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BRD / DDR - Vergangenheit



2017 Hansjörg Kofink: Gedanken, Meinungen, Kommentare





November 2017

Olympischer Ablasshandel

 

Die Winter OS 2018 werden zum Pokerspiel zwischen dem IOC und Russland. Geld für Teilnahme? Deutsche Professoren rechnen schon mal mit einer Milliardenstrafe. (1)

 

Die lebenslange Sperre für zwei russische Skilangläufer sieht deren deutscher Anwalt als unbewiesen an, denn der McLaren-Report belege russisches Staatsdoping, aber keinen des Dopings überführten Athleten .

Das IOC versucht das mit zwei Kommissionen zu beweisen. Russland bestreitet im Gegenzug ‚Staatsdoping‘ vehement und droht seinerseits mit einem Olympiaboykott. (2)

 

Die "Anti-Doping-Bekämpfung ist ein einziger, großer Witz" (3) titelt der renommierte Schweizer Publizist und Historiker Walter Aeschimann seinen Bericht über das Treffen der weltweiten NADO’s Ende Oktober in Ganterswil (CH), wo die Zulassung Russlands zu den Olympischen Winterspielen 2018 diskutiert wurde. Offizielles Thema des Symposiums war: «Anti-Doping besser machen.»

Unabhängige Berichterstatter waren nicht zugelassen, die angekündigte Pressemitteilung lag am Ende der Veranstaltung nicht vor. Dafür wurde die lebenslange Sperre der beiden russischen Langläufer veröffentlicht. „Der Entscheid wurde sicherlich in Ganterswil mit Rusada-Chef Ganus erörtert und löste in den Medien leichte Verwirrung aus. Dabei sind es im Sportpolitikgeschacher lediglich zwei Bauernopfer. Russland gibt die beiden her. Im Gegenzug wird das Land wieder in den Weltsport aufgenommen.“

 

In der unter dem 31. Oktober von der INADO ins Netz gestellten Pressemitteilung zu diesem Meeting findet man unter anderem folgendes (4):

• NADOs must be dedicated to seeking athlete advice in formulating and executing best-practice anti-doping. That includes technological innovation. The majority of athletes would be open to the possibility of GPS technology in place of ADAMS for whereabouts. Participants support the practice of dried blood spot sample collection technique and look forward to continued improvements in the technology. Given the number of well-established paperless doping control systems, WADA must move immediately to create a data management interface to enable NADOs to transfer electronically to ADAMS the data in their control.

• It is the loss of medals, and the honour of being on the podium, that hurts most when doping robs clean athletes. Sport must make this right as best it can, for example through appropriate new medal ceremonies. The personal violation, the financial losses, the loss of faith in sport organisations, and the loss of faith in sport as a power for the good, are also heart-breaking effects of doping on clean athletes.

• Perhaps dopers who are eligible to return to competition should never again be permitted to stand on the podium, to receive prize money or to hold national or world records.

• Former dopers do have a role in anti-doping. They can be powerful educators, and can provide important intelligence about doping. But they must be genuinely remorseful including apologising publicly for the hurt they have caused to clean athletes and to their sports. They should not get reduced sanctions for their contributions to anti-doping but should do so for their own rehabilitation and because it is the moral and ethical thing to do.

 

Ist das Wunschkonzert, Weihnachten oder beides? Glauben das die Hochkaräter der weltweiten Dopingbekämpfung tatsächlich? Damit hätte zwar die eben gegründete Vereinigung ‚Athleten Deutschland‘ einen heißen Ansprechpartner (5). Doch muss sie zur Kenntnis nehmen, dass auch bei der Doping-Bekämpfung künftig allein der/die Athlet/in im Fokus steht. Hightech-Produkte der Medizin und der Strafverfolgung sollen weiterhin Begleiter und Beschützer des Spitzensports sein.

 

Und warum? Weil die Doping-Bekämpfung der autonomen Sportorganisationen seit über einem halben Jahrhundert wider besseren Wissens davon ausgeht, dass Doping nur einen Täter kennt: den Überführten. Das macht die Bereinigung einfacher und folgenloser. Nur das ist und war falsch, spätestens seit die Anabolen Steroide auf den Dopinglisten stehen. Trainer, Arzt und Funktionär sind bis heute an Doping beteiligt. Dafür gibt es tausendfach Belege. Und eine späte, viele zu späte Aufarbeitung hat eben begonnen, eine, die wirklich glaubwürdig ist.

 







Oktober 2017

Goldener Oktober

 

Ganz so golden ist der Oktober nicht, blickt man auf die Schlagzeilen des Sports. Oder sind es nur goldige Medaillen, die vom Sport erwartet werden?

‚#Me, too‘ hat den Sport erreicht. Die FAZ druckte den Tweet der US-Olympiasiegerin MyKayla Maroney, SEXUELLER MISSBRAUCH IM SPORT (FAZ 19.10.2017) - schaurig aber nicht neu!

 

Das Zeug hat mich wild gemacht (DER SPIEGEL, 26.03.1990). Anabole Steroide, Anabolika‚ in Deutschland 20 Jahre lange erprobt - doppelt!

