Prominente Zeitzeugen
Interessanter als manche Inhalte in der Studie waren viele Veröffentlichungen über und von Zeitzeugen. Die prominenteste und mehrfach veränderte kam vom jetzigen IOC-Präsidenten Bach, der als Olympiasieger von 1976 nichts von Doping mitbekommen habe – im Fechten, wie er später modifizierte. Er bekam heftiges Kontra von der Sprecherin des Olympischen Eides von München, Heidi Schüller. Sehr verwunderlich ist auch das Erstaunen von Spitzenfunktionären wie Clemens Prokop über das Ausmaß von Doping im Westen, immerhin sind sie ja im autonomen Sport der Bundesrepublik die Instanz, bei der das gesamte Dopinggeschehen zusammen läuft. Selbst der Sportausschuss und seine Vorsitzende Dagmar Freitag, Vizepräsidentin des DLV, kritisierte, die veröffentlichte Minimalversion des Berichts werfe mehr Fragen auf als sie Antworten gebe. Sie sprach von einem Bericht, „der von Auslassungen und Platzhaltern wie N.N. dominiert wird“ (2).
Besondere Beachtung verdienen die Aussagen prominenter Zeitzeugen. So berichteten die 4x100m-Olympiasiegerinnen von München, Heide Ecker-Rosendahl (3) und Ingrid Mickler-Becker durchaus Unterschiedliches. „Ich muss sagen, ich finde das alles ganz spannend, jetzt einmal Dinge zu hören, von denen ich vorher nie gehört hatte. … Ich habe nie von systematischem Doping in meiner Zeit gehört. Man hat munkeln gehört, dass es irgendetwas gibt … Ich habe 1972 aufgehört, und danach hat man sich häufiger gefragt, ob die irgendetwas mit Mitteln machen, die nicht erlaubt sind. Aber ich kann nicht sagen, dass da systematisch ausprobiert wurde, um vielleicht Aufbaumittel wie Steroide einzusetzen. Das habe ich aus späteren Zeiten gehört, aber nie zu dieser Zeit," berichtete Heide Ecker-Rosendahl dem WDR. Ingrid Mickler-Becker, ebenfalls Mitglied der Goldmedaillen-Staffel von 1972, Olympiateilnehmerin von 1960, 1964 und Olympiasiegerin von 1968, hatte schon 1964 bei Kolleginnen der DDR ‚die kleinen Blauen‘ gesehen. Auf die Frage, „Würden Sie für die anderen Mitglieder der Frauenmannschaft ihre Hand ins Feuer legen, dass sie nicht gedopt waren?" antwortete Ingrid Mickler, „Ich würde für keinen im Sport die Hand ins Feuer legen außer für meine Freundin Helga Hoffmann. Das heißt aber nicht, dass ich irgendjemand anderem etwas unterstelle.“ Und auch der folgende Frage-Antwort-Wechsel macht nachdenklich: „Gibt es Indizien, die einen Verdacht gegenüber Kolleginnen haben wachsen lassen?“ „Darüber möchte ich keine Aussage machen.“ (4)
Dafür lässt Hein Diereck Neu, der beste Diskuswerfer des DLV, keinerlei Zweifel aufkommen: «Praktisch jeder von uns Werfern, der sportlich weiterkommen wollte, hat damals mehr oder weniger regelmäßig zu Anabolika gegriffen oder es zumindest einmal probiert. Einige haben es nicht vertragen und wieder abgesetzt. Ich hatte damit keine Probleme», erklärte der heute 69-Jährige in einem Interview des «Wiesbadener Kurier». Bezogen habe er die Dopingmittel aus Freiburg. «Zusammen mit unserem damaligen DLV-Trainer Karlheinz Steinmetz sind wir regelmäßig zu Professor Armin Klümper in die Uniklinik nach Freiburg gefahren. Dort sind wir reichlich mit Spritzen, aber auch mit Tabletten versorgt worden. Ich hatte mich damals noch gewundert, dass die Krankenkasse das alles bezahlt», sagte Neu (5).
Weitere Interviews mit Spitzenathlet(inn)en der 70 Jahre im August und September bestätigen das kontroverse Bild vom Doping im Westen in jener Zeit, wobei auffällt, dass nur sehr wenige Trainer und so gut wie keine Funktionäre sich äußern, vielleicht auch nicht gefragt wurden.
