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Doping im Radsport



Eric Boyer

 

Eric Boyer, geboren am 2. 12. 1963, war von 1985 - 1995 Profiradsportler. Er fuhr 1990 zusammen Greg LeMond im Team Z die Tour de France.

 



Für l'Equipe arbeitete er später als TV-Berater/Experte und als Kolumnist. Seit Mitte Juni 2005 ist er Manager des im Jahre 2004 von Dopingproblemen gebeutelten ProTour-Teams Cofidis. Eric Boyer ist bekannt für seine offenen Worte, daher überraschte sein Engagement für Cofidis viele. Er scheint seine Haltung nicht geändert zu haben, im Gegenteil:

 

In einem Interview mit l'Equipe am 7. Oktober 2005 fordert er von seinen Kollegen und sportlichen Leitern der Radsportteams endlich mit der Omerta (Schweigegebot) Schluss zu machen, zur eigenen Dopingvergangenheit zu stehen und die Fahrer zu mehr Selbstständigkeit und Ehrlichkeit anzuregen.



Redet endlich offen!

 

Sie haben Ivan Parra, einen Kolumbianer engagiert, auf den hinter den Kulissen viele mit dem Finger zeigen…

 

Kolumbien ist ein Land mit vielen sozialen Problemen und so nimmt man an, dass die Fahrer alles tun um, Erfolg zu haben. Ich fuhr mit dem Bruder von Ivan Fabio Parra und mit Lucho Herrera. Ich lernte sie kennen. Sie sind weder besser noch schlimmer als wir. Wenn ein Kolumbianer in den Bergen gewinnt, sage ich mir, dass er an seinem Platz ist. Welche handfesten Kriterien zeigen uns, dass etwas nicht stimmt? Man beschuldigt gern ein wenig leichtfertig Fahrer kleiner Teams, kleiner Länder, die etwas abseits stehen. Etwa in dem Sinne: „Das betrifft nicht uns, das sind nicht wir.“ Damit riskiert man nichts, denn sie haben im Radsport keinen Einfluss.

 

Sind Sie sich seiner sicher?

 

Er übergab mir sein Dossier, seinen Gesundheitspass. Ich könnte eine Phrase bringen, die im Radsport sehr beliebt ist: “Er wurde niemals positiv getestet, somit ist er sauber.“ Ich werde das nicht sagen. Ivan Parra kam mit Doping genauso in Berührung, wie wir anderen, ich möchte sogar sagen, wie alle Fahrer, die vor der Festina-Affaire mit dem Radfahren begannen. Meine Rolle verlangt extrem wachsam zu sein bei denen, die ich engagiere. Ich kann mich täuschen, aber ich passe auf. Beispielsweise lehnte ich einen europäischen Fahrer ab, da er sich nicht unserem medizinischen Stab anvertrauen wollte, sondern bei seinem „Präparateur“ bleiben wollte.

 

Wer ist dieser "Präparateur"?

 

… Cecchini (*)… Ich dürfte es eigentlich nicht sagen, denn sie werden mich in der Luft zerreißen, so wie während der Tour, als ich offen Zweifel am Team Discovery Channel ("Lance n'est pas un champion"Die angefaulte Frucht) äußerte.  Sie werden mir sagen: „Pass auf! Diese Leute haben die Macht“ oder: „Es ist nicht in Ordnung, das zu sagen, du streust nur Verdächtigungen.“ Finden Sie es normal, dass niemand versucht über Armstrong mehr zu erfahren? Wusste sein Sportlicher Leiter davon, dass er sich dopte und, wenn ja, was wird man tun? Armstrong hat das EPO doch nicht in einer Apotheke gekauft um es sich dann im Hotel zu spritzen! Seine Umgebung musste davon gewusst haben.

 

Wie kann sich der Radsport nach den Enthüllungen um Armstrong aus der Affaire ziehen?

 

Die UCI hält den Schlüssel in Händen. Natürlich können die Manager, die Sportlichen Leiter, die Verbände, die Organisatoren und sogar die Fahrer entsprechend ihrer Position handeln. Der FFC (franz. Radsportverband) z. B. ist führend im Anti-Doping-Kampf. Jérôme Pineau hat auch gesagt, was ihm auf dem Herzen liegt (Interview im Ouest France, 27.7.2005). Es müssen mehr werden.

 

Aber gewisse Leiter verurteilen Pineaus Äußerungen…

 

Solange die Generation, der ich angehöre ebenso wie die davor, nicht ihr Coming-out hatten, wird man der neuen gegenüber nie glaubwürdig sein. Die Jungen haben klar das Recht uns zu sagen: „So wie wir heute leben, ist es das Erbe von euch!“ Wir alle auf diesem Niveau haben gefehlt aber niemand hat jemals gesagt: „Eh! Wo führt das hin?“ Selbst nach Festina konnten wir uns nicht die Frage stellen: „Was wird morgen geschehen? Und übermorgen?“ Im Gegenteil, Unausgesprochenes häufte sich und heute befindet sich eine ganze Generation in einer Sackgasse und ist vor allem unglaubwürdig.