Auch das waren schaurige Geschichten, gleiche Bühne mit den gleichen Protagonisten. Das war vor einem Vierteljahrhundert, trotzdem wurde weiter gemacht. Gelernt wurde nichts!

 

Das Thema ist geblieben. Vor einem halben Jahr schrieb Evi Simeoni über Fatale Abhängigkeiten (FAZ, 11.4.2017):

Zyniker halten sexuellen Missbrauch gar für ein Mittel zur zusätzlichen

Motivation: Junge Mädchen sind in der Gefahr, in psychische Abhängigkeit von ihrem Trainer zu geraten. Es werden gezielt Eifersuchts-Situationen konstruiert, um die Mädchen zu noch größeren Anstrengungen anzutreiben. Wenn sie noch sehr jung sind – und wer Erfolg haben will, muss früh mit dem Drill beginnen –, halten sie das Interesse an ihrem Leistungs-Potential für ihre erste Liebe und zerreißen sich für den Mann, der ihnen den Weg zum Erfolg weisen kann.

 

Die beste Nachricht dieses Jahres ist die Emanzipation der Spitzenathleten: Athleten Deutschland gegründet (DLF, 15.10.2017).

Nur so wird es gelingen, die charakterlose Clique der Granden in den autonomen Sportorganisationen weltweit dazu zu zwingen, ihre eigenen Regeln einhalten.

 

Doch dazu braucht es aber auch FAIR PLAY in der Politik. Vor zehn Jahren geschah anlässlich der Rad-WM in Stuttgart Aufsehen Erregendes. Stuttgarts Bürgermeisterin brachte Funktionäre des Weltverbands vor Gericht, weil des Dopings beschuldigte Radsportler bei der WM starten wollten. Im ZDF-Bericht vom 28. September heißt es, Eisenmann hatte ihre Drohung wahrgemacht und gegen einen WM-Start von Weltmeister Paolo Bettini sowie Di Luca beim Landgericht Stuttgart eine Einstweilige Verfügung eingereicht, und

"Wir lassen juristisch bewerten, ob die Unterschrift unter die Vereinbarung bindend ist und in den Fällen Bettini und di Luca dazu analog gehandelt werden muss", sagte Eisenmann. McQuaid entgegnete: "Sie hat nicht die Wahrheit gesagt. Bettini hat alles Recht zu starten. Die Ehrenerklärung ist nicht Teil des UCI-Regelwerks." (Tagesspiegel, 27.9.2007, MZ, 30.9.2017)

Das zeigt uns, dass Politiker können, wenn sie wollen. Eisenmann ist heute Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

 

Auch die Bundeskanzlerin war vor 10 Jahren beim Besuch der LA-WM in Osaka eindeutig: "Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag werden sich in der internationalen Doping-Bekämpfung engagieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach, als sie die deutsche Nationalmannschaft vergangene Woche bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Osaka besuchte, sich für Mindeststandards bei Doping-Kontrollen in den Ländern Europas einzusetzen. „Man muss sich sehr Sorgen machen“, sagte sie über Doping im Sport und die unterschiedliche Dichte und Qualität von Kontrollen. „Ich werde in dieser Angelegenheit ein Gespräch mit unserem Sportminister Schäuble führen. Wir werden uns darum kümmern.“ (Leichtathletik-WM, Selbstverständlich dopen Athleten mit Epo, FAZ 03.09.2007).

 

Haben wir – oder Sie – da etwas versäumt oder war das einfach Politik „zum Vergessen“?

Wäre Sport auf dem Weg nach Europa über Jamaica nicht auch eine Gesprächsrunde wert?

 

Hansjörg Kofink 21.10.2017

 



September 2017

Warum Dopingbekämpfung bis heute nicht funktioniert

 

Am 2. September teilte Prof. Dr. Dr. Perikles Simon, Sportmediziner an der Gutenberg-Universität Mainz, persönlich und öffentlich seinen Rückzug aus seiner Arbeit in der Dopingbekämpfung mit. Auslöser war neben vielem anderen die durch einen Rechtsstreit mit IAAF und WADA verzögerte Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Arbeit von 2011 über das Dopingthema. Simon hält wissenschaftliches Arbeiten unter den Strukturen des weltweiten Spitzensports nicht mehr für möglich.

 

Prof. Simon ist einer der jüngsten und renommiertesten Dopingforscher Deutschlands.

 

Wenige Wochen zuvor hatte das IOC mit der ITA eine neue Testbehörde bei Olympia für die Winterspiele in Korea angekündigt. Die „Independent Testing Authority“, eine in der Schweiz zu gründende Stiftung, soll in Zukunft diese Arbeit vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) übernehmen. Die FAZ titelte ‚Erstmals unabhängige Dopingkontrollen‘, die SZ kommentierte ‚Inszenierte Unabhängigkeit‘.

 

Ob den Granden des IOC klar ist, dass sie damit ein vernichtendes Urteil über ihre eigene Dopingbekämpfung des letzten halben Jahrhunderts gefällt haben?

