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Bruno Büchner

 

 


Portrait II

Bruno Büchner wuchs als Sohn eines Buchhalters in Ebersbach auf. Nach einem Realschulabschluss besuchte er die Ingenieursschule in Mittweida, anschließend machte er ein Praktikum bei Dürkopp & Co. in Bielefeld. Nach Abschluss seines Studiums erhielt er eine Anstellung bei den Puch-Werken in Graz.[1]



Radsport-Laufbahn

Mit dem Radsport begann Büchner in der „Grazer Trainierschule“ von Alexander Gayer, der als erster offiziell anerkannter Radsporttrainer gilt.[2] 1893 nahm er an der 582 Kilometer langen Distanzradfahrt Wien–Berlin teil und kam als Zehnter nach 36 Stunden und 37 Minuten ins Ziel.[3] Hauptsächlich fuhr Büchner jedoch Rennen auf der Bahn, und die zunächst noch auf dem Hochrad. So gewann er 1895 die Meisterschaft von Böhmen und im Jahr darauf die Hochradmeisterschaft von Österreich in Graz. Anschließend wechselte er auf das Niederrad und gewann die Meisterschaft von Rumänien. 1896 wurde er Zweiter der deutschen Meisterschaft im Sprint hinter dem späteren Weltmeister Willy Arend. Gemeinsam mit dem österreichischen Rennfahrer Franz Seidl bildete er ein erfolgreiches Tandempaar.[4]. Auch Franz Seidl wurde ein Flugpionier; im Juni 1913 starb er bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Wien.

 

Im Jahre 1900 beendete Büchner seine Rennfahrer-Karriere, hauptsächlich weil er nach einem Sturz in Leipzig zwei Jahre zuvor nur noch wenig Erfolg hatte. Noch 1908 wurde er in einer Statistik mit einer Gewinnsumme von 10.685 Mark auf Platz 10 der erfolgreichsten deutschen Flieger (Sprinter) auf ausländischen Bahnen 1895-1908 geführt.[5] Gegen Ende seiner Rennfahrer-Laufbahn eröffnete Büchner in der Nähe des Sportparks Friedenau in Berlin ein Restaurant, in dem die Rennfahrer-Kollegen verkehrten, und eine Rennfahrerschule, beides ohne geschäftlichen Erfolg.[6]



Autorennfahrer und Pilot

Anschließend arbeitete Büchner erneut bei Dürkopp in Bielefeld, eröffnete dann eine eigene Kraftfahrzeughandlung mit Reparaturwerkstatt in Magdeburg und nahm an Autorennen teil.[7] Im Februar 1907 wurde er Zweiter der Automobilwettfahrt Stockholm-Göteborg. Im Juni desselben Jahres fuhr er während des Trainings zum „Kaiserpreis“ seinen Rennwagen zu Schrott. Er startete mit einem Ersatzwagen, einem „Horch“, bei diesem Rennen, an dem auch Fritz Opel und der ehemalige Radrennfahrer Thaddäus Robl (auf einem Gaggenau) teilnahmen. Dann schied er jedoch nach dem ersten Lauf aus.[8]



Büchner als Pilot (1910)

Ab 1910 war Bruno Büchner als Fluglehrer und -bauer an der Automobil-Fachschule in Zahlbach bei Mainz, Abteilung Flugtechnik, tätig und unterrichtete u.a. Anthony Fokker, den späteren Gründer der Fokker-Flugzeugwerke. Büchner, der nicht viel mehr Ahnung hatte vom Fliegen als seine Schüler und zudem sehr schwergewichtig geworden war, demolierte jedoch das einzige, leichte Flugzeug der Schule bei einem Flugversuch. Erst im Jahr darauf erwarb er auf einem Aviatik-Doppeldecker als 53. Deutscher den Pilotenschein.[9][10] Im selben Jahr wurde er Zweiter des „Sächsischen Rundflugs“.[11] Ab Frühjahr 1912 arbeitete Büchner als Fluglehrer und Werkspilot für die „Deutschen Flugzeug-Werke“ (DFW) in Leipzig-Lindenthal, war an der Entwicklung des „Mars-Doppeldeckers“ und eines Holz-Propellers von Hugo Heine beteiligt. Im September desselben Jahres startete er in Heiligendamm beim „Ersten deutschen Wasserflugzeug-Wettbewerb“ auf einem Aviatik-Wasserdoppeldecker. Bei letzterer Konkurrenz konnte er sich als einziger Pilot für den „Hauptwettbewerb“ qualifizieren, welcher zum Aufbau einer Marineflieger-Abteilung der deutschen Armee dienen sollte.[12]