 

Sie sprachen vom "Coming-out" - also…

 

Ich habe es schon einmal gesagt: EPO habe ich nicht angerührt aber Corticoide. Bei Kriterien habe ich auch Amphetamine genommen. Ich fühle mich etwas verantwortlich gegenüber den Entwicklungen, die mit EPO zu tun haben. Hätte ich doch nur anfangs der 90er Jahre den Mut gehabt, eine Gruppe zu initiieren, die sich darüber Gedanken macht, wo unser Sport steht, wohin er triftet, als ich spürte, dass EPO mit Macht kommt.  Man sprach von Blut, dass sich gefährlich verdickte und ich dachte: „Niemand im Peloton wird so verrückt sein, sich das Zeugs zu spritzen!“ Ich täuschte mich.

 

Mittlerweile haben die Teams strenge Richtlinien. Bringen diese nichts ?

 

Es kann nicht funktionieren, ein System von Repressionen zu schaffen für Dinge, die man selbst praktiziert hat und die man weiterhin leugnet. Kein einziger aktiver Leiter hat gesagt: „O.k. ich habe mich geirrt. Seit zwanzig Jahren bin ich im Radsport beschäftigt, aber ich konnte es nicht verhindern, daher gehe ich.“ Im Gegenteil, die Typen sind seit Jahren da, unverrückbar. Sind sie für den Sport da oder ist der Sport für sie da? Man muss sicher nicht soweit wie im Fußball gehen, wo eine Mannschaft dreimal während einer Saison den Trainer wechseln kann, aber man könnte sich schon von etwas mehr Verantwortungsbewusstsein inspirieren lassen. Im Radsport haben die Leiter drakonische Regelungen eingeführt, die extrem plump sind, denn um diese anzuwenden muss Recht ausgesetzt werden. Nach 1998 verhielt man sich etwas lax aber plötzlich herrscht Panik. Man geht weiter als es die Justiz erlaubt, das ist lächerlich. Zuerst muss man damit beginnen, die Kommunikation/den Diskurs zu ändern.

 

Es scheint nicht einfach zu sein, das Gespräch aufzunehmen. Die Jungen scheinen die Sprache der Älteren zu wiederholen…

 

Sie beginnen aus diesen Stereotypen herauszufinden, doch es ist immer noch schwierig, sich öffentlich zu äußern. Wenn zu meiner Zeit ein Fahrer wir Pineau gesprochen hätte, wäre er am nächsten Tag vom Sportliche Leiter (bei mir war es Roger Legeay) fertig gemacht worden. Es galt nur eine Meinung. Auf alle Fälle hätte niemand geredet. Denn es gab nur eine Sanktion für die, die es gewagt hätten: Der Vertrag wäre nicht verlängert worden.

 

Und was ist heute anders?

 

Die Fahrer haben mehr Freiheiten. Noch nicht genug, und man muss die Jungen unbedingt dazu ermuntern zu sagen, was sie auf dem Herzen haben. Die Manager, die schon viele Jahre dabei sind - die einflussreichsten sind Ferretti, Stanga, Legeay, Saiz und noch andere - müssen bei sich selbst anfangen und den offenen Dialog zulassen. Sie haben ihre Fahrer schon zu lange zum Schweigen gezwungen.

 

Aber immer wieder hört man von den Ehemaligen (Guimard, Hinault oder Fignon), dass die Franzosen schlecht/falsch trainieren….

 

Diese Kritiken bringen nichts. Die Fahrer bekommen davon nur den Eindruck, sie seien faul. Am Schlimmsten ist das was Laurent Fignon, den ich sehr mag, häufig sagt, dass er, als er noch aktiv war, die Nase voll hatte von Ehemaligen, die immerzu Ratschläge erteilten und dass er dies nie machen würde.

 

Würden Sie es vorziehen, dass (die Manager) eine härtere Position einnähmen gegenüber Mehrfachtätern, die immer wieder ein neues Team finden…

 

Ich bin dafür, ihnen keine zweite Chance zu geben. Direkt nach der Festina-Affaire war es in Ordnung, dass die Fahrer die Möglichkeit hatten sich zu rehabilitieren und ihren Sport zu ändern. Seitdem gab es zu viele Affairen, nichts wurde in Ordnung gebracht. Sobald es Beweise gibt, muss hart bestraft werden.

 

Um das Übel auszumerzen, benachrichtigt die UCI per Brief Fahrer, deren Blutparameter auffällig sind, so letztes Jahr Fahrer von Phonak und Euskatel…

 

Es genügt nicht, wenn die fragliche Mannschaft keine harten Entscheidungen trifft. Euskatel arbeitet jetzt mit einem anderen Arzt und hat viel weniger gute Resultate. Daraus kann man, wenn man möchte, Schlüsse ziehen, doch wenn die UCI auf diese Weise gewisse Fahrer überprüfen möchte, ist das schon in Ordnung. Ein guter Fortschritt wäre es auch, wenn die medizinischen Langzeituntersuchungen harmonisiert würden und somit in allen Ländern gleich wären. Ein weiterer wäre, die Lizenz derjenigen, deren Parameter auffällig sind, einzuziehen.

 

von DOMINIQUE ISSARTEL

 

(*) Mehr Informationen zu Luigi Cecchini 

 

Maki

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