlung von 50 000 € an Massimiliano Lelli als Entschädigung für dessen sofortige Entlassung durch das Team nach den Anschuldigungen von Gaumont und Millar. Lelli konnte bislang keine Schuld nachgewiesen werden.

 

Vom 6. bis 10. November 2006 wurde in Nanterre dann gegen 10 Personen Anklage erhoben. Die Fahrer Massimiliano Lelli, David Millar, Philippe Gaumont, Robert Sassone, Médéric Clain, Marek Rutkiewicz und Daniel Majewski musten sich ebenso verantworten wie der Pfleger Boguslaw Madejak, der sportliche Direktor Oleg Kozlitine und der Apotheker Pierre Ben Yamin.

 

Die Angeklagten mussten sich wegen Einfuhr, Transport, Erwerb, Überlassung und Weitergabe von Dopingmitteln sowie wegen Anstiftung zum Konsum von Dopingmitteln oder maskierender Substanzen verantworten. Bei den Mitteln handelte es sich um EPO, Wachstumshormone, Testosteron, Amphetamine und Corticosteroide. Die Ermittlungen hatten ergeben, dass es im Team Cofidis kein teamintern organisiertes Doping gab, eher ein von allen Beteilgten individuell gestaltetes. Allerdings geschah dies in einem Umfeld, in dem Doping als normal galt und akzeptiert wurde. Richter Richard Pallain stellte jedoch fest: "Ich kämpfte gegen ein großes Schweigen, eine Omerta an, sowohl bei den Fahrern, den Teams und den Organisationen. Die Trennungslinie verlief zwischen denjenigen, die (im Milieu) weiterarbeiten oder weiterfahren wollten und denjenigen, die sich zurückgezogen haben."

 

Philippe Gaumont gibt zu während seiner gesamten Karriere gedopt zu haben, nur zwei Rennen habe er sauber gewonnen. Es sei auch diese Kultur des Spritzens, die zum Doping führe: "100 Spritzen pro Jahr, das ist für einen Radfahrer nicht viel."  Auch David Millar prangerte dies in einem Interview an: "Untersagt endlich ein für alle Mal alle diese Spritzen zur Regeneration. Man muss endlich mit dieser Kultur aufhören." Gaumont weiter: "Bei Cofidis habe ich nur einen einzigen Fahrer kennengelernt, der nicht dopte, das war David Moncoutié." Und wie konnte man die vorgeschriebenen medizinischen Langzeituntersuchungen ohne Verdacht zu erregen, absolvieren? Man versuchte immer gleichlautende Werte, auch mit Hilfe von Dopingmitteln zu erreichen.

 



Als Zeugen, nicht als Angeklagte, waren auch die beiden Jean-Jacques Menuet und Armand Mégret geladen. Beide wiesen Gaumonts Anschuldigungen, von den Dopingpraktiken gewusst, sie unterstützt und vor allem nichts dagegen unternommen zu haben, von sich. Menuet betonte jedoch, er habe einmal die Antidoping-Kommission wegen Dopingverdacht bei einem Fahrer benachrichtigt. Doch die primäre Aufgabe eines Teamarztes sei, sich um die Fahrer zu kümmern, nicht sie zu denunzieren. So habe er z. B. nach einem Psychologen für das Team verlangt, da Fahrer aufgrund von Schlafmitteln und anderen Substanzen unter sexuellen Störungen gelitten und Nächte damit verbracht hätten mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen. (s. a. hier)

 

37 000 € pro Jahr gab Cofidis im Durchschnitt an Medikamenten aus. Das machte ca. 100 € täglich pro Fahrer. Menuet: "Es gab 4 Mediziner, 3 Cofidis-Busse mit je einem medizinischen Fach, das ist eine nomadierende Medizin...".

 

Menuet unterstellt ebenso wie einige Fahrer den Teamverantwortlichen wie z. B. dem Manager Alain Bondue Doping zwar nicht aktiv aber indirekt und wohl wissend unterstüzt zu haben. Millar: "Alain Bondue verhielt sich äußerst unverantwortlich. Er sorgte sich überhaupt nicht um die Gesundheit der Fahrer. Es war der Arzt (Jean-Jacques Menuet), der sich, so gut er konnte, um uns kümmerte."