 

Im Jahre 1913 nahm Bruno Büchner gemeinsam mit dem Schweizer Flieger Albert Rupp auf bulgarischer Seite am Zweiten Balkankrieg teil. Die beiden Piloten reisten mit 25 Flugzeugen - zerlegt und in Kisten verpackt - im Zug nach Swilengrad, damals Mustafa Pascha, um sie dort abzuliefern. Zudem flogen sie selbst an die Front, um Truppenbewegungen zu beobachten und Botschaften abzuwerfen. Einmal geriet Büchner in feindliches Feuer, und seine Maschine bekam 25 Treffer, dennoch konnte er sicher landen. Auch auf der feindlichen Seite des Osmanischen Reichs waren deutsche Flieger aktiv, darunter der Türkenflieger Reinhold Jahnow.[13] Als sich Büchner und Jahnow einmal in der Luft begegneten, drehte der Kampfflieger Jahnow, ohne zu feuern, ab, da er die markante Erscheinung von Büchner erkannt hatte.[14]



Büchner in Afrika

Im Mai 1914 reiste Bruno Büchner mit seiner Frau per Schiff nach Deutsch-Südwestafrika, um dort im Auftrag des Berliner Warenhausbesitzers Rudolph Hertzog, der in Swakopmund eine Filiale betrieb, erste Flugversuche und -vorführungen zu machen.[15] Auch drei Flugzeuge der Pfalz-Flugzeugwerke wurden verschifft.



So stellte 1914 ein Zeichner der Deutschen Kolonialzeitung die Postzustellung durch Büchner in Deutsch-Südwestafrika dar.

Die Flugversuche von Büchner im Südwesten Afrikas, bei denen auch erstmals der Einsatz von Flugzeugen für den Postverkehr getestet werden sollte, gestalteten sich aufgrund von Turbulenzen und starkem Wind äußerst schwierig. Im Juli 1914 wurde eines der Flugzeuge nach Deutsch-Ostafrika verschifft, wo Büchner die Maschine auf einer dort geplanten Landesausstellung vorführen wollte. [17] [18]

Als er mit seiner Frau in Sansibar ankam, war inzwischen der Erster Weltkrieg|Erste Weltkrieg ausgebrochen. Büchner stellte sich und sein Flugzeug dem Kommandeur der deutschen Schutztruppe, Paul von Lettow-Vorbeck, zur Verfügung, wurde später abgeschossen und schließlich von den Engländern mit seiner Frau in Daressalam interniert; in Deutschland galt er als tot. Erst nach dem Krieg kehrte das Ehepaar nach Deutschland zurück.

Am 18. Mai 1914 jedoch flog Büchner mit 60 Postsendungen, die den Stempel „Erster Flugpostversuch in DSWA“ trugen, von Swakopmund nach Usakos, das er mit zwei Zwischenlandungen erreichte; für die rund 150 Kilometer lange Strecke, die er entlang der Eisenbahntrasse flog, benötigte er fast einen ganzen Tag. Eine 50-Cent-Briefmarke und ein Ersttagsbrief der Post von Namibia erinnerten 75 Jahre später an dieses Ereignis. [16]

 

Büchner und seine Ehefrau machten zunächst in Sansibar Station, das zum britischen Kolonialreich zählte. Am 4. August 1914, kurz vor der Weiterreise nach Deutsch-Ostafrika, traf die Nachricht vom Kriegseintritt Großbritanniens als Gegner Deutschlands ein. Der Erste Weltkrieg war ausgebrochen. Das Ehepaar Büchner schiffte sich samt Flugzeug umgehend weiter nach Daressalam ein, wo sie kurz darauf wohlbehalten eintrafen.[19]



Der Pfalz-Doppeldecker von Büchner über der Savanne in Deutsch-Ostafrika


Büchners Flugzeug wird 1914 nach Unfällen wieder aufgebaut
diesmal als Wasserflugzeug und kommt erneut zum Einsatz