 

Ende Februar wurde in der ARD-Sportschau eine Alternative zum Meldesystem ADAMS vorgestellt, ein neu entwickelter GPS-Sender namens Eves. Entwickelt wurde er vom ehemaligen Leichtathleten Jonas Plass. "Durch den Einsatz eines GPS-Senders wird sichergestellt, dass der Athlet gefunden werden kann", sagt der frühere deutsche 400-m-Meister. Parallelen zu elektronischen Fußfesseln, die Gefährdern und Straftätern angelegt werden, sieht der Berliner nicht.

 

Spitzenathlet und ‚Gefährder‘ unter vergleichbarer elektronischer Dauerüberwachung zeigt in aller Deutlichkeit wie krank und unmenschlich der heutige Spitzensport und seine systemimmanente Dopingbekämpfung sind. Dass die Erfinder dem Projekt den Namen ‚Paradise‘ verpasst haben, kann nur noch ein letzter verzweifelter Gag sein.

 

Was läuft hier bis heute falsch?

 

Am Beispiel der ‚Anabolen Steroide‘, die 1970 von der IAAF und 1974 vom IOC als Dopingmittel verboten wurden, lässt sich das zurückverfolgen.

Eine Geschichte des Dopings gibt es bis heute nicht. Selbst die politische Geschichte von Uta Andrea Balbier ‚Kalter Krieg auf der Aschenbahn: Der deutsch-deutsche Sport 1950-1972‘ klammert sie aus: ‚Das hochkomplexe Thema ‚Doping‘, das im Wettkampf zwischen Ost und West eine bedeutende Rolle spielte, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht behandelt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe: Doping ist ein umfassendes kulturhistorisches Phänomen, das eine Annäherung aus verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkeln verlangt. Dazu gehört zum einen die wissenschaftshistorische Einordnung in die Entwicklung der sportmedizinischen Forschung in Deutschland, deren Anfänge sich bereits im 19.Jahrhundert nachweisen lassen. …‘ Sie verweist dabei auf John Hobermans ‚Sterbliche Maschinen‘ (1994 Aachen, 1992 New York), der in seinem Anfangskapitel den Doping-Tod von Birgit Dressel untersucht.

 

Das Verbot der Anabolika war von der IAAF ausdrücklich mit Trainingskontrollen verbunden worden. Solche Kontrollen gab es in Deutschland und vermutlich auch weltweit erst nach der deutschen Vereinigung Anfang der 90er Jahre. Gegen solche Kontrollen argumentierte das BMI noch 1988, dass eine völkerrechtliche verbindliche Konvention, „einen schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie des Sports darstellen würde“.

 

Es ist bekannt, dass Trainer, Ärzte, Funktionäre in der BRD alles taten, um positive Dopingproben zu vermeiden, bis hin zum Verfälschen solcher Proben.

In der DDR wurden positive Dopingfälle auf einfache Weise vermieden: Wer im Ausland starten wollte, musste vorher in Kreischa eine saubere Probe abliefern. Das erklärt, warum die im Sport so erfolgreiche DDR trotz massivstem Einsatz von Oral Turinabol die geringsten Dopingfälle weltweit aufwies.

 

Um das zu schaffen, waren Fachleute, Mediziner, Pharmazeuten notwendig und Trainerpersonal, das diese Zusammenhänge kannte. Gesteuert wurde das in der DDR durch den Staat.

 

In der Bundesrepublik gaben BAL und Verband die „Normen“ vor, die zur Teilnahme an internationalen Großveranstaltungen berechtigten, die sogenannte „Endkampchance“. Damit mussten Athlet(inn)en zurechtkommen; Hilfe wurde angeboten. Darüber berichteten namhafte Leichtathleten der Bundesrepublik seit 1977.

 

Diese Sachlage zeigt eindeutig, dass die alleinige Bestrafung von Athlet(inn)en bei Dopingfällen von Anfang an bewusst falsch, aber als ‚sportrechtliche‘ Lösung durch die Beweislastumkehr problemlos war. Keine(r) dopt ohne Hilfe und Mitwissen von Trainer, Betreuer, Arzt, Disziplin- und/oder Mannschaftschef.

 

Eine Bestrafung der Mitwisser und Mittäter hätte Doping gewaltig verändert und die mitverantwortliche Politik an den Pranger gestellt.

 

Das Anabolikaverbot rief die Medizin auf den Plan. Zum einen wurde mit Anabolika seit den fünfziger Jahren gedopt sowohl in den USA als auch in Europa. Der Streit, ob Ärzte die Einnahme von Anabolika steuern sollten oder könnten, wurde schon in den 60er Jahren in den USA geführt. Die ärztliche Schweigepflicht war damals schon die Abwehr jeglicher Nachfragen von wem auch immer. Hal Connolly, der amerikanische Hammerwerfer, Olympiasieger von 1956:

"For eight years [1964 to 1972] I would have to refer to myself as a hooked athlete," he told a U.S. Senate subcommittee in 1973.

He said anabolic steroids were unknown in 1956, but by the early 1960s elite Western athletes were following the example of athletes of Eastern Europe.