Vernichtendes Urteil
Diese Zusammenfassung des Artikels‚ Dopingskandale der alten Bundesrepublik‘ von der Forschergruppe der Universität Münster im Mai 2012 ist ein Urteil, das an den Grundfesten der Struktur des freien Sports in Deutschland rüttelt. An ihm werden wohl weder der DOSB, noch die Sportpolitik und auch nicht die Sportmedizin vorbeikommen.
Wenn der Deutsche Olympische Sportbund zum Ende dieses Jahres Entscheidungen für seine Zukunft trifft, wird er sich mit der 2009 initiierten aber immer noch unvollendeten Doping-Forschung und deren Folgen intensiver befassen müssen, als das im Beschluss der Präsidiums am 16. Juli dieses Jahres geschehen ist (7).
Hansjörg Kofink 27. Oktober 2013 _________________________________
1) „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ Forschungsprojekt 2009-2012 initiiert durch den DOSB, beauftragt und gefördert durch das BISp 3) WDR 2 26.08.2013 5) Wiesbadener Kurier, 08.08.2013 6) Dopingskandale in der alten Bundesrepublik, Öffentlicher Diskurs und sportpolitische Reaktionen, bpb 30.05.12, Deutschland-Archiv
September 2013Spitzensport in Deutschland 2013 verbreitet Misstrauen. Athleten misstrauen sich gegenseitig, Zuschauer haben Zweifel an Rekorden aus der Vergangenheit. Leistungen von heute stehen unter Generalverdacht.
Dopingmeldungen gehören zum Alltag des Spitzensports. Doping und Sport vereint seit langem eine kriminelle Allianz. Statt Vorbild für die Jugend zu sein, untergräbt der Spitzensport seit einem halben Jahrhundert die Fundamente des Sports: Fair Play, den ‚Olympischen Geist‘ und Regeln, die sportlichen Wettkampf erst möglich machen. Er beschädigt nicht nur das Vertrauen unserer Gesellschaft in das ‚Haus des Sports‘, er produziert fortlaufend physische und psychische Opfer aktuell und langfristig.
Die Vereinigung der Sportsysteme Ost und West 1990 haben die Schäden beider Systeme unter der ausschließlichen Verantwortung des autonomen Sports begraben und damit für alle Zukunft fortgeschrieben. Der notwendige Bruch mit der Dopingrepublik Deutschland ist ausgeblieben. Der Sport hat sich im Bereich des Spitzensports zur Event- und Geldmaschine degradiert. Für nachwachsende Generationen sind Wettkampf und Spiel nicht mehr Entwicklung des persönlichen Talents sondern deren Vergesellschaftung. Die Vorbildwirkung des Spitzensports besteht für sie im Herandopen an tolerable Grenzwerte und im rechtzeitigen Absetzen verbotener Substanzen.
Sehr geehrte Abgeordnete, diese Pervertierung der ‚Werte des Sports‘ geschieht seit Jahren vor Ihren Augen, sie lebt von ihrer bona-fide-Finanzierung bis heute. Und das obwohl die Medien umfangreich und regelmäßig über Doping, Sportbetrug und Korruption im Sport berichten und Ausschüsse des deutschen Bundestages 1977, 1987 und zu Beginn der neunziger Jahre diesen Sachstand ausführlich und flächendeckend verbreitet und diskutiert haben. Am 2. September 2013 tagte der Sportausschuss des deutschen Bundestages in einer Sondersitzung. Ihre Vertreter wollten und sollten sich über das Desaster des unvollendeten Forschungsprojekts „Doping in Deutschland aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ äußern. Staatlich gefördertes Doping im Westen war eine der Kernaussagen.
Der anwesende Innenminister Friedrich hatte dazu nichts zu sagen, er ließ die Doping-Debatte durch sein Desinteresse versanden. Die Vertreter der Regierungskoalition beschlossen die Redezeiten und beschworen das Mantra vom sauberen Sport. Diese Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages hat, sehr geehrte Abgeordnete, die Glaubwürdigkeit dieser Republik in Sachen Sport erschüttert, sie hat die politische Integrität in Sachen Spitzensport zerstört. Wir glauben Ihnen nicht mehr, und wir zählen nicht mehr auf sie im Kampf gegen verantwortungslose Funktionäre des Spitzensports in Deutschland.