 

Der Prozess ging am 10.11.2006 mit den Plädoyers der Anwälte zu Ende. Sie verlangten vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen und akzeptierten Dopingkultur im Radsport die Freisprechung ihrer Klienten. Der Staatsanwalt forderte für die weiteren Angeklagten Gefängnisstrafen auf bzw, mit Bewährung.

>>> Auszüge der Aussagen von Gaumont, Menuet, Mégret und eines Interviews mit Millar (franz.)

 

Am 19.1.2007 wurden die Urteile bekanntgegeben:

David Millar und Massimiliano Lelli wurden freigesprochen, da ihre Vergehen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in Frankreich stattgefunden haben. Ex-Pfleger Boguslav Madejak erhielt eine Gefängnisstrafe von einem Jahr, davon 9 Monate auf Bewährung. Die Fahrer, Philippe Gaumont, Robert Sassone, Marek Rutkiewicz und Daniel Majewski 6 Monate auf Bewährung, Médéric Clain und Oleg Kozlitine 3 Monate auf Bewährung. Die Société Cofidis, die als Zivil-Nebenkläger aufgetreten war, musste auf alle Forderungen verzichten. Der vorsitzende Richter unterstellte Cofidis eine Mitverantwortung: "Die Regeln, die der Rennvorbereitung auf diesem hohen Niveau zugrundeliegen, ebenso wie die finanziellen Verlockungen und das Verlangen nach Ruhm können die Fahrer in der Wahl ihrer Vorbereitung beeinflussen."

"Cofidis war eingebunden in die Welt des Profiradsports und kannte dessen Dopingproblematik. Sie haben aber keine entscheidenden Maßnahmen dagegen ergriffen und mussten das offenkundige Dopingproblem (im Team) auch in seinem Ausmaß kennen. Vor allem, da das medizinische und sportliche Personal seit Längerem schon auf die Praktiken hingewiesen hatte." (le Monde, 19.1.2002)



Zwielicht

Viele Fragen läßt der Umgang mit Cédric Vasseur offen. Wer hatte ein Interesse daran, den Fahrer persönlich und/oder das ganze Team weiter zu beschädigen? Erst erwies sich die Haarprobe, mit der dem Fahrer Kokain-Konsum nachgewiesen wurde, als nicht von ihm stammend und dann tauchten unter belastenden Vernehmungsprotokollen gefälschte Unterschriften auf. Die Staatsanwaltschaft ermittelte in Polizeikreisen. Im Mai 2006 wurde ein Polizist zu 10 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wegen Fälschung der Unterschriften, zudem musste er 10 000 € an Vasseur bezahlen. Angeblich hatten die verhörenden Beamten vergessen, Vasseur unterschreiben zu lassen und holten dies auf diese Weise nach.

 

Nebenbei wurden noch 5 Journalisten, 2 der Equipe und 3 von Le Point im Oktober 2005 in Untersuchungshaft genommen wegen Verstoßes gegen das Ermittlungsgeheimnis. Der Richter in Nanterre wollte herausfinden, wie geheime polizeiliche Akten an die Öffentlichkeit gerieten. Die Journalisten wurden abgehört und ihre Büros durchsucht. 

 

Und ob wohl stimmt, was le Monde am 10.6.2004 berichtete? Danach soll es während der gesamten Ermittlungszeit Versuche, auch aus Richtung Ministerium gegeben haben, die Untersuchungen zu beeinflussen. Und, so hieß es weiter, wären die Ermittlungen entsprechend den vorliegenden Hinweisen ausgeweitet worden, hätten zwei, drei andere Teams an der Tour de France 2004 nicht teilnehmen können. Auch auf andere Sportarten, wie die Leichtathletik, wären Probleme hinzugekommen.

 

 

Beitrag von Maki

Oktober 2004


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