"By 1968, athletes in every event were using anabolic steroids and stimulants," he testified. "I knew any number of athletes on the 1968 Olympic team who had so much scar tissue and so many puncture holes in their backsides that it was difficult to find a fresh spot to give them a new shot."

 

Weshalb die IAAF Anabolika 1970 verbot, ist bis heute nicht geklärt. Mutmaßungen gibt es genügend. Vor allem die Wirkung von Anabolika auf Leichtathletinnen, ihre explodierenden Leistungen und Körper, erstmals veröffentlicht im Dezember 1969 von einer noch aktiven Athletin - Brigitte Berendonk war Athletensprecherin des DLV - könnte den Ausschlag gegeben haben.

 

Fest steht, dass die deutsche Sportmedizin dieses Verbot negierte und ihre eigene Kompetenz über jedes Verbot stellte. Ihre Festschrift zum einhundertjährigen Jubiläum des Verbandes 2012 verschweigt beispielsweise auch, dass sich führende Sportmediziner wie der damalige Präsident des Sportärztebundes, Herbert Reindell, auf dem Sportärztekongress 1976 in Freiburg für die Freigabe der Anabolika aussprachen.

 

Solange nicht eindeutig und ausnahmslos geklärt ist, dass Regelgebote des Sports nicht durch ärztliche Zeugnisse ausgehebelt werden können, werden Asthma-Mittel zur Ausrüstung von Ausdauerspitzenathleten gehören.

 

Bleiben noch die autonomen Repräsentanten des Spitzensports. Sie gelten weltweit als wenig glaubwürdig in der Durchsetzung ihrer eigenen Regeln. Sie setzen andere Prioritäten. Der britische LA-Präsident Ed Warner braucht für die Zukunft „Unterhaltungskünstler“, der deutsche DLV-Präsident ist verwundert über jede neue Doping-Enthüllung in der alten Bundesrepublik, auch wenn die „bekennenden“ alten Herren, das zum wiederholten Male tun. Seine beiden Vorgänger gingen auf sehr eigenwillige Art und Weise mit ‚Dopingtrainern‘ um. Und auch er schöpfte seine Möglichkeiten wohl nicht aus, als ein wegen Minderjährigen-Dopings rechtmäßig verurteilter Trainer sich noch einmal in dieser Sparte versuchte und von einem ordentlichen Gericht wegen Arzneimittelmissbrauchs erneut verurteilt wurde. Es gab keine sportrechtliche Untersuchung mehr, obwohl weitere Minderjährige von ihm ‚gefüttert‘ worden waren.

 

Weder der ‚deutsche Sport‘ noch die verantwortlichen Sportpolitiker haben auf die Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ reagiert, obwohl beiden darin erhebliche Versäumnisse und Verfehlungen zu dieser Thematik vorgehalten wurden.

Einer Feststellung der DOSB-Kommission zum Doping-Problem aus soziologischer Sicht wurde von niemandem widersprochen, obwohl der DOSB dem Doping-Problem aus pädagogischer Sicht erheblich mehr und weit umfassender verpflichtet ist. Wie könnte er sonst die Jugendlichen zum fairen Wettkampf aufrufen:

„Als ein zentrales Segment dieser strukturellen Bedingungen ist zunächst das System des Spitzensports selbst zu nennen. Denn der Spitzensport ist gekennzeichnet durch den Code Sieg/Niederlage. Wer sich in diesem System befindet, unterwirft sich dieser Handlungslogik, will gewinnen und möglichst nicht verlieren. Dabei ist der Zweite immer schon der erste Verlierer. …“

 

Was ist das für ein Sportverständnis deutsche Politiker, die auf Doping von vor 30 Jahren reagieren und dieses Thema nichtöffentlich in einem Bundestagsausschuss diskutieren?

 

Und auf der anderen Seite bleibt von Seiten des verantwortlichen Innenministers die Forderung ‚Gold für Geld‘, die in dieser Unverfrorenheit nicht einmal FDJ-Generalsekretär Honecker in der DDR gestellt hatte. ‚Sport ist kein Selbstzweck‘ stellte er 1948 fest.

 

Hansjörg Kofink

September 2017

 



April 2017

Wozu dienen Doping Veröffentlichungen im Sport?

 

Wem nützen die vielen Veröffentlichungen über Doping im Sport, die seit Jahrzehnten von den Medien einem weltweiten Publikum anbieten?

 

Was bewirken sie, wem nützen sie und führen sie zu irgendeinem Ergebnis?

Eine (zu) kurze Antwort vorneweg: Sie bewirken gar nichts, sie sind reine Unterhaltung mit kurzfristiger Empörungswirkung. Eine Langzeitwirkung aber bleibt – wie ein Sonnenbrand – Spitzensport steht unter Generalverdacht.

 

Wäre ein anderes Ergebnis jener umfangreichen Dopingrecherche denkbar, wenn sie bei den Empfängern, wie Sportinstitutionen, Sportpolitik, Wissenschaft, ja der Gesellschaft insgesamt, vor allem aber bei den unmittelbar Betroffenen, wie Trainer, Athleten und Funktionären Reaktionen auslösten die Folgen zeitigten?