Nach einem bis dahin unvorstellbaren Medienecho auf Dopingvorwürfe bei den Olympischen Spielen 1976 reagierte der Deutsche Sportbund mit einer ‚Grundsatzerklärung für den Spitzensport‘, in der neben anderem festgehalten wurde:
Was danach folgte ist bekannt. Überlässt die deutsche Politik 2013 erneut eine gegenüber Doping völlig hilflose Führung des autonomen deutschen Sports sich selbst?
Welchen Preis wollen / werden sie dafür bezahlen?
September 2013Eine halbe Million Euro, ein halbes Dutzend Wissenschaftler aus zwei Universitäten haben nicht ausgereicht, um die Dopingvergangenheit im deutschen Sport seit 1950 zu erforschen.
Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages hat in einer bemerkenswerten Sitzung am 2.9.13 dieses Nichtergebnis auf seine Weise fortgeschrieben:
Der Spitzensport in Deutschland 2013 ist verunsichert, er treibt Athleten und Zuschauer in den Generalverdacht. Seine einzige Botschaft heute ist: Misstrauen. Jeder Euro Steuergeld zu viel ist,
Es ist Zeit, dass der Staat die Verantwortlichen des autonomen Sports auf die Grundsatzerklärung für den Spitzensport vom 11.06.1977 verweist:
Das zu vermitteln ist der Politik weder 1977 noch 1987 nach umfangreichen Anhörungen im Sportausschuss gelungen, wie Kritik aus jener Zeit belegt:
In diesem Geist von 1977 vollzog der Spitzensport WEST die Vereinigung mit dem Spitzensport OST 1990/91:
und beide haben damit in bis dahin unvorstellbarer Weise die Fundamente des Sports, das Fair Play, den ‚Olympischen Geist‘ und die vom Sport selbst gesetzten Regeln beschädigt.
Die Politik, finanziell zuständig für den Spitzensport, sah zu und zahlte. Bis heute hält sie diese Zahlungen (Zielvereinbarungen) selbst gegenüber dem Rechnungshof geheim.
Wie obskur die Haltung der Politik zum Spitzensport heute ist, lässt sich aus der Antwort des Sportsprechers der CDU/CSU, Klaus Riegert, zu den in die öffentliche Diskussion geratenen ‚Zielvereinbarungen‘ entnehmen:
Was ist das für eine Auffassung von Spitzensport? Ist das die Haltung der Männer und Frauen, die sich in wenigen Tagen in den Bundestag wählen lassen wollen?
Wir wollen das wissen!
23. August 2013Generalverdacht
Jens Knipphals, ein Spitzenleichtathlet von gestern, Deutscher Meister im Weitsprung 1979 und 1980, fühlt sich „erneut von Politik und Sportfunktionären im Stich gelassen“, wenn es um den Generalverdacht geht, der heute auf dem Spitzensport, insbesondere auf der Leichtathletik lastet. Robert Harting, Spitzenleichtathlet von heute, dreifacher Weltmeister und Olympiasieger im Diskuswerfen, sieht diesen Verdacht als „eine massive Beleidigung meiner Arbeit“ und scheut sich nicht, einen ‚handfesten‘ Angriff gegen die Doping-Opfer-Hilfe und Ines Geipel zu fahren wie schon 2009. Woher kommt dieser Generalverdacht? Doping kann nur durch eine positive Dopingprobe oder ein Geständnis konstatiert werden.
In 40 Jahren gab es in der DDR nur 2(!) positive Dopingproben. Marion Jones, Lance Armstrong und viele andere können bis zu einhundert negative Dopingproben nachweisen, ehe sie – zufällig – erwischt wurden.
Wie bekämpft man heute Doping? Der Spitzensportverband, z.B. der DLV, veranlasst Dopingproben; stellt Doping fest, entscheidet über die Veröffentlichung und letztendlich über Art und Umfang der Sanktion. Danach kann das Spiel von vorne beginnen.
Schon für München 1972 versagte der DLV seinen drei Kugelstoßerinnen mangels Endkampfchance die Teilnahme. Für Montreal 1976 lagen die DLV-Normen für die Teilnahme erheblich höher als die IOC-Normen. Prominentestes Opfer war die ehemalige Weltrekordlerin Liesel Westermann, der das die Teilnahme kostete. Gerhard Steines, mehrfacher Deutscher Meister im Kugelstoßen der 70er Jahre hat das in seinen bemerkenswerten Erinnerungen ‚Sport-Leben‘ drastisch beschrieben. www.cycling4fans.de/index.php
So entstand der Druck, der freie Athleten im ‚freien Sport‘ der freien Bundesrepublik zur freien und persönlichen Entscheidung zum Dopen brachte.
