Ein Held, ja wann ist ein Fahrer eigentlich ein Held? Kann ein Fahrer im Sinne des Radsports überhaupt zu den Helden der Saison 2004 gezählt werden, wenn er in dieser Saison keine großen Siege aufzuweisen hat?
Wir haben uns trotzdem entschlossen, Filippo Simeoni von Domina Vacanze zu einem der Helden 2004 zu küren. Seine Heldenleistung lässt sich nicht aus seinen Palmares (7 Siege) ablesen, nein, um seinen Heldenstatus zu erklären, darf man nicht Sieg und Niederlage als Maßstab nehmen.
Simeoni ist kein Lance Armstrong, kein Jan Ullrich, der durch große Siege überzeugt. Dennoch hätte man bei der diesjährigen Tour de France als Laie denken können, dass Simeoni eine Gefahr für den Amerikaner darstellte. Warum sollte er einem Fahrer, bei dem Versuch zu einer Ausreißgruppe aufzuschließen, nachstellen, wenn dieser für ihn keine Gefahr darstellte? Aber ein Blick auf die Gesamtwertung ließ diese Vermutung schnell zunichte machen. Warum also dann?
Wie so viele seiner Kollegen vertraute Filippo Simeoni in den 90er Jahren auf einen Mediziner namens Michele Ferrari, der den Beinamen Dr. Epo verpasst bekam. Als diesem italienischen Arzt wegen Dopings der Prozess gemacht wurde, war Filippo Simeoni der einzige (ehemalige) Patient, der vor Gericht sich nicht hinter fadenscheinigen Erklärungen versteckte, sondern offen und ehrlich über die Praktiken des Arztes Auskunft gab und sich somit auch selbst belastete. Er kassierte dafür auch die notwendige Sperre, kam aber anschließend als „sauberer“ Athlet zurück und wollte beweisen, dass man auch ohne Doping Radsport betreiben kann. Nach seiner Sperre hat er drei Siege einfahren können: zwei Etappensiege bei der Vuelta (2001 und 2003) sowie ein Etappensieg bei der Österreichrundfahrt (2004).
Das alles wäre wohl nicht groß beachtet worden, wenn Lance Armstrong Filippo Simeoni bei der Tour de France nicht nachgesetzt hätte. Zu diesem Zeitpunkt war für Armstrong Dottore Ferrari noch ein „Ehrenmann“. Viele Experten rieben sich verwundert die Augen und wurden erst durch die Rückholaktion von Armstrong auf Simeoni aufmerksam. Armstrong bezeichnete sich als Interessensvertreter des Pelotons, Simeoni empfand die Rückholaktion als Strafe für seine Aussage im Dopingprozess gegen Ferrari. Jeder durfte gewinnen, nicht aber der Fahrer, der von einem Fahrerkollegen als „Schande“ für den Radsport bezeichnet wurde. Sollte gar versucht werden einen Zeugen im laufenden Dopingprozess zu beeinflussen?
Wenn man diese Vorkommnisse Revue passieren lässt, kann man sich schon fragen, wie weit es mit der Ehrlichkeit im Radsport bestellt ist... Warum wird Ehrlichkeit bestraft und nicht von der Mehrheit unterstützt? Was will uns DVE-Teammanger Santoni mit folgenden Worten sagen: “Der Wert eines Champions zeigt sich nicht nur durch seine Leistung, sondern auch durch sein Verhalten“? Vielleicht nur soviel: Filippo Simeoni ist ein Champion, nicht wegen seiner Siege, Filippo Simeoni ist ein Vorbild, ein Symbol für den schweren Kampf gegen Doping. Und deswegen ist Filippo Simeoni auch einer der Helden 2004!
Text von Cyclist