 

Am Beispiel des derzeitig allgegenwärtigen ‚russischen Staatsdopings‘ lassen sich Reaktionen aufzeigen, die möglich gewesen wären – und vielleicht Wirkung gezeigt hätten.

 

Im März 2013 fand sich folgender Beitrag in der FAZ „Geld, Geld, Geld, Geld,“ FAZ 05.03.2013 (1) Russlands Leichtathletik-Chef Valentin Balachnitschew, früher Läufer und Trainer, ist seit 22 Jahren Präsident des russischen Leichtathletik-Verbandes. Im F.A.Z.-Interview spricht er über Doping in seiner Heimat und Moral im Sport.

 

Es ist notwendig, einen wesentlichen Teil des Interviews von Michael Reinsch hier wiederzugeben.

Wie viele Trainer oder Ärzte sind im Zusammenhang mit Doping bestraft worden?

Ich weiß von drei Fällen in den vergangen drei Jahren. Sie mussten ins Gefängnis.

 

Handelt es sich um prominente Trainer?

Nein, das waren Leute, die Doping-Mittel vertrieben haben, keine Trainer. Unser Verband verlangt nun von unseren zweihundert Trainern schriftliche Erklärungen, dass sie ihre Arbeit verlieren, falls ihre Athleten gedopt sein sollten.

 

Wie ist es möglich, dass die Trainer der mehr als dreißig gedopten russischen Leichtathleten weiter für den Verband arbeiten?

Sie verstehen das System nicht. Die Trainer meines Verbandes sind nur für die Nationalmannschaften verantwortlich. Die Athleten aber werden in den zentralen Sportschulen vorbereitet und gehören zu den regionalen Schulen. Wir sind nicht das FBI. Unsere Aufgabe sind Erziehung und Sanktionierung. Wir müssen eng mit der russischen Anti-Doping-Agentur und dem Sportministerium zusammenarbeiten. Aber ich habe keine Angst zu sagen: Wir brauchen Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen bis zum Ende dieses Problems.

 

Steckt die russische Leichtathletik in einer Krise?

Die russische Leichtathletik steckt in Schwierigkeiten. Ich bin seit 22 Jahren ihr Präsident, und ich verschwende mein Leben, indem ich gegen diese Schwierigkeiten kämpfe.

 

Welche Gründe gibt es zu dopen?

Gesellschaftliche. Es gibt ein niedriges Niveau von Moral und Bildung. Und es gibt hohe finanzielle Anreize. Die Mittel sind leicht zu besorgen. Das ist doch nicht nur in meinem Land ein Problem, dass alle Leute von Fairplay reden und sich nicht daran halten. Wir müssen Athleten zu Fairplay erziehen. Wir müssen die Moral des Sports ändern. Was bedeutet Fairplay? Es ist nur ein Image. Welches ist die Philosophie des existierenden Sports? Geld, Geld, Geld, Geld! Wir drängen die Athleten, wir drängen die Trainer, so etwas zu tun. Wir müssen da rauskommen. Wir brauchen eine Moral im Sport.

 

Wie wollen Sie das Geld rausnehmen?

Ich weiß, dass das nicht geht. Aber wir müssen darüber sprechen.

 

Glauben Sie, dass in reichen Ländern weniger gedopt wird? Oder dass reiche Athleten sauberer sind? In welchen Ländern and herrscht eine größere Moral: in armen oder reichen?

Ich kenne Russland. Ich besuche viele, viele Familien. Wenn ich Leute in kleinen Verhältnissen treffe, merke ich, dass sie ehrlicher sind.

 

Balachnitschew geriet als Finanzchef der IAAF und bei der Aufdeckung des russischen Staatsdopings ins Visier der Dopingjäger.

Auf einer IAAF-Sitzung im Februar 2015 sieht IAAF-Chef Diack russisches Doping als „ernsthafte Krise“. In derselben Sitzung tritt der IAAF-Finanz-Chef Balachnitschew von seinem Posten zurück:

"Ich habe es nicht geschafft, den wachsenden Doping-Problemen zu begegnen, und ich habe verstanden, dass ich als Präsident des Verbandes verantwortlich dafür bin", sagte Balachnitschew. Er übergebe den Verband "in gutem Zustand und schuldenfrei", ergänzte er: "Wir haben nur ein Problem: Es ist das Doping-Problem." Balachnitschews Amtsgeschäfte wird nun zunächst sein Stellvertreter Wadim Selitschenok übernehmen. (2)

 

Der gegenwärtige Zustand des Weltsports, von IOC, WADA, IAAF, FIFA ist weltweit bekannt. Nichts ist besser geworden. Doping-Archäologie ist in!

Selbst für im Sport nicht bewanderte Leser wirkt jenes FAZ-Interview vom März 2013 wie ein Hilferuf des russischen Leichtathletik-Präsidenten.

Und wer soll helfen? Die Medien haben den Zusammenhang nicht gesehen, es ist ja auch nicht ihr Geschäft.

 

Die Mediennutzer sind den schnellen Klick gewohnt und werden so bedient.