Dass die Dinge in der DDR anders lagen ist bekannt und unmissverständlich dokumentiert.
Die Vereinigung des Sports Anfang der 90 Jahre kehrte die Doping-Vergangenheit Ost und West unter den Teppich. Dass das keine Bewältigung der Vergangenheit war, zeigen Reaktionen bei allen Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften bis heute.
Deutschland hat damit das denkbar schlechteste Beispiel weltweit zur Dopingbekämpfung gegeben: Die Funktionäre der Spitzenverbände haben jede Offenlegung mit allen Mitteln verhindert, die Politik, das Bundesinnenministerium und das Parlament haben zwar Mittelstreichungen angedroht, aber nicht eine einzige realisiert. Das registrierte die gesamte Welt des Sports, das IOC und alle internationalen Spitzenverbänden.
Wie Generalverdacht entsteht zeigt das Beispiel Diskuswerfen, die Disziplin Robert Hartings.
Der Olympiasieger von 1984, Rolf Danneberg, hatte eine sehr dezidierte Haltung zu Doping. Eine seiner zurückhaltendsten Äußerungen war, er könne an der derzeitigen Praxis nichts Schlechtes finden, weil es alle machten. Sein Nachfolger von 1988, Olympiasieger Jürgen Schult, hält bis heute den Weltrekord mit 74,08m und ist seit 2001 Diskus-Bundestrainer des DLV, sei 2011 Leitender Bundestrainer für die Wurf- und Stoßdisziplinen. Unterlagen aus der NVA-Akademie in Bad Saarow schreiben ihm wie vielen anderen DDR-Athleten eine umfangreiche Dopingpraxis zu, die er bis heute bestreitet, obwohl ihm Einsicht gewährt wurde. Der sechsfache DLV-Meister Hein Diereck Neu gestand dieser Tage eine jahrelange Dopingkarriere unter dem damaligen DLV-Trainer Steinmetz. Genau den hatte Alwin Wagner, ein weiterer DLV-Werfer der Spitzenklasse, schon 1990 beschuldigt, Dopingmittel verteilt zu haben. Früherer Diskus-Meister Neu spricht offen über Doping - Bezogen habe er die Dopingmittel aus Freiburg. «Zusammen mit unserem damaligen DLV-Trainer Karlheinz Steinmetz sind wir regelmäßig zu Professor Armin Klümper in die Uniklinik nach Freiburg gefahren. Dort sind wir reichlich mit Spritzen, aber auch mit Tabletten versorgt worden. Ich hatte mich damals noch gewundert, dass die Krankenkasse das alles bezahlt», sagte Neu. (SZ 08.08.2013)
Ende 1991 wurde Steinmetz von einer Unabhängigen Juristen-Kommission, die zur Überprüfung von dopingbelasteten Trainern aus Ost und West eingesetzt war, zur Weiterbeschäftigung empfohlen - obwohl wenige Tage zuvor das Landgericht Heidelberg festgestellt hatte: "Sein gesamtes Verhalten rechtfertigt den Vorwurf, er sei ein ,Doping-Experte'." (http://www.cycling4fans.de/index.php?id=4597) Als sein langjähriger Widersacher Alwin Wagner 1990 die jahrzehntelang geduldete Dopingpraxis auch unter westdeutschen Leichtathleten offenlegte und DLV-Trainer Steinmetz beschuldigte, Dopingmittel verteilt zu haben, sprach Danneberg - neben seinen deutschen Disziplin-Größen Lars Riedel, Jürgen Schult, Wolfgang Schmidt und Alois Hannecker - in einem Brief an den DLV davon, dass sie den Trainer "als Opfer eines unglaublichen Rachefeldzuges eines alternden Athleten" sahen. (NDR – Sport-Legenden 4.12.2012)
Steinmetz war als Heimtrainer von Lars Riedel noch lange Zeit auf DLV-Kosten bei Meisterschaften unterwegs. Das NOK entsandte ihn ‚im Zuge seiner Entwicklungsförderung in Ländern der Dritten Welt, Chinas und Osteuropas‘ 2006 nach China. (DOSB 29.12.2005).