Pensionswirt auf dem Obersalzberg

Anfang der 1920er Jahre pachteten Bruno Büchner und seine Frau die „Pension Moritz“ auf dem Obersalzberg, tauften sie in „Platterhof“ um, als Reminiszenz an den damals populären Roman von Richard Voß „Zwei Menschen“, und erweckten zu Werbezwecken den Eindruck, die (fiktive) Judith Platter aus diesem Buch habe dort gelebt. Bei ihnen fand 1923 der nationalsozialistische Publizist Dietrich Eckart Unterschlupf. Im Sommer 1925 diktierte der Pensionsgast Adolf Hitler iin einer kleinen Blockhütte auf dem Grundstück der Pension, dem später sogenannten „Kampfhäusl“, einen Teil seines Manuskripts von Mein Kampf. Büchners Frau Elisabeth schenkte dem Gast eine aus Afrika mitgebrachte Nilpferdpeitsche, und ihr Mann, ein früher Parteigänger der NSDAP, versandte nach 1933 Ansichtskarten seiner Pension mit dem Stempel: „Lieblingsaufenthalt Adolf Hitlers – unseres Führers“.[20][21]

 

Nach der Machtergreifung geriet Büchner jedoch unter Druck, seine Grundstücke an Martin Bormann (weiter unter Wert) zu verkaufen, da der Obersalzberg als exklusiver Rückzugsort für die Spitzen des Staates zum Führersperrgebiet ausgebaut werden sollte (s. Obersalzberg: Umgestaltung). Als er sich mit Hinweis auf seine langjährige Parteimitgliedschaft und seine Bekanntschaft mit Hitler zunächst weigerte, wurde er verunglimpft und sollte aus der Partei ausgeschlossen werden.[22] Schließlich mussten die Büchners 1936 wie alle anderen Bewohner des Obersalzbergs aufgeben und wegziehen. Am 30. November 1943 erlag Bruno Büchner im österreichischen Munderfing einem Herzschlag.



Quellen

1. Egbert Wünsche: Oberlausitzer Fliegergeschichten, Neugersdorf 2004, S. 71ff.

2. Walter Lemke/Wolfgang Gronen: Geschichte des Radsports und des Fahrrads, Eupen 1978, S. 155

3. „Rückblick auf die Distanz-Radfahrt Wien-Berlin 1893“, hrsg. v. vom Comité Berlin. Nach: Kurt Graunke/Walter Lemke/Wolfgang Rupprecht: Giganten von einst bis heute: Die Geschichte der deutschen Profi-Straßenradrennfahrer. München 1993, S. 237

4. Auch Franz Seidl wurde ein Flugpionier; im Juni 1913 starb er bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Wien.

5. Sport-Album der Rad-Welt, 7. Jg./1909, S. 121

6. Rad-Welt, 9. Juni 1897

7. Sport-Album der Rad-Welt, 2. Jg./1903, S. 63

8. Rad-Welt, 9. Juni 1907

9. Willi Hackenberger: Die alten Adler: Pioniere der deutschen Luftfahrt. München 1960. S. 73

10. fokkerf27.nl, 14.6.2011

11. Hackenberger, S. 67

12. rostock-airport.de, 14.6.2011

13. Jahnow gilt als der erste deutsche Offizier der Fliegertruppe, der im Ersten Weltkrieg fiel. Er starb im Einsatz am 12. August 1914.

14. Peter Supf: Das Buch der deutschen Fluggeschichte, Band II. Berlin 1935, S. 117 und 121. Dass die deutsche Seite hier zweigleisig fuhr, ist damit erklärbar, dass das Deutsche Reich zwar mit dem Osmanischen Reich verbündet war, der damalige bulgarische König, Ferdinand I., aber aus dem deutschen Fürstenhaus Sachsen-Coburg und Gotha stammte.

15. Sebastian Mantei: Von der „Sandbüchse“ zum Kommunikationsnetzwerk: Die Entwicklungsgeschichte des Post- und Telegraphenwesens in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1894-1915). Diss. phil. Halle 2004, S. 107

16. pfw.de

17. Ludwig Boell: Die Operationen in Ostafrika. Weltkrieg 1914-1918. Hamburg 1951, S. 26

18. Karl-Dieter Seifert: Deutsche Flieger über den Kolonien. Zweibrücken: VDM, 2007, S. 61 f. ISBN 978-3-86619-019-1

19. Seifert, S. 101 f.

20. Ulrich Chaussy/Christoph Püschner: Nachbar Hitler. Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. Berlin 2007, S. 96

21. Postkarte von Bruno Büchner an Fredy Budzinski, o.D., Archiv Fredy Budzinski, Zentralbibliothek der Deutschen Sporthochschule Köln, Nr. 15

22. Bayerisches Historisches Archiv, StK 114 105

 



 

Text und Bilder von Renate Franz, hier veröffentlicht im Juni 2011

 


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