Aber was ist mit Athleten, Trainern oder mit Funktionären wie Digel und Prokop, selbst mit diesen Gremien verbandelt und nach eigenem Bekunden seit Jahrzehnten im Antidopingkampf zuhause? Nichts gemerkt oder nicht gewollt?

 

Medienschelte ist nicht angesagt, aber man sollte etwas gegen lautstarke Hohlköpfe tun!

 

Hansjörg Kofink im April 2017

 

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(1) „Geld, Geld, Geld, Geld,“ FAZ 05.03.2013

(2) Russlands Leichtathletik Chef tritt zurück Der Spiegel 17.02.2015

 





April 2017

Die Führung des deutschen Sports scheint im Kampf gegen Doping überfordert:

- Da stellen IOC und WADA fest, dass kleinste Mengen Clenbuterol in Doping-Proben der OS in Peking nicht verfolgt werden, weil sie von verunreinigtem Fleisch herrühren könnten – und das obwohl die aktuelle WADA-Liste keinen Grenzwert nennt.

- Da nennt eine Pharmazie-Dissertation Namen und vor allem Praktiken zum Anabolika-Doping in den 70er und 80er Jahren in Westdeutschland.

- Der dreißigjährige Todestag der Siebenkämpferin Birgit Dressel spült längst Verdrängtes wieder hoch, das auch heute noch tief aufwühlt und schmerzt.(1)

 

Das kommentierten die Präsidenten Alfons Hörmann (DOSB) und Clemens Prokop (DLV) und die Vorsitzende im Sportausschuss des Deutschen Bundestages Dagmar Freitag.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat eine lückenlose Aufklärung der Doping-Vergangenheit gefordert und verlangt, Lehren daraus zu ziehen. DOSB-Präsident Alfons Hörmann bezeichnete unterdessen am Montag weitere öffentliche Bekenntnisse ehemalige Doper im SWR2-Interview (2) als „wünschenswert“. „All diese Fälle helfen naturgemäß. Warum? Weil man daraus erkennen kann, wo die Schwachpunkte im System waren“, sagte er.

 

"Wenn die Dokumente und das, was ich gelesen habe, stimmen, haben sich einige Verantwortliche des DLV verantwortungslos verhalten", sagte Prokop dem SID: "Das wirft im Nachgang sicherlich kein gutes Licht auf den Verband." (3) Clemens Prokop ist der seit 2001 amtierende DLV-Präsident. Er sieht die Chance, Doping im damaligen Westdeutschland nun besser aufarbeiten zu können. "Juristisch ist das natürlich verjährt", sagte Prokop. "Aber das Spannende ist: In welchen Strukturen, mit welchen Mechanismen geschah dies damals?"

Zu Birgit Dressel: "Nachdem was heute alles bekannt ist, ist sie ein Opfer von medizinischen Praktiken geworden, die unverantwortlich waren. Losgelöst von der strafrechtlichen Verantwortung war es unverantwortlich, dass eine junge Athletin in einer für sie so gefährlichen Weise medizinisch betreut wurde", sagte Prokop.

 

Noch einen Touch unbeteiligter gibt sich die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestag, Dagmar Freitag in ihrem Interview: „Wenn sich Helden als Betrüger entpuppen.“ (4)

Manche ihrer Antworten machen ratlos, manche fassungslos, so zum Beispiel

„… Im Gegensatz dazu gab es in Deutschland West kein staatlich verordnetes Dopingsystem. Allerdings nähren auch die aktuellen Veröffentlichungen erneut die Gewissheit, dass zumindest Teile der westdeutschen Sportmedizin ganz offenbar Unterstützung beim Doping geleistet haben.“

Auf die Frage, was sie sich von der Krivec-Studie erhoffe:

„Diese Athleten könnten nicht nur das damalige System und die Akteure offenbaren, sondern auch ihre Motive offenlegen und erklären, ob sich das Doping im Rückblick „gelohnt“ hat. Sie könnten darüber hinaus als Botschafter für Fairness werben, auf die erheblichen gesundheitlichen Gefahren von Doping hinweisen und junge Leute so davon abhalten, dieselben Fehler zu machen, die sie damals gemacht haben.“

 

Lesen diese Spitzenfunktionäre, deren wesentliche Aufgabe die Doping-Bekämpfung im deutschen Sport sein sollte, keine Berichte, Protokolle, Urteile, Medien, Bücher, die sich mit Doping heute, gestern und sicher auch in der Zukunft beschäftigen? Haben der DOSB, der DLV, Regierung und Parlament keine task force, die sich mit der für den Sport überlebenswichtigen DOPING-Frage ständig beschäftigt?

 

Wie kann eine Spitzenfachverband, der Dopingproben veranlasst, überprüfen lässt und im positiven Fall veröffentlicht und sanktioniert, über seine eigene Doping-Vergangenheit so desinformiert sein, dass er Athlet(inn)en nach einer Generation um Auskunft bittet, wie sie’s den gemacht hätten?

 

Wo ist das Ergebnis, die Stellungnahmen von DOSB, allen Spitzenverbänden, dem zuständigen Bundesministerium und dem Deutschen Bundestag zu der Halbmillionen-Studie

„Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“?