Es braucht kaum noch die ‚Olympischen Geschichten‘ des ungarischen Spitzenwerfers Robert Fazekas von 2004 bis 2012, um die Gebräuche in dieser Disziplin etwas anrüchig zu finden. Ein Hinweis auf Hartings Trainer Werner Goldmann erübrigt sich auch. Das ist bereits 2009 gelaufen. Generalverdacht entsteht immer dann, wenn Vergangenheit nicht bewältigt sondern vertuscht wird. Sie trifft alle, die Athleten, die Funktionäre, den Wettkampfsport, aber auch die verdeckte Finanzierung durch die Politik und eine Ärzteschaft, die ‚Substitution‘ und das ‚Therapiefenster‘ ins Spiel bringt. Es gibt in Deutschland viele Spitzenathlet(inn)en in Ost und West, die nicht gedopt haben, nicht im Rampenlicht standen. Der Generalverdacht deckt den Betrug ihrer „erfolgreicheren“ Kolleg(inn)en. Dank deswegen an Hein-Diereck Neu für sein Geständnis. Es fehlen noch viele, die bis heute kommenden Generationen diesen Generalverdacht hinterlassen, einen Spitzensport im Betrug.
Hansjörg Kofink 23. August 2013 DLV-Trainer Kugel Frauen 1970-1972, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes 1989-1999
18. AugustAn Robert Harting
Wenn der dreifache Weltmeister sagt, dass er seine Leistungen sauber erbringe, dann glaube ich ihm, wie ich allen geglaubt habe, die das versichert haben. Doch mein Glaube wurde in den letzten 40 Jahren immer wieder erschüttert.
Wenn Robert Harting den allgemeinen Verdacht, der – auch – die Spitzenleistungen der Leichtathletik betrifft, als „eine massive Beleidigung meiner Arbeit“, sieht, muss ihm gesagt werden, dass genau seine Disziplin einen wesentlichen Beitrag zu diesem Generalverdacht beigetragen hat.
Der Olympiasieger von 1984, Rolf Danneberg, hatte eine sehr dezidierte Haltung zu Doping. Eine seiner zurückhaltendsten Äußerungen war, er könne an der derzeitigen Praxis nichts Schlechtes finden, weil es alle machten. Sein Nachfolger von 1988, Olympiasieger Jürgen Schult, hält bis heute den Weltrekord mit 74,08m und ist seit 2001 Diskus-Bundestrainer des DLV, sei 2011 Leitender Bundestrainer für die Wurf- und Stoßdisziplinen. Unterlagen aus der NVA-Akademie in Bad Saarow schreiben ihm wie vielen anderen DDR-Athleten eine umfangreiche Dopingpraxis zu, die er bis heute bestreitet, obwohl ihm Einsicht gewährt wurde.
Der sechsfache DLV-Meister Hein Diereck Neu gestand dieser Tage eine jahrelange Dopingkarriere unter dem damaligen DLV-Trainer Steinmetz. Genau den hatte Alwin Wagner, ein weiterer DLV-Werfer der Spitzenklasse, schon 1990 beschuldigt, Dopingmittel verteilt zu haben. Früherer Diskus-Meister Neu spricht offen über Doping - Bezogen habe er die Dopingmittel aus Freiburg. «Zusammen mit unserem damaligen DLV-Trainer Karlheinz Steinmetz sind wir regelmäßig zu Professor Armin Klümper in die Uniklinik nach Freiburg gefahren. Dort sind wir reichlich mit Spritzen, aber auch mit Tabletten versorgt worden. Ich hatte mich damals noch gewundert, dass die Krankenkasse das alles bezahlt», sagte Neu. (SZ 08.08.2013)
Ende 1991 wurde Steinmetz von einer Unabhängigen Juristen-Kommission, die zur Überprüfung von dopingbelasteten Trainern aus Ost und West eingesetzt war, zur Weiterbeschäftigung empfohlen - obwohl wenige Tage zuvor das Landgericht Heidelberg festgestellt hatte: "Sein gesamtes Verhalten rechtfertigt den Vorwurf, er sei ein ,Doping-Experte'." (Wagner/Steinmetz) Als sein langjähriger Widersacher Alwin Wagner 1990 die jahrzehntelang geduldete Dopingpraxis auch unter westdeutschen Leichtathleten offenlegte und DLV-Trainer Steinmetz beschuldigte, Dopingmittel verteilt zu haben, sprach Danneberg - neben seinen deutschen Disziplin-Größen Lars Riedel, Jürgen Schult, Wolfgang Schmidt und Alois Hannecker - in einem Brief an den DLV davon, dass sie den Trainer "als Opfer eines unglaublichen Rachefeldzuges eines alternden Athleten" sahen. (NDR – Sport-Legenden 4.12.2012)
Steinmetz war als Heimtrainer von Lars Riedel noch lange Zeit auf DLV-Kosten bei Meisterschaften unterwegs. Das NOK entsandte ihn ‚im Zuge seiner Entwicklungsförderung in Ländern der Dritten Welt, Chinas und Osteuropas‘ 2006 nach China. (DOSB 29.12.2005).
Es braucht kaum noch die ‚Olympischen Geschichten‘ des ungarischen Spitzenwerfers Robert Fazekas von 2004 bis 2012, um die Gebräuche in dieser Disziplin etwas anrüchig zu finden. Ein Hinweis auf Hartings Trainer Werner Goldmann erübrigt sich auch. Das ist bereits 2009 gelaufen. Damals war Robert Harting nicht gut beraten bei seinem ‚handfesten‘ Angriff gegen die Doping-Opfer-Hilfe und Ines Geipel. - Offensichtlich hat er daraus nichts gelernt.
Robert Harting hat, wie jeder Athlet heute, einen Vertrauensvorschuss. Den kann man, wie die Geschichte des Diskuswerfens zeigt, verspielen. Erfolge von heute können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Zukunft hat der Hochleistungssport nur durch saubere Leistungen heute und eine klare Haltung zu dem, was in den letzten 60 Jahren in Deutschland geschehen ist.
Ich habe niemanden geschadet – das ist kein Sport, keine Haltung – und vor allem kein Vorbild!
Hansjörg Kofink 18. August 2013 DLV-Trainer Kugel Frauen 1970-1972, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes 1989-1999
26. Juni 2013Mein Gedenkblatt zum 30. Jahrestag von Jarmila Kratochvilovas 800-Meter-Weltrekord, zum 25. von Ben Johnsons Olympiasieg und zum 15. des Festina-Skandals der Tour de France. Et tu, Brute?
Du auch!?, ruft der Sportbegeisterte, wenn er tagtäglich sieht, wie sich die ‚Helden des Sports‘, Olympiasieger, Weltmeister und Tour-de-France-Gewinner mit ihrem Betrug prostituieren.
Es sollen Cäsars letzte Worte gewesen sein, als er unter seinen Mördern seinen (Sports-) Freund Brutus entdeckte. (Die weitere Erklärung von „brutus“ kann hier entfallen, selbst wenn auch sie zutrifft!)
Der Olympische Geist, Banner des Spitzensports, wird gegenwärtig endgültig von seinen ‚vornehmsten‘ Protagonisten in den Dreck gezogen. Grenzenloses Misstrauen ist das Einzige, was vom ‚Olympischen Ideal‘ des französischen Barons de Coubertin und vom Fair-play der großen britischen Sportnation geblieben ist, als das Allerletzte vom Vorbildcharakter des Sports. Die Gretchenfrage, wie hältst Du’s mit den Regeln, stellt keiner mehr. Sie stört. Nationalistisches Prestige, hirnlose Gier nach Erfolg, Geld und Macht habe die ‚Werte des Sports‘ gemeuchelt. Und die Politik spielt – volksnah wie immer – mit!
hansjörgkofink 26.07.2013 „Der Sport könnte ein Vorbild sein, wenn er sich selbst und die Verantwortung für seine Spielregeln ernst nimmt. Und da habe ich gemerkt, dass es im Berufssport immer schwieriger wird, vernünftige, humane Ideen umzusetzen.“
Toni Innauer *1958 Skiflugweltrekordler 1976 Olympiasieger 1980 ÖSV-Skisprungdirektor bis 2010
aus einem bemerkenswerten Interview mit Thomas Hahn in der SZ vom 28. 12. 2010 28. Januar 2013Blick zurück...
wenn großer Rummel über Doping und seine tatsächliche Existenz Überraschung und große Emotionen auf dem Olymp (Rogge) und bei der Sporthilfe (van Almsick) auslöst - vgl Kistner SZ 28.01.13, S. 31 "Eins zu einer Million" - dann sollte man nicht das eigene Haus vergessen, zumal der heutige Fuentes-Prozess in Spanien sich zunächst einmal gegen die gewonnene Weltmeisterschaft durchsetzen muss. Die letzte DOSB PRESSE 4-2013 vom 22.01.13 schaute in das Jahr 1991 und liefert als Sportpolitisches Dokument - Kein Sieg um jeden Preis - die Empfehlungen der "ad-hoc-Kommission zur Beratung in Doping-Fragen" in elf Punkten vom 14. Dezember 1991. (hängt an) Und die sind lesenswert. Sie sind ein echter Kontrast zum DOSB-Abstimmungsergebnis vom 8. Dezember 2013.