 

Hörmann und Prokop haben Erfahrung mit Dopingfällen. Evi Sachenbacher-Stehle war 2006 und 2014 ein Problem für den Skiverband. Der DLV hatte den doppelten Springstein. Und der Sportausschuss des Deutschen Bundestages hatte einige Mühen mit Blutdoping am Olympiastützpunkt in Erfurt.

Haben diese praktischen Erfahrungen nicht sensibel gegenüber der Vergangenheit gemacht?

 

Warum werden die Doping-Geständnisse eines Alwin Wagners - nun das vierte Mal - auch von Funktionären immer noch als neu eingestuft? Er hatte bei seinem Karriere-Ende einen kompletten Bericht – er war Polizeibeamter – an den DLV-Rechtsausschuss und an die Staatsanwaltschaft in Darmstadt gegeben.

 

Warum befragt niemand die hochdekorierte ehemalige Frauenwartin und Vizepräsidentin des DLV über ihre Erlebnisse mit dem Erfolgstrainer Christian Gehrmann? Man kann das auch im ‚Spiegel‘ nachlesen.

 

Und dann gibt es ja auch Bücher (Berendonk, Hoberman, Singler/Treutlein) seit Jahren!

 

Hansjörg Kofink, im April 2017

 

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(1) Rutschbahn in den legalen Drogensumpf, Der Spiegel 07.09.1987

(2) DOSB-Präsident Hörmann: Ehemalige „Doper“ sollten sich outen, SWR2 Tagesgespräch, 03.04.17

(3) Prokop zu Doping in Westdeutschland: „Wirft kein gutes Licht auf den Verband“ Freie Presse 07 04 2017

(4) Wenn sich Helden als Betrüger entpuppen MBZ 15 April 2017

 



27. März 2017

Mehr Dopingbekämpfung geht nicht!

 

Clemens Prokop hat über „Die Grenzen der Dopingverbote“ promoviert, er wurde 1993 Rechtswart des DLV, 1997 Vizepräsident, 2001 Präsident und gehörte zwei Jahre der Anti-Doping-Kommission der EAA an. Davor war er am Ende der 70er Jahre einer der besten westdeutschen Weitspringer.

 

Nach einer aktuellen dpa-Meldung sieht er in der am Wochenende aufgetauchten Krivec-Dissertation eine Chance, Doping im damaligen Westdeutschland besser aufzuarbeiten. «Juristisch ist das natürlich verjährt», sagte Prokop am Montag der Deutschen Presse-Agentur. «Aber das Spannende ist natürlich: Ich welchen Strukturen, mit welchen Mechanismen geschah dies damals?» (dpa, 27.3.2017)

 

In seiner fast 25jährigen ehrenamtlichen Dienstzeit beim DLV waren dazu die Möglichkeiten sehr beschränkt.

Die ‚überraschende‘ Wiedereinstellung von „Skandal-Trainer Springstein“ vollzog das DLV-Präsidium lautlos. Als sie öffentlich wurde, gab es nachfolgende Erklärung:

…Wie jetzt bekannt wurde, existiert schon seit 1997 ein der interessierten Öffentlichkeit entgangener Präsidiumsbeschluß zur Resozialisierung im Zusammenhang mit früheren Dopingvergehen. Voraussetzung sei die Reumütigkeit des Kandidaten. Dabei genüge es, wenn er sie gegenüber dem für den Leistungssport zuständigen Offiziellen bezeuge. In diesem Fall ist es Rechtsanwalt Rüdiger Nickel aus Hanau, der Vorsitzende des DLV-Bundesausschußes Leistungssport. Er nahm, nach Auskunft der DLV-Pressestelle, Springsteins Entschuldigung an. Zur SZ sagte Nickel: „Springstein hat glaubwürdig für den Bundesausschuß Fehlverhalten eingeräumt. Wir haben daraus den Schluß gezogen, daß Springstein nun nach unseren Richtlinien für die Traineranstellung verfahren wird." Nickel sprach von einer subjektiven Einschätzung, zu der er stehe. Gleichfalls im Fall Karl-Heinz Steinmetz. Der ehedem auch dopingbelastete frühere Bundestrainer und Heimtrainer von Olympiasieger Lars Riedel besitzt auch wieder einen Honorarvertrag.

 

Damit muss sich dann auch ein DLV-Rechtswart und Vizepräsident zufrieden geben.

 

Doch es gab noch weitere Probleme. Als der resozialisierte Trainer Thomas Springstein – auch Trainer des Jahres 2002 – rückfällig wurde und 2006 erneut wegen Minderjährigen-Doping vor Gericht stand,

16. Januar 2006 Am Montag hat vor dem Amtsgericht Magdeburg die Leichtathletin Anne-Kathrin Elbe ausgesagt, von ihrem Trainer Thomas Springstein zwei Mal Rationen des Dopingmittels Andriol erhalten zu haben. Die damals Sechzehnjährige sagte im Prozeß gegen Springstein aus, im April 2003 im Trainingslager in Orlando in Florida und einen Monat später im Trainingslager in Zinnowitz an der Ostsee jeweils ein Glas mit weißen und braunen Pillen bekommen zu haben. Die braunen wurden als Mittel mit dem muskelbildenden männlichen Sexualhormon Testosteron identifiziert.