Wie herrlich weit haben wir's gebracht.
Ich leiste mir heute abend das Stuttgarter Sportgespräch 2013 "Feigenblatt Fair Play" mit Prof. Gebauer, Prof. N. Müller, DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock u.a.m. mit Moderator Eike Schulz vom ZDF. Veranstaltet wird das wie schon seit Jahren von den Kanzleien Wüterich Breucker und Lengerke Thumm mit ihrer 'Kooperation Sportrecht'.
Vielleicht gibt's was Neues!? Immerhin, so hört man, habe es eine Promotion über 'Sportbetrug' gegeben.
Medienträchtig und öffentlichkeitswirksam wäre ein Vergleich der Richthofenschen Empfehlungen mit den Erfahrungen des Sportjahres 2013 (und natürlich der Zeit davor!) Der DOSB macht's ja möglich. Was sich in vierzig Jahren getan hat, ist eigentlich unvorstellbar. Der Spitzensport in Deutschland heute ist das Erbe, das aus dem GAU der Vereinigung des Staatssports der Deutschen Demokratischen Republik mit dem ‚freien Sport‘ der Bundesrepublik Deutschland in den Wendejahren 1989 bis 1993 entstanden ist. Das Sportjahr 2012 fokussiert diese Entwicklung:
Und am Ende dieses erstaunlichen Jahres lehnt mit einer unfassbaren Mehrheit von 94% (!) das Parlament der größten NGO Deutschlands, des freien und souveränen Deutschen Olympischen Sportbundes, den Antrag ab:
Mit diesem Sport ist kein Staat zu machen.
Januar 20131972 – 2012 Eine persönliche Bilanz
Im August 1972 habe ich als verantwortlicher Bundestrainer das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) und den Deutschen Leichtathletikverband (DLV) damit konfrontiert, was die Nichtnominierung der drei DLV-Kugelstoßerinnen – alle mit Olympianorm - für die Olympischen Spiele in München, also im eigenen Land, bedeutet:
Von März bis zu den Olympischen Spielen in London im Juli 2012 haben Claudia Lepping und ich im Namen von prominenten Dopinggegnern fünf ‚Offene Briefe‘ zur aktuellen und zur grundsätzlichen Doping-Situation im Land an Politik, Sport und die Medien verschickt, alle mit der Präambel: Es reicht. Seit Jahrzehnten beißen konsequente Doping-Gegner bei Sportorganisationen und nationalen Regierungen auf Granit. Weil es dort um den nationalen Erfolg im internationalen Kräftemessen geht, gilt unausweichlich: Das System duldet Doping, aber keinen Dopingfall. Wir wiederum dulden das nicht mehr. Dem Eindruck, dass sich die Sportverbände aus Ost- und Westdeutschland zusammengefunden haben, auch um das Dopingsystem zu perfektionieren, wollen wir Dopinggegner mit vereinten Kräften entgegen treten. Wir fordern von Politik und Sport ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für einen sauberen Sport.
Was sich in vierzig Jahren getan hat, ist eigentlich unvorstellbar. Der Spitzensport in Deutschland heute ist das Erbe, das aus dem GAU der Vereinigung des Staatssports der Deutschen Demokratischen Republik mit dem ‚freien Sport‘ der Bundesrepublik Deutschland in den Wendejahren 1989 bis 1993 entstanden ist. Das Sportjahr 2012 fokussiert diese Entwicklung:
Und am Ende dieses erstaunlichen Jahres lehnt mit einer unfassbaren Mehrheit von 94% (!) das Parlament der größten NGO Deutschlands, des freien und souveränen Deutschen Olympischen Sportbundes, den Antrag ab:
Mit diesem Sport ist kein Staat zu machen.
Hansjörg Kofink Januar 2013
|
Gazzetta durchsuchen:
|
|
|
| |