Da erkannte der DLV-Präsident Prokop die Grenze der Gerichtsbarkeit:

"Wir können die Sachverhalte auf Grund der jetzigen Sportrechtslage nicht abschließend aufklären", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop, "weil wir niemanden zwingen können, als Zeuge bei uns auszusagen." Das peinliche Ende von Untersuchungen, die doch auf teils erdrückenden Verdachtsmomenten aus den staatsanwaltschaftlichen Akten zum Minderjährigen-Prozess gegen den verurteilten Trainer Thomas Springstein fußten, der auch die drei Athleten betreute, zeigt nicht nur für Prokop "klar die Grenzen der Sportgerichtsbarkeit auf".

Dabei hatte der DLV alles getan, um diese Präzedenzfälle für die laut Innenminister Wolfgang Schäuble und DOSB-Chef Thomas Bach schlagkräftige deutsche Sportgerichtsbarkeit durchzufechten. Das Ergebnis: Die Sportjustiz ist untauglich, wenn sie sich nicht auf positive Probenfunde stützen kann - dann nutzt nicht einmal eine sportkriminelle Aktenlage. (SZ, 26.11.2008) (2)

 

Doch Clemens Prokop ließ nicht locker. Bei der WM in Berlin 2009 - der IAAF-Präsident Lamine Diack hatte schon im Voraus bedauert "Leider zweifeln die Deutschen" (ZEIT ONLINE, 18.3.2009) – gab es erneut Ärger mit ehemaligen DDR-Trainern. Sie erklärten, unter welchen Bedingungen sie in der DDR arbeiten mussten,

Wir haben bis 1990 in der DDR als hauptamtliche Trainer im Spitzensport gearbeitet. Unsere Aufgabe war es, mit unseren Sportlern internationale Erfolge, insbesondere Siege und Medaillen zu erringen. Das Sportsystem der DDR war durch eine straffe Hierarchie gekennzeichnet, unser Arbeitsgebiet durch eindeutige Dienstanweisungen klar geregelt. Dies betraf die Ausgestaltung des Trainings, aber nicht die Randbedingungen einschließlich der medizinischen Betreuung.

Wir waren im Einzelfall am Einsatz unterstützender pharmazeutischer Substanzen (Dopingmittel) beteiligt. Uns war bekannt, dass dies den Regeln des Sports widersprach, doch fühlten wir uns durch die Vorgaben des Staates legitimiert. Bei einer Weigerung, diese Mittel weiterzugeben, hätten uns der Ausschluss aus dem Leistungssport und damit erhebliche berufliche Nachteile gedroht.

 

Der DLV-Präsident wollte auch die andere Seite kennenlernen. Deswegen sein Appell: West-Trainer müssen ihr Schweigen brechen (dpa, 24.04.2009) (2):

Berlin (dpa) - Nach dem Doping-Geständnis von fünf DDR-Trainern sollen nun auch ihre früheren West-Kollegen endlich ihr Schweigen brechen. Diese Forderung hat Clemens Prokop als erster Präsident eines großen deutschen Sportverbandes erhoben. «Ich würde mir wünschen, dass auch die Trainer aus dem Westen, die in solche Praktiken in den 70er und 80er Jahren verwickelt waren, den Mut finden, sich zu erklären», sagte der Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Bei der Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit nach der Wende sei «der Blick nur nach Osten» gerichtet worden, kritisierte Prokop. «Es gab auch im Westen Trainer, die in Doping-Praktiken verwickelt waren, und die sich nie diesen Kommissionen stellen mussten wie ihre Kollegen im Osten. Bei ihnen wurde einfach die Weiterverwendung als Gott gegeben akzeptiert», stellte Prokop fest. Die Beschäftigung von Trainern aus Ost und West nach der Vereinigung begann nach seiner Ansicht «mit einer doppelten Ungerechtigkeit». Zum einen seien die Leiden der Opfer unzureichend berücksichtigt worden. Zum anderen wurden die Vorgänge im Westen völlig ausgeblendet.

 

So ist es naheliegend, dass Prokop nun nach fast fünfundzwanzig Jahren im Ehrenamt für die Leichtathletik bei DLV, EAA und IAAF die neu aufgetauchten Unterlagen zum Doping in der westdeutschen Leichtathletik «sportpolitisch» nutzen will.

 

Das war ja schon ein Anliegen seiner Dissertation, und er hat es im Ehrenamt nicht geschafft. Es war einfach nicht möglich, die Sport- und die Rechtsverhältnisse waren zu kompliziert.

 

Cui bono - doch wem nützt es jetzt noch?

 

Hansjörg Kofink, 27.3.2017

 

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(1) >>> c4f: Thomas Springstein - Leichtathletiktrainer in Ost und West

 

(2) siehe hierzu >>> Hansjörg Kofink, 1. und 2. Brief an Clemens Prokop zu ‚West-Trainer müssen ihr Schweigen brechen’, Briefwechsel April/Mai 2009